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VwGH vom 14.11.2018, Ra 2017/11/0308

VwGH vom 14.11.2018, Ra 2017/11/0308

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des U G in J, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Guggenberger und Partner Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2016/21/1288-2, betreffend Erteilung einer Bewilligung nach dem Gemeindesanitätsdienstgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Stans; Oberbehörde: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber hatte am einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem (Tiroler) Gesetz über die Regelung des Gemeindesanitätsdienstes und des Leichen- und Bestattungswesens (in Folge: Gemeindesanitätsdienstgesetz) zur Errichtung und zum Betrieb eines so genannten "Friedparks" auf in seiner Verfügung stehenden Grundstücken in der Gemeinde Stans in Tirol gestellt. In diesem "Friedpark" solle Asche verstorbener Menschen in biologisch abbaubaren Urnen in der Natur, insbesondere an den Wurzeln eines Baumes, bestattet werden. Die Urnen mit der Asche würden nach der Beisetzung in etwa drei Jahren verfallen und von der Erde aufgenommen werden. Der "Friedpark" solle nach Maßgabe der freien Flächen allen zur Bestattung zugänglich sein und auf vertraglicher Basis entgeltlich betrieben werden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - den Antrag des Revisionswerbers ab; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

3 Begründend führte es im Wesentlichen aus, bei der geplanten Anlage handle es sich um einen Friedhof im Sinne des Gemeindesanitätsdienstgesetzes. Der Betrieb und die Erhaltung von Friedhöfen obliege gemäß § 33 Abs. 1 Gemeindesanitätsdienstgesetz ausschließlich den Gemeinden. Privatpersonen sei es hingegen verwehrt, Friedhöfe zu errichten und zu betreiben. Die Beisetzung von Ascheurnen außerhalb von Friedhöfen sei gemäß § 33 Abs. 2 Gemeindesanitätsdienstgesetz nur ausnahmsweise in besonders begründeten Einzelfällen zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtete der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde nach Art. 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom , E 878/2017-5, ab: Angesichts der mit einem geordneten Leichen- und Bestattungswesen verbundenen öffentlichen Interessen komme dem - demokratisch gewählten - Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu; ihm obliege es, derartige kulturelle Fragen zu entscheiden.

5 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision, in der er mit näherer Begründung geltend machte, der Gemeindevorbehalt nach § 33 Abs. 1 Gemeindesanitätsdienstgesetz widerspreche der Dienstleistungsrichtlinie.

6 Die belangte Behörde sowie die Tiroler Landesregierung als Oberbehörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie den geltend gemachten Bedenken des Revisionswerbers entgegen traten.

7 Der Revisionswerber hat dazu eine Stellungnahme erstattet.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision ist - entgegen der im Wesentlichen nur den Gesetzeswortlaut wiedergebenden und damit unzureichend begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts - aus den von ihrer Zulässigkeitsbegründung genannten Gründen (Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 Gemeindesanitätsdienstgesetz mit der Dienstleistungsrichtlinie) zulässig; sie ist aber nicht begründet.

10 Die im Revisionsfall maßgebenden Bestimmungen des Gesetzes vom über die Regelung des Gemeindesanitätsdienstes und des Leichen- und Bestattungswesens, LGBl. Nr. 33/1952 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 13/2015 (Gemeindesanitätsdienstgesetz), lauten (auszugsweise) wie folgt:

"§ 32

(1) Die Beerdigung hat in der Regel 48 Stunden nach dem Tod auf dem Friedhof des Sterbeortes oder, bei aufgefundenen Leichen, auf dem Friedhof des Auffindungsortes zu geschehen, wenn nicht aus gerichtlichen oder sanitätspolizeilichen Rücksichten eine Verzögerung oder Beschleunigung notwendig ist. ...

...

FRIEDHÖFE

§ 33

(1) Die Errichtung und Erhaltung der Friedhöfe obliegen den Gemeinden. Dies gilt auch für Friedhöfe im Eigentum einer Religionsgemeinschaft (konfessionelle Friedhöfe), wenn der Friedhofseigentümer die nötige Erweiterung oder Instandhaltung des Friedhofes nicht durchführt. Im Fall einer Erweiterung verbleibt der erweiterte Teil des Friedhofes im Eigentum der Gemeinde.

(2) Die Beisetzung von Leichen, Leichenteilen oder Aschenurnen außerhalb eines Friedhofes, auch in Grüften, ist nicht zulässig; in besonders begründeten Fällen kann die Bezirksverwaltungsbehörde hievon eine Ausnahme gestatten.

(3) Für jeden Friedhof ist eine Friedhofsordnung zu erlassen, die nähere Bestimmungen über die Einteilung, Ausgestaltung und Erhaltung von Grabstätten und Grabmälern, über die Benützungsrechte an Grabstätten, sanitätspolizeiliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Beerdigung, ortspolizeiliche Vorschriften über das Verhalten auf Friedhöfen sowie Bestimmungen über die Verwaltung des Friedhofes zu enthalten hat.

...

EIGENER WIRKUNGSBEREICH DER GEMEINDE

§ 49a

Die Besorgung ihrer Aufgaben nach § 5, § 7 Abs. 1, 3, 4 und 6, § 9, § 10 Abs. 2, § 10a, § 16, § 19 Abs. 1 und 5 bis 7, § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 1 und 3, § 23, § 26 Abs. 3, § 28 bis 32, § 33 Abs. 1 und 3, § 35, § 40, § 41 und § 44 sowie die Abgabe einer Äußerung nach § 2 Abs. 2, § 3 und 6 obliegen der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich."

11 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz Gemeindesanitätsdienstgesetz "obliegen" die Errichtung und Erhaltung der Friedhöfe den Gemeinden.

12 Die Verfahrensparteien verstehen diese Regelung - insoweit übereinstimmend - dahin, dass damit nicht nur eine Verpflichtung der Gemeinden normiert wird, für Errichtung und Erhaltung von Friedhöfen zu sorgen, sondern gleichzeitig ein entsprechender Vorbehalt; danach sei es Privaten nicht erlaubt, einen Friedhof zu errichten und zu betreiben.

13 Zwar ist aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 erster Satz Gemeindesanitätsdienstgesetz allein nicht abzuleiten, dass Private von Errichtung und Betrieb von Friedhöfen ausgeschlossen sind. Die Einbeziehung des systematischen Zusammenhangs und der Gesetzesmaterialien schafft aber ein klareres Bild:

14 Nach § 32 Gemeindesanitätsdienstgesetz hat die Beerdigung in der Regel in dem zum Sterbe- bzw. Auffindungsort gehörenden Friedhof zu erfolgen.

15 § 33 Abs. 2 Gemeindesanitätsdienstgesetz normiert einen grundsätzlichen Friedhofszwang: Die Beisetzung von Leichen bzw. Leichenteilen und Aschenurnen außerhalb eines Friedhofs ist nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zulässig.

16 Errichtung und Betrieb von Friedhöfen (auch) durch Private wird dadurch zwar noch nicht ausgeschlossen, nimmt man aber auch die Regelung des § 33 Abs. 3 Gemeindesanitätsdienstgesetz in den Blick, wonach die für jeden Friedhof zu erlassende Friedhofsordnung (unter anderem) auch "sanitätspolizeiliche Vorschriften" im Zusammenhang mit der Beerdigung und "ortspolizeiliche Vorschriften" über das Verhalten auf Friedhöfen zu enthalten hat, macht dies jedenfalls deutlich, dass der Gesetzgeber bei dieser Regelung einen allfälligen Betrieb von Friedhöfen durch Private nicht vor Augen hatte.

17 In diese Richtung weist auch das Fehlen jeglicher Bestimmungen über sanitätspolizeiliche Auflagen und eine behördliche Aufsicht über die Betreiber von Friedhöfen. Hätte der Gesetzgeber eine Errichtung und einen Betrieb durch Private vor Augen, wären doch - neben einem wie auch immer ausgestalteten Bewilligungsregime - entsprechende Regelungen zu erwarten.

