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VwGH vom 22.06.2011, 2008/04/0168

VwGH vom 22.06.2011, 2008/04/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Bayjones, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Liebscher Hübel Lang Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-748/6/2008, betreffend Übertretung der GewO 1994 und Verfall (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom wurde (u.a.) gegenüber dem Beschwerdeführer wie folgt abgesprochen (auszugsweise, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof, Unterstreichungen im Original):

" I. Tat (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung):

Sie haben als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der F. GmbH und somit zur Vertretung nach Außen berufenes Organ veranlasst, dass durch Ihren Angestellten, Herrn P im Standort … im Zeitraum vom … an Herrn T nachstehend angeführte Teppiche … auf Kommission ausgefolgt wurden und somit Herrn T, welcher über keine Gewerbeberechtigung verfügt, die Begehung einer Verwaltungsübertretung, im konkreten das unbefugte Anbieten der angeführten Teppiche am … im Standort …, erleichtert.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7 VStG 1991 i.d.g.F. i.V.m. § 366 Abs. 1 Ziff. 1

GewO 1994 i.d.g.F.

II. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

1. Gemäß § 7 VStG 1991 i.d.g.F. in Verbindung § 366 Abs. 1 GewO 1994 i.d.g.F. eine Geldstrafe von EUR 500,--.

Sie haben gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 i.d.g.F. (VStG) als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 % der Strafe zu zahlen, d.s. EUR 50,--.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher EUR 550,-

-

Falls dieser uneinbringlich ist, wird gemäß § 16 VStG 1991 i.d.g.F. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen festgesetzt.

2. Gemäß § 17 Abs. 1 VStG 1991 i.d.g.F. in Verbindung mit § 369 GewO 1994 i.d.g.F. werden die durch den Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee mit rechtskräftigem Bescheid vom von der F. GmbH beschlagnahmten 45 Stück Teppiche … für verfallen erklärt."

2. Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung mit der Maßgabe ab, dass im Sinne des § 44a VStG in der 1. Zeile des Spruches des Straferkenntnisses die Worte "und gewerbe-" zu entfallen haben, sodass der Spruch zu lauten habe: "Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer…".

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, T und D hätten zu einem näher genannten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort mehrere Orientteppiche zum Verkauf angeboten, obwohl sie über keine Gewerbeberechtigung verfügten. T habe zu näher genannten Zeitpunkten von einem Angestellten der F. GmbH Teppiche in Kommission ausgefolgt bekommen. Dieses Unternehmen werde seit von seinem handelsrechtlichen Geschäftsführer, dem Beschwerdeführer, selbständig vertreten. Seit sei er gewerberechtlicher Geschäftsführer. T sei der F. GmbH von einem großen Teppichgroßhändler empfohlen worden und der Sohn des T betreibe ein Teppichgeschäft. Im Tatzeitraum seien T jeweils für einen Zeitraum von ca. einer Woche Teppiche in Kommission gegeben worden. Die F. GmbH habe sich nicht veranlasst gesehen, das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung bei T

zu überprüfen, und habe auch keine Zweifel daran gehabt, dass

dieser über eine solche verfüge. Die F. GmbH sei Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Teppiche.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom sei T nach § 366 Abs. 1 Z. 1 iVm § 1 Abs. 4, 2. Satz GewO und § 17 Abs. 1 VStG iVm § 369 bestraft worden.

Nach Wiedergabe des § 7 VStG führte die belangte Behörde aus, dass der Täter den strafrechtlich maßgeblichen Erfolg als möglich angenommen und trotzdem die Handlung vorsätzlich gesetzt habe, also auch den Erfolg zumindest eventuell mitgewollt habe.

Es hätte dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Berufserfahrung bekannt sein müssen, dass er die Teppiche nur an solche Wiederverkäufer in Kommission ausfolgen dürfe, die über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügen. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Verkauf von bei ihm in Kommission genommenen Teppichen durch T ohne Vorliegen einer Gewerbeberechtigung als möglich angenommen und trotzdem die Handlung vorsätzlich gesetzt habe, indem er ihm die Teppiche durch P habe ausfolgen lassen. Somit habe er den Erfolg zumindest eventuell mitgewollt.

