VwGH vom 27.01.2011, 2010/06/0251

VwGH vom 27.01.2011, 2010/06/0251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der A N in M, vertreten durch Dr. Gerhard Heinz Waldmüller, Dr. Martin Baldauf und Dr. Ralf Wenzel, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-8-1/656-1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. B W in B, 2. Marktgemeinde B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) ist Eigentümerin eines bebauten Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Das darauf errichtete Haus steht nach den Planunterlagen mit einer Längsseite ganz knapp entlang der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin.

Mit dem nach der Aktenlange unbekämpft gebliebenen Bescheid des Bürgermeisters vom wurde der Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung für einen Zu- und Umbau des bestehenden Wohnhauses erteilt (nach den Planunterlagen geht es vor allem um eine Erweiterung in Richtung Grundstücksmitte). Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass das Vorhaben nicht realisiert wurde.

Mit dem beim Gemeindeamt am eingelangten Baugesuch vom kam die Bauwerberin um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zum Abbruch des bestehenden Wohnhauses (nach den Plänen ist dies das "ursprüngliche" Wohnhaus, ohne die mit dem Bescheid vom bewilligten Erweiterungen) und zur Errichtung eines Neubaues ein.

Der Bürgermeister beraumte mit Erledigung vom die Bauverhandlung für den an. Diese Erledigung/Ladung, die auch der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, enthält folgende Rechtsbelehrung:

"Die rechtzeitige Verständigung - Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel - von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung hat zur Folge, dass Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten den Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Auf den Verlust der Parteistellung gem. § 42 AVG wird hingewiesen. Etwaige Vorbehalte hinsichtlich nachträglicher Erklärungen können gemäß der vorstehenden Bestimmungen nach § 42 AVG nicht berücksichtigt werden."

(Der Wortlaut des § 42 Abs. 1 AVG ist in dieser Erledigung nicht wiedergegeben.)

Die Beschwerdeführerin erhob Einwendungen gegen das Vorhaben und brachte vor, es halte die erforderlichen Abstände nicht ein. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 9 TBO 2001 lägen nicht vor, weil es sich nicht um einen Wiederaufbau, sondern um einen Neubau handle. Die geplante Wandhöhe an der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin sei höher als die Wandhöhe des bestehenden Gebäudes. Eine geplante Abluftanlage widerspreche der Bestimmung des § 6 Abs. 3 TBO 2001. Die geplante großflächige Verglasung im Abstandsbereich und die geplanten Fenster zur Grundstücksgrenze seien nicht zulässig und widersprächen den brandschutzrechtlichen Vorschriften. Die Planunterlagen seien mangelhaft.

Die Bauwerberin brachte hierauf abgeänderte Planunterlagen ein, die Beschwerdeführerin beharrte auf ihren Einwendungen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom wurde die angestrebte Abbruchbewilligung erteilt, mit weiterem Bescheid vom die Baubewilligung für den Neubau; die Behörde erster Instanz hielt die Einwendungen der Beschwerdeführerin für unbegründet.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung gegen den Bescheid vom , in welcher sie ihren Standpunkt wiederholte und ergänzend ausführte, die Anwendung des § 6 Abs. 9 TBO 2001 setze unter anderem voraus, dass es "ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude" gebe. Zu diesem rechtmäßigen Bestand fehle jegliche Feststellung, ein Ermittlungsverfahren sei nicht durchgeführt und diese Frage ungeprüft gelassen worden. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher auch schon aus diesem Grunde rechtswidrig.