18 Ein Blick auf die historische Genese des Gesetzes bestätigt dieses Ergebnis:

19 Schon die Stammfassung des Gemeindesanitätsdienstgesetzes (LGBl. Nr. 33/1952) verpflichtete in § 33 Abs. 1 - wortgleich wie die im Revisionsfall maßgebende Fassung - die Gemeinden zu Errichtung und Erhaltung der Friedhöfe. Nach § 33 Abs. 2 Gemeindesanitätsdienstgesetz in der Stammfassung bedurften Errichtung, Erweiterung und Schließung eines Friedhofs der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. § 33 Abs. 3 untersagte die Beisetzung von Leichen, Leichenteilen oder Aschenurnen außerhalb eines Friedhofs; in besonders begründeten Fällen konnte die Landesregierung hievon eine Ausnahme gestatten.

20 § 33 Abs. 4 des Gemeindesanitätsdienstgesetzes in der Stammfassung lautete:

"(4) Für jeden Friedhof ist eine Friedhofsordnung zu erstellen, welche der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde bedarf. Diese Ordnung gilt in jenen Fällen, in denen die Friedhöfe teilweise im Eigentum einer Religionsgemeinschaft (konfessionelle Friedhöfe), teilweise in jenem der Gemeinde (Gemeindefriedhöfe) stehen, für beide Teile der Friedhöfe in gleicher Weise. Für Friedhöfe im selben Gemeindegebiet ohne räumlichen Zusammenhang können verschiedene Friedhofsordnungen erlassen werden."

21 Auch diese Formulierung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber nur Gemeindefriedhöfe und konfessionelle Friedhöfe vor Augen hat, nicht aber etwa von Privaten errichtete und betriebene Friedhöfe.

22 Mit der Novelle LGBl. Nr. 13/1968 entfiel die Genehmigungspflicht nach § 33 Abs. 2 und erhielt § 33 Abs. 3 (Absatz 4 der Stammfassung) die im Revisionsfall maßgebende Fassung. Diese Novelle diente (entsprechend dem Bericht des Sozialausschusses, Zl. 107/67) - neben der zu erreichenden Besserstellung der Sprengelärzte - auch der Umsetzung der Vorgaben des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom , G 12/66, V 9/66, durch ausdrückliche Bezeichnung von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde als solche. Dementsprechend wurden im neu gefassten § 49a Aufgaben, die von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich besorgt werden, ausdrücklich als solche bezeichnet, darunter die Angelegenheiten nach § 33 Abs. 1 (also die Errichtung und Erhaltung der Friedhöfe).

23 Im gegebenen Zusammenhang relevante Änderungen erfolgten (abgesehen von der Novelle LGBl. Nr. 89/2002 (Tiroler Verwaltungsreformgesetz 2002), mit der die Zuständigkeit für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 33 Abs. 2 Gemeindesanitätsdienstgesetz von der Landesregierung auf die Bezirksverwaltungsbehörde übertragen wurde) durch die - im Revisionsfall noch nicht anzuwendende - Novelle LGBl. Nr. 13/2018.

24 Mit dieser Novelle wurden (im gegebenen Zusammenhang von Interesse) u.a. § 33 und § 50 (Strafbestimmungen) neu gefasst.

25 Diese Bestimmungen lauten seither (auszugsweise) wie folgt:

"FRIEDHÖFE

§ 33

(1) Die Errichtung und Erhaltung der Friedhöfe obliegen den Gemeinden. Dies gilt auch für Friedhöfe im Eigentum einer Religionsgemeinschaft (konfessionelle Friedhöfe), wenn der Friedhofseigentümer die nötige Erweiterung oder Instandhaltung des Friedhofes nicht durchführt. Im Fall einer Erweiterung verbleibt der erweiterte Teil des Friedhofes im Eigentum der Gemeinde. Bei einem Friedhof handelt es sich um eine Grundfläche, die der Bestattung oder, im Hinblick auf die Errichtung, der beabsichtigten Bestattung von Leichen, Leichenteilen oder Aschenurnen dient. Die Grundfläche gilt dann nicht als Friedhof, wenn eine Ausnahmegenehmigung nach Abs. 2 erteilt wird.

(2) Die Beisetzung von Leichen, Leichenteilen oder Aschenurnen außerhalb eines Friedhofes, auch in Grüften, ist nicht zulässig. In besonders begründeten Fällen kann die Bezirksverwaltungsbehörde hiervon eine Ausnahme gestatten, wobei insbesondere bestehende Begräbnisstätten von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgemeinschaften und diesen nahe stehenden Einrichtungen zu berücksichtigen sind. Die Beerdigung einer Aschenurne außerhalb eines Friedhofes (private Begräbnisstätte) ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bewilligen, sofern

a) vom Antragsteller glaubhaft gemacht wird, dass eine

gewichtige, allgemein nachvollziehbare persönliche Nahebeziehung des Verstorbenen zur Liegenschaft oder zu einer bereits vorverstorbenen und auf der Liegenschaft bestatteten Person besteht und

b) der Beerdigung keine sanitätspolizeilichen Bedenken

entgegenstehen und die Beerdigung nicht gegen Pietät und Würde sowie das geordnete Bestattungswesen verstößt, wobei nicht das Erscheinungsbild eines Friedhofs entstehen darf und die bereits genehmigte Anzahl der Beisetzungen, die Nähe zueinander und das Umfeld zu berücksichtigen sind, und

c) die Bestattung in einer während der Mindestruhefrist von

zehn Jahren biologisch abbaubaren Urne in einem Erdgrab mit der Mindesttiefe von 0,50 m erfolgt und

d) keine naturschutz- bzw. wasserrechtlichen Bedenken entgegenstehen.

(3) Dem Antrag auf Bewilligung einer privaten Begräbnisstätte

sind jedenfalls anzuschließen

a) ein Lageplan oder eine vergleichbare Unterlage aus der

der konkrete Beisetzungsort hervorgeht, sowie eine Beschreibung

des Vorhabens,

b) die schriftliche Zustimmung des Liegenschaftseigentümers,

c) eine schriftliche Erklärung des Verstorbenen zu

Lebzeiten bzw. die Glaubhaftmachung des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen, außerhalb eines Friedhofes beerdigt zu werden und

d) eine schriftliche Erklärung im Sinn des Abs. 2 lit. a.

(4) Dem Antrag nach Abs. 3 ist nicht stattzugeben, wenn die Anzahl der Grabstellen der privaten Begräbnisstätte nach Abs. 2 fünf übersteigt. Mit Zustimmung der betroffenen Gemeinde kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei einer privaten Begräbnisstätte bis zu zehn Grabstellen bewilligen. Bei der Berechnung dieser Höchstzahlen sind Grabstellen auf angrenzenden Grundparzellen zusammenzuzählen, wenn diese in einem wirtschaftlichen, organisatorischen oder funktionellen Zusammenhang stehen. Auch Grabstellen nicht unmittelbar angrenzender aber in einem wirtschaftlichen, organisatorischen oder funktionellen Zusammenhang stehender Grundparzellen sind zusammenzuzählen, wenn sich die Grundparzelle, auf der eine Grabstelle errichtet werden soll, innerhalb eines Abstandes von 50 Metern zu zumindest einer im vorgenannten Zusammenhang stehenden Grundparzelle befindet.

(5) Bei Verstößen gegen die Bestimmungen nach den Abs. 2 und 4 hat die Bezirksverwaltungsbehörde dem über das Grundstück Verfügungsberechtigten unter Wahrung der Grundsätze der Pietät und unter Sicherstellung der sanitätspolizeilichen Erfordernisse die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes aufzutragen.

(6) Für jeden Friedhof ist eine Friedhofsordnung zu erlassen, die nähere Bestimmungen über die Einteilung, Ausgestaltung und Erhaltung von Grabstätten und Grabmälern, über die Benützungsrechte an Grabstätten, sanitätspolizeiliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Beerdigung, ortspolizeiliche Vorschriften über das Verhalten auf Friedhöfen sowie Bestimmungen über die Verwaltung des Friedhofes zu enthalten hat. Die Benützungsrechte an Grabstätten sind so zu regeln, dass Beerdigungsplätze in ausreichender Anzahl am Friedhof verfügbar bleiben, wobei auf die aus gesundheitspolizeilichen Gründen vorgesehenen Ruhefristen Bedacht zu nehmen ist. In neuerlassenen Friedhofsordnungen dürfen Benützungsrechte an Grabstätten auf unbegrenzte Zeit nicht mehr eingeräumt werden.

