VwGH 10.11.2011, 2010/07/0008
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AVG §66 Abs2; VwGG §63 Abs1; |
RS 1 | Eine den VwGH treffende Bindungswirkung geht nach stRsp auch von den die Aufhebung erstinstanzlicher Bescheide tragenden Gründen berufungsbehördlicher Kassationsbescheide aus, deren Anfechtbarkeit vor dem VwGH gerade auch aus dem Interesse an der Vermeidung des Eintritts einer solchen Bindungswirkung eröffnet ist (Hinweis E , 94/07/0105; E , 93/07/0186; E , 97/07/0015; E , 96/07/0127 sowie auf die zum Vorstellungsverfahren ergangenen Erkenntnisse etwa vom , 95/06/0147 und vom , 94/06/0087, 0088). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 96/07/0215 E RS 3 |
Normen | WRG 1959 §138; WRG 1959 §39; |
RS 2 | Die Beseitigung einer gegen das Verbot des § 39 WRG 1959 verstoßenden Neuerung kann nicht nach dieser Gesetzesstelle, sondern nur gestützt auf § 138 WRG 1959 angeordnet werden (Hinweis E , 85/07/0059). Das bedeutet, dass für einen auf § 138 WRG 1959 in Verbindung mit § 39 legcit gestützten wasserpolizeilichen Auftrag die Voraussetzungen beider Gesetzesbestimmungen gegeben sein müssen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/07/0065 E VwSlg 16511 A/2004 RS 3 |
Normen | WRG 1959 §138; WRG 1959 §39; |
RS 3 | Die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages im Grunde des § 39 WRG 1959 setzt eine willkürliche Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse voraus, die dann nicht vorliegt, wenn die Maßnahmen etwa durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt sind. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2006/07/0038 E RS 8 |
Norm | WRG 1959 §39; |
RS 4 | Obwohl dem Wortlaut des § 39 WRG 1959 selbst keine diesbezügliche Beschränkung zu entnehmen ist, bezieht sich § 39 Abs 1 WRG grundsätzlich auf unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke. Die Beschränkung auf solche Grundstücke hat ihren Grund in der Annahme, dass die Ableitung der Niederschlagswässer auf Baugrundstücken und öffentlichen Verkehrsflächen in den Bauordnungen und in den Straßengesetzen geregelt ist. Daraus folgt aber auch, dass dann, wenn baubehördliche Vorschriften für die Abwendung jener Gefahren, die aus der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers bei bebauten Grundstücken resultieren können, keine Regelung treffen, § 39 WRG 1959 auch auf bebaute Grundstücke anzuwenden ist (Hinweis ; , in welchem der OGH ausgesprochen hat, dass die zwangsläufige Veränderung des natürlichen Ablaufs des Niederschlagswassers durch baubehördlich bewilligte Gebäude bzw. durch Straßen nicht willkürlich ist, wobei Gleiches auch für durch bauliche Vorkehrungen angelegte Abstellplätze gelten muss, sofern der Anlage eine baubehördliche Bewilligung zugrunde liegt). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2002/07/0058 E VwSlg 15907 A/2002 RS 1 |
Norm | WRG 1959 §39 Abs1; |
RS 5 | Welche Widmung für ein Grundstück im Flächenwidmungsplan besteht, ist für die Anwendung des § 39 Abs 1 WRG ohne Bedeutung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 95/07/0088 E RS 2 |
Normen | VwRallg; WRG 1959 §39 Abs1; |
RS 6 | Mit dem Ausdruck "landwirtschaftlich" ist nur eine Abgrenzung zu verbauten, nicht (im weitesten Sinn) landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücken gemeint (vgl. E , 2004/07/0065; E , 2007/07/0065). Die Nutzung als Grünfläche ist als (im weitesten Sinn) landwirtschaftlichen Zwecken - in Abgrenzung zu verbauten Grundstücken - dienend anzusehen. Grünlandnutzung fällt somit in den Anwendungsbereich des § 39 WRG 1959 (vgl. E , 2001/07/0023). |
Normen | WRG 1959 §138; WRG 1959 §39; |
RS 7 | § 39 WRG 1959 stellt zwar nicht auf "wesentliche" Änderungen der natürlichen Abflussverhältnisse ab, wohl aber auf solche, die für ein anderes Grundstück einen Nachteil herbeiführen. Ein solcher Nachteil wäre Voraussetzung für einen Auftrag nach § 39 iVm § 138 WRG 1959 (Hinweis E , 2004/07/0065).(Hier:Die belBeh verneinte einen (im Bescheiderlassungszeitpunkt noch) bestehenden Nachteil iSds § 39 WRG 1959 mit der Begründung, es sei (nunmehr wieder) ein zur Abfuhr der Hochwässer tauglicher Abflussgraben geschaffen worden. Diese Annahme wurde jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht in tragfähiger Weise begründet.) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2006/07/0038 E RS 7
(hier ohne den fallspezifischen Zusatz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Marktgemeinde P in D, vertreten durch Nistelberger & Parz Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-UW./0212-I/6/2009, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag (mitbeteiligte Partei: J G in P, vertreten durch Dr. Hermann Sperk, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wallnerstraße 2-4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei (in der Folge: mP) bei der Bezirkshauptmannschaft G (in der Folge: BH), der beschwerdeführenden Partei aufzutragen, nach Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für einen geeigneten Abfluss des bisher rechtswidrig auf ihr Grundstück abgeleiteten Niederschlagswassers zu sorgen.
