VwGH vom 03.09.2008, 2008/04/0109
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der K in N, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom , Zl. N/0049-BVA/12/2008-23, betreffend Nichtigerklärung einer Widerrufsentscheidung (mitbeteiligte Partei: Ö W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei hat als Sektorenauftraggeberin im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb den Auftrag betreffend den Umbau einer Förderanlage in Graz mit einem geschätzten Auftragswert von EUR 1,2 Mio. ausgeschrieben. Mit Telefax vom teilte die mitbeteiligte Partei der beschwerdeführenden Partei mit, dass das Vergabeverfahren gemäß § 278 Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006 widerrufen werde. Mit einem am bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben beantragte die beschwerdeführende Partei die Nichtigerklärung dieser Widerrufsentscheidung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde unter Spruchpunkt I. den Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 187 Abs. 1 und 4 iVm § 278 BVergG 2006 und unter Spruchpunkt II. den Antrag auf Gebührenersatz gemäß § 319 leg. cit. ab. In der Begründung führte sie zum Verfahrensgeschehen - hier auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die mitbeteiligte Auftraggeberin habe die Widerrufsentscheidung einerseits damit begründet, dass nach dem Ausscheiden von Angeboten gemäß § 269 BVergG 2006 nur ein Angebot, nämlich jenes der beschwerdeführenden Partei, verblieben sei und dass andererseits dieses einzig verbliebene Angebot das für den gegenständlichen Auftrag vorgesehene und genehmigte Budget bei weitem überschritten habe. So habe die beschwerdeführende Partei das Projekt noch vor der Ausschreibung mit EUR 950.000,-- (ohne USt.) beziffert, woraufhin der Vorstand der mitbeteiligten Auftraggeberin ein Budget in Höhe von EUR 1.157.000,-- (inkl. USt.) genehmigt habe. Das tatsächliche Angebot der beschwerdeführenden Partei habe dann aber EUR 2.138.000,-- (ohne USt.) betragen. Zwar seien die beiden von der mitbeteiligten Auftraggeberin vorgebrachten Widerrufsgründe nach Ansicht der belangten Behörde - aus im angefochtenen Bescheid näher genannten Gründen - nicht tragfähig. Dennoch sei aber die Widerrufsentscheidung der mitbeteiligten Partei nicht nur rechtmäßig, sondern auch rechtlich geboten gewesen: Die mitbeteiligte Auftraggeberin habe nämlich den Leistungsgegenstand im Zuge des Vergabeverfahrens über die zulässige Grenze hinaus abgeändert. Im Zuge des Verhandlungsverfahrens habe sich nämlich herausgestellt, dass der ursprünglich vorgesehene und ausgeschriebene Umbau der Förderanlage mit höheren Kosten verbunden wäre als die komplette Neuerrichtung der Anlage. Daher sei der Leistungsgegenstand während des Verhandlungsverfahrens in Absprache mit der beschwerdeführenden Partei "einvernehmlich" dahin geändert worden, dass die Förderanlage nicht umzubauen, sondern neu zu errichten sei. Die Aufforderung der mitbeteiligten Partei vom zur Abgabe eines Letztangebotes habe bereits den geänderten Auftragsgegenstand beinhaltet. Abgesehen davon, dass die mitbeteiligte Auftraggeberin selbst zugestanden habe, sie hätte das Vergabeverfahren bereits widerrufen müssen, als sich die Notwendigkeit zur Änderung des Auftragsgegenstandes gezeigt habe, und abgesehen davon, dass auch die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme vom die genannte Änderung des Leistungsgegenstandes als unzulässig bezeichnet habe, sei die Grenze des zulässigerweise verhandelbaren Auftragsgegenstandes im vorliegenden Fall aus folgendem Grund überschritten:
Gemäß § 254 Abs. 1 BVergG 2006 dürfe der Sektorenauftraggeber mit dem Bieter oder den Bietern über den gesamten Leistungsinhalt verhandeln, um das für ihn beste Angebot gemäß den bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu ermitteln. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich, dass die Grenze des Verhandlungsspielraumes jedenfalls durch den Leistungsinhalt des Vergabeverfahrens, somit den Auftragsgegenstand, abgesteckt werde. Diese Grenze des Verhandlungsspielraumes werde nach der Literatur jedenfalls dann überschritten, wenn der tatsächlich verhandelte Leistungsgegenstand einen veränderten Bieterkreis erwarten lasse (Hinweis auf Schramm/Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Rz 98 zu § 23 BVergG 2002) bzw. wenn der Auftrag durch die Änderung seinen grundsätzlichen Charakter verliere. Im gegenständlichen Fall habe die mitbeteiligte Partei den Umbau einer bestehenden Förderanlage als Leistungsinhalt ausgeschrieben, diesen aber während des Verhandlungsverfahrens abgeändert und einen Neubau der Anlage verlangt. Damit habe sich der Kern der ausgeschriebenen Leistung geändert, die Änderung stelle somit ein "vergaberechtliches aliud" dar. Hätte nämlich schon die Ausschreibung die Neuerrichtung der Anlage und nicht bloß deren Umbau als Leistungsgegenstand genannt, so wäre ein veränderter Bieterkreis zu erwarten gewesen. Da somit eine Zuschlagsentscheidung auf der Grundlage des geänderten Leistungsgegenstandes gegen § 187 Abs. 1 BVergG 2006 und die dort genannten Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoßen hätte, sei die mitbeteiligte Auftraggeberin schon aus diesem Grund zum Widerruf des Vergabeverfahrens verpflichtet gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich nach dem Beschwerdepunkt in ihrem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht "auf richtige Begründung der Widerrufsentscheidung" und Nichtigerklärung derselben (sowie in ihrem Recht auf Ersatz der Gebühren des Vergabenachprüfungsverfahrens) verletzt. In der Beschwerde wird es ausdrücklich als unstrittig bezeichnet, dass die mitbeteiligte Auftraggeberin im Zuge des Verhandlungsverfahrens den Leistungsgegenstand von einem Umbau der Förderanlage in einen Neubau abgeändert hat. Daher gehe zwar "die belangte Behörde zu Recht" davon aus, dass sich der Leistungsgegenstand nicht bloß unwesentlich geändert hat und die mitbeteiligte Auftraggeberin "schon aus diesem Grund zum Widerruf verpflichtet gewesen wäre". Die gegenständliche Widerrufsentscheidung sei nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei aber deshalb rechtswidrig und hätte somit von der belangten Behörde für nichtig erklärt werden müssen, weil sich jene Gründe, auf welche die mitbeteiligte Auftraggeberin die Widerrufsentscheidung gestützt habe, nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid als unzutreffend erwiesen hätten. Dass sich die Widerrufsentscheidung dennoch zumindest im Ergebnis - auf Grund des von der belangten Behörde aufgezeigten Grundes der unzulässigen Änderung des Leistungsinhaltes - als richtig erweise, ändere nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei nichts daran, dass die belangte Behörde diese Widerrufsentscheidung "auf Grund falscher Begründung" für rechtswidrig hätte erklären müssen. Im Anschluss an eine Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung wäre es der mitbeteiligten Auftraggeberin dann unbenommen geblieben, das Vergabeverfahren neuerlich - dieses Mal jedoch mit der richtigen Begründung - zu widerrufen. Da die mitbeteiligte Partei ihre Widerrufsentscheidung nicht mit der Änderung des Leistungsgegenstandes begründet habe, sei die beschwerdeführende Partei in gesetzlichen Rechten verkürzt, weil sie diesen Widerrufsgrund nicht zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens habe machen können.
Die maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2006 lauten:
Grundsätze des Vergabeverfahrens
§ 187. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
...
(4) Verfahren zur Vergabe von Aufträgen und Realisierungswettbewerbe sind nur dann durchzuführen, wenn die Absicht besteht, die Leistung auch tatsächlich zur Vergabe zu bringen. Der Sektorenauftraggeber ist nicht verpflichtet, ein Vergabeverfahren durch Zuschlag zu beenden.
Ablauf des Verhandlungsverfahrens
§ 254. (1) Der Sektorenauftraggeber darf mit dem Bieter oder den Bietern über den gesamten Leistungsinhalt verhandeln, um das für ihn beste Angebot gemäß den bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu ermitteln. ...