Im Berufungsverfahren nahm die Bauwerberin eine Planmodifikation vor, die Beschwerdeführerin äußerte sich ablehnend.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom wurde der erstinstanzliche Bescheid nur insoweit abgeändert, dass der Baubewilligung nun die im Berufungsverfahren vorgenommene Projektmodifikation zu Grunde gelegt wurde. Zur Begründung heißt es, die Zulässigkeit des Bauvorhabens stütze sich unter anderem auf § 6 Abs. 9 TBO 2001. Dass das im Sinne dieser Bestimmung bestehende Gebäude nach früheren baurechtlichen Vorschriften nicht rechtmäßig bestanden habe, sei nicht behauptet worden und es ergebe sich auch aus der Aktenlage und dem Bestand in der Natur kein Anhaltspunkt hierfür. Hinsichtlich dieses bereits bestehenden Gebäudes liege ein rechtskräftiger Abbruchbescheid vor, von dem jedoch bisher kein Gebrauch gemacht worden sei. Die Beschwerdeführerin scheine die Rechtslage insofern zu verkennen, als sie der Meinung sei, die Einschränkungen des § 6 Abs. 9 leg. cit. beträfen den gesamten Bauplatz. Richtig sei jedoch, was der Beurteilung durch die Baubehörde erster Instanz auch zu Grunde gelegt worden sei, dass sich diese Einschränkungen auf jenen Teil des Bauvorhabens bezögen, welcher im Abstandsbereich gelegen sei. Dass der Rest des Bauplatzes durch einen Neubau den Bestimmungen des Flächenwidmungsplans entsprechend ausgenutzt werde (Anmerkung: Nach der Aktenlage ist das Grundstück als Bauland - Wohngebiet gewidmet), sei von diesen Einschränkungen nicht betroffen. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 9 TBO 2001 liege nicht vor, weil sich innerhalb des Abstandsbereiches keinerlei Bauteile befänden, welche höher wären oder weiter in den Abstandsbereich ragen würden als das frühere Gebäude. Auch den brandschutztechnischen Bestimmungen sei entsprochen worden (wurde näher ausgeführt).

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Zur Begründung heißt es zusammengefasst, § 6 Abs. 9 TBO 2001 gestatte den Wiederaufbau im Falle des Abbruches. Auch ein Wiederaufbau sei ein Neubau, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber gerade jene Neubauten von der Anwendung des § 6 Abs. 9 TBO 2001 ausschließen habe wollen, die als Wiederaufbau bzw. Wiedererrichtung zu betrachten seien.

Zur Frage des rechtmäßigen Bestandes habe die Berufungsbehörde ausgeführt, aus der Aktenlage und aus dem Bestand in der Natur ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass das bestehende Gebäude nach früheren baurechtlichen Vorschriften nicht rechtmäßig bestanden habe und es gebe für die belangte Behörde keinen Anlass, diese Darstellung in Zweifel zu ziehen.

Nach den zuletzt maßgeblichen Planunterlagen halte sich das Vorhaben im Rahmen der zuvor bestandenen Wandhöhe. Was die beanstandeten Fensteröffnungen zur Seite der Beschwerdeführerin hin betreffe, sei bei Anwendung des § 6 Abs. 9 leg. cit. auch die Erfüllung des Abs. 3 leg. cit. dann nicht vorausgesetzt, wenn hievon nicht weiter als bisher abgewichen und den Erfordernissen der Brandschutzbestimmungen entsprochen werde. Den Ausführungen des im Bauverfahren beigezogenen Sachverständigen sei zu entnehmen, dass die Außentüre und die Fenster des im Erdgeschoß und Obergeschoß geplanten Lager-/Hobbyraumes bzw. Büro- und Freiraumes laut Auskunft der Tiroler Landesstelle für Brandverhütung, wie auch näher bezeichneten Richtlinien entnehmbar, mindestens 1 m von der Grundstücksgrenze entfernt sein müssten. Weiters seien die im Stiegenhaus sowie im WC mit Dusche geplanten Fensterbänder dann möglich, wenn sie Abschlüsse enthielten, die dieselbe Feuerwiderstandsdauer wie die brandabschnittsbildende Wand aufwiesen und die - sofern nicht durch andere Maßnahmen ein Schließen im Brandfall bewirkt werde - selbstschließend ausgeführt seien. Gegenständlich habe die brandabschnittsbildende Wand an der Bauplatzgrenze der Feuerwiderstandsdauer REI 60 zu entsprechen und es hätten die geplanten Fensterschlitze denselben Wert aufzuweisen. Dies sei gemäß dem Projekt der Fall. Vom Vorhaben seien zusätzliche nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 6 Abs. 9 TBO 2001 nicht zu erwarten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009 anzuwenden.

§ 25 Abs. 3 TBO 2001 lautet:

"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;


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b)
der Bestimmungen über den Brandschutz;
c)
der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;
d)
der Abstandsbestimmungen des § 6;
e)
im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001."
§ 2 TBO 2001 enthält Definitionen; dessen Abs. 7 bis 9 lauten:

"(7) Neubau ist die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach dem Abbruch oder der Zerstörung eines Gebäudes Teile davon, wie Fundamente oder Mauern, weiterverwendet werden.

(8) Zubau ist die Vergrößerung eines Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume.