Es treffe zu, dass es sich bei der Bestimmung des § 369 GewO 1994 um eine "Kannbestimmung" handle, doch lägen sämtliche im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen vor, weshalb die belangte Behörde berechtigt gewesen sei, die verfahrensgegenständlichen Teppiche für verfallen zu erklären. Die Verfallserklärung sei auch deshalb zulässig, weil es sich um Teppiche handle, die mit einer Verwaltungsübertretung in Zusammenhang stehen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. § 7 VStG idF BGBl. Nr. 52/1991 lautet:

"Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist."

§ 9 VStG idF BGBl. I Nr. 137/2001 lautet (auszugsweise):

"(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

…"

§ 17 VStG idF BGBl. Nr. 52/1991 lautet:

"(1) Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde.

… "

§ 366 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 131/2004 lautet (auszugsweise):

"(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;

…"

§ 369 GewO 1994 idF BGBl. Nr. 194/1994 lautet (auszugsweise):

"Die Strafe des Verfalles von Waren … (§§ 10, 17 und 18 VStG) kann ausgesprochen werden, wenn diese Gegenstände mit einer Verwaltungsübertretung nach § 366 oder … im Zusammenhang stehen; … "

§ 367 GewO 1994 idF BGBl. Nr. 194/1994 lautet (auszugsweise):

"Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 180 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

54. ohne sein Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können, sich durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen läßt oder einen anderen zu einer Tätigkeit veranlaßt, obwohl er wissen mußte, daß der andere durch die Ausübung dieser Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 begeht, oder dies nach seinem Beruf oder seiner Beschäftigung bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte, und zwar auch dann, wenn der andere nicht strafbar ist;

…"

4.2. Der Beschwerde kommt schon aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung wegen Beihilfe im Sinne des § 7 VStG zur unbefugten Gewerbeausübung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 zur Last gelegt.

Gemäß § 367 Z. 54 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ohne sein Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können, sich durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen läßt oder einen anderen zu einer Tätigkeit veranlasst, obwohl er wissen musste, dass der andere durch die Ausübung dieser Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 oder 2 begeht, oder dies nach seinem Beruf oder seiner Beschäftigung bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte, und zwar auch dann, wenn der andere nicht strafbar ist. Das Tatverhalten wird in dieser Bestimmung demnach durch zwei Alternativtatbestände umschrieben, von denen der eine darauf abstellt, dass "sich" eine Person "durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen läßt", während die andere Tatbestandsalternative darauf abstellt, dass eine Person "einen anderen zu einer Tätigkeit veranlaßt" (vgl. dazu das zur gleichlautenden Bestimmung des § 367 Z. 60 GewO 1973 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/04/0258, mwH). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 87/04/0166, VwSlg. 12680 A/1988, dargetan, dass es sich beim zweiten Tatbestand "... einen anderen zu einer Tätigkeit veranlaßt ..." um eine lex specialis zur entsprechenden Bestimmung des § 7 VStG 1950 handelt. Dies gilt in gleicher Weise für die erste Tatbestandsalternative, dass "sich" eine Person "durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen läßt".

Vor dem Hintergrund der Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides handelte T. in Kommission für die vom Beschwerdeführer vertretene F. GmbH, was darauf hindeutet, dass die F. GmbH sich durch ihn den Verkauf hat besorgen lassen - liegt im Beschwerdefall ein Tatverhalten vor, das die Anwendung des § 367 Z. 54 GewO 1994, insbesondere eine Subsumtion unter dessen erste Tatbestandsalternative, nicht ausgeschlossen erscheinen lässt. Handelt es sich aber nach dem Vorgesagten bei § 367 Z. 54 GewO 1994 um eine lex specialis im Verhältnis zu § 7 VStG iVm § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, kommt eine Bestrafung nach den letztgenannten Bestimmungen nicht in Betracht (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/03/0001, und vom , Zl. 2001/07/0182). Da mehrfache Bestrafung wegen derselben Tat im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 des 7. ZPMRK nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.128/1999 und 15.293/1999, das Urteil des EGMR im Fall Zolotukkin vom , Zl. 14.939/03) hätte sich die belangte Behörde zutreffendenfalls auf § 367 Z. 54 GewO 1994 stützen müssen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage sich nicht damit auseinandergesetzt hat, ob dem Beschwerdeführer eine Übertretung der spezielleren Bestimmung des § 367 Z. 54 GewO 1994 zur Last zu legen ist, hat sie Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Von dieser Rechtswidrigkeit ist auch der mit Spruchpunkt II. ausgesprochene Verfall erfasst, weil, wie sich aus § 369 GewO ergibt, bei Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 54 leg. cit. der Ausspruch eines Verfalles nicht in Betracht kommt.

5. Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am