...

STRAF- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

§ 50 (1) Wer

...

c) entgegen der Bestimmung des § 33 Abs. 1, die die Errichtung eines Friedhofes den Gemeinden vorbehält, einen Friedhof errichtet,

d) entgegen der Bestimmung des § 33 Abs. 2 außerhalb eines Friedhofes eine Leiche oder Leichenteile oder eine Aschenurne ohne Ausnahmebewilligung bestattet bzw. trotz Ausnahmegenehmigung eine entsprechende Bestattung nicht vornimmt oder entgegen der Bestimmungen des § 33 Abs. 2 lit. c, des § 33 Abs. 7 und des § 47 Abs. 3 die Asche aus der Urne entnimmt,

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 36.000,- Euro, zu bestrafen."

26 Mit dieser Neuregelung wurden also - neben der erstmaligen Definition des "Friedhofs" - weitere (begrenzte) Ausnahmen vom Friedhofszwang für die Beerdigung von Ascheurnen geschaffen und erfolgte eine Umschreibung einzelner Straftatbestände.

27 In den Erläuterungen zu dieser Novelle wird u.a. Folgendes ausgeführt (ohne die hier erfolgten Hervorhebungen):

"Darüber hinaus sollen für die Beerdigung einer Aschenurne außerhalb eines Friedhofs (private Begräbnisstätte) weitere - begrenzte - Ausnahmen vom sog. ‚Friedhofszwang' vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof unlängst ausdrücklich festgehalten, dass dem Gesetzgeber diesbezüglich angesichts der mit einem geordneten Leichen- und Bestattungswesen verbundenen öffentlichen Interesse ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (zum Tiroler Gemeindesanitätsdienstgesetz unter Hinweis auf VfSlg. 19.904/2014 und ).

...

Zu Z 10 (§ 33):

Aufgrund von in der Praxis aufgetretenen Unklarheiten wird im Abs. 1 der Begriff ‚Friedhof' klar definiert. Bei einem Friedhof muss es sich nicht um eine bauliche Anlage handeln. Das äußere Erscheinungsbild, wie aufgestellte Gedenktafeln, Grabstätten, Hinweisschilder, sonstige Vorrichtungen oder Einfriedungen, ist für die Qualifizierung als Friedhof nicht notwendig. So kann beispielsweise auch ein unberührtes Waldstück, auf welchem mehrere Urnen begraben sind, einen Friedhof im Sinn des Gesetzes darstellen.

Die Beisetzung von Leichen oder Leichenteilen oder Aschenurnen soll auch weiterhin grundsätzlich nur auf Friedhöfen zulässig sein (‚Friedhofszwang'), zumal die Tiroler Gemeinden ja auch schon bisher verpflichtet waren, für jeden in ihrem Gemeindegebiet Verstorbenen - egal welcher Konfession - eine Bestattung sicherzustellen. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann aber hiervon (wie schon bisher) in besonders begründeten Fällen eine Ausnahme gestatten. (Abs. 2) Dazu wird nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auf bestehende Begräbnisstätten von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgemeinschaften und diesen nahe stehenden Einrichtungen Bedacht zu nehmen ist. Solche Begräbnisstätten bestehen etwa im Dom zu St. Jakob sowie in anderen Kirchen und in Klöstern.

Zudem werden im Abs. 2 die Voraussetzungen für eine besondere weitere Ausnahme vom grundsätzlich vorherrschenden ‚Friedhofszwang' für die Beerdigung einer Aschenurne vorgesehen. Für die Beerdigung einer Aschenurne außerhalb eines Friedhofes (private Begräbnisstätte) ist in erster Linie eine gewichtige, allgemein nachvollziehbare persönliche Nahebeziehung des Verstorbenen zur Liegenschaft oder zu einer bereits vorverstorbenen und auf der Liegenschaft bestatteten Person glaubhaft darzulegen. Die erforderliche persönliche Nahebeziehung ist anzunehmen, wenn der Verstorbene der Eigentümer der Liegenschaft war, auf der die Bestattung erfolgen soll. Nicht ausreichend für das Bejahen einer persönlichen Nahebeziehung im Sinn dieser Bestimmung sind etwa Besuche des Verstorbenen auf der Liegenschaft, auch wenn diese eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, oder das ehemals persönliche Empfinden des Verstorbenen, Schönheit in der Liegenschaft zu erblicken. Eine Nahebeziehung zu einer auf dem Grundstück beigesetzten vorverstorbenen Person liegt beispielsweise vor, wenn zu dieser ein Verwandtschafts- oder Angehörigenverhältnis bestand.

Zudem dürfen der Beerdigung in der privaten Begräbnisstätte keine sanitätspolizeilichen Bedenken entgegenstehen. Die Beerdigung darf außerdem nicht gegen das geordnete Bestattungswesen, das in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde fällt, sowie gegen Pietät und Würde verstoßen.

...

Keinesfalls darf das Erscheinungsbild eines Friedhofes

entstehen. ...

...

Einem Antrag auf Beerdigung von Aschenurnen außerhalb eines Friedhofes ist jedenfalls dann nicht stattzugeben, wenn die Anzahl der Grabstellen einer privaten Begräbnisstätte nach Abs. 2 vier überschreitet (Abs. 4). Die Festlegung einer Zusammenrechnungsregel soll verhindern, dass die gesetzliche Höchstzahl der Grabstellen (etwa durch Parzellierungsvorgänge) umgangen werden kann.

Konkret bedeutet dies, dass bei der Berechnung der gesetzlichen Höchstzahl der Grabstellen einer privaten Begräbnisstätte die Grabstellen auf angrenzenden Grundparzellen zusammenzuzählen sind, wenn diese in einem wirtschaftlichen, organisatorischen oder funktionellen Zusammenhang stehen. Hierbei ist insbesondere auch auf die Eigentumsverhältnisse Bedacht zu nehmen.

...

Die Zusammenrechnungsregel ist selbstverständlich nur auf

private Begräbnisstätten, nicht aber auf Gemeindefriedhöfe oder

konfessionelle Friedhöfe anzuwenden.

...

Zu Z 13 (§ 47 Abs. 3 und 4):

In der neuen Bestimmung des Abs. 3 wird die Urnenbestattung (sowohl für Friedhöfe als auch für die ausnahmsweise bewilligten privaten Begräbnisstätten) geregelt.

...

Zu Z 15 (§ 50):

Die Strafbestimmung in der bisherigen Fassung entspricht noch der Stammfassung von 1952. Mit der Novelle LGBl Nr. 114/2001 wurde lediglich aufgrund der Währungsumstellung der Betrag von 3000,-

Schilling in 218,- Euro geändert. Dieser Betrag erscheint insbesondere aufgrund der Inflation mittlerweile viel zu niedrig angesetzt, wodurch eine gewünschte Abschreckungswirkung nur schwerlich erzielt werden kann. Die Strafbestimmung wird daher dem heutigen legistischen Standard entsprechend neu gefasst, wobei die einzelnen Straftatbestände genau umschrieben werden und jeweils eine angemessene Strafhöhe festgesetzt wird."

28 Die vom Novellengesetzgeber vorgenommene Gegenüberstellung von Friedhöfen einerseits und (der Beerdigung von Aschenurnen dienenden) privaten Begräbnisstätten andererseits (vgl. insb. § 33 Abs. 2 und Abs. 3 lit. c) bestätigt, ebenso wie die diesbezüglichen (oben hervorgehobenen) Materialien, dass nach der Konzeption des Gesetzes ein Friedhof nur durch Gemeinden bzw. Religionsgemeinschaften betrieben werden darf, nicht aber durch Private. Private Begräbnisstätten sind vielmehr nur - als Ausnahme vom Friedhofszwang - nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 und unter den dort normierten einschränkenden Voraussetzungen zulässig und sind ausdrücklich (§ 33 Abs. 1 letzter Satz) nicht als Friedhof zu qualifizieren. Vollends deutlich wird diese Sichtweise des Gesetzgebers durch die Umschreibung des Straftatbestands nach § 50 Abs. 1 lit. c: Danach begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der "entgegen der Bestimmung des § 33 Abs. 1, die die Errichtung eines Friedhofes den Gemeinden vorbehält, einen Friedhof errichtet."