(9) Umbau ist die bauliche Änderung eines Gebäudes, durch die dessen Außenmaße nicht geändert werden und die geeignet ist, die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, die Brandsicherheit oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich zu berühren."

§ 6 TBO 2001 lautet auszugsweise:

"§ 6

Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen

und von anderen baulichen Anlagen

(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der

a) im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet, auf Sonderflächen nach den §§ 43 bis 47, 50 und 50a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006 und im Freiland das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum übrigen Bauland, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49a, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006 und zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter, und

b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49a, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,

beträgt. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist bei der Berechnung der Abstände nach lit. a und b vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist in allen Fällen von dieser auszugehen.

(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:

a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;

b) Kamine sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist.

(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:

a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Rauchfang-, Abgasfang- oder Abluftfangmündungen aufweisen, einschließlich der Zufahrten; oberirdische bauliche Anlagen, die dem Schutz von Tieren dienen, dürfen in den Mindestabstandsflächen auch keine sonstigen Öffnungen ins Freie aufweisen; die Ausstattung von oberirdischen baulichen Anlagen mit begehbaren Dächern ist nur zulässig, wenn diese höchstens 1,50 m über dem anschließenden Gelände liegen oder wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt; begehbare Dächer dürfen mit einer höchstens 1 m hohen Absturzsicherung ausgestattet sein;

b) oberirdische bauliche Anlagen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, wie Terrassen, Pergolen und dergleichen, wenn sie überwiegend offen sind, sowie offene Schwimmbecken;

c) Stützmauern, Geländer, Brüstungen, Einfriedungen und dergleichen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, im Gewerbe- und Industriegebiet bis zu einer Höhe von insgesamt 2,80 m, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, außer der betroffene Nachbar stimmt einer größeren Höhe nachweislich zu;


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d)
Stellplätze einschließlich der Zufahrten;
e)
unterirdische bauliche Anlagen, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Rauchfang-, Abgasfang- oder Abluftfangmündungen aufweisen;
f)
Flutlichtanlagen und sonstige Beleuchtungseinrichtungen mit Zustimmung des betroffenen Nachbarn.

(4) Ist eine Baugrenzlinie festgelegt, so gilt Abs. 2 und 3 lit. c sinngemäß. Darüber hinaus dürfen nur Pflasterungen, Zufahrten und dergleichen vor die Baugrenzlinie ragen oder vor dieser errichtet werden.

(5) …

(6) Die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 15 v. H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinne des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 verbaut werden. Dabei bleiben bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. c und d sowie Pflasterungen und dergleichen unberücksichtigt. Oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. a und b dürfen überdies nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, dass gegenüber den angrenzenden Grundstücken zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von baulichen Anlagen frei bleibt, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu. Gemeinsame Grenzen von weniger als 3 m Länge auf einer Seite bleiben unberücksichtigt.

(7) …

(8) …

(9) Erfüllt ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude die Voraussetzungen nach den Abs. 1 bis 4 und 6 nicht, so sind ein Umbau, ein geringfügiger Zubau oder eine sonstige Änderung dieses Gebäudes, eine Änderung seines Verwendungszweckes oder sein Wiederaufbau im Falle des Abbruches oder der sonstigen Zerstörung auch dann zulässig, wenn

a) von diesen Voraussetzungen nicht weiter als bisher abgewichen wird,


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b)
den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird und
c)
bei einer Änderung des Verwendungszweckes weiters keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen auf die angrenzenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, zu erwarten sind.
An jener Seite des Gebäudes, an der die Mindestabstände unterschritten werden, darf die Wandhöhe gegenüber dem bestehenden Gebäude nicht vergrößert werden. Dieser Absatz gilt sinngemäß für die Änderung und die Wiedererrichtung sonstiger baulicher Anlagen.

(10) …"

§ 41 und § 42 Abs. 1 und 2 AVG (idF BGBl I Nr. 5/2008) lauten:

"§ 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.

"§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."

Gegenstand des hier zu Grunde liegenden Bauvorhabens ist der Abbruch des zuvor bestandenen Gebäudes (wie dieses auch der im Jahr 2008 erteilten Baubewilligung zu Grunde lag) und die Errichtung eines weit größeren Neubaues, der im Bereich zur Grundgrenze der Beschwerdeführerin die Abstandsvorschriften des § 6 Abs. 1 TBO nicht einhält (ein Bebauungsplan, der im Sinne des § 6 Abs. 1 ?BO 2001 Abweichendes bestimmte, besteht nicht). Die Zulässigkeit des Bauvorhabens aus dem Blickwinkel der Abstandsvorschriften wurde aber aus § 6 Abs. 9 TBO 2001 abgeleitet.

