VwGH vom 15.12.2017, Ra 2017/11/0257
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Steiermärkischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 47.10-1583/2017-6, betreffend Kostenzuschuss nach dem Steiermärkischen Kinder- und Jugendhilfegesetz - StKJHG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Partei: U A, vertreten durch die Mörth Ecker Filzmaier Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Maiffredygasse 8/I), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Antrag vom begehrte die Mitbeteiligte für den minderjährigen M. A. "die Gewährung eines Kostenzuschusses für die Unterbringung bei Pflegepersonen gemäß § 21 StKJHG-DVO". Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde ihr mitgeteilt, dass das Ansuchen abgelehnt werde.
2 Mit Anwaltsschriftsatz vom beantragte die Mitbeteiligte die Erlassung eines Bescheides. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 5 Abs. 2 und § 43 Abs. 3 Steiermärkisches Kinder- und Jugendhilfegesetz (StKJHG) in Verbindung mit den §§ 14, 15 und 21 Stmk. Kinder- und Jugendhilfegesetz-Durchführungsverordnung (StKJHG-DVO) zurückgewiesen. In der Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Kinder- und Jugendhilfeträger nach den Bestimmungen des StKJHG und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung agierten und, abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen, nicht zu hoheitlichem Einschreiten ermächtigt seien (Hinweis auf § 14 Abs. 4 StKJHG-DVO, wonach kein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Kostenzuschüssen nach § 43 Abs. 2 und 3 StKJHG bestehe).
3 Dieser Bescheid wurde aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG "ersatzlos behoben".
4 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5 In der Begründung gab das Verwaltungsgericht das Verfahrensgeschehen und die maßgebenden Rechtsvorschriften wieder und verwies auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der Hoheitsverwaltung dann vorliege, wenn der Behörde der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen sei und diese insoweit "imperium" ausübe; andernfalls handle es sich um Privatwirtschaftsverwaltung (Hinweis auf , und ).
6 Gegenständlich sei daher zu prüfen, ob hinsichtlich des von der Mitbeteiligten begehrten Kostenzuschusses eine hoheitliche Vollziehung vorgesehen sei.
7 In diesem Zusammenhang traf das Verwaltungsgericht die Feststellung, dass der Mitbeteiligten mit beim Bezirksgericht Graz-Ost am getroffener Vereinbarung (hinsichtlich des minderjährigen M. A.) "die gesamte Obsorge übertragen" worden sei.
8 Gemäß § 43 Abs. 3 StKJHG könne dann, wenn ein Kind oder Jugendlicher bei Pflegepersonen, denen das Gericht das Erziehungsrecht übertragen habe, untergebracht werde, ein Kostenzuschuss gewährt werden. Der zweite Satz dieser Bestimmung laute: "die Bestimmungen des § 34 gelten sinngemäß". Der genannte § 34 leg. cit. (der das "Pflegekindergeld" regelt) sehe in seinem Abs. 1 eine "Zuerkennung ... von Amts wegen ... durch Bescheid" vor.
9 Zum Zusammenhang der §§ 34 und 43 StKJHG verwies das Verwaltungsgericht auf die Erläuterungen, nach denen das Pflegekindergeld (§ 34 leg. cit.) nicht mehr gewährt werden könne, wenn die Pflege und Erziehung aufgrund eines Gerichtsbeschlusses (wie gegenständlich) auf die vormalige Pflegeperson übergehe. Nach den Erläuterungen könne die Unterstützung solcher Familien aber, da diese Konstellation geradezu gewünscht sei, finanziell anders, so etwa durch einen Kostenzuschuss (wie er gegenständlich beantragt wurde) erfolgen.
10 Aus § 43 Abs. 3 iVm § 34 Abs. 1 StKJHG folge nach Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass (auch) die Zuerkennung des Kostenzuschusses mit Bescheid zu erfolgen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass ein Rechtsanspruch auf die Gewährung eines Kostenzuschusses in § 14 Abs. 4 StKJHG-DVO ausdrücklich ausgeschlossen werde (Hinweis auf ). Die belangte Behörde werde daher über den Antrag auf Kostenzuschuss in der Sache mit Bescheid abzusprechen haben.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die (auf § 33 StLVwGG iVm Art. 133 Abs. 8 B-VG gestützte) außerordentliche Revision der Steiermärkischen Landesregierung.
