VwGH vom 14.04.2011, 2008/04/0209
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) vom , Zl. BMWA- 329.792/0002-I/9/2007, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 349 Abs. 4 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin brachte in ihrem undatierten, an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gerichteten Antrag vor, sie betreibe das Gewerbe des Versicherungsmaklers. Seit der Umsetzung der Vermittlerrichtlinie in österreichisches Recht sei eine Häufung von Fällen festzustellen, in denen Versicherungsagenten - und hier vor allem Mehrfachagenten - nach außen hin wie Makler aufträten und damit ganz massiv Beratungstätigkeiten vornähmen, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin dem Berufsstand der Makler vorbehalten seien.
Ihren Rechtsstandpunkt legte sie in weiterer Folge wie folgt dar:
Mehrere Agenturverhältnisse dürften mit konkurrenzierend anbietenden Versicherungsunternehmen nicht abgeschlossen werden bzw. dürften diesbezügliche Auswahlberatungen bzw. die Erstellung von Vergleichen nicht durchgeführt werden, weil dies den Versicherungsmaklern vorbehalten sei. Versicherungsagenten sei es auch nicht erlaubt, Bevollmächtigungsverträge mit Versicherungskunden zu schließen, soweit mit diesen Bevollmächtigungsverträgen rechtsgeschäftliche Erklärungen gegenüber dem Versicherungsunternehmen abzugeben seien. Es handle sich hiebei um eine unzulässige Doppelvertretung, um eine nicht aufzulösende Interessenkollision sowie um ein zivilrechtlich unzulässiges In-Sich-Geschäft. Sie beantrage daher eine Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) den Antrag der Beschwerdeführerin, es möge festgestellt werden, dass
"1.) der Abschluss von Maklerverträgen mit verschiedenen Versicherungsunternehmen (Courtage-Vereinbarungen) ihrem Gewerbe der Versicherungsvermittlung in der Form 'Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten' vorbehalten ist und die Begründung von mehreren Agenturverhältnissen mit konkurrenzierend anbietenden Versicherungsunternehmen nicht in den Berechtigungsumfang des Gewerbes der Versicherungsvermittlung in der Form 'Versicherungsagent' fällt;
2.) der Abschluss eines Bevollmächtigungsvertrages zwischen einem Versicherungsvermittler und seinen Versicherungskunden über die Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen gegenüber dem Versicherungsunternehmen in den Berechtigungsumfang ihres Gewerbes der Versicherungsvermittlung in der Form 'Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten' fällt und vom Umfang des Gewerbes der Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent nicht umfasst ist"
gemäß § 349 Abs. 4 GewO 1994 zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde zunächst aus, die Beschwerdeführerin sei zur Ausübung des Gewerbes der Versicherungsvermittlung in der Form "Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten" berechtigt; es stehe ihr daher nach § 349 Abs. 2 GewO 1994 das Recht zur Stellung eines Antrages nach § 349 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zu. In weiterer Folge legte die belangte Behörde dar, dass in der Gewerbeordnung 1994 eine genaue inhaltliche Abgrenzung zwischen den verschiedenen Formen des Gewerbes der Versicherungsvermittlung nicht enthalten sei. Der Unterschied zwischen einem Versicherungsagenten und einem Makler liege darin, dass der Versicherungsagent ständig von einem anderen Unternehmen mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften in dessen Namen und für dessen Rechnung betraut sei und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübe, wohingegen der Makler auf Grund einer privaten Vereinbarung (Maklervertrag) für einen Auftraggeber Geschäfte mit einem Dritten vermittle, ohne ständig damit betraut zu sein.
Der Versicherungsagent sei nach den maßgeblichen (wiedergegebenen) Gesetzesbestimmungen demnach ein vertraglich gebundener Versicherungsvermittler, der das Interesse des Geschäftsherrn (Versicherungsunternehmer) mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers wahrzunehmen habe. Zur Erlangung einer Berechtigung zur Tätigkeit der Versicherungsvermittlung müsse ein (gebundener) Mehrfachagent anders als ein (gebundener) Ausschließlichkeitsagent jedenfalls eine Haftpflichtversicherung oder Deckungsgarantie im Sinne des § 137c Abs. 1 GewO 1994 nachweisen.
