VwGH vom 13.09.2017, Ra 2017/12/0033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Landesschulrates für Niederösterreich gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W129 2129511- 1/3E, betreffend Feststellung der beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit gemäß § 236d BDG 1979 (mitbeteiligte Partei: P K in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der 1958 geborene Mitbeteiligte steht seit als Bundeslehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Anlässlich seiner Ernennung wurden mit Bescheid vom an Ruhegenussvordienstzeiten sechs Jahre, sieben Monate und 11 Tage unbedingt sowie 1 Jahr und 2 Tage bedingt angerechnet.
3 Zeiten einer vom Mitbeteiligten absolvierten Ferialbeschäftigung bei den S-Werken im Ausmaß von insgesamt vier Monaten, welche er in den Jahren 1973 und 1974 vor Vollendung seines 18. Lebensjahres absolviert hatte, wurden nicht angerechnet.
4 Auf Grund seines Antrages vom wurde mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom gemäß § 236d Abs. 2 und Abs. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979), festgestellt, dass die beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit des Mitbeteiligten zum 37 Jahre, zwei Monate und 17 Tage betragen habe.
5 Auch bei dieser Feststellung wurden die oben erwähnten Zeiten bei den S-Werken nicht berücksichtigt.
6 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher er die Anrechnung der genannten Zeiten auf die beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit begehrte.
7 Mit dem angefochtenen Beschluss vom hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Dienstbehörde zurück. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der angewendeten Gesetzesvorschriften Folgendes aus:
"Den Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob der BF die in der Beschwerde vorgebrachte Erwerbstätigkeit tatsächlich erbracht hat und bejahendenfalls, ob für diese ein Überweisungsbetrag nach § 308 ASVG, in der Höhe von 7 % der Berechnungsgrundlage nach § 308 Abs. 6 ASVG, zu leisten war oder ist oder für die der Beamte einen besonderen Pensionsbeitrag geleistet oder noch zu leisten hat. Die belangte Behörde forderte den BF vor Erlassung des Bescheides nicht zur Stellungnahme auf, damit verletzte sie das Recht des BF auf Parteiengehör und nahm ihm die Möglichkeit zu der von ihr berechneten Gesamtdienstzeit Stellung zu nehmen. Dadurch konnte eine solche auch nicht der Bescheiderlassung zu Grunde gelegt werden. Darüber hinaus ist dem Akt auch nicht zu entnehmen, dass sie sonstige Recherchen getätigt hat. Die belange Behörde hat damit die erforderlichen Ermittlungen unterlassen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa m.w.H.). Fallbezogen liegen besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes im diesem Sinne vor.
Es kann nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde. Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG war daher - da nach dem oben Ausgeführten besonders gravierende Mängel des behördlichen Verfahrens vorliegen - von der Möglichkeit des Vorgehens nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG Gebrauch zu machen und der angefochtene Bescheid an die belangte Behörde zur Durchführung der genannten Ermittlungen und Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen."
9 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweiche noch es an einer solchen Rechtsprechung fehle. Auch sei die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die revisionswerbende Partei macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Beschlusses mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben oder in der Sache selbst im Sinne einer Beschwerdeabweisung zu entscheiden.
11 In der abgesonderten Zulassungsbegründung führt die revisionswerbende Partei aus, das Bundesverwaltungsgericht habe verkannt, dass nach dem Gesetzeswortlaut und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gegenstand der Feststellung der beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit nur angerechnete Ruhegenussvordienstzeiten sein könnten.
12 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 § 236d Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 BDG 1979 in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 64/2016 lautet:
"Versetzung in den Ruhestand von nach 1953 geborenen Beamtinnen und Beamten mit langer beitragsgedeckter Gesamtdienstzeit
§ 236d. (1) Die §§ 15 und 15a sind - auch nach ihrem Außerkrafttreten - auf nach dem geborene Beamtinnen und Beamte weiterhin mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung oder von Amts wegen frühestens mit Ablauf des Monats erfolgen kann, in dem die Beamtin oder der Beamte ihr oder sein 62. Lebensjahr vollendet, wenn sie oder er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand eine beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit von 42 Jahren aufweist.
(2) Zur beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit im Sinne des Abs. 1 zählen
1. die ruhegenussfähige Bundesdienstzeit gemäß § 6 Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965, wobei Teilbeschäftigungszeiten immer voll zu zählen sind,
2. bedingt oder unbedingt als Ruhegenussvordienstzeiten
angerechnete Zeiten einer Erwerbstätigkeit, für die ein Überweisungsbetrag nach § 308 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, nach § 172 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, oder nach § 164 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG), BGBl. Nr. 559/1978, in Höhe von 7% der Berechnungsgrundlage nach § 308 Abs. 6 ASVG,§ 172 Abs. 6 GSVG oder § 164 Abs. 6 BSVG zu leisten war oder ist oder für die die Beamtin oder der Beamte einen besonderen Pensionsbeitrag geleistet oder noch zu leisten hat,
..."
14 § 53 Abs. 1 und Abs. 2 lit. l des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010 lautet:
"§ 53. (1) Ruhegenußvordienstzeiten sind die in den Abs. 2 bis 4 genannten Zeiten, soweit sie vor dem Tag liegen, von dem an die ruhegenußfähige Bundesdienstzeit rechnet. Sie werden durch Anrechnung ruhegenußfähige Zeiten.