12 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit einerseits aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Gewährung eines Kostenzuschusses für Präventivhilfen iSd § 43 StKJHG privatwirtschaftlich oder hoheitlich zu vollziehen sei. Andererseits weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB Erkenntnis vom , 2013/11/0205) ab, weil es bei der fallbezogenen Abgrenzung von Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung nicht auf die durch die Rechtsvorschriften vorgegebene Handlungsform Bedacht nehme. Der gegenständliche Kostenzuschuss werde nämlich, anders als das Pflegekindergeld, gemäß § 15 StKJHG-DVO durch eine "Leistungszusage" gewährt, bei welcher es sich nach den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung um eine "formlose schriftliche Mitteilung bzw. Vereinbarung" handle.
15 Die Revision ist aus den von ihr dargestellten Gründen zulässig, sie ist aus folgenden Überlegungen auch begründet:
16 Das Steiermärkische Kinder- und Jugendhilfegesetz (StKJHG), LGBl. Nr. 138/2013 idF LGBl. Nr. 130/2014, lautet auszugsweise:
"§ 5 Träger der Kinder- und Jugendhilfe
(1) Träger der Kinder- und Jugendhilfe ist das Land Steiermark (Kinder- und Jugendhilfeträger).
(2) Die Vollziehung dieses Gesetzes erfolgt, soweit nicht anderes bestimmt ist, im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung.
...
§ 28 Volle Erziehung
(1) Ist das Kindeswohl gefährdet und ist zu erwarten, dass die Gefährdung nur durch Betreuung außerhalb der Familie oder des sonstigen bisherigen Wohnumfeldes abgewendet werden kann, ist Kindern und Jugendlichen volle Erziehung zu gewähren, sofern der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut ist.
(2) Volle Erziehung umfasst die Betreuung in sozialpädagogischen Einrichtungen (§ 32) oder bei Pflegepersonen (§ 33).
...
§ 33 Pflegeverhältnisse im Rahmen der vollen Erziehung
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger kann geeignete Pflegepersonen im Rahmen der vollen Erziehung (§ 28) mit der Ausübung der Pflege und Erziehung beauftragen. ...
...
§ 34 Pflegekindergeld, Erstausstattungspauschale
(1) Zur Abgeltung des mit der Pflege und Erziehung verbundenen Aufwandes gewährt der Kinder- und Jugendhilfeträger Pflegepersonen, die im Rahmen der vollen Erziehung ein Pflegekind betreuen, ein pauschaliertes Pflegekindergeld. Die Zuerkennung erfolgt von Amts wegen durch Bescheid.
(2) Die Landesregierung hat die Höhe und Auszahlungsmodalitäten des monatlichen Pflegekindergeldes abhängig vom altersgemäßen Betreuungsaufwand durch Verordnung festzulegen. Zu Unrecht empfangenes Pflegekindergeld ist vom Empfänger zurückzuerstatten. Von der Verpflichtung zur Rückerstattung kann abgesehen werden, wenn dies eine erhebliche Härte bedeuten würde oder das Pflegekindergeld gutgläubig verbraucht wurde. Ebenso können in dieser Verordnung für besondere Formen der Unterbringung eines Kindes (§ 3 Z 7) weitere Leistungen und Leistungsentgelte festgelegt werden.
(3) Pflegepersonen, die ein Pflegekind im Rahmen der vollen Erziehung gemäß § 28 oder gemäß § 43 Abs. 3 aufnehmen, gebührt anlässlich der Erstaufnahme eine Pauschalabgeltung für den Aufwand. Ausnahmeregelungen für Pflegepersonen gemäß § 3 Z 7 lit. a bis c und die Höhe der Erstausstattungspauschale können durch Verordnung festgelegt werden. Die Zuerkennung erfolgt von Amts wegen durch Bescheid.
(4) Im Einzelfall ist Pflegepersonen auf Antrag ein über den monatlichen Sachaufwand hinausgehender Sonderbedarf für ihr Pflegekind mit Bescheid zu gewähren. Die Leistung gebührt ab Antragstellung.