Es sei dem Versicherungsagenten zwar gestattet, durch Eingehen von Agenturverhältnissen mit mehr als einem Versicherungsunternehmen als Mehrfachagent tätig zu werden, er dürfe aber nicht zu Versicherungsprodukten verschiedener Versicherungen eine sich auf die Kundenbedürfnisse abstellende, auf eine ausgewogene Marktuntersuchung stützende Beratung anbieten. Er müsse vielmehr nach § 137g GewO 1994 aus dem Angebot seiner Vertragsversicherer eine Auswahl im Hinblick auf das Interesse des Kunden treffen und sei nach § 137f Abs. 9 leg. cit. bei deren Beratung auf die Produkte seiner Vertragsversicherer beschränkt.
Eine Doppelvertretung sei nach österreichischem Recht zumindest dann zulässig, wenn die Vertragsteile dieser zugestimmt oder sie genehmigt hätten. Insoweit beim Abschluss eines Bevollmächtigungsvertrages des Versicherungsagenten mit dem Versicherungskunden über die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen gegenüber dem von ihm vertretenen Versicherungsunternehmen eine Interessenkollision mit seinen gesetzlichen Aufgaben als Erfüllungsgehilfe des Versicherers zu befürchten sei, sei der Versicherungsagent im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung zum Abschluss solcher Bevollmächtigungsverträge nicht berechtigt. Hingegen finde im Umfang der vorliegenden Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin der Abschluss von Bevollmächtigungsverträgen mit Versicherungskunden zur Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen gegenüber dem Versicherer eindeutig Deckung.
Da nach der dargestellten Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall kein ernst zu nehmender Zweifel über die zur Entscheidung gestellten Fragen bestehe, habe von der Einholung schriftlicher Stellungnahmen der berührten Gliederungen der Wirtschaftskammer abgesehen werden können und es habe der Antrag in Anwendung des § 349 Abs. 4 GewO 1994 zurückgewiesen werden können.
3. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 405/08-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom , B 405/08-6, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In ihrer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die Beschwerdeführerin replizierte.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. § 94 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 161/2006 lautet (auszugsweise):
"Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:
…
Z. 76. Versicherungsvermittlung (Versicherungsagent, Versicherungsmakler und Beratung in Versicherungsangelegenheiten)
…"
§ 137 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 131/2004 lautet (auszugsweise):
"(1) Bei der Tätigkeit der Versicherungsvermittlung handelt es sich um das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Es kann sich dabei insbesondere um Versicherungsagenten- oder um Versicherungsmaklertätigkeiten im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG), BGBl. Nr. 2/1959, in der geltenden Fassung, und des Maklergesetzes, BGBl. Nr. 262/1996, in der geltenden Fassung, handeln.
(2) Nach diesem Bundesgesetz kann die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung - entsprechend der tatsächlichen Beziehung zu Versicherungsunternehmen - in der Form 'Versicherungsagent' oder in der Form 'Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten' erfolgen und zwar im Umfang einer Gewerbeberechtigung nach § 94 Z 75 oder Z 76 oder als Nebengewerbe. Bei einem Nebengewerbe kann es sich entweder um ein sonstiges Recht im Rahmen einer Berechtigung nach diesem Bundesgesetz im Sinne des § 32 Abs. 6 oder um eine Nebentätigkeit zur Ergänzung von im Rahmen einer Hauptberufstätigkeit auf Grund eines anderen Gesetzes gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen handeln.
…"
§ 137b GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 131/2004 lautet (auszugsweise):
"…
(3) Wird die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ausschließlich in der Form Versicherungsagent ausgeübt und werden weder Prämien noch für den Kunden bestimmte Beträge in Empfang genommen und erfolgt die Tätigkeit aufgrund eines Nebengewerbes, so kann die fachliche Eignung, sofern eine Verordnung nach § 18 dies vorsieht, durch eine Bestätigung des Versicherungsunternehmens (der Versicherungsunternehmen) über eine Ausbildung, die den Anforderungen im Zusammenhang mit den vertriebenen Produkten entspricht, erfolgen.