29 Diese Novelle - mit der, den Materialien folgend, nicht etwa eine grundsätzliche Neuregelung der Errichtung von Friedhöfen verfolgt wurde, sondern "weitere - begrenzte - Ausnahmen vom Friedhofszwang" geschaffen werden sollten - bekräftigt also das Auslegungsergebnis, wonach mit § 33 Abs. 1 Gemeindesanitätsdienstgesetz - und zwar schon in der im Revisionsfall maßgebenden Fassung - ein Gemeindevorbehalt verbunden ist.

30 Das Gemeindesanitätsdienstgesetz erlaubt es demnach weder natürlichen noch juristischen Personen des Privatrechts, in Tirol - abgesehen von einer Privatbegräbnisstätte nach § 33 Abs. 2 Gemeindesanitätsdienstgesetz - eine Bestattungsanlage zu errichten und zu betreiben.

31 Die Revision zieht dies auch nicht in Zweifel, sondern macht geltend, die Beschränkung der Errichtung und des Betriebs von Bestattungsanlagen auf Gemeinden und damit der Ausschluss Privater von dieser Tätigkeit widerspreche der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Dienstleistungen im Binnenmarkt (in der Folge auch: Dienstleistungsrichtlinie bzw. Richtlinie), in deren Anwendungsbereich der gegenständliche Sachverhalt falle. Diese Richtlinie sei bis zum umzusetzen gewesen. Der Tiroler Landesgesetzgeber habe die entsprechenden gesetzlichen Anpassungen im Gemeindesanitätsdienstgesetz aber bis jetzt nicht vorgenommen.

32 Die Regelung des § 33 Gemeindesanitätsdienstgesetz stelle nach Auffassung des Revisionswerbers eine unzulässige Anforderung gemäß Art. 14 Z 2 der Richtlinie dar. Eine Rechtfertigung etwa durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses sei bei solchen Anforderungen unzulässig. Selbst wenn man die Beschränkung auf Gemeinden nicht als unzulässige Anforderung iSd Art. 14 Dienstleistungsrichtlinie werte, stelle diese jedenfalls eine zu prüfende Anforderung iSd Art. 15 Abs. 2 lit. d Dienstleistungsrichtlinie dar. In diesem Fall wäre zwar eine Rechtfertigung gemäß Art. 15 Abs. 3 Dienstleistungsrichtlinie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses theoretisch möglich, diese würde aber an der nach Art. 15 Abs. 3 lit. c Dienstleistungsrichtlinie durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung scheitern, weil jedenfalls gelindere Mittel denkbar seien, die ein geordnetes Bestattungswesen garantieren könnten (etwa eine subsidiäre Errichtungs- und Betriebspflicht der Gemeinden oder eine auch für private Bestattungsanlagen geltende Aufnahmepflicht). Der Vorrang des Unionsrechts stehe einer Anwendung des nationalen "Gemeindevorbehalts" entgegen.

33 Die von der Revision angesprochene Richtlinie (Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376/36), lautet auszugsweise wie folgt:

"... in Erwägung nachstehender Gründe:

...

(8) Die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sollten nur insoweit Anwendung finden, als die betreffenden Tätigkeiten dem Wettbewerb offen stehen, so dass sie die Mitgliedstaaten weder verpflichten, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu liberalisieren, noch öffentliche Einrichtungen, die solche Dienstleistungen anbieten, zu privatisieren, noch bestehende Monopole für andere Tätigkeiten oder bestimmte Vertriebsdienste abzuschaffen.

...

(17) Diese Richtlinie gilt nur für Dienstleistungen, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse fallen nicht unter die Begriffsbestimmung des Artikels 50 des Vertrags und somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind Dienstleistungen, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden, und fallen deshalb in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Gleichwohl sind bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie solche, die gegebenenfalls im Verkehrsbereich erbracht werden, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen und für einige andere Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie solche, die gegebenenfalls im Bereich der Postdienste erbracht werden, gelten Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Richtlinie über die Dienstleistungsfreiheit. Diese Richtlinie regelt nicht die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und gilt auch nicht für die von den Mitgliedstaaten insbesondere auf sozialem Gebiet im Einklang mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften gewährten Beihilfen. Diese Richtlinie betrifft nicht die Folgemaßnahmen zum Weißbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

...

(33) Die von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen umfassen einen weiten Bereich von Tätigkeiten, die einem ständigen Wandel unterworfen sind, wie etwa Dienstleistungen für Unternehmen wie Unternehmensberatung, Zertifizierungs- und Prüfungstätigkeiten, Anlagenverwaltung einschließlich Unterhaltung von Büroräumen, Werbung, Personalagenturen und die Dienste von Handelsvertretern. Die von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen umfassen ferner Dienstleistungen, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher angeboten werden, wie etwa Rechts- oder Steuerberatung, Dienstleistungen des Immobilienwesens wie die Tätigkeit der Immobilienmakler, Dienstleistungen des Baugewerbes einschließlich Dienstleistungen von Architekten, Handel, die Veranstaltung von Messen, die Vermietung von Kraftfahrzeugen und Dienste von Reisebüros. Hinzu kommen Verbraucherdienstleistungen, beispielsweise im Bereich des Fremdenverkehrs, einschließlich Leistungen von Fremdenführern, Dienstleistungen im Freizeitbereich, Sportzentren und Freizeitparks, und, sofern sie nicht aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind, Unterstützungsdienste im Haushalt wie etwa Hilfeleistungen für ältere Menschen. Hierbei handelt es sich sowohl um Tätigkeiten, die die räumliche Nähe zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger oder aber auch den Ortswechsel des einen oder anderen erfordern, als auch um Leistungen, die im Fernabsatz, beispielsweise über das Internet, erbracht werden können.

(34) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Frage, ob bestimmte Tätigkeiten - insbesondere Tätigkeiten, die mit öffentlichen Mitteln finanziert oder durch öffentliche Einrichtungen erbracht werden - eine ‚Dienstleistung' darstellen, von Fall zu Fall im Lichte sämtlicher Merkmale, insbesondere der Art, wie die Leistungen im betreffenden Mitgliedstaat erbracht, organisiert und finanziert werden, beurteilt werden. Der Gerichtshof hat entschieden, dass das wesentliche Merkmal eines Entgelts darin liegt, dass es eine Gegenleistung für die betreffenden Dienstleistungen darstellt, und hat anerkannt, dass das Merkmal des Entgelts bei Tätigkeiten fehlt, die vom Staat oder für den Staat ohne wirtschaftliche Gegenleistung im Rahmen der sozialen, kulturellen, bildungspolitischen und rechtlichen Verpflichtungen des Staates ausgeübt werden, wie etwa bei im Rahmen des nationalen Bildungssystems erteiltem Unterricht oder der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit, die keine wirtschaftliche Tätigkeit bewirken. Die Zahlung einer Gebühr durch den Dienstleistungsempfänger, z. B. eine Unterrichts- oder Einschreibegebühr, die Studenten als Beitrag zu den Betriebskosten eines Systems entrichten, stellt als solche kein Entgelt dar, da die Dienstleistung noch überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Diese Tätigkeiten entsprechen daher nicht der in Artikel 50 des Vertrags enthaltenen Definition von ‚Dienstleistungen' und fallen somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

...