(5) Pflegepersonen wird vom Kinder- und Jugendhilfeträger die Möglichkeit zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung nach einem vom Kinder- und Jugendhilfeträger erstellten Konzept geboten.
...
§ 42 Kostentragung für Hilfeleistungen
(1) Die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen im Rahmen der Präventivhilfen ist unentgeltlich. Die Kosten für sonstige Präventivhilfen sind von den die Hilfeleistungen in Anspruch nehmenden Personen zu tragen. Zu diesen Kosten werden nach Maßgabe des § 43 Kostenzuschüsse gewährt.
...
§ 43 Kostenzuschuss
(1) Auf Antrag des Kindes oder des Jugendlichen und seinen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen kann ein Kostenzuschuss gewährt werden, wenn damit eine eigenständige Wahrnehmung der Pflege und Erziehung zur Förderung der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen erwartet werden kann.
(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung zu bestimmen, für welche Präventivhilfen ein Kostenzuschuss gewährt werden kann. Dabei sind insbesondere die Art der Hilfe, die Höhe des Kostenzuschusses sowie weitere Voraussetzungen für die Gewährung festzulegen.
(3) Wird ein Kind oder Jugendlicher bei Pflegepersonen, denen das Gericht das Erziehungsrecht übertragen hat, untergebracht, so kann auf Antrag des Kindes, des Jugendlichen, seines nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen oder der Pflegepersonen ein Kostenzuschuss gewährt werden, sofern die Voraussetzungen des Abs. 1 gegeben sind. Die Bestimmungen des § 34 gelten sinngemäß. Als Höchstgrenze für die Gewährung von Kostenzuschüssen gilt das durch Verordnung gemäß § 34 Abs. 2 festgelegte Pflegekindergeld.
..."
Die Stmk. Kinder- und Jugendhilfegesetz-Durchführungsverordnung (StKJHG-DVO), LGBl. Nr. 1/2014 in der Fassung LGBl. Nr. 25/2017, lautet auszugsweise:
"3. Abschnitt
Pflegeverhältnisse im Rahmen der vollen Erziehung und private
Pflegeverhältnisse (§ 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2, § 35 Abs. 3 StKJHG)
...
§ 12 Pflegekindergeld
(1) Das Pflegekindergeld wird wie folgt festgesetzt:
für Kinder unter 12 Jahren 421,-- Euro
für Kinder und Jugendliche über 12 Jahren 464,-- Euro.
...
(3) Das Pflegekindergeld ist monatlich im Vorhinein auszubezahlen. In den Monaten Juni und November ist das Pflegekindergeld in zweifacher Höhe zu bezahlen, nicht jedoch an Pflegepersonen gemäß § 3 Z. 7 lit. a StKJHG. Für angefangene oder nicht beendete Kalendermonate gebührt der aliquote Anteil. Zu Unrecht empfangenes Pflegekindergeld ist vom Empfänger zurückzuerstatten. Von der Verpflichtung zur Rückerstattung kann abgesehen werden, wenn dies eine erhebliche Härte bedeuten würde oder das Pflegekindergeld gutgläubig verbraucht wurde.
...
4. Abschnitt
Kostenzuschüsse (§ 43 Abs. 2 und 3 StKJHG)
§ 14 Gewährung
(1) Auf Antrag des Kindes/Jugendlichen oder seinen zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten sowie gemäß § 43 Abs. 3 StKJHG auch auf Antrag der Pflegepersonen kann der Kinder- und Jugendhilfeträger einen Zuschuss zu den Kosten einer Präventivhilfe, ausgenommen Beratungsleistungen, gewähren. Voraussetzung für eine Leistungszusage ist, dass
1. damit eine eigenständige Wahrnehmung der Pflege und
Erziehung zur Förderung der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen erwartet werden kann;
2. nicht innerhalb der letzten 18 Monate dieselbe Präventivhilfe in Anspruch genommen wurde. Dies gilt nicht für Verlängerungen gemäß §§ 16, 19, 20.