…"
§ 137c GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 131/2004 lautet (auszugsweise):
"(1) Zur Erlangung einer Berechtigung zur Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ist eine für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft geltende Berufshaftpflichtversicherung oder eine andere, die Haftpflicht bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten abdeckende wirtschaftlich und rechtlich dazu mindestens gleichwertige umfassende Deckungsgarantie in Höhe von mindestens 1 000 000 Euro für jeden einzelnen Schadensfall und von 1 500 000 Euro für alle Schadensfälle eines Jahres nachzuweisen. Die genannten Mindestversicherungssummen erhöhen oder vermindern sich ab und danach regelmäßig alle fünf Jahre prozentuell entsprechend den von Eurostat veröffentlichten Änderungen des Europäischen Verbraucherpreisindexes, wobei sie auf den nächst höheren vollen Eurobetrag aufzurunden sind. Die Berufshaftpflichtversicherung muss bei einem Unternehmen erfolgen, das zum Geschäftsbetrieb in Österreich befugt ist. Auf den Versicherungsvertrag muss österreichisches Recht anwendbar und der Gerichtsstand Österreich sein.
(2) Anstelle der Berufshaftpflichtversicherung oder Deckungsgarantie nach Abs. 1 gilt für Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung, wenn die Versicherungsvermittlung nur für ein oder - wenn die Versicherungsprodukte nicht zueinander in Konkurrenz stehen - mehrere Versicherungsunternehmen ausgeübt wird, auch eine wirtschaftlich und rechtlich dazu mindestens gleichwertige von einem Versicherungsunternehmen oder Rückversicherungsunternehmen, in dessen Namen der Versicherungsvermittler handelt oder zu handeln befugt ist, abgegebene uneingeschränkte Haftungserklärung. Mehrere Unternehmen, die eine Haftungserklärung abgegeben haben, haften dort, wo es keine direkte Zurechenbarkeit gibt, solidarisch.
…"
§ 137f GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 131/2004 lautet (auszugsweise):
"…
(8) Bei einem Beratungsgespräch hat der Versicherungsvermittler entweder in der Form 'Versicherungsagent' oder in der Form 'Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten' tätig zu werden. Im Hinblick auf jeden einzelnen angebotenen Vertrag hat der Versicherungsvermittler vor Abgabe der Vertragserklärung des Kunden diesem mitzuteilen:
1. ob er seinen Rat gemäß Absatz 9 auf eine ausgewogene Marktuntersuchung stützt, oder
2. ob er vertraglich gebunden ist und entweder
a) verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte bezüglich des vertragsgegenständlichen Versicherungsprodukts ausschließlich mit einem Versicherungsunternehmen zu tätigen.
In diesem Fall teilt er dem Kunden auf Nachfrage auch die Namen allfälliger sonstiger Versicherungsunternehmen mit, an die er vertraglich gebunden ist, wobei der Kunde über dieses Recht zu informieren ist oder
b) zwar nicht verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte bezüglich des vertragsgegenständlichen Versicherungsprodukts ausschließlich mit einem Versicherungsunternehmen zu tätigen, aber seinen Rat wegen seiner vertraglichen Bindungen nicht auf eine ausgewogene Marktuntersuchung (Z 1) stützt.
In diesem Fall teilt er dem Kunden auch die Namen der Versicherungsunternehmen mit, mit denen er Versicherungsgeschäfte tätigen darf und auch tätigt.
(9) Teilt der Versicherungsvermittler dem Kunden mit, dass er auf der Grundlage einer objektiven Untersuchung berät, so ist er verpflichtet, seinen Rat auf eine Untersuchung im Sinne von § 28 Z 3 des Maklergesetzes, BGBl. Nr. 262/1996, in der geltenden Fassung von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen zu stützen. Im Fall von Abs. 8 Z 2 lit. b gilt dies eingeschränkt auf die Versicherungsverträge, die von den Versicherungsunternehmen, für die der Versicherungsvermittler Versicherungsgeschäfte tätigen darf und auch tätigt, angeboten werden."
§ 349 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 111/2002 lautet (auszugsweise):
"(1) Zur Entscheidung
1. über den Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung und
2. …
ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit berufen.
(2) Der Antrag auf Entscheidung gemäß Abs. 1 kann
1. vom Gewerbeinhaber oder einer Person, die eine Gewerbeanmeldung erstattet, und
2. von einer berührten Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft
gestellt werden. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen.
(3) …
(4) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann den Antrag zurückweisen oder von der Einleitung eines Verfahrens gemäß Abs. 1 von Amts wegen absehen, wenn ein ernst zu nehmender Zweifel über die zur Entscheidung gestellte Frage nicht besteht oder wenn über die Frage in den letzten fünf Jahren vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten oder vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Säumnisbeschwerde (Art. 132 B-VG) entschieden worden ist.