Auf Grund der Säumnis der BH und eines Devolutionsantrages der mP wies der Landeshauptmann von Niederösterreich (in der Folge: LH) mit Bescheid vom den Antrag der mP vom ab.
Dagegen erhob die mP Berufung an die belangte Behörde.
Mit Bescheid vom behob die belangte Behörde den Bescheid des LH vom gemäß § 66 Abs. 2 AVG und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den LH zurück.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Der LH führte am eine mit einem Ortsaugenschein verbundene mündliche Verhandlung durch. Anlässlich dieser Verhandlung erstattete ein Amtssachverständiger für Wasserbau und Gewässerschutz Befund und Gutachten.
Auf Grund eines weiteren Devolutionsantrages der mP erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem der beschwerdeführenden Partei gemäß § 73 AVG iVm § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 und § 39 WRG 1959 aufgetragen wurde, den vorhandenen Doppelrohrdurchlass auf Grst. Nr. 492 KG P. binnen zwei Monaten im Ein- und Auslaufbereich dauerhaft zu verschließen und den Einlaufbereich mit Humus niveaugleich mit dem umgebenden Gelände zu verfüllen, sodass keine signifikante Absenkung bestehen bleibe.
Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Doppelrohrdurchlass und der "Beaufschlagung" des Grst. Nr. 516 KG P. der mP mit Oberflächenwasser sachverständig festgestellt worden. Somit verändere die beschwerdeführende Partei mit dem verfahrensgegenständlichen Doppelrohrdurchlass, der unter der G-Gasse (öffentliche Verkehrsfläche-Gemeindestraße) verlaufe, den natürlichen Abfluss des Oberflächenwassers zum Nachteil des Grundstückes der mP willkürlich, weil kein Beleg für eine erteilte wasserrechtliche oder (straßen-) baurechtliche Bewilligung erbracht hätte werden können.
Der Wortlaut des § 39 WRG 1959 begründe keine Beschränkung auf landwirtschaftliche Grundstücke. Werde bei einem bebauten Grundstück hinsichtlich der Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse keine gesetzliche Vorsorge getroffen, sei § 39 WRG 1959 auch bei einem bebauten Grundstück anwendbar. Die aktuelle Widmung des im Eigentum der mP stehenden Grst. Nr. 516 KG P. sei Grünland. Der "Ansatz" der beschwerdeführenden Partei, es sei aus einer Bauverhandlungsniederschrift eine zivilrechtliche Zustimmung des damaligen Liegenschaftseigentümers ableitbar, sei "überschießend" bzw. "verfehlt". Gegenstand des damaligen Verfahrens sei eine Einfriedung gewesen. Die Zustimmung aus einer Verwaltungssache mit einem ganz anderen Verfahrensgegenstand abzuleiten, sei "überzogen". Die Verrohrung beeinflusse das Abflussverhalten der anströmenden Oberflächenwässer zum Nachteil des Grst. Nr. 516 der mP. Eine Zustimmung der nunmehrigen oder vorausgegangenen Grundstückseigentümer habe nicht nachgewiesen werden können. Auch sei die Existenz einer wasser- oder baurechtlichen Bewilligung nicht belegt worden.