(2) Die Leistungszusage (§ 15) soll so rasch wie möglich, längstens aber binnen acht Wochen ab Einlangen des Antrages erfolgen.
(3) Die Leistung des Kostenzuschusses beginnt mit dem Tag des Einlangens des Antrages.
(4) Auf einen Kostenzuschuss besteht kein Rechtsanspruch.
§ 15 Leistungszusage
(1) Die Leistungszusage enthält die Art der Präventivhilfe, den Beginn, die höchstmögliche Dauer sowie das Ausmaß und die Höhe des Kostenzuschusses.
(2) Die Leistungszusage ist zu widerrufen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Leistung des
Kostenzuschusses nicht mehr vorliegen oder
2. nach schriftlicher Aufforderung innerhalb der in der
schriftlichen Aufforderung vorgegebenen Frist zu Unrecht geleistete Kostenzuschüsse nicht rückerstattet werden.
(3) Die Leistungszusage erlischt, wenn länger als drei Monate keine Leistungen in Anspruch genommen werden.
§ 21 Kostenzuschuss für die Unterbringung bei Pflegepersonen
(1) Ein Kostenzuschuss für die Unterbringung eines Kindes
oder Jugendlichen bei Pflegepersonen gemäß § 43 Abs. 3 StKJHG kann
gewährt werden, wenn
1. dadurch die Gefahr einer Störung hintangehalten oder
eine bereits eingetretene Störung gemindert oder beseitigt werden
kann und
2. es für die zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten
eine wirtschaftliche Härte bedeuten würde, die Kosten zur Gänze selbst zu zahlen.
(2) Die Zuschussleistung erfolgt in Form von monatlichen Zuschüssen. Die Höhe der Zuschussleistung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Pflegekindergeld gemäß § 12 (Höchstgrenze) und der Eigenleistung. Die Eigenleistung ist jener Betrag, den die zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten als Kostenersatz zu leisten hätten, würde die Unterbringung bei Pflegepersonen im Rahmen der vollen Erziehung erfolgen.
..."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (XVI. GPStLT RV EZ 2050/1) betreffend den hier maßgebenden § 5, den § 34 (in der Regierungsvorlage noch § 33) und betreffend den § 43 StKJHG (in der Regierungsvorlage noch § 42) lauten auszugsweise:
"Zu § 5 (Träger der Kinder- und Jugendhilfe):
...
Abs. 2 legt fest, dass das Land die Aufgaben, die ihm durch dieses Gesetz übertragen werden, als Träger von Privatrechten zu besorgen hat. Zu den behördlichen Aufgaben zählen die Erlassung von Verordnungen (§ 5 Abs. 4, § 7 Abs. 3, § 15 Abs. 3, § 32 Abs. 2, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 3, § 42 Abs. 2), die Bewilligung und Beaufsichtigung von privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (§ 6 - dazu können auch sozialpädagogische Einrichtungen gemäß § 31 zählen), die Beaufsichtigung von Pflegeverhältnissen im Rahmen der vollen Erziehung (§ 32) sowie die Bewilligung und Beaufsichtigung privater Pflegeverhältnisse (§ 34). Ebenso hat die Entscheidung über die Gewährung von Pflegekindergeld sowie über einen Sonderbedarf gemäß § 33 Abs. 3 mit Bescheid zu erfolgen. Außerdem zählt zu den behördlichen Aufgaben der Landesregierung, das ihr durch § 2 Steiermärkisches Bezirkshauptmannschaftengesetz, LGBl. Nr. 60/1997 in der Fassung LGBl. Nr. 102/2011, übertragene Recht der Kontrolle der gesamten Tätigkeit der mit den Aufgaben nach diesem Gesetz betrauten Referate der Bezirksverwaltungsbehörden.
...