(2) Folgende Ruhegenußvordienstzeiten sind anzurechnen:
...
l) die Zeit einer nach den am in Geltung gestandenen Regelungen des ASVG die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründenden Beschäftigung,
..."
15 § 54 Abs. 1 bis 5 PG 1965 in der Fassung dieses Paragrafen
nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 80/2005 lautet:
"Ausschluß der Anrechnung und Verzicht
§ 54. (1) Die Anrechnung von Ruhegenußvordienstzeiten ist ausgeschlossen, wenn der Beamte auf die Anwartschaft auf Pensionsversorgung verzichtet hat.
(2) Von der Anrechnung sind folgende Ruhegenußvordienstzeiten ausgeschlossen:
a) die Zeit, die der Beamte vor Vollendung des
18. Lebensjahres zurückgelegt hat; diese Beschränkung gilt nicht für gemäß § 53 Abs. 2 lit. a, d, k und l anzurechnende Zeiten, wenn für solche Zeiten ein Überweisungsbetrag nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu leisten ist;
b) die Zeit, für die der Beamte auf Grund eines
Dienstverhältnisses eine Anwartschaft oder einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen aus Mitteln eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers erworben hat, sofern die sich daraus ergebenden Bezüge nicht dem Bund abgetreten worden sind. Die Abtretung wird rechtsunwirksam, wenn der Beamte aus dem Dienststand ausscheidet, ohne daß ein Anspruch auf Pensionsversorgung entstanden ist.
(3) Der Beamte kann die Anrechnung von Ruhegenußvordienstzeiten in jenen Fällen, in denen er einen besonderen Pensionsbeitrag zu entrichten hätte, durch schriftliche Erklärung ganz oder teilweise ausschließen. Dasselbe können seine Hinterbliebenen, wenn er vor der Anrechnung der Ruhegenußvordienstzeiten gestorben ist.
(4) Auf das aus dem Anrechnungsbescheid erwachsene Recht kann nicht verzichtet werden.
(5) Abs. 2 lit. a zweiter Halbsatz gilt nur für Beamte, auf die § 88 Abs. 1 nicht anzuwenden ist. Ist für solche Zeiten nur deshalb kein Überweisungsbetrag zu leisten, weil dem Beamten die Beiträge gemäß § 308 Abs. 3 ASVG,§ 172 Abs. 3 GSVG oder § 164 Abs. 3 BSVG, jeweils in der bis geltenden Fassung, erstattet worden sind, so sind diese Zeiten dennoch als Ruhegenussvordienstzeiten anzurechnen. In diesen Fällen ist anstelle eines besonderen Pensionsbeitrages der auf die betreffenden Zeiten entfallende Erstattungsbetrag an den Bund zu leisten."
16 Im Hinblick auf das Ernennungsdatum des Mitbeteiligten () ist § 88 Abs. 1 PG 1965 auf ihn anwendbar.
17 Die vorliegende Revision erweist sich aus den in der abgesonderten Zulassungsbegründung dargelegten Gründen als zulässig und berechtigt:
18 Der Bundesgesetzgeber knüpft nämlich in § 236d Abs. 2 Z 2 BDG 1979 an rechtskräftige Ruhegenussvordienstzeiten-Anrechnungsbescheide an, indem er anordnet, dass die darin jeweils angerechneten Zeiten einer Erwerbstätigkeit unter der weiteren Voraussetzung der Pflicht zur Leistung eines Überweisungsbetrages oder eines besonderen Pensionsbeitrages, zur beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit zählen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , 2013/12/0250, und vom , 2002/12/0133). Zur beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit können solche Zeiten daher von vornherein nur dann zählen, wenn sie bereits in einem Verfahren gemäß § 53 Abs. 1 PG 1965 angerechnet wurden.
19 Damit kommt es aber - entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht der Dienstbehörde im angefochtenen Beschluss überbundenen Rechtsansicht - nicht darauf an, ob der Mitbeteiligte die in Rede stehenden Zeiten absolviert hat, sondern vielmehr darauf, ob eine Anrechnung in einem Verfahren gemäß § 53 Abs. 1 PG 1965 überhaupt erfolgt ist, was nach der Aktenlage (vgl. den oben wiedergegebenen Bescheid vom ) nicht der Fall war.
20 Die Frage, ob diese Zeiten allenfalls infolge einer zwischenzeitig eingetretenen Rechtskraftdurchbrechung ergänzend anzurechnen wären, ist nicht "Sache" eines Verfahrens zur Feststellung der beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit gemäß § 236d BDG 1979, sondern vielmehr "Sache" eines Verfahrens zur Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten nach § 53 PG 1965 (vgl. zu einem derartigen Verfahren das hg. Erkenntnis vom , 2016/12/0001, sowie das diesem Erkenntnis vorangegangene Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes mit hg. Beschluss vom , 2015/12/0002). Aus dem vorzitierten Erkenntnis folgt im Übrigen, dass der Ausschluss von Zeiten vor dem 18. Lebensjahr von der Anrechnung als Ruhegenussvordienstzeiten gemäß § 54 Abs. 2 lit. a PG 1965 unionsrechtskonform ist.
21 Indem das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtslage verkannte, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
22 Da sich der Verwaltungsgerichtshof zu einer Entscheidung in der Sache selbst nicht veranlasst sieht, war der angefochtene Beschluss daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben.
Wien, am
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Schlagworte: | Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 |
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