(40) Der Begriff der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, auf den sich einige Bestimmungen dieser Richtlinie beziehen, ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Artikeln 43 und 49 des Vertrags entwickelt worden und kann sich noch weiterentwickeln. Der Begriff umfasst entsprechend der Auslegung des Gerichtshofes zumindest folgende Gründe: öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit und öffentliche Gesundheit im Sinne der Artikel 46 und 55 des Vertrags; Wahrung der gesellschaftlichen Ordnung; sozialpolitische Zielsetzungen; Schutz von Dienstleistungsempfängern; Verbraucherschutz; Schutz der Arbeitnehmer einschließlich des sozialen Schutzes von Arbeitnehmern; Tierschutz; Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit; Betrugsvorbeugung; Verhütung von unlauterem Wettbewerb; Schutz der Umwelt und der städtischen Umwelt einschließlich der Stadt- und Raumplanung; Gläubigerschutz; Wahrung der ordnungsgemäßen Rechtspflege; Straßenverkehrssicherheit; Schutz des geistigen Eigentums; kulturpolitische Zielsetzungen einschließlich der Wahrung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, insbesondere im Hinblick auf soziale, kulturelle, religiöse und philosophische Werte der Gesellschaft; die Notwendigkeit, ein hohes Bildungsniveau zu gewährleisten; Wahrung der Pressevielfalt und Förderung der Nationalsprache; Wahrung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes sowie Veterinärpolitik.

(41) Der Begriff der öffentlichen Ordnung in der Auslegung des Gerichtshofs umfasst den Schutz vor einer tatsächlichen und hinreichend erheblichen Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt; hierunter können insbesondere Fragen der menschlichen Würde, des Schutzes von Minderjährigen und hilfsbedürftigen Erwachsenen sowie der Tierschutz fallen. Entsprechend umfasst der Begriff der öffentlichen Sicherheit auch Fragen der nationalen Sicherheit und Fragen der Sicherheit der Bevölkerung.

...

(54) Die Möglichkeit zur Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit sollte nur von einer Genehmigung der zuständigen Behörde abhängig gemacht werden, wenn diese Entscheidung nicht diskriminierend sowie notwendig und verhältnismäßig ist....

...

(56) Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind Ziele im Bereich der öffentlichen Gesundheit, des Schutzes der Verbraucher, der Gesundheit von Tieren und der städtischen Umwelt zwingende Gründe des Allgemeininteresses. Solche zwingenden Gründe können die Anwendung von Genehmigungsregelungen und weitere Einschränkungen rechtfertigen. Allerdings sollte keine derartige Genehmigungsregelung oder Einschränkung eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit des Antragstellers bewirken. Darüber hinaus sollten die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit immer geachtet werden.

...

(60) Diese Richtlinie, insbesondere ihre Bestimmungen zu den Genehmigungsregelungen und zum territorialen Geltungsbereich einer Genehmigung, sollte nicht die Aufteilung der regionalen oder lokalen Zuständigkeiten in den Mitgliedstaaten, einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung und der Verwendung von Amtssprachen, berühren.

...

(69) Zur Koordinierung der Modernisierung der nationalen Vorschriften zur Anpassung an die Erfordernisse des Binnenmarktes ist es erforderlich, bestimmte nicht diskriminierende nationale Anforderungen, die ihrer Art nach die Aufnahme oder Ausübung einer Tätigkeit unter Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit maßgeblich einschränken oder sogar verhindern könnten, zu überprüfen. Diese Überprüfung sollte sich auf die Vereinbarkeit dieser Anforderungen mit den bereits vom Gerichtshof zur Niederlassungsfreiheit festgelegten Kriterien beschränken. Sie sollte nicht die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft betreffen. Sind solche Anforderungen diskriminierend oder nicht objektiv durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt oder unverhältnismäßig, so müssen sie beseitigt oder geändert werden. Das Ergebnis dieser Überprüfung kann je nach Art der betreffenden Tätigkeit und des Allgemeininteresses unterschiedlich ausfallen. Insbesondere könnten solche Anforderungen voll gerechtfertigt sein, wenn damit sozialpolitische Ziele verfolgt werden.

(70) Für die Zwecke dieser Richtlinie und unbeschadet des Artikels 16 des Vertrags können Dienstleistungen nur dann als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angesehen werden, wenn sie der Erfüllung eines besonderen Auftrags von öffentlichem Interesse dienen, mit dem der Dienstleistungserbringer von dem betreffenden Mitgliedstaat betraut wurde. Diese Beauftragung sollte durch einen oder mehrere Akte erfolgen, deren Form von dem betreffenden Mitgliedstaat selbst bestimmt wird; darin sollte die genaue Art des besonderen Auftrags angegeben werden.

(71) Das in dieser Richtlinie vorgesehene Verfahren der gegenseitigen Evaluierung sollte nicht die Freiheit der Mitgliedstaaten berühren, in ihren Rechtsvorschriften ein hohes Schutzniveau in Bezug auf Allgemeininteressen festzusetzen, insbesondere bezüglich sozialpolitischer Ziele. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Prozess der gegenseitigen Evaluierung der Besonderheit der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und der damit verbundenen besonderen Aufgaben umfassend Rechnung trägt. Diese können bestimmte Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen, insbesondere wenn solche Beschränkungen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit oder sozialpolitischen Zielen dienen und wenn sie die Bedingungen des Artikels 15 Absatz 3 Buchstaben a, b und c erfüllen. So hat der Gerichtshof beispielsweise bezüglich der Verpflichtung, eine bestimmte Rechtsform für die Ausübung bestimmter Dienstleistungen im sozialen Bereich zu wählen, anerkannt, dass es gerechtfertigt sein kann, von dem Dienstleistungserbringer die Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft zu verlangen.

(72) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind mit wichtigen Aufgaben für den sozialen und territorialen Zusammenhalt verbunden. Die Durchführung dieser Aufgaben sollte durch den in dieser Richtlinie vorgesehenen Evaluierungsprozess nicht behindert werden. Zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderliche Anforderungen sollten von diesem Prozess nicht berührt werden; zugleich sollte aber das Problem ungerechtfertigter Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit behandelt werden.

(73) Zu den zu prüfenden Anforderungen gehören nationale Regelungen, die aus nicht mit der beruflichen Qualifikation zusammenhängenden Gründen die Aufnahme bestimmter Tätigkeiten bestimmten Dienstleistungserbringern vorbehalten. Zu diesen Anforderungen zählen auch solche Anforderungen, die vom Dienstleistungserbringer verlangen, eine bestimmte Rechtsform zu wählen, insbesondere die Rechtsform einer juristischen Person, einer Personengesellschaft, einer Gesellschaft ohne Erwerbszweck oder eine Gesellschaft, deren Anteilseigner ausschließlich natürliche Personen sind, oder Anforderungen im Hinblick auf die Beteiligungen am Gesellschaftskapital, insbesondere eine Mindestkapitalausstattung für bestimmte Dienstleistungstätigkeiten oder den Besitz besonderer Qualifikationen für die Anteilseigner oder das Führungspersonal bestimmter Unternehmen. Die Evaluierung der Vereinbarkeit von festgelegten Mindest- und/oder Höchstpreisen mit der Niederlassungsfreiheit betrifft nur Preise, die von zuständigen Behörden spezifisch für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen festgelegt werden, und nicht etwa allgemeine Vorschriften über die Festlegung von Preisen, wie z.B. für die Vermietung von Häusern.

...

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand

(1) Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.

(2) Diese Richtlinie betrifft weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen.

(3) Diese Richtlinie betrifft weder die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen noch von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen, die unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften fallen.

Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, wie diese Dienstleistungen unter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen organisiert und finanziert werden sollten und welchen spezifischen Verpflichtungen sie unterliegen sollten.

...

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1) Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.

...

(2) Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

a) nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem

Interesse;

...