Zu § 33 (Pflegekindergeld):
Abs. 1: Das Pflegekindergeld gebührt Pflegepersonen (dazu zählen auch nahe Angehörige), die im Rahmen der vollen Erziehung ein Pflegekind betreuen, zur Abgeltung des mit der Pflege und Erziehung verbundenen Aufwandes. Es stellt auch weiterhin eine Sozialleistung und kein Entgelt dar, weshalb auch zukünftig keine Einkommens- oder Umsatzsteuerpflicht entsteht. Das Pflegekindergeld gebührt unabhängig davon, ob die eine Erziehungshilfe aufgrund einer Vereinbarung (§ 28) oder aufgrund einer gerichtlichen Verfügung oder bei Gefahr im Verzug (§ 29) erfolgt. Zur Kostenpflicht der Unterhaltsverpflichteten siehe unten bei den Anmerkungen zu § 43.
Geht die Pflege und Erziehung (aufgrund eines Gerichtsbeschlusses) an vormalige Pflegepersonen über, fallen diese aus dem Pflegepersonenbegriff heraus (vgl. § 3 Z 7) und kommen damit auch nicht mehr in den Genuss eines Pflegekindergeldes. Allenfalls können solche Familien, da diese Konstellation im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen geradezu gewünscht ist, anders finanziell - z.B. durch einen Kostenzuschuss - unterstützt werden.
Abs. 2: Die Pauschalierung des Pflegekindergeldes anstelle einer Abgeltung des individuellen Aufwands dient der Gleichbehandlung von Pflegepersonen und Pflegekindern. Gemäß § 20 B-KJHG 2013 sind bei der Festlegung des Pflegekindergeldes der altersgemäße Betreuungsaufwand und sonstige mit Pflege und Erziehung verbundene Lasten zu berücksichtigen. Dies beinhaltet insbesondere die Einbeziehung von durchschnittlichen Kosten für eine altersgerechte Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Wohnen, Transport, Bildung und Freizeitgestaltung. Diesen Vorgaben wird die Verordnungsermächtigung in Abs. 2 gerecht, wonach die Landesregierung die Höhe des monatlichen Pflegekindergeldes in unterschiedlicher Höhe für Pflegekinder unterschiedlichen Alters (vorgeschlagen wird ‚unter und über zwölf Jahren') durch Verordnung festzulegen hat (ebenso die Möglichkeit der Gewährung einer Erstausstattungspauschale).
Auf Antrag ist Pflegepersonen ein über den monatlichen Sachaufwand hinausgehender Sonderbedarf für ihr Pflegekind, z. B. für Berufskleidung, Heilungskosten oder Kosten für Heilbehelfe (nach Abzug des von den Sozialversicherungsträgern übernommenen Betrages), in Form einer Geld- oder Sachleistung mit Bescheid zu gewähren (Abs. 3). Ein über den monatlichen Sachaufwand hinausgehender Sonderbedarf ist erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zu gewähren. Vor der Antragstellung getätigte Sonderausgaben sind bei der Bemessung des Sonderbedarfes nicht zu berücksichtigen.
...
Zu § 42 (Kostenzuschuss für Präventivhilfen):
Abs. 1: Für Präventivhilfen, die nicht nach § 41 (Anm.: im Gesetzesbeschluss § 42) Abs. 1 unentgeltlich in Anspruch genommen werden können, kann auf Antrag des Kindes oder des Jugendlichen und seinen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen ein Kostenzuschuss gewährt werden. Auf die Gewährung eines Kostenzuschusses besteht kein Rechtsanspruch. Da es sich um eine Kann-Leistung handelt, ist eine formlose Vereinbarung zu schließen. Voraussetzung für die Gewährung dieses Kostenzuschusses ist allerdings, dass damit eine eigenständige Wahrnehmung der Pflege und Erziehung zur Förderung der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen erwartet werden kann. Das bedeutet, dass hier im Unterschied zu den Erziehungshilfen im Rahmen der vollen Erziehung sowie der Unterbringung von jungen Erwachsenen (§ 30) die Betroffenen die Frage der Finanzierung der entsprechenden Präventivhilfe selbst zu klären haben. Auf Antrag können allerdings Kostenzuschüsse gewährt werden.
Gemäß Abs. 2 hat die Landesregierung in einer Verordnung jene Präventivhilfen festzulegen, für die ein Kostenzuschuss gewährt werden kann. Dabei sind insbesondere die Art der Hilfe, die Höhe des Kostenzuschusses sowie weitere Voraussetzungen für die Gewährung festzulegen.
