VwGH vom 16.07.2010, 2010/07/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der A GmbH in T, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Dr. Klaus Kollmann, Dr. Günter Folk, Dr. Werner Stegmüller, Mag. Dietmar Strimitzer und Mag. Rainer Frank, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Reitschulgasse 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA13A-38.40-18/2009-5, betreffend Vorschreibung von Kosten einer Ersatzvornahme nach § 11 VVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L (BH) vom wurde der beschwerdeführenden Alt- und Kunststoffrecycling-Gesellschaft gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 aufgetragen, die auf einem näher bezeichneten Teil ihres in der Gemeinde T. gelegenen Betriebsgeländes abgelagerten Altreifen und Altreifenschnitzel in einer Gesamtmenge von rund 640 Tonnen zu entfernen, einem befugten Abfallsammler oder Abfallverwerter zu übergeben und bis längstens die vollständige Übergabe der BH nachzuweisen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom als unbegründet ab. Eine dagegen gerichtete Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, blieb erfolglos; sie wurde mit Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0096, als unbegründet abgewiesen.
Bereits mit Schreiben vom war der Beschwerdeführerin erstmals für die Durchführung der aufgetragenen Beseitigungsmaßnahmen eine Frist von 14 Tagen gesetzt und für den Fall der Nichterfüllung gemäß § 4 VVG angedroht worden, die BH werde veranlassen, dass die Leistung auf Gefahr und Kosten der Beschwerdeführerin von einem Dritten erbracht werde.
Nachdem die Beschwerdeführerin der ihr auferlegten Beseitigungsverpflichtung auch innerhalb der mit Schreiben vom noch einmal eingeräumten vierwöchigen Frist nicht nachgekommen war, erteilte die BH (nach Einholung von entsprechenden Anboten) am der T. GmbH den Auftrag zur Entsorgung der erwähnten Altreifen und Altreifenschnitzel.
Mit Schreiben vom teilte die BH der Beschwerdeführerin die für die Ersatzvornahme entstandenen Kosten mit EUR 48.102,23 mit und räumte zur beabsichtigten bescheidmäßigen Verpflichtung zum Kostenersatz die Möglichkeit zu einer Stellungnahme ein.
Hierauf reagierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom . Darin wiederholte sie (u.a.) ihr schon mit Schreiben vom und erstattetes Vorbringen, dass am eine verbindliche Vereinbarung getroffen worden sei, wonach die Entsorgungskosten zu je einem Drittel vom Land Steiermark, der Gemeinde T. und der Beschwerdeführerin übernommen würden. Die Beschwerdeführerin spreche sich daher dagegen aus, sie zur Gänze mit den Gesamtkosten in der Höhe von EUR 48.102,23 belasten zu wollen. Es sei außerdem vereinbart worden, den Bestbieter mit der Räumung zu beauftragen. Es sei somit "erklärungswürdig", warum die T. GmbH als vermutlich teuerster Anbieter den Auftrag erhalten habe.
Mit dem am zugestellten Bescheid der BH wurden der Beschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 1 VVG die "in Vollstreckung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft L vom " für die Herstellung des bescheidmäßigen Zustandes im Wege der Ersatzvornahme angefallenen Kosten in der Höhe von EUR 48.102,23 zur Zahlung binnen zwei Wochen auferlegt. In der Begründung führte die BH zu den Einwänden der Beschwerdeführerin aus, entgegen ihrem Vorbringen seien von der BH mehrere Angebote bezüglich der Entsorgung der Altreifen und Altreifenschnitzel eingeholt worden und das Anbot der T. GmbH sei das preiswerteste gewesen. Der Verpflichtete müsse es hinnehmen, wenn die Kosten der Ersatzvornahme höher seien, als sie bei Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Einschreiten gewesen wären. Den rechtlich zulässigen Nachweis, dass die ihr angerechneten Kosten unangemessen hoch seien, habe die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall jedoch nicht erbracht. Zur "behaupteten teilweisen Kostenübernahme durch das Land und die Gemeinde T." sei festzustellen, dass der BH keine Unterlagen vorlägen, die das tatsächliche Zustandekommen dieser Vereinbarung