Zutreffend wurde erkannt, dass die Anwendung dieser Bestimmung "ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude" voraussetzt (das wäre hier das zuvor bestandene Gebäude). Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung geltend gemacht, diese wesentliche Voraussetzung sei ungeprüft geblieben, weshalb die erteilte Baubewilligung rechtswidrig sei. Die Berufungsbehörde hatte sich daher mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Sie hat dazu aber lediglich ausgeführt, es ergebe sich aus der Aktenlage und dem Bestand in der Natur kein Anhaltspunkt dafür, dass das Gebäude nach früheren baurechtlichen Vorschriften nicht rechtmäßig bestanden habe. Das mag zwar richtig sein, ist aber keine ausreichende Begründung dafür, weshalb der Altbestand rechtmäßig bestanden habe. Diese Begründung ist nämlich so unzureichend, dass sie nicht nachvollziehbar ist. Weder wird dargelegt, dass es eine Baubewilligung gibt, noch werden sonstige Gründe genannt, aus denen eine Rechtmäßigkeit des Altbestandes abzuleiten wäre. Auch im angefochtenen Bescheid finden sich dazu keine substanzielleren Ausführungen. Dadurch aber, dass die belangte Behörde diesen Mangel auf Gemeindeebene verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die Beschwerdeführerin trägt wie schon im Verwaltungsverfahren vor, § 6 Abs. 9 TBO 2001 gestatte lediglich einen Wiederaufbau im Falle des Abbruches, nicht die Errichtung eines Neubaues schlechthin. Damit ist sie im Recht. Freilich ist jeder Wiederaufbau ein Neubau, entgegen der Auffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist aber aus dem maßgeblichen Wortlaut der Bestimmung nicht zu entnehmen, dass im Falle eines Abbruches wenngleich unter den dort genannten Beschränkungen jeglicher Neubau zulässig sein sollte (arg: "sein" Wiederaufbau). Der Begriff "Wiederaufbau" bedeutet dem Wortsinn nach die Wiedererrichtung des bestandenen Gebäudes. Daraus ist zwar nicht abzuleiten, dass das an Stelle des alten Gebäudes wiederaufgebaute Gebäude eine ganz exakte Kopie des früheren zu sein hat, doch ist dem Begriff "Wiederaufbau" immanent, dass es weitgehend ähnlich zu sein hat. Das dürfte hier, vergleicht man die nun gegenständlichen mit den älteren Planunterlagen samt Ansichten, nicht der Fall sein. Da es sich bei den Abstandsvorschriften um wesentliche Vorschriften handelt, die eine ausreichende Belichtung und Belüftung sicherstellen sollen, daher wesentliche Schutzvorschriften darstellen, sind Ausnahmebestimmungen hievon einschränkend auszulegen. Die einschränkende Auslegung des Begriffes "Wiederaufbau" dahin, dass im Abstandsbereich nicht jeglicher Neubau zulässig ist, ist durchaus sachgerecht, weil dies tendenziell bewirken kann, dass die Abstandsflächen, die ja frei bleiben sollten, eher unbebaut bleiben als wenn jeglicher Neubau an Stelle des Altbestandes zulässig wäre.

Da die belangte Behörde verkannte, dass im Abstandsbereich nicht ein Neubau schlechthin, sondern nur ein "Wiederaufbau" zulässig ist und diese Frage ungeprüft ließ, belastete sie auch deshalb den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Dass hingegen in der Außenwand entlang der gemeinsamen Grundgrenze Belichtungsbänder vorgesehen sind, ist aus dem Blickwinkel des Brandschutzes dann unbedenklich, wenn diese den Anforderungen an eine "Feuermauer" entsprechen. Ob solchen Belichtungsbändern (oder auch Fenstern oder dergleichen) zivilrechtliche Hindernisse entgegenstünden (die Beschwerdeführerin trägt vor, es bestünde kein Fensterrecht), ist im Bauverfahren nicht zu erörtern.

Da die belangte Behörde die aufgezeigten Umstände verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Abschließend sei bemerkt, dass die Rechtsbelehrung in der Erledigung des Bürgermeisters vom , mit der die mündliche Bauverhandlung anberaumt wurde, nicht den Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG entspricht, weil nicht gehörig auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG verwiesen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am