Zu denken ist hier insbesondere an Kostenzuschüsse für Psychotherapie entsprechend dem Psychotherapiegesetz. Ein Kostenzuschuss zur Psychotherapie wird allerdings nur dann gewährt, wenn sämtliche Voraussetzungen, der in der zu erlassenden Verordnung festgelegten Kriterien erfüllt sind und auch die Anerkennung und Genehmigung durch den Sozialversicherungsträger vorliegt. Die Indikationsprüfung durch die Kinder- und Jugendhilfe entfällt insoweit, als der Sozialversicherungsträger nach Überprüfung Verhaltensauffälligkeiten und Defizite bei Kindern und Jugendlichen als behandlungswürdig anerkennt und damit auch die inhaltlichen Voraussetzungen der Kinder- und Jugendhilfe jedenfalls als gegeben angenommen werden.
Abs. 3: Wie bereits unter § 33 (Anm.: im Gesetzesbeschluss § 34)Abs. 1 ausgeführt, fallen vormalige Pflegepersonen, auf welche aufgrund eines Gerichtsbeschlusses die Pflege und Erziehung übergeht, aus dem Pflegepersonenbegriff heraus (vgl. § 3 Z. 7), da keine volle Erziehung mehr vorliegt. Das bedeutet aber auch, dass sie nicht mehr in den Genuss eines Pflegekindergeldes kommen. Da diese Konstellation im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen geradezu gewünscht ist, könnten solche Familien, durch einen Kostenzuschuss - maximal in Höhe des Pflegekindergeldes - unterstützt werden. Durch den Verweis auf § 33 (Anm.: im Gesetzesbeschluss § 34) ist ebenso gewährleistet, dass diese Personengruppe Anspruch auf Sonderbedarf hat (nicht auf die Erstausstattungspauschale).
..."
Die Erläuterungen zu den zitierten §§ 14 und 15 StKJHG-DVO
lauten:
"Zu § 14 (Gewährung):
Voraussetzung für die Gewährung eines Kostenzuschusses ist gemäß § 43 Abs. 1 (sowie Abs. 3) StKJHG die Antragstellung bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, entweder vom Kind oder Jugendlichen oder seinen zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten (oder der Pflegepersonen iZm § 21). Die gesetzlichen Vertretungsregelungen bleiben unberührt. Das bedeutet, dass hier im Unterschied zu den Erziehungshilfen im Rahmen der vollen Erziehung sowie der Unterbringung von jungen Erwachsenen (§ 31 StKJHG) die Betroffenen die Frage der Finanzierung der entsprechenden Präventivhilfe selbst zu klären haben.
Auf die Gewährung eines Kostenzuschusses besteht kein Rechtsanspruch. Voraussetzung für die Gewährung dieses Kostenzuschusses ist allerdings, dass damit eine eigenständige Wahrnehmung der Pflege und Erziehung zur Förderung der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen erwartet werden kann. Außerdem sollte nicht innerhalb der letzten 18 Monate eine Leistungszusage für dieselbe Präventivhilfe abgegeben worden sein.
Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangens des Antrages zu entscheiden. Anzumerken ist, dass der Kostenzuschuss erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt wird.
Zu § 15 (Leistungszusage):
Im Falle der Gewährung erfolgt eine Leistungszusage (formlose schriftliche Mitteilung bzw. Vereinbarung), welche die Art der Präventivhilfe, den Beginn, die höchstmögliche Dauer sowie das Ausmaß und die Höhe des Kostenzuschusses beinhaltet.
Liegen die Voraussetzungen für den Kostenzuschuss nicht mehr vor oder werden einer schriftlichen Aufforderung mit Einräumung einer angemessenen Frist zu Unrecht geleistete Kostenzuschüsse nicht rückerstattet, ist die Leistungszusage zu widerrufen.
Sofern für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten keine Leistungen in Anspruch genommen werden, erlischt die Leistungszusage automatisch. Der Grund liegt darin, dass die Inanspruchnahme einer Präventivhilfe nur dann als zweckmäßig erachtet wird, wenn diese auch regelmäßig und über einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen wird."