dokumentierten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde - soweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch wesentlich - neuerlich vorgebracht, dass die der BH "übergeordnete Behörde (Stmk. Landesregierung, vertreten durch Hr. LR Ing. Manfred W.)" am mit der Beschwerdeführerin eine "verbindliche Räumungslösung" getroffen habe, in der festgelegt worden sei, dass die Beschwerdeführerin nur ein Drittel der Räumungskosten zu übernehmen habe. Die Vorschreibung der gesamten Kosten an die Beschwerdeführerin sei daher nicht gerechtfertigt. Wenn die BH die Behauptung aufstelle, von dieser Vereinbarung keine Kenntnis zu haben, so sei das "schlichtweg falsch". Dazu verwies die Beschwerdeführerin auf die persönliche Anwesenheit des Bezirkshauptmannes beim Abschluss der Vereinbarung am , auf ihre Eingaben an die BH, in denen darüber informiert worden sei, und auf eine vom erwähnten Landesrat arrangierte Pressekonferenz, wo die "verbindliche Räumungslösung" mit der Kostenübernahme zu je einem Drittel bestätigt worden sei. Im Übrigen bezweifelte die Beschwerdeführerin, dass die T. GmbH tatsächlich das preiswerteste Räumungsangebot gelegt habe, und verwies darauf, dass von anderen Unternehmen billigere Angebote vorgelegt worden seien.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) diese Berufung als unbegründet ab. Zum Berufungsvorbringen, dass nicht dem Billigstbieter der Auftrag für die Entsorgung der Altreifen erteilt worden sei, führte die belangte Behörde aus, dass die Vollstreckungsbehörde nicht verpflichtet sei, die Ersatzvornahme so kostengünstig wie möglich zu gestalten. Der Verpflichtete müsse es hinnehmen, wenn die Kosten der für die Durchführung des behördlichen Auftrags erforderlichen und auch tatsächlich verrichteten Arbeiten höher seien, als sie ohne behördliches Dazwischentreten gewesen wären. Einwendungen gegen die Kostenvorschreibung könne der Verpflichtete nur unter dem Gesichtspunkt erheben, dass die vorgeschriebenen Kosten unverhältnismäßig hoch seien. Den Nachweis der Unverhältnismäßigkeit der Kosten habe die hiefür beweispflichtige Beschwerdeführerin aber nicht erbracht. Zum Berufungsvorbringen, dass am eine verbindliche Vereinbarung betreffend die Kostenübernahme zwischen dem Land Steiermark, der Gemeinde T. und der Beschwerdeführerin getroffen worden sei, werde festgehalten, dass eine eventuelle zivilrechtliche Vereinbarung im Vollstreckungsverfahren nicht zu beachten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
In der Beschwerde wird vorgebracht, mit "Vollstreckungsverfügung vom " sei der Beschwerdeführerin von der BH gemäß § 4 Abs. 1 VVG unter Fristsetzung von 14 Tagen die Ersatzvornahme angedroht worden. Mit "Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom " sei die angedrohte Ersatzvornahme angeordnet und die Beschwerdeführerin angewiesen worden, als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme EUR 55.000,-- bei der BH zu hinterlegen. Dieser Aufforderung sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Am habe eine Verhandlung "über die Vollstreckung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom (Ersatzvornahme und Kostenvorschreibung)" zwischen der durch ihren Geschäftsführer Ing. Herbert H. vertretenen Beschwerdeführerin und dem Vertreter des Landes Steiermark, Landesrat Ing. Manfred W., dem Vertreter der Gemeinde T., Bürgermeister Alfred L., und dem Vertreter der BH, Bezirkshauptmann Dr. Manfred W., stattgefunden. Im Zuge der Verhandlung sei der "Bescheid vom , GZ ... , von Ing. W. als Vertreter der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde der Bezirkshauptmannschaft L (= Land Steiermark) zur Beseitigung eines für die Gesundheit von Menschen gefährlichen Missstandes abgeändert und mit nachstehendem Inhalt mündlich verkündet " worden:
"Der Firma ( Beschwerdeführerin ) wird die Tragung von einem Drittel der Kosten auferlegt, welche der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz für die Herstellung des bescheidmäßigen Zustandes im Wege der Ersatzvornahme in Vollstreckung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom , GZ ... , anfallen."