Artikel 4

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

1. ‚Dienstleistung' jede von Artikel 50 des Vertrags erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird;

2. ‚Dienstleistungserbringer' jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, und jede in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person im Sinne des Artikels 48 des Vertrags, die eine Dienstleistung anbietet oder erbringt;

3. ‚Dienstleistungsempfänger' jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder die in den Genuss von Rechten aus gemeinschaftlichen Rechtsakten kommt, oder jede in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person im Sinne des Artikels 48 des Vertrags, die für berufliche oder andere Zwecke eine Dienstleistung in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen möchte;

4. ‚Niederlassungsmitgliedstaat' den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Dienstleistungserbringer niedergelassen ist;

5. ‚Niederlassung' die tatsächliche Ausübung einer von

Artikel 43 des Vertrags erfassten wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Dienstleistungserbringer auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Infrastruktur, von der aus die Geschäftstätigkeit der Dienstleistungserbringung tatsächlich ausgeübt wird;

6. ‚Genehmigungsregelung' jedes Verfahren, das einen Dienstleistungserbringer oder -empfänger verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken;

7. ‚Anforderungen' alle Auflagen, Verbote, Bedingungen oder Beschränkungen, die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt sind oder sich aus der Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis, den Regeln von Berufsverbänden oder den kollektiven Regeln, die von Berufsvereinigungen oder sonstigen Berufsorganisationen in Ausübung ihrer Rechtsautonomie erlassen wurden, ergeben; Regeln, die in von den Sozialpartnern ausgehandelten Tarifverträgen festgelegt wurden, sind als solche keine Anforderungen im Sinne dieser Richtlinie;

8. ‚zwingende Gründe des Allgemeininteresses' Gründe, die der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung als solche anerkannt hat, einschließlich folgender Gründe: öffentliche Ordnung;

öffentliche Sicherheit; Sicherheit der Bevölkerung; öffentliche Gesundheit; Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherung; Schutz der Verbraucher, der Dienstleistungsempfänger und der Arbeitnehmer; Lauterkeit des Handelsverkehrs; Betrugsbekämpfung; Schutz der Umwelt und der städtischen Umwelt; Tierschutz; geistiges Eigentum; Erhaltung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes; Ziele der Sozialpolitik und Ziele der Kulturpolitik;

...

KAPITEL III

NIEDERLASSUNGSFREIHEIT DER DIENSTLEISTUNGSERBRINGER

ABSCHNITT 1

Genehmigungen

Artikel 9

Genehmigungsregelungen

(1) Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme und die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit nur dann Genehmigungsregelungen unterwerfen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) die Genehmigungsregelungen sind für den betreffenden

Dienstleistungserbringer nicht diskriminierend;

b) die Genehmigungsregelungen sind durch zwingende Gründe

des Allgemeininteresses gerechtfertigt;

c) das angestrebte Ziel kann nicht durch ein milderes

Mittel erreicht werden, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.

...

Artikel 10

Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung

(1) Die Genehmigungsregelungen müssen auf Kriterien beruhen, die eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindern.

(2) Die in Absatz 1 genannten Kriterien müssen:

a) nicht diskriminierend sein;

b) durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses

gerechtfertigt sein;

c) in Bezug auf diesen Grund des Allgemeininteresses

verhältnismäßig sein;

d) klar und unzweideutig sein;

e) objektiv sein;

f) im Voraus bekannt gemacht werden;

g) transparent und zugänglich sein.

...

(5) Die Genehmigung wird erteilt, sobald eine angemessene Prüfung ergibt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.

...

Artikel 14

Unzulässige Anforderungen

Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von einer

der folgenden Anforderungen abhängig machen:

...

2. einem Verbot der Errichtung von Niederlassungen in mehr

als einem Mitgliedstaat oder der Eintragung in Register oder der Registrierung bei Berufsverbänden oder -vereinigungen in mehr als einem Mitgliedstaat;

...

Artikel 15

Zu prüfende Anforderungen

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.

(2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:

...

d) Anforderungen, die die Aufnahme der betreffenden

Dienstleistungstätigkeit aufgrund ihrer Besonderheiten bestimmten Dienstleistungserbringern vorbehalten, mit Ausnahme von Anforderungen, die Bereiche betreffen, die von der Richtlinie 2005/36/EG erfasst werden, oder solchen, die in anderen Gemeinschaftsrechtsakten vorgesehen sind;

e) dem Verbot, in ein und demselben Hoheitsgebiet mehrere

Niederlassungen zu unterhalten;

...

(3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten

Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:

a) Nicht-Diskriminierung: die Anforderungen dürfen weder

eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der

Staatsangehörigkeit oder - bei Gesellschaften - aufgrund des Orts

des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;

b) Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen

zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;

c) Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur

Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten für Rechtsvorschriften im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur insoweit, als die Anwendung dieser Absätze die Erfüllung der anvertrauten besonderen Aufgabe nicht rechtlich oder tatsächlich verhindert.

..."

34 Die Dienstleistungsrichtlinie war gemäß ihrem Art. 44 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten bis spätestens umzusetzen.

35 Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt sie für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.

Der , Visser, ausgesprochen, dass die in Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie enthaltenden Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit (also die Art. 9 bis Art. 15) dahin auszulegen sind, dass sie auch auf einen Sachverhalt anwendbar sind, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedsstaats hinausweisen. Auch seinem über ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der Dienstleistungsrichtlinie ergangenen Urteil vom , C-293/14, Hiebler, lag kein einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisender Sachverhalt zu Grunde.

36 Vor diesem Hintergrund geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein - im Revisionsfall auch nicht vorhandenes - grenzüberschreitendes Element nicht erforderlich ist, um den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie zu eröffnen.

37 Gemäß Art. 4 Z 1 der Dienstleistungsrichtlinie bezeichnet der Begriff der Dienstleistung jede von Art. 50 des Vertrags (jetzt: Art. 57 AEUV) erfasste selbständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird.

Gemäß Art. 57 AEUV sind Dienstleistungen im Sinne der Verträge Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen; darunter fallen insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Dem Erwägungsgrund Nr. 33 der Dienstleistungsrichtlinie folgend umfassen die von der Richtlinie erfassten Dienstleistungen einen weiten Bereich von Tätigkeiten, die einem ständigen Wandel unterworfen sind; es werden sowohl für Unternehmer wie auch für Verbraucher angebotene Dienstleistungen erfasst.

38 Der Verwaltungsgerichtshof legt den folgenden Ausführungen deshalb zu Grunde, dass es sich bei der vom Revisionswerber angestrebten Tätigkeit, also der entgeltlichen, auf privatrechtlicher Vereinbarung beruhenden Zurverfügungstellung von Beerdigungsplätzen für die Aufnahme von Ascheurnen auf in seiner Verfügungsgewalt stehenden Grundstücken, um eine Dienstleistung im Sinne des Art. 4 Z 1 der Dienstleistungsrichtlinie handelt.

39 Die Dienstleistungsrichtlinie wäre demnach auf den konkreten Fall anzuwenden, wenn nicht eine der in ihr normierten Ausnahmen zum Tragen kommt.

40 Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 "betrifft" die Richtlinie weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen. Sie "betrifft" auch nicht die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen (Art. 1 Abs. 3 erster Unterabsatz). Nach Art. 1 Abs. 3 zweiter Unterabsatz berührt die Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erachten.

41 Die Ausnahmeregelungen des Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie sind im Lichte des Erwägungsgrundes 8 zu betrachten:

Danach sollten die Bestimmungen der Richtlinie über die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit nur insoweit Anwendung finden, als die betreffenden Tätigkeiten dem Wettbewerb offen stehen, so dass sie die Mitgliedstaaten weder verpflichten, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu liberalisieren, noch öffentliche Einrichtungen, die solche Dienstleistungen anbieten, zu privatisieren, noch bestehende Monopole für andere Tätigkeiten oder bestimmte Vertriebsdienste abzuschaffen. Stehen die betreffenden Tätigkeiten also nicht dem Wettbewerb offen, sondern sind bestimmten Einrichtungen vorbehalten, ist die Richtlinie insoweit nicht anwendbar; sie zwingt also nicht zu einer Liberalisierung bzw. Privatisierung iSd. Art. 1 Abs. 2 oder zur Abschaffung eines Dienstleistungsmonopols iSd. Art. 1 Abs 3.

