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VwGH vom 27.01.2011, 2010/06/0244

VwGH vom 27.01.2011, 2010/06/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der A in X, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. 05/01/41251/2005/082, betreffend eine Feststellung gemäß § 59 Abs. 2 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 2009 (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0083, zu entnehmen. Hieraus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin eines Hauses in der Stadt Salzburg ist und die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Abbruch des Gebäudes beantragt hat. Hiezu hatte die belangte Behörde schließlich mit Bescheid vom gemäß § 35 Abs. 2 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1998 festgestellt, dass die Erhaltung des Objektes allgemein wirtschaftlich vertretbar sei und weder eine Einsturzgefahr noch eine technische Unmöglichkeit der Behebung der Baufälligkeit vorliege.

Dieser Bescheid wurde mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren erstattete der Stadtbaumeister H. ein (neuerliches) Gutachten, und zwar vom , in dem er unter Zugrundelegung eines zeitliches Horizontes von 50, 67, 70 und 90 Jahren (verschiedene Modelle) zum Ergebnis kam, die Instandhaltung sei allgemein wirtschaftlich vertretbar.

Die belangte Behörde übermittelte dieses (46-seitige) Gutachten mit Erledigung vom dem Beschwerdevertreter mit dem Hinweis, eine allfällige Äußerung wäre bis spätestens , 10.00 Uhr, vorzulegen, damit diese durch den zuständigen Ausschuss und den Stadtsenat Beachtung finden könne. Diese Aufforderung wurde noch am selben Tag zugestellt.

Die Beschwerdeführerin brachte rechtzeitig eine ablehnende Stellungnahme ein, in der sie auch darauf verwies, dass die eingeräumte Frist viel zu kurz sei.

Mit Erledigung vom wurde der Beschwerdeführerin eine weitere Frist zur Stellungnahme bis , 15.00 Uhr, eingeräumt. Die Beschwerdeführerin äußerte sich abermals ablehnend und brachte in der Folge eine weitere Stellungnahme vom ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde gemäß § 59 Abs. 2 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 2009

1. festgestellt, dass beim gegenständlichen Haus keine Einsturzgefahr und keine technische Unmöglichkeit der Behebung der Baufälligkeit vorliege, und

2. nach Maßgabe näher bezeichneter Bestandpläne entsprechend den Schlussfolgerungen im Gutachten des Stadtbaumeisters H. vom festgestellt, dass die Instandhaltung des Hauses allgemein wirtschaftlich vertretbar sei.

Die Beurteilung stützte sich im Wesentlichen auf das genannte Gutachten vom , die belangte Behörde erachtete die Einwände der Beschwerdeführerin als nicht stichhältig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, war im fortgesetzten Verwaltungsverfahren das Salzburger Raumordnungsgesetz 2009, LGBl. Nr. 30 (ROG 2009), anzuwenden.

§ 59 ROG 2009 lautet:

"§ 59

(1) Für Bauten, die für das charakteristische Gepräge des Orts- oder Stadtbildes sowie für das Orts- oder Stadtgefüge von besonderer Bedeutung sind (charakteristische Bauten), können Erhaltungsgebote festgelegt werden. Dies gilt nicht im Schutzgebiet nach dem Salzburger Altstadterhaltungsgesetz 1980 oder in den Ortsbildschutzgebieten nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz.

(2) Für Bauten, für die ein Erhaltungsgebot gemäß Abs 1 gilt, darf der Abbruch nicht bewilligt werden, wenn deren Instandhaltung allgemein wirtschaftlich vertretbar erscheint. Nicht unter das Verbot fällt ein Abbruch solcher Bauten aus Gründen der Einsturzgefahr oder dann, wenn die Behebung der Baufälligkeit technisch unmöglich ist. Ob die Instandhaltung allgemein wirtschaftlich vertretbar erscheint und ob einer der genannten Gründe für einen Abbruch vorliegt, hat die Gemeindevertretung innerhalb von längstens sechs Monaten nach vollständiger Einbringung des Ansuchens um Abbruchbewilligung festzustellen. Im Ansuchen um die Abbruchbewilligung sind der oder die Gründe dafür geltend zu machen und unter Vorlage von Unterlagen für deren Glaubhaftmachung besonders zu begründen. Nach Ablaufen der Frist kann die Abbruchbewilligung von der Baubehörde aus dem Grund des ersten Satzes nicht mehr versagt werden. Wird ein nach dem ersten Satz dieses Absatzes ergehender Bescheid auf Grund einer dagegen eingebrachten Vorstellung oder in der Stadt Salzburg einer Beschwerde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts aufgehoben, beginnt mit der Zustellung des betreffenden Bescheides die sechsmonatige Frist neu zu laufen. Die Gemeindevertretung hat über Antrag Ausnahmen vom Verbot des ersten Satzes durch Bescheid zu bewilligen, wenn der Abbruch des Baues im Hinblick auf die zukünftige Verwendung und Gestaltung des Bauplatzes im besonderen öffentlichen Interesse gelegen ist.

(3) Zur Behebung städtebaulicher Missstände, die auch durch sonstige Festlegungen des Bebauungsplans nicht behoben werden können, können Abbruchgebote für Bauten oder Teile davon festgelegt werden."

Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, ist diese Bestimmung inhaltsgleich mit dem früheren § 35 Abs. 2 ROG 1998, sodass die im Vorerkenntnis vom dargelegten Grundsätze weiterhin maßgeblich sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis unter anderem ausgeführt, "allgemein wirtschaftlich vertretbar" sei die Instandhaltung aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Dimension, wenn die Finanzierbarkeit der in Betracht kommenden Maßnahmen ausreichend verlässlich abschätzbar und auf dieser Grundlage zu bejahen sei. Dazu gehöre auch der zeitliche Horizont. Die Zugrundelegung eines jahrzehntelangen Zeitraumes von 70 und 90 Jahren erscheine ohne nähere Erklärung der Verlässlichkeit dieser Beurteilung spekulativ. Vor diesem Hintergrund habe der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken dagegen, die Fristen des § 2 Abs. 3 Liebhabereiverordnung heranzuziehen, weil die Definition in deren § 1 Abs. 1 mit der hier geforderten allgemeinen wirtschaftlichen Vertretbarkeit durchaus in Einklang gebracht werden könne. Wenn die jahrzehntelang gegebene Untauglichkeit, Einkünfte zu erzielen, von der Steuernorm als "Liebhaberei" qualifiziert werde, könne im gegebenen Zusammenhang eine wirtschaftliche Vertretbarkeit nicht angenommen werden.

Die belangte Behörde verkennt im angefochtenen Bescheid, dass der Hinweis auf die Fristen der Liebhabereiverordnung nicht etwa lediglich ein Beispiel gewesen ist, wie es auf Seite 4 des angefochtenen Bescheides heißt, sondern diese Ausführungen einen Beurteilungsmaßstab für das fortgesetzte Verfahren darstellten. Da die belangte Behörde dies verkannte und sich damit nicht auseinandergesetzt hat, belastete sie schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Weiters ist zu bemerken, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zwar Gelegenheit gegeben hat, zum Gutachten vom Stellung zu nehmen, die erste Frist bis zum 22. Juli aber viel zu kurz war und auch die in der Folge mit Erledigung vom eingeräumte weitere Frist bis zum weiterhin zu kurz war, um dies fundiert tun zu können. Diese Vorgangsweise der belangten Behörde war, wie schon im ersten Rechtsgang, rechtswidrig und ist mit dem Gebot eines fairen Verfahrens nicht in Einklang zu bringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am