VwGH vom 26.09.2012, 2008/04/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X Dienstleistungs- HandelsgesellschaftmbH in Y, vertreten durch Dr. Dieter Neger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Parkstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zlen. UVS 443.7-3/2008-13 und UVS 453.7-4/2008- 11, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Partei: Abfallwirtschaftsverband A in A, vertreten durch Dr. Werner Mecenovic, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 7, weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages betreffend die Verwertung und Beseitigung von Siedlungsabfällen in mehreren Gemeinden des Bezirkes G. ausgeschrieben. Die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften erfolgte am . Die Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge wurde zunächst mit , 11 Uhr, festgesetzt und danach von der Auftraggeberin auf den erstreckt (Veröffentlichung der Fristerstreckung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am ).
Am brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde persönlich einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung ein und führte begründend aus, die Ausschreibung sei diskriminierend und gleichheitswidrig, weil sie vom Bieter den Nachweis über einen Jahresumsatz von zumindest EUR 10 Millionen verlange. Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die genannten Anträge als verspätet zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Nachprüfungsantrag wäre gemäß § 5 Abs. 3 Z. 2 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz - StVergRG bis sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist einzubringen gewesen, weil im gegenständlichen Fall die Frist für die Einbringung von Teilnahmeanträgen mehr als 15 Tage betragen habe. Da die Frist für den Teilnahmeantrag für die Beschwerdeführerin am , 11 Uhr, geendet habe (die Fristerstreckung auf den sei für die Beschwerdeführerin nicht maßgebend, weil im Zeitpunkt der Einbringung des Nachprüfungsantrages die Frist für den Teilnahmeantrag noch am geendet habe), habe die Frist für den Nachprüfungsantrag sieben Tage vor Ablauf des (der letztgenannte Tag sei dabei nicht mitzuzählen; Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/112), somit am geendet.
Allerdings sei der ein Sonntag gewesen, sodass § 33 Abs. 2 AVG zur Anwendung gelange. Da aber in einem Fall wie dem vorliegenden - so die belangte Behörde scheinbar unter Bezugnahme auf das zitierte hg. Erkenntnis -"der Lauf der Frist sozusagen 'umgekehrt' zu rechnen ist und der letzte Tag der Antragsfrist für einen Nachprüfungsantrag ein Sonntag war, war der 'nächste' Werktag nicht Montag, der , sondern vielmehr Freitag, der ". Spätestens am hätte daher der Nachprüfungsantrag eingebracht werden müssen.
Der am eingebrachte Nachprüfungsantrag und der Antrag auf einstweilige Verfügung seien daher außerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG gestellt worden und somit verspätet.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 5 des Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetzes - StVergRG, LGBl. Nr. 154/2006, lautet:
"§ 5
Fristen für Nachprüfungsanträge
...
(3) Anträge auf Nachprüfung von Ausschreibungs- oder
Wettbewerbsunterlagen sind,
1. sofern die Angebotsfrist oder die Frist zur
Vorlage der Wettbewerbsarbeiten weniger als 15 Tage beträgt, bis
drei Tage und
2. in allen übrigen Fällen bis sieben Tage
vor Ablauf der Angebotsfrist oder der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten einzubringen."
1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:
Soweit die Auftraggeberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Standpunkt vertritt, die Beschwerdeführerin habe niemals einen Teilnahmeantrag gestellt und habe daher kein Rechtsschutzinteresse, ist ihr Folgendes zu entgegnen:
Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung damit begründet, dass diese Ausschreibung diskriminierende und gleichheitswidrige Bestimmungen enthalte (geforderter Nachweis über einen Jahresumsatz von zumindest EUR 10 Millionen), die sie nicht erfüllen könne. Es kann daher von der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden, einen von vornherein aussichtslosen Teilnahmeantrag zu stellen, um die Ausschreibung bekämpfen zu können (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , C-230/02, Grossmann Air Service, Rn 28-30, sowie darauf Bezug nehmend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0060).
2. Zur Frage der Verspätung der Anträge:
Im vorliegenden Fall betrug die Frist für den Teilnahmeantrag unstrittig mehr als 15 Tage, sodass der Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung gemäß § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG bis sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist (hier: bis sieben Tage vor Ablauf der Frist für den Teilnahmeantrag; vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2006/04/0112) einzubringen war.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob, wie die Beschwerde hilfsweise vorbringt, die Erstreckung der Frist für den Teilnahmeantrag auf den auch für die Beschwerdeführerin maßgebend war (diesfalls wäre der am eingebrachte Nachprüfungsantrag jedenfalls innerhalb der Sieben-Tage-Frist des § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG gelegen und damit rechtzeitig). Der Nachprüfungsantrag ist nämlich auch dann innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG eingebracht, wenn die Frist für den Teilnahmeantrag, wie die belangte Behörde meinte, am geendet hat. Diesfalls wäre nämlich das Ende der Sieben-Tage-Frist der letztgenannten Bestimmung auf den Sonntag, den gefallen (weil bei der Berechnung der außer Betracht zu bleiben hatte; vgl. abermals das zitierte hg. Erkenntnis 2006/04/0112). Dies hätte aber, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0140, hinsichtlich eines weiteren Nachprüfungsantrages zum selben Vergabeverfahren ausgesprochen hat und auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, gemäß § 33 Abs. 2 AVG dazu geführt, dass die Frist für den Nachprüfungsantrag am nächsten Werktag (Montag, ) endete und nicht, wie die belangte Behörde meint, bereits am vorangegangenen Freitag, dem .
Der am eingebrachte Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin war daher (ebenso wie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, für den das StVergRG in § 11 Abs. 3 eine Fristsetzung nur für den hier nicht vorliegenden Fall der isolierten Einbringung vorsieht) rechtzeitig, sodass sich die Zurückweisung dieser Anträge als rechtswidrig erweist.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-73743