…"
4.2. Art. 2 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Versicherungsvermittlung lautet (auszugsweise):
"Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:
…
Z. 3 'Versicherungsvermittlung' das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Diese Tätigkeiten gelten nicht als Versicherungsvermittlung, wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden.
Die beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung eines Versicherungsvertrags zu unterstützen, oder die berufsmäßige Verwaltung der Schadensfälle eines Versicherungsunternehmens oder die Schadensregulierung und Sachverständigenarbeit im Zusammenhang mit Schadensfällen gelten ebenfalls nicht als Versicherungsvermittlung;
…
Z. 7 'vertraglich gebundener Versicherungsvermittler' jede Person, die eine Tätigkeit der Versicherungsvermittlung im Namen und für Rechnung eines Versicherungsunternehmens oder - wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zueinander stehen - mehrerer Versicherungsunternehmen ausübt, die jedoch weder die Prämien noch die für den Kunden bestimmten Beträge in Empfang nimmt und hinsichtlich der Produkte der jeweiligen Versicherungsunternehmen unter deren uneingeschränkter Verantwortung handelt.
…"
Art. 12 Abs. 1 lit. e der Richtlinie 2002/92/EG lautet
(auszugsweise):
"…
Außerdem teilt der Versicherungsvermittler dem Kunden in Bezug auf den angebotenen Vertrag mit,
i) ob er seinen Rat gemäß der in Absatz 2 vorgesehenen Verpflichtung auf eine ausgewogene Untersuchung stützt, oder
ii) ob er vertraglich verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte ausschließlich mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen zu tätigen. In diesem Fall teilt er dem Kunden auf Antrag auch die Namen dieser Versicherungsunternehmen mit, oder
iii) ob er nicht vertraglich verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte ausschließlich mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen zu tätigen, und seinen Rat nicht gemäß der in Absatz 2 vorgesehenen Verpflichtung auf eine ausgewogene Untersuchung stützt. In diesem Fall teilt er dem Kunden auf Antrag auch die Namen derjenigen Versicherungsunternehmen mit, mit denen er Versicherungsgeschäfte tätigen darf und auch tätigt.
…"
4.3. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerdeergänzung (zusammengefasst) vor, es seien von der belangten Behörde nicht alle Fragen konkret beantwortet worden und es liege daher ein Begründungsmangel vor. Es sei auf die Frage, ob Versicherungsagenten eine Auswahlberatung vornehmen dürfen, nicht eingegangen worden. Diese Frage sei in Spruch und Begründung ignoriert worden, weshalb eine Entscheidungsunbestimmtheit vorliege.
Die belangte Behörde habe eine unrichtige Auffassung über den zweifelsfreien Inhalt der Norm. Wenn die Behörde selbst einem Gesetz einen unrichtigen Sinn unterstelle, so sei es mit der von ihr getroffenen Entscheidung unvereinbar, dass ein in Wirklichkeit anderer Gesetzesinhalt als zweifelsfrei feststehend angenommen werden könnte.
In Art. 2 Z. 7 der Richtlinie 2002/92/EG sei der "vertraglich gebundene Versicherungsvermittler" dahingehend definiert, dass er seine Tätigkeit im Namen und für die Rechnung eines Versicherungsunternehmens ausübe oder für mehrere Versicherungsunternehmen, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Eine Auswahlberatung sei dem Versicherungsagenten gänzlich untersagt, da diese nicht nur in Bezug auf eigene Produkte (unzulässigerweise) stattfinden könnte, sondern auch in Bezug auf eigene Produkte im Vergleich mit Fremdprodukten. Das nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes bei Doppelvertretungen gegebene Erfordernis, alle Auftraggeber mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessengefährdung zu bewahren sei insoweit unerfüllbar, als es zwischen Abschluss und Nichtabschluss eines Versicherungsvertrages (weil richtigerweise ein Konkurrenzprodukt für den Kunden besser sei) keinen Mittelweg gebe, durch den beide Interessen gewahrt werden.