Das Argument, wonach die Verschließung der Rohre für eine andere Liegenschaft nachteilig sei, verfange nicht. Die Rohrdurchlässe seien widerrechtlich errichtet worden. Daraus könnten keine subjektiv-öffentlichen Rechte Dritter erwachsen. Auch der Einwendung, dass eine komplette Verfüllung des Einlaufbereiches mit Humus nicht möglich sei, da die beschwerdeführende Partei nicht Eigentümerin des zu verfüllenden Geländes sei, komme keine Berechtigung zu. Die Erfüllung eines wasserpolizeilichen Auftrages könne einen Eingriff in Rechte Dritter erforderlich machen. Dies stehe aber der Gesetzmäßigkeit des Auftrages selbst nicht entgegen, weil der Adressat zur Überwindung eines allfälligen Widerstandes durch Dritte "die Behörden anrufen" könne. Wäre ein Widerstand unüberwindbar, werde der Auftrag im Nachhinein undurchführbar. Im aktuellen Verfahren hätten nur der Auftragsadressat und der Betroffene Parteistellung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Bestimmungen des § 39 WRG 1959 und des § 138 WRG 1959 lauten auszugsweise:
"§ 39. (1) Der Eigentümer eines Grundstückes darf den natürlichen Abfluss der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteile des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern.
…
§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten
a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,
…
(6) Als Betroffene im Sinne des Abs. 1 sind die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs. 2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen."
2. Dem angefochtenen Bescheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die mP ist Eigentümerin des Grst. Nr. 516 in der KG P. Dieses Grundstück hat eine Fläche von 7.602 m2. Der nördliche Teil dieses Grundstückes ist mit einem Wohnhaus (P., Hauptstraße 11) bebaut. Der andere wesentlich größere Grundstücksteil im Süden ist als Grünland gewidmet. Das Grundstück der mP grenzt im Süden an die G.-Gasse (Grst. Nr. 492). Bei der G.-Gasse handelt es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche (Gemeindestraße) im Eigentum der beschwerdeführenden Partei. Südlich von der G.-Gasse befinden sich in diesem Bereich die Grst. Nrn. 564/2 und 564/3. Unter dem Niveau der G.-Gasse befindet sich ein Doppelrohrdurchlass (zwei Betonrohre mit einem Durchmesser von jeweils etwa 20 cm). Die Rohrenden liegen im Süden auf dem Grst. Nr. 564/2 und im Norden auf dem Grst. Nr. 516. Das Gelände ist dort vom Süden nach Norden leicht abfallend.
3. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass ein Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 nur zulässig sei, wenn entweder das Erfordernis der öffentlichen Interessen oder das Verlangen des Betroffenen vorliege, eine eigenmächtige Neuerung zu beseitigen oder eine unterlassene Arbeit nachzuholen. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liege darin, dass der verfahrenseinleitende Antrag der mP vom nicht auf die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen im Sinne des § 39 WRG 1959 gerichtet gewesen sei, sondern darauf, ein nachträgliches Bewilligungsverfahren für die Errichtung einer Entwässerungsanlage abzuführen. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid das Verlangen der Betroffenen (der mP) unzulässig umgedeutet. Diese verlange nämlich mit keinem Wort die Beseitigung der Verrohrung.
Mit diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass die belangte Behörde in ihrem nach § 66 Abs. 2 AVG ergangenen, rechtskräftigen Bescheid vom den verfahrenseinleitenden Antrag der mP vom bereits im Sinne eines Antrages auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 verstanden hat. Verfahrensgegenstand sei demgemäß der Antrag der mP, die beschwerdeführende Partei zu verhalten, "die eigenmächtige Neuerung - Durchleitung von Schmelz- und Niederschlagswässern unter der Straße auf Gst. 516 zu entfernen". In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde auch auf § 39 WRG 1959.
Die in Spruch und Begründung eines Aufhebungsbescheides nach § 66 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende, die Behebung und Zurückverweisung tragende Rechtsansicht der Berufungsbehörde ist, so lange die dafür maßgebende Sach- und Rechtslage keine Veränderung erfährt, sowohl für die Unterbehörde als auch (im Fall eines weiteren Rechtsganges) für die Berufungsbehörde selbst bindend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/07/0062, vom , Zl. 94/07/0105, und vom , Zl. 97/07/0015). Diese Bindungswirkung trifft auch den Verwaltungsgerichtshof, ist doch die Anfechtbarkeit derartiger Kassationsbescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof gerade auch aus dem Interesse an der Vermeidung des Eintritts einer solchen Bindungswirkung eröffnet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/07/0118, vom , Zl. 96/07/0215, vom , Zl. 2004/07/0181, und vom , Zl. 2007/07/0119).