42 Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 lit. a findet die Richtlinie weiters keine Anwendung auf nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

43 Die vom Revisionswerber angestrebte Tätigkeit (die Errichtung und der Betrieb eines Friedhofs zur Beerdigung von Aschenurnen) steht nach dem Gemeindesanitätsdienstgesetz nicht dem Wettbewerb offen, sondern ist vielmehr, wie aufgezeigt wurde, (abgesehen von Friedhöfen im Eigentum einer Religionsgemeinschaft) den Gemeinden vorbehalten.

44 Die belangte Behörde wie auch die Oberbehörde vertreten die Auffassung, die würdige Totenbestattung sei eine öffentliche Aufgabe und gehöre zur staatlichen Daseinsvorsorge. Der Landesgesetzgeber verpflichte die Gemeinden zu Errichtung und Betrieb von Friedhöfen, weshalb sie diese mit hohem budgetären Aufwand aufrechterhalten müssten. Auf Basis einer Friedhofsgebührenordnung würden von den Bürgern der Gemeinde Gebühren für die Benützung der Grabstätten, die Graberrichtung und die Inanspruchnahme von gemeindeeigenen Friedhofseinrichtungen eingehoben, wodurch die der Gemeinde erwachsenden Kosten nur teilweise gedeckt würden. Bestünden daneben private Friedhöfe, wären die Kosten für eine Bestattung kaum abschätzbar. Zudem müssten die Gemeinden im Fall einer Beendigung des Betriebs einer privaten Friedhofsanlage (etwa bei Insolvenz) doch wieder im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge die Versorgungspflicht und die Beständigkeit der Friedhofsanlage garantieren.

45 Es sprächen daher zwingende öffentliche Interessen (Gesundheit, Pietät, Schutz der Bevölkerung, Erfordernis eines kontinuierlichen Betriebs) gegen die Öffnung des Betriebs von Friedhöfen an private Betreiber.

46 Dass es sich um eine Leistung der Daseinsvorsorge handle, ergebe sich nicht zuletzt aus der gesetzlichen Betriebspflicht, dem Interesse der Allgemeinheit an der kommunalen Leistung und der damit einher gehenden fehlenden Gewinnorientierung.

47 Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass es sich bei Errichtung und Betrieb von Bestattungsanlagen um wirtschaftliche Dienstleistungen handle, sei eine Liberalisierung dieser - derzeit von den Gemeinden betriebenen - Anlagen nach Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie nicht gefordert.

48 Der Revisionswerber vertritt hingegen die Auffassung, schon die im Bundesland Oberösterreich erfolgte "Marktöffnung", also die Zulassung Privater für den Betrieb von Friedhöfen, belege, dass öffentliche Interessen den Betrieb von Friedhöfen allein durch Gemeinden nicht erforderten. Diesbezügliche regionale Unterschiede innerhalb eines Mitgliedstaats seien unionsrechtlich unzulässig.

49 Die Revisionsgegner machen also der Sache nach geltend, im zu beurteilenden Fall liege - unabhängig davon, ob man die "Wirtschaftlichkeit" der von den Gemeinden angebotenen Dienstleistung bejahe oder verneine - jedenfalls eine der Ausnahmen nach Art. 1 Abs. 2 bzw. 3 oder Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie vor.

50 Dieses Vorbringen ist zielführend:

51 Erwägungsgrund 17 der Richtlinie hält fest, dass die Richtlinie nur für Dienstleistungen gilt, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse hingegen fallen nicht unter die Begriffsbestimmung (nunmehr) des Art. 57 AEUV und somit (von vornherein) nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind Dienstleistungen, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden, und fallen deshalb grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

52 Nach Erwägungsgrund 34 ist die Frage, ob bestimmte - insbesondere mit öffentlichen Mitteln finanzierte oder durch öffentliche Einrichtungen erbrachte - Tätigkeiten eine Dienstleistung iSd. Richtlinie darstellen, nach Lage des einzelnen Falles im Lichte sämtlicher Merkmale, insbesondere der Art, wie die Leistungen erbracht, organisiert und finanziert werden, zu beurteilen. Das wesentliche Merkmal eines Entgelts liege darin, dass es eine Gegenleistung für die betreffende Dienstleistung darstelle; dieses Merkmal fehle bei Tätigkeiten, die vom Staat oder für den Staat ohne wirtschaftliche Gegenleistung im Rahmen der sozialen, kulturellen, bildungspolitischen und rechtlichen Verpflichtungen des Staates ausgeübt werden.

53 Auch im Abschnitt 2.1. des Handbuchs zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wird ausgeführt, dass sich die Begriffe "nichtwirtschaftliche Dienstleistungen" auf Dienstleistungen beziehen, die nicht für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden. Diese Tätigkeiten stellten keine Dienstleistung iSd. Art. 50 EG-V (nunmehr: Art. 57 AEUV) dar und würden folglich in jedem Fall nicht von der Dienstleistungsrichtlinie erfasst.

54 In ihrer Mitteilung vom , KOM (2011) 900 endg. (Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa), beschreibt die Kommission den Begriff der Dienstleistung von allgemeinem Interesse als Dienstleistung, die von den Behörden der Mitgliedstaaten auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene als im allgemeinen Interesse liegend eingestuft wird und daher spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen unterliegt. Der Begriff decke sowohl wirtschaftliche Tätigkeiten als auch nichtwirtschaftliche Leistungen ab.

55 Im Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und insbesondere auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse vom , SWD (2013) 53 final/2, hält die Kommission fest, es seien - neben den Gesundheitsdienstleistungen - zwei große Kategorien von Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse (SDAI) abzustecken, nämlich einerseits die gesetzlichen Regelungen und ergänzenden Systeme der sozialen Sicherheit zur "Absicherung elementarer Lebensrisiken" in Bezug auf Gesundheit, Alter, Arbeitsunfälle, Arbeitslosigkeit, Ruhestand und Behinderungen, und andererseits andere grundlegende persönliche Dienstleistungen. Bei der Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse verfügten die nationalen, regionalen und lokalen Behörden der Mitgliedstaaten - je nach Zuständigkeitsverteilung nach innerstaatlichem Recht - über einen weiten, lediglich durch das Unionsrecht und offenkundige Beurteilungsfehler eingegrenzten, Ermessensspielraum (Abschnitte 2.3. und 2.4.).

56 Zu beachten ist im gegebenen Zusammenhang (Beurteilung der Reichweite der fraglichen Ausnahmen) auch, dass die in Rede stehenden Ausnahmebestimmungen - als Ausnahme von einer Grundfreiheit (der Niederlassungsfreiheit) - so auszulegen sind, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist (vgl. Hiebler, mwN aus der Judikatur des EuGH).

57 Nach Art. 4 Z 1 und Erwägungsgrund Nr. 17 der Richtlinie ist zur Beurteilung des Kriteriums der Wirtschaftlichkeit einer Dienstleistung darauf abzustellen, ob für deren Erbringung in der Regel eine wirtschaftliche Gegenleistung - mit anderen Worten ein Entgelt - zu erbringen ist (so auch Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, Abschnitt 2.1). Erforderlich ist also, dass regelmäßig eine geldwerte Gegenleistung geschuldet ist, dass es sich also um Leistungen handelt, "die normalerweise gegen Entgelt erbracht werden" (vgl. , Kommission/Ungarn, Rn. 153), wobei es am generell entgeltlichen Charakter einer Dienstleistung nichts ändern dürfte, wenn dies ausnahmsweise einmal nicht der Fall ist. Dass der Leistungserbringer mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, ist hingegen nicht erforderlich (vgl. Kommission/Ungarn,Rn. 154). Ebensowenig kommt es darauf an, wer den Dienstleistungserbringer für die Dienstleistung vergütet (Rn. 155). Nach Erwägungsgrund 34 der Richtlinie fehlt das Kriterium der Wirtschaftlichkeit, wenn eine Tätigkeit vom Staat oder für den Staat ohne wirtschaftliche Gegenleistung im Rahmen der sozialen, kulturellen, bildungspolitischen und rechtlichen Verpflichtungen des Staates ausgeübt wird, wie etwa bei im Rahmen des nationalen Bildungssystems erteiltem Unterricht oder der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit, die keine wirtschaftliche Tätigkeit bewirken. Die Zahlung einer Gebühr durch den Dienstleistungsempfänger, z. B. eine Unterrichts- oder Einschreibegebühr, die Studenten als Beitrag zu den Betriebskosten eines Systems entrichten, stellt als solche kein Entgelt dar, da die Dienstleistung noch überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.