4.4. Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Rechtsansicht der belangten Behörde, dass über die zur Entscheidung gestellte Frage ein ernst zu nehmender Zweifel nicht bestehe, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:
4.4.1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 94 Z. 76 GewO 1994 umfasst das reglementierte Gewerbe der Versicherungsvermittlung - soweit hier wesentlich - sowohl den Versicherungsagenten als auch den Versicherungsmakler. Gegenstand der Entscheidung nach § 349 Abs. 1 GewO 1994 ist der Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29 GewO 1994) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung. Die Beschwerdeführerin strebt mit ihrem Feststellungsantrag eine Abgrenzung der Gewerbeberechtigung jener Gewerbetreibender, die das Gewerbe der Versicherungsvermittlung in Form des Versicherungsmaklers ausüben einerseits und jener, die dies in Form des Versicherungsagenten tun, andererseits an. Auch § 137c Abs. 3 GewO 1994 unterscheidet danach, ob das Gewerbe der Versicherungsvermittlung in der Form des Versicherungsagenten oder des Versicherungsmaklers angemeldet wird. In diesem Sinn ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass eine Feststellung nach § 349 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 grundsätzlich in Betracht kommt.
4.4.2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde das (in zwei Punkte gegliederte) Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin gemäß § 349 Abs. 4 GewO 1994 zurückgewiesen, weil die diesem Begehren zugrunde liegenden Rechtsfragen "ohne ernst zu nehmende Zweifel" entschieden werden könnten.
In der Sache geht es dabei um die beiden Fragen, ob auch die Gewerbeberechtigung des Versicherungsagenten das Recht umfasst,
1) für mehrere - konkurrierend anbietende - Versicherungsunternehmen tätig zu sein (Mehrfachagent) und
2) Kunden zu beraten und in deren Namen (Bevollmächtigung) mit dem/den Versicherungsunternehmen Rechtsgeschäfte abzuschließen, oder ob es sich dabei um unzulässige In-Sich-Geschäfte handle.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob die Entscheidung (Beantwortung) der genannten Fragen "ohne ernst zu nehmende Zweifel" möglich ist.
Durch § 349 Abs. 4 GewO 1994 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer raschen Entscheidung über einen entsprechenden Feststellungsantrag insofern geschaffen, als der Bundesminister über einen solchen Antrag nicht inhaltlich abzusprechen hat, sondern diesen zurückweisen kann, wenn (u.a.) "ernst zu nehmende Zweifel" über die zur Entscheidung beantragte Frage nicht bestehen (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2, Rz 15 zu § 349). Der Gesetzgeber wollte den Bundesminister somit aus Gründen der Raschheit und Sparsamkeit von der inhaltlichen Entscheidung über Feststellungsanträge im Sinne des § 349 Abs. 1 GewO 1994 entbinden, wenn die Fragen schon durch die Rechtsvorschriften in einer Weise geklärt sind, dass es keinen vernünftigen Grund für eine anderslautende Beantwortung dieser Fragen gibt, die Antwort auf die gestellten Fragen also gleichsam auf der Hand liegt.
Im vorliegenden Fall ist daher entscheidungsrelevant, ob die belangte Behörde im Hinblick auf die beiden genannten Fragen von einer derart eindeutigen Rechtslage ausgehen konnte. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde zunächst darauf hingewiesen, dass in der GewO 1994 eine genaue inhaltliche Abgrenzung zwischen den verschiedenen Formen des Gewerbes "Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten" sowie "Versicherungsagent" nicht enthalten sei. Die belangte Behörde hat daher, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, bei der Abgrenzung der in Rede stehenden gewerberechtlichen Befugnisse auch die Vorschriften u.a. des Maklergesetzes, des Versicherungsvertragsgesetzes, des Publizitätsrichtlinie-Gesetzes, des Handelsvertretergesetzes sowie näher zitierte Judikate des Obersten Gerichtshofes herangezogen.
Schon der Umstand, dass die von der Beschwerdeführerin genannten Fragen nur unter Heranziehung einer Fülle verschiedener Rechtsquellen beantwortbar sind, und die ausführlichen Überlegungen der belangten Behörde in der dargestellten Bescheidbegründung zeigen, dass gegenständlich nicht davon gesprochen werden kann, die von der Beschwerdeführerin gestellten Fragen ließen sich ohne ernst zu nehmende Zweifel entscheiden. Hinzu kommt, dass die Beantwortung dieser Fragen überdies im Rahmen der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nationaler Vorschriften eine Bedachtnahme auf die Richtlinie 2002/92/EG erfordert.
5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am