17 Eingangs ist festzuhalten, dass der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ("ersatzlos behoben") zur Begründung, nach der die belangte Behörde gegenständlich in der Sache mit Bescheid zu entscheiden habe, im Widerspruch steht.
18 Strittig ist im vorliegenden Fall ausschließlich, ob die Entscheidung über den Antrag der Mitbeteiligten auf Zuerkennung des Kostenzuschusses hoheitlich (durch Bescheid) oder im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zu erfolgen hat.
19 Ob eine von den Verwaltungsbehörden zu besorgende Aufgabe zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung zählt, bestimmt sich danach, in welchen Rechtsformen die betreffende Angelegenheit zu vollziehen ist. Nur wenn der Behörde der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden hoheitlichen Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen ist, handelt es sich um Hoheitsverwaltung; die Verwaltungsbehörde übt insoweit "imperium" aus; andernfalls liegt Privatwirtschaftsverwaltung vor (, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom , 93/11/0221, und vom , 2011/11/0005 sowie auf VfSlg Nr. 18.154/2007).
20 § 5 Abs. 2 StKJHG schreibt die Vollziehung dieses Gesetzes im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung vor, "soweit nicht anderes bestimmt ist". Zu klären ist daher, ob Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gewährung des begehrten Kostenzuschusses (ausnahmsweise) die hoheitliche Entscheidung mit Bescheid vorsehen.
21 Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
22 Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei dem von der Mitbeteiligten begehrten Kostenzuschuss für die Unterbringung bei Pflegepersonen gemäß § 21 StKJHG-DVO, der im 4. Abschnitt der StKJHG-DVO ("Kostenzuschüsse (§ 43 Abs. 2 und 3 StKJHG)") geregelt ist, um einen Zuschuss zu den Kosten einer Präventivhilfe handelt. Die Kosten für die Präventivhilfe sind nämlich, ausgenommen Beratungsleistungen, gemäß § 42 Abs. 1 StKJHG von den die Hilfeleistungen in Anspruch nehmenden Personen (selbst) zu tragen, wobei aber Kostenzuschüsse nach Maßgabe des § 43 leg. cit. (bzw. der auf dieser Bestimmung beruhenden StKJHG-DVO) gewährt werden.
23 Der § 14 StKJHG-DVO (der den 4. Abschnitt dieser Verordnung einleitet und demgemäß auch für den gegenständlichen Kostenzuschuss gemäß § 21 leg. cit. maßgebend ist) sieht in seinen Abs. 1 und 2 die Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten einer Präventivhilfe durch eine "Leistungszusage" vor, gemäß Abs. 4 leg. cit. besteht auf den Kostenzuschuss kein Rechtsanspruch.
24 Auch wenn ein Fehlen eines Rechtsanspruches noch nicht zwingend die bescheidförmige Vollziehung ausschließt (im angefochtenen Erkenntnis wird dazu auf das Erkenntnis , verwiesen), so spricht der Wortlaut des § 14 StKJHG-DVO - "Gewährung" des Zuschusses mit "Leistungszusage" - doch dafür, dass die Entscheidung über die Zuerkennung eines Kostenzuschusses nicht mit Bescheid erfolgt. Dafür spricht insbesondere auch, dass die Erläuterungen zu § 15 StKJHG-DVO die in dieser Bestimmung näher geregelte Leistungszusage ausdrücklich als "formlose schriftliche Mitteilung bzw. Vereinbarung" bezeichnen.
25 Es ist daher zu prüfen, ob die Verordnung insoweit im Einklang mit den Bestimmungen des StKJHG steht.
26 Das Verwaltungsgericht erblickt nämlich in § 43 Abs. 3 zweiter Satz StKJHG, nach dem die Bestimmungen des § 34 leg. cit. "sinngemäß gelten", das zentrale Argument für seine Rechtsansicht, dass über den Kostenzuschuss mit Bescheid abzusprechen sei (die genannten Verordnungsbestimmungen seien nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidend).