58 Vor diesem Hintergrund ist fallbezogen zunächst Folgendes festzuhalten: Die vom Revisionswerber beabsichtigte Tätigkeit, also der Betrieb eines "Friedparks" zur Bestattung von Ascheurnen, somit eines Urnenhains, ist dem Tätigkeitsfeld "Bestattungswesen" (im weiteren Sinn) zuzuordnen, zu dem insbesondere Regelungen betreffend die Totenbeschau (Feststellung des Todes bzw. der Todesursache), die Art und Weise der Bestattung (Einäscherung bzw. Beerdigung) und betreffend den Betrieb, die Erhaltung und die Verwaltung von Friedhöfen und Urnenhainen zählen.

59 Im Urteil vom , C-373/00, Adolf Truley, hat der EuGH ausgeführt, dass die Bestattung eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe (fallbezogen: iSd. Art. 1 lit. b Unterabsatz 2 der Richtlinie 93/36/EG) darstellen kann: Zum einen stehe diese Tätigkeit im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung, weil der Staat ein offenkundiges Interesse daran habe, die Ausstellung von Bescheinigungen wie Geburts- und Sterbeurkunden genau zu überwachen. Zum anderen könnten offensichtliche Gründe der Hygiene und der Gesundheit es rechtfertigen, dass der Staat bei dieser Tätigkeit einen beherrschenden Einfluss behält und Maßnahmen zur Bestattung treffen kann. Eine Regelung wie die nach § 10 Abs. 1 des Wiener Leichen- und Bestattungsgesetzes, wonach der Magistrat die Bestattung in einer Bestattungsanlage der Stadt Wien zu veranlassen habe, wenn die Bestattung binnen fünf Tagen von niemand sonst veranlasst worden ist, indiziere, dass die in Rede stehende Tätigkeit eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe zu erfüllen geeignet sei (Rn. 51ff).

60 Vor dem oben dargestellten Hintergrund kann zwar die Frage, ob die "Wirtschaftlichkeit" der fraglichen Tätigkeit zu bejahen ist, nicht ohne Weiteres beantwortet werden (eine Gewinnerzielungsabsicht des Leistungserbringers ist dafür nach der zitierten Judikatur des EuGH nicht erforderlich, die Zahlung einer - nicht kostendeckenden - Gebühr durch den Leistungserbringer würde noch kein Entgelt darstellen; vom Verwaltungsgericht wurden Feststellungen zu diesem Themenkomplex nicht getroffen).

61 Anders liegt der Fall hinsichtlich der Frage, ob ein "allgemeines Interesse" an der fraglichen Dienstleistung anzunehmen ist:

62 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs treten zwar Aspekte der Hygiene und des Gesundheitsschutzes bei der Qualifizierung der im Revisionsfall strittigen Dienstleistung der Zurverfügungstellung eines Grundstücks zur Beerdigung von Ascheurnen als Aufgabe von allgemeinem Interesse in den Hintergrund, sind doch - sanitätspolizeilich abzuwehrende - Gefahren für Hygiene bzw. Gesundheit insoweit (anders als bei Beerdigung von Leichen) kaum zu erkennen. Für die Qualifikation als Aufgabe im öffentlichen Interesse können aber etwa Pietätsgründe, so das Interesse an einem würdevollen Umgang mit Verstorbenen insgesamt ins Treffen geführt werden, aber auch die sicherzustellende Kontinuität der Versorgung durch Beibehaltung des einmal festgelegten Bestattungsorts.

63 Hervorzuheben ist, dass das Bestehen eines Allgemeininteresses durch eine gesetzliche Regelung wie die auch hier vorliegende, wonach die Errichtung und Erhaltung von Friedhöfen den Gemeinden vorbehalten und zur Pflicht gemacht wird (§ 33 Abs. 1 Gemeindesanitätsdienstgesetz), indiziert wird (vgl. Adolf Truley). Nimmt man - im Einklang mit der Kommission (vgl. die oben genannten Leitlinien) - weiters an, dass zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse jedenfalls die Absicherung "elementarer Lebensrisiken" in Bezug auf Gesundheit und Alter zählt, ist festzuhalten, dass zu den elementaren Lebensrisiken, pointiert formuliert, jedenfalls auch der Tod - der jeden Menschen trifft - zählt. Auch insofern kann eine Vorschrift wie die vorliegende - betreffend die Sicherstellung der Versorgung mit einer letzten Ruhestätte - als die Regelung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse angesehen werden.

64 Wenn Art. 1 Abs. 3 zweiter Satz der Richtlinie festhält, dass das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erachten, unberührt bleibt, und nach Erwägungsgrund 60 die Richtlinie nicht die Aufteilung der regionalen oder lokalen Zuständigkeiten in den Mitgliedstaaten berührt, kann für die vorzunehmende Beurteilung entgegen der Auffassung des Revisionswerbers auch nicht allein entscheidend sein, dass andere Landesgesetzgeber in Österreich, was die Frage des Zugangs von Privaten zu Errichtung und Betrieb von Bestattungsanlagen anlangt, einen anderen Weg eingeschlagen (eine "Marktöffnung" vorgenommen) haben. Dass die jeweilige Zuständigkeitsverteilung nach innerstaatlichem Recht demgemäß auch - hier: von Bundesland zu Bundesland - unterschiedliche Beurteilungen ermöglicht, machen auch die oben zitierten Mitteilungen der Kommission (wonach die jeweilige Einstufung auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene entscheidend ist bzw. die nationalen, regionalen und lokalen Behörden der Mitgliedstaaten - "je nach Zuständigkeitsverteilung nach innerstaatlichem Recht" - über einen weiten Ermessensspielraum verfügen) deutlich.

65 Nicht zuletzt hat auch der Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der gegen das in Revision gezogene Erkenntnis gerichteten Beschwerde abgelehnt hat, den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Regelung des Leichen- und Bestattungswesens betont, wobei ergänzend hervorzuheben ist, dass auf Grund der verfassungsgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung diese Kompetenz dem jeweiligen Landesgesetzgeber zukommt, was demgemäß auch unterschiedliche Beurteilungen und Regelungsinhalte ermöglicht.

66 Aus dem Gesagten folgt, dass im vorliegenden Fall zweifelsfrei (weshalb es der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht bedarf) entweder die Ausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie zum Tragen kommt (wenn die Wirtschaftlichkeit der von den Gemeinden erbrachten Dienstleistung der Errichtung und Erhaltung von Friedhöfen zu verneinen wäre) oder die Ausnahme nach Art. 1 Abs. 2 erster Fall (bei Bejahung der Wirtschaftlichkeit); es erübrigt sich demnach darauf einzugehen, ob die Erteilung der vom Revisionswerber beantragten Bewilligung zudem einer "Privatisierung öffentlicher Einrichtungen" iSd. Art. 1 Abs. 2 zweiter Fall der Richtlinie oder einer "Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen" (Art. 1 Abs. 3) gleichkäme.

67 Da die Dienstleistungsrichtlinie im vorliegenden Fall also entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht zum Tragen kommt, das anzuwendende Gemeindesanitätsdienstgesetz der beantragten Bewilligung aber entgegen steht, wurde der Antrag zu Recht abgewiesen.

68 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

69 Von der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden: Der Verwaltungsgerichtshof wurde nach einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - zweifelsfrei ein Tribunal iSd. Art. 6 EMRK bzw. ein Gericht iSd. Art. 47 GrC - angerufen und die anwaltlich vertretene beschwerdeführende Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (der nunmehrige Revisionswerber) hat dort die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verlangt (vgl. , , je mwN).

70 Ein Kostenzuspruch hatte mangels darauf gerichteten Antrags der obsiegenden Partei zu unterbleiben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110308.L00
Schlagworte:
Ermessen VwRallg8 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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