Angesichts dessen war auf dieses Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen.
4. Die Beseitigung einer gegen das Verbot des § 39 WRG 1959 verstoßenden Neuerung kann nicht nach dieser Gesetzesstelle, sondern nur gestützt auf § 138 WRG 1959 angeordnet werden. Das bedeutet, dass für einen auf § 138 WRG 1959 iVm § 39 leg. cit. gestützten wasserpolizeilichen Auftrag die Voraussetzungen beider Gesetzesbestimmungen gegeben sein müssen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0167, mwN). Die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages im Grunde des § 39 WRG 1959 setzt eine willkürliche Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse voraus, die dann nicht vorliegt, wenn die Maßnahmen etwa durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0038, mwN). Dass für den verfahrensgegenständlichen Doppelrohrdurchlass eine wasserrechtliche Bewilligung vorliegen würde, hat das zum angefochtenen Bescheid führende Verfahren nicht ergeben. Dies wird von der beschwerdeführenden Partei auch nicht behauptet.
5. In seiner Vorjudikatur hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass die Beschränkung der Anwendbarkeit des § 39 WRG 1959 auf landwirtschaftliche Grundstücke, die dem Wortlaut des § 39 WRG 1959 selbst nicht zu entnehmen ist, darin begründet ist, dass die Ableitung von Niederschlagswässern auf Baugrundstücken und öffentlichen Verkehrsflächen in den Bauordnungen und Straßengesetzen geregelt ist und aus diesem Normzweck und Regelungszusammenhang folgt, dass § 39 WRG 1959 dann, wenn (etwa) baubehördliche Vorschriften für die Abwendung jener Gefahren, die aus der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers bei bebauten Grundstücken resultieren können, keine Regelung treffen, auch auf bebaute Grundstücke anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/07/0058, mwN).
6. Eine Unanwendbarkeit des § 39 WRG 1959 scheidet in der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation bereits aus folgenden Überlegungen aus: Im vorliegenden Beschwerdefall geht es nicht um die Ableitung von Oberflächenwässern, die auf dem Straßenkörper der Gemeindestraße Grst. Nr. 492 anfallen. Vielmehr werden durch den Doppelrohrdurchlass dem Grst. Nr. 516 der mP Oberflächenwässer, die von den südlich der Gemeindestraße gelegenen Grundstücken stammen, auf Grund eines vom Süden nach Norden verlaufenden Gefälles zugeleitet. Bei diesen Grundstücken südlich der Gemeindestraße handelt es sich nach den Feststellungen des Amtssachverständigen für Wasserbau und Gewässerschutz in der Verhandlung des LH vom um als Acker genutzte landwirtschaftliche Flächen.
7. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass die belangte Behörde nur die Widmung als Grünland festgestellt habe. Dies reiche jedoch nicht aus. Eine solche Feststellung sei noch dazu unrichtig, weil im geltenden Flächenwidmungsplan nur der südliche Teil des Grst. Nr. 516 als Grünland gewidmet sei, während der nördliche Teil, auf dem das Wohnhaus der mP situiert sei, im Bauland liege.
Der beschwerdeführenden Partei ist zuzugestehen, dass es für die Anwendung des § 39 Abs. 1 WRG 1959 ohne Bedeutung ist, welche Widmung für ein Grundstück im Flächenwidmungsplan besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/07/0088).
Anlässlich der mündlichen Verhandlung des LH am stellte der Amtssachverständige für Wasserbau und Gewässerschutz jedoch fest, dass der südliche Teil des Grst. Nr. 516 der mP "als Grünfläche genutzt" werde.
Mit dem in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwendeten Ausdruck "landwirtschaftlich" ist nur eine Abgrenzung zu verbauten, nicht (im weitesten Sinn) landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücken gemeint (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/07/0065, und vom , Zl. 2007/07/0065).