27 Dieser Rechtsmeinung ist zuzugestehen, dass die Bestimmungen des § 34 StKJHG für die dort genannten Geldleistungen die Zuerkennung durch Bescheid vorsieht. Dies trifft sowohl das in § 34 Abs. 1 StKJHG geregelte pauschalierte Pflegekindergeld, als auch die in Abs. 3 leg. cit. anlässlich der Erstaufnahme eines Pflegekindes vorgesehene Pauschalabgeltung und den in Abs. 4 leg. cit. vorgesehenen Sonderbedarf. Daher ist zu prüfen, ob auch die im vorliegenden Fall in Rede stehende Gewährung eines Kostenzuschusses nach § 43 Abs. 3 leg. cit. aufgrund "sinngemäßer" Anwendung des § 34 StKJHG mit Bescheid zu erfolgen hat (mit anderen Worten: ob durch die in § 43 Abs. 3 StKJHG angeordnete - aber nicht näher präzisierte - sinngemäße Geltung der Bestimmungen des § 34 auch normiert werden soll, dass im Verfahren betreffend einen Kostenzuschuss nach § 43 Abs. 3 leg. cit. die Zuerkennung durch Bescheid zu erfolgen hat).
28 Dabei ist zu beachten, dass nach den zitierten Erläuterungen zu § 43 StKJHG bei Gewährung des in dieser Bestimmung geregelten Kostenzuschusses (bloß) eine "formlose Vereinbarung" zu schließen ist.
29 Diese Erläuterungen stellen auch klar, wie der in Rede stehende Verweis auf § 34 (in den Erläuterungen noch § 33) StKJHG zu verstehen sei: Einerseits soll der in § 43 Abs. 3 StKJHG geregelte Kostenzuschuss bis zu einer maximalen Höhe, wie sie für das in § 34 leg. cit. genannte Pflegekindergeld vorgesehen ist, und andererseits auch der Sonderbedarf, wie er in § 34 Abs. 4 leg. cit. geregelt ist, gewährt werden können; es bleibt also für die sinngemäße Anwendung der "Bestimmungen des § 34" weiterhin Raum.
30 Für diese Auffassung kann auch ins Treffen geführt werden, dass nach Wortlaut und Systematik des mit "Kostenzuschuss" betitelten § 43 leg. cit. die sinngemäße Geltung der Bestimmungen des § 34 nur die Fälle nach Abs. 3 erfasst, nicht aber die - ebenfalls Anträge auf Kostenzuschuss betreffenden - Fälle nach Abs. 1. Dafür allerdings, dass diese beiden Konstellationen hinsichtlich der Entscheidungsform ungleich geregelt werden sollten (worauf die Auffassung hinausliefe, die in Abs. 3 angeordnete sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des § 34 erfasse auch die Entscheidung durch Bescheid), bestehen keine überzeugenden Anhaltspunkte.
31 Gegen die Zuerkennung des Kostenzuschusses gemäß § 43 Abs. 3 StKJHG in Bescheidform spricht nicht zuletzt, dass gemäß § 5 Abs. 2 leg. cit. die Vollziehung dieses Gesetzes, soweit nicht anderes bestimmt ist, im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt. Die Erläuterungen zur letztgenannten Bestimmung sehen die Entscheidung mit Bescheid nur für die Gewährung von Pflegekindergeld und von Sonderbedarf gemäß § 33 Abs. 3 (im Gesetzesbeschluss: § 34 Abs. 4) StKJHG vor, nicht aber für den Kostenzuschuss (dass in den Erläuterungen in diesem Zusammenhang auch die in § 34 Abs. 3 geregelte Pauschalabgeltung nicht erwähnt wird, ist damit erklärbar, dass diese in § 33 der Regierungsvorlage noch gar nicht vorgesehen war).
32 Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass keine Rechtsvorschrift abweichend von der grundsätzlichen Vollziehung des StKJHG im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung iSd § 5 Abs. 2 leg. cit. eine hoheitliche Vollziehung des gegenständlichen Kostenzuschusses vorsieht. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut der hier maßgebenden Rechtsvorschriften und dem in den Erläuterungen dokumentierten Willen sowohl des Gesetzgebers als auch des Verordnungsgebers, dass über den in Rede stehenden Kostenzuschuss nicht mit Bescheid zu entscheiden ist.
33 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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