Ergänzend habe der Vertreter des Landes Steiermark "sich ebenso wie der anwesende Bürgermeister der Gemeinde T., Alfred L.," zur Tragung von je einem Drittel der Kosten, die der BH für die Herstellung des bescheidmäßigen Zustandes im Wege der Ersatzvornahme in Vollstreckung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom anfallen, verpflichtet." Die Voraussetzung für die amtswegige Abänderung des "Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom (...) durch LR Ing. Manfred W." sei gegeben gewesen, um eine unmittelbare Gefährdung von Grundwasser durch die bereits über Jahre an dieser Stelle gelagerten Altreifen zu verhindern. Landesrat Ing. Manfred W. habe im Zuge der Erlassung dieses mündlichen Bescheides vom klar und deutlich den objektiven Willen erkennen lassen, gegenüber der Beschwerdeführerin eine normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit für die Zukunft zu treffen. Sodann seien mit dem von der belangten Behörde bestätigten Bescheid der BH - entgegen dem aufrechten mündlichen Bescheid "des Landes Steiermark" vom - sämtliche im Wege der Ersatzvornahme angefallenen Kosten zur Gänze der Beschwerdeführerin auferlegt worden.
Daran anknüpfend führte die Beschwerdeführerin im Rahmen der Darstellung der Beschwerdegründe aus, setze sich die Behörde über die materielle Rechtskraft eines Bescheides hinweg und erlasse sie trotz Unabänderlichkeit zum Nachteil einer Verfahrenspartei in ein und derselben, bereits entschiedenen Sache nochmals von Amts wegen eine Entscheidung, ohne dazu ermächtigt zu sein, so sei der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes inhaltlich rechtswidrig. Im vorliegenden Fall habe die BH einen Bescheid, der "von der Steiermärkischen Landesregierung", vertreten durch Ing. W., am mündlich verkündet worden sei, trotz seiner Rechtskraft nachträglich zum Nachteil der Beschwerdeführerin dahingehend abgeändert, als der Beschwerdeführerin nunmehr die Ersatzpflicht für sämtliche Kosten aus der Ersatzvornahme auferlegt wurde. Werde durch den "derogatorischen, zweiten Bescheid" der BH eine rechtskräftig gewährte Begünstigung der Beschwerdeführerin beseitigt oder beschränkt, liege eine Verletzung von subjektiven Rechten der Beschwerdeführerin vor, sodass der Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben gewesen wäre.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die Erlassung eines ihre Kostentragungspflicht auf ein Drittel beschränkenden Bescheides durch mündliche Verkündung am , mit dem ein angeblich davor ergangener Bescheid abgeändert worden sein soll, im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, sondern nur das Bestehen einer diesbezüglichen (zivilrechtlichen) Vereinbarung eingewendet hat. Das demgegenüber eine Deutung des Verhandlungsergebnisses als einen auf § 68 Abs. 3 AVG gestützten Bescheid vornehmende Beschwerdevorbringen verstößt somit gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) und ist daher unbeachtlich. Schon aus diesem Grund kann dieses Vorbringen die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. Ungeachtet dessen ist dazu aber im Sinne der Einwände in der Gegenschrift der belangten Behörde noch anzumerken, dass für die Erlassung eines - nach dem Beschwerdevorbringen der steiermärkischen Landesregierung zuzurechnenden - Bescheides, wie er in der Beschwerde ins Treffen geführt wird, nach dem Inhalt der vorgelegten Akten überhaupt keine Anhaltspunkte bestehen.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird in der Beschwerde noch vorgebracht, der Verpflichtete könne den Nachweis erbringen, dass die ihm angerechneten Kosten der Ersatzvornahme unangemessen hoch seien. Diesbezüglich macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Parteiengehörs geltend, weil ihr unmittelbar vor der Auswahl eines bestimmten Entsorgungsunternehmens nicht bekannt gegeben worden sei, "aus welchen Posten sich der verrechnete Betrag laut Anbot zusammensetzt".
Dieser Einwand geht aber schon deshalb ins Leere, weil die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret darlegt. Die nur ganz allgemein gehaltene Behauptung, ihr sei dadurch im Verfahren über die Ersatzvornahme die Möglichkeit genommen worden, ihr Parteiengehör zur Geltendmachung "ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben" und den Beweis für die Unangemessenheit der vorgeschriebenen Kosten zu erbringen, wird dem nicht gerecht (vgl. zu einer bloß pauschalen Bestreitung der Angemessenheit der Kosten der Ersatzvornahme das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0198).
Die Beschwerde, in der keine weiteren Argumente vorgetragen werden, erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-73732