Die vorliegend festgestellte Nutzung als Grünfläche ist als (im weitesten Sinn) landwirtschaftlichen Zwecken - in Abgrenzung zu verbauten Grundstücken - dienend anzusehen. Der südliche Teil des Grst. Nr. 516 der mP fällt in Ansehung seiner unverbauten Fläche als Grünlandnutzung somit in den Anwendungsbereich des § 39 WRG 1959 (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0023).
8. § 39 WRG 1959 stellt zwar nicht auf "wesentliche" Änderungen der natürlichen Abflussverhältnisse ab, wohl aber auf solche, die für ein anderes Grundstück einen Nachteil herbeiführen. Ein solcher Nachteil ist Voraussetzung für einen Auftrag nach § 39 iVm 138 WRG 1959 (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0038).
Auch ein solcher Nachteil ist durch die Ausführungen des Amtssachverständigen für Wasserbau und Gewässerschutz in der Verhandlung des LH vom belegt. Durch den Doppelrohrdurchlass wird das Grst. Nr. 516 der mP nämlich "mit einem Wasseranfall beaufschlagt …, der ohne diese Ableitung nicht auftreten würde". Nach den sachverständigen Ausführungen tritt im Versickerungsbereich temporärer Einstau und Vernässung auf. Sollte die Versickerung nicht mehr möglich sein, strömt das über den Doppelrohrdurchlass ankommende Wasser über das Grundstück der mP in der Tiefenlinie hinweg in den S.-Graben.
Damit sind die in § 39 Abs. 1 WRG 1959 angesprochenen Nachteile durch sachverständige Ausführungen ausreichend belegt.
9. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, sie habe in ihrer Stellungnahme vom darauf hingewiesen, dass keine "willkürliche" Veränderung im Sinne des § 39 WRG 1959 vorliege. Willkür sei nach ständiger Rechtsprechung auszuschließen, wenn eine zivilrechtliche Zustimmung des Betroffenen vorliege. Eine solche zivilrechtliche Zustimmung sei jedoch aus dem Verhalten des Voreigentümers der betroffenen Liegenschaft Johann H. schlüssig anzunehmen. Johann H. habe mit Bescheid des Bürgermeisters der damals selbständigen Gemeinde P. (Teil des nunmehrigen Gemeindegebietes der beschwerdeführenden Partei) die Baubewilligung zur Errichtung einer umfassenden Einfriedung des Grst. Nr. 516 erwirkt. In der Niederschrift über diese Bauverhandlung werde "der gegenständliche Wasserdurchlass" unter dem Gemeindeweg ausdrücklich erwähnt. Im Bereich des "Wasserdurchlaufes" werde gemäß der Verhandlungsschrift bei der Einfriedung in einer Breite von 2 m der Betonsockel ausgespart, damit der "Wasserdurchfluss von Niederschlagswasser gewährleistet" sei. Johann H. habe dieses Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis genommen. Es sei daher davon auszugehen, dass keine eigenmächtige Neuerung vorliege, sondern der Wasserdurchlass bereits vom damaligen Liegenschaftseigentümer akzeptiert worden sei. Unverständlich sei, warum im angefochtenen Bescheid der Hinweis auf die Zustimmung des damaligen Liegenschaftseigentümers als "überschießend" und "überzogen" beurteilt werde.
Mit ihren Ausführungen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass der bestehende Doppelrohrdurchlass damit nicht Gegenstand eines bau- oder straßenrechtlichen Bewilligungsverfahrens geworden ist. Auch weist die beschwerdeführende Partei damit nicht auf baubehördliche oder straßenrechtliche Vorschriften hin, die § 39 WRG 1959 im Sinne der vorstehenden Ausführungen unanwendbar machen würden.
Entgegen den Beschwerdeausführungen wurde zudem die in der Verhandlungsschrift angesprochene "Aussparung" im Baubewilligungsbescheid als "Bedingung" bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um eine Auflage für die Errichtung einer Einfriedung entlang des Gemeindeweges. Aus der Formulierung in der Verhandlungsschrift, wonach Johann H. dieses "Verhandlungsergebnis" und somit die Auflage zustimmend zur Kenntnis nimmt, kann keine Zustimmung zum verfahrensgegenständlichen Doppelrohrdurchlass abgeleitet werden. Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie die von der beschwerdeführenden Partei daraus abgeleitete zivilrechtliche Zustimmung zum verfahrensgegenständlichen Doppelrohrdurchlass als "überschießend" ansieht.
10. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | |
Schlagworte | Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2010070008.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-73746