...
(5) An den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien darf, sofern in den Ausschreibungsunterlagen nicht anderes festgelegt wurde, während des Verhandlungsverfahrens keine Änderung vorgenommen werden.
Gründe für den Widerruf eines Vergabeverfahrens
§ 278. Der Sektorenauftraggeber kann ein Vergabeverfahren widerrufen, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.
Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers
§ 325. (1) Das Bundesvergabeamt hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm nach § 322 Abs. 1 Z 5 geltend gemachten Recht verletzt, und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
..."
Im gegenständlichen Beschwerdefall ist auf Grund der unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde davon auszugehen, dass die mitbeteiligte Partei während des Verhandlungsverfahrens zur Ansicht gelangte, der ausgeschriebene Umbau der bestehenden Förderanlage überschreite das dafür genehmigte Budget und sei sogar kostspieliger als der Neubau einer solchen Anlage. Sowohl die beschwerdeführende Partei als auch die belangte Behörde gehen übereinstimmend davon aus, dass dieser Umstand einen sachlichen Grund im Sinne des § 278 BVergG 2006 darstellte, um das Vergabeverfahren zu widerrufen. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Ansicht keine Bedenken (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0001, dem sogar die enger gefassten Widerrufsgründe des § 139 BVergG 2006 zu Grunde lagen).
Wie dargestellt bekämpft die beschwerdeführende Partei somit nicht die Rechtsansicht, dass es einen sachlichen und daher gemäß § 278 BVergG 2006 ausreichenden Grund für die in Rede stehende Widerrufsentscheidung gab. Vielmehr vertritt sie den Standpunkt, die belangte Behörde hätte die Widerrufsentscheidung schon deshalb für nichtig erklären müssen, weil jene Gründe, die die mitbeteiligte Auftraggeberin gegenüber der beschwerdeführenden Partei für den Widerruf des Vergabeverfahrens angegeben hatte, nicht vorgelegen seien. Die beschwerdeführende Partei geht somit davon aus, die Vergabekontrollbehörde müsse die angefochtene Entscheidung eines Auftraggebers schon dann aufheben, wenn diese Entscheidung vom Auftraggeber (bloß) fehlerhaft begründet sei, und zwar selbst dann, wenn diese Entscheidung, wie im gegenständlichen Fall unstrittig, mit den maßgebenden Vorschriften des Vergaberechts im Einklang steht.
Mit dem genannten Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass ein Unternehmer gemäß § 320 Abs. 1 BVergG 2006 nur die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren "Entscheidung" wegen Rechtswidrigkeit beantragen kann. Die Vergabekontrollbehörde hat die "Entscheidung" des Auftraggebers gemäß § 325 Abs. 1 BVergG 2006 nur dann für nichtig zu erklären, wenn (Z 1) sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm nach § 322 Abs. 1 Z 5 geltend gemachten Recht verletzt, und (Z 2) die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Daher ist Voraussetzung für eine Nichtigerklärung gemäß § 325 BVergG 2006 die Rechtswidrigkeit der "Entscheidung" des Auftraggebers (gegenständlich somit gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG 2006 die Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung). Umgekehrt hat die Nichtigerklärung zu unterbleiben, wenn die "Entscheidung" des Auftraggebers mit den Rechtsvorschriften im Einklang steht. Eine (bloß) unzutreffende Begründung der Entscheidung des Auftraggebers reicht daher für eine Nichtigerklärung nicht aus.
Im vorliegenden Fall kann der belangten Behörde somit nicht entgegen getreten werden, wenn sie ausgehend davon, dass die Widerrufsentscheidung aus anderen als den von der mitbeteiligten Auftraggeberin genannten Gründen rechtmäßig sei, den Nachprüfungsantrag der beschwerdeführenden Partei abgewiesen hat.
Da sich somit bereits auf Grund des Beschwerdevorbringens ergibt, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung zu Recht abgewiesen und gemäß § 319 BVergG 2006 zutreffend auch keinen Gebührenersatz zugesprochen hat, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen. Wien, am