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VwGH vom 11.10.2019, Ra 2017/11/0213

VwGH vom 11.10.2019, Ra 2017/11/0213

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der E K in T (Slowakei), vertreten durch die DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-301014/5/BMa/TK, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis des Magistrats der Landeshauptstadt Linz wurde der Revisionswerberin zur Last gelegt, sie habe "als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche zur Vertretung nach außen Berufene" der slowakischen Firma K in vier Fällen § 7b Abs. 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) übertreten, weswegen gemäß § 7b Abs. 8 AVRAG,§ 9, 16 und 19 VStG eine Geldstrafe von jeweils EUR 2.000 zu verhängen gewesen sei. Als Ersatzfreiheitsstrafen wurden jeweils 134 Stunden verhängt. Begründet wurde dies damit, dass keine elektronische Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und dem AVRAG erstattet worden sei, obwohl die Firma K gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG dazu verpflichtet gewesen sei.

2 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie vorbrachte, dass sie nicht für die Einhaltung der Bestimmungen des AVRAG verantwortlich sei. Mit ihrem Ehemann, der ebenfalls handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma K sei, sei eine Vereinbarung gemäß § 9 Abs. 2 VStG geschlossen worden; dieser sei daher für die Einhaltung der verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen betreffend die Entsendung von Arbeitnehmern nach Österreich gemäß AVRAG und AuslBG verantwortlich. Mit der Beschwerde wurde eine Vereinbarung vom über die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vorgelegt. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde insofern statt, als unter Spruchpunkt I. die verhängten Geldstrafen zu den Spruchpunkten 1 bis 4 auf jeweils EUR 1.000,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 67 Stunden herabgesetzt wurden. In Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass sich der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren ermäßige und kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten sei. Mit Spruchpunkt III. wurde die Revision für unzulässig erklärt. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin sei nach wie vor für die Übertretung des § 7b AVRAG verantwortlich, da entgegen § 7j AVRAG nicht rechtzeitig eine Meldung über die Bestellung des Ehemanns der Revisionswerberin zum verantwortlichen Beauftragten bei der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung beim Bundesministerium für Finanzen erstattet worden sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird vorgebracht, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Notwendigkeit der Bekanntgabe von Verantwortungsaufteilungen zwischen zwei aktuell vertretungsbefugten Organen abweiche.

Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig und begründet.

6 Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) idF BGBl. I Nr. 94/2014 lauten auszugweise:

"§ 7b. (1) Ein/e Arbeitnehmer/in, der/die von einem/einer Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf

1. zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen von vergleichbaren Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen gebührt (ausgenommen Beiträge nach § 6 BMSVG und Beiträge oder Prämien nach dem BPG);

2. bezahlten Urlaub nach § 2 Urlaubsgesetz, sofern das Urlaubsausmaß nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates geringer ist; nach Beendigung der Entsendung behält dieser/diese Arbeitnehmer/in den der Dauer der Entsendung entsprechenden aliquoten Teil der Differenz zwischen dem nach österreichischem Recht höheren Urlaubsanspruch und dem Urlaubsanspruch, der ihm/ihr nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates zusteht; ausgenommen von dieser Urlaubsregelung sind Arbeitnehmer/innen, für die die Urlaubsregelung des BUAG gilt;

3. die Einhaltung der kollektivvertraglich festgelegten Arbeitszeitregelungen;

4. die Bereithaltung der Aufzeichnung im Sinne der Richtlinie des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (91/533/EWG) in Österreich durch den Arbeitgeber oder den mit der Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers gegenüber den entsandten Arbeitnehmern Beauftragten.

Ein/e Beschäftiger/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich gilt hinsichtlich der an ihn/sie überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, in Bezug auf die Abs. 3 bis 5 und 8, § 7d Abs. 1, § 7f Abs. 1 Z 3 sowie § 7i Abs. 1 und Abs. 4 Z 1 als Arbeitgeber/in. Sieht das nach Abs. 1 Z 1 anzuwendende Gesetz, der Kollektivvertrag oder die Verordnung Sonderzahlungen vor, hat der/die Arbeitgeber/in diese dem/der Arbeitnehmer/in aliquot für die jeweilige Lohnzahlungsperiode zusätzlich zum laufenden Entgelt (Fälligkeit) zu leisten.

...

(3) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden und dem/der im Abs. 1 Z 4 bezeichneten Beauftragten, sofern nur ein/e Arbeitnehmer/in entsandt wird, diesem/dieser, die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Die Meldung hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen. In Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen ist die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme zu erstatten. Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung an den zuständigen Krankenversicherungsträger (§§ 26 und 30 ASVG), und sofern es sich um Bautätigkeiten handelt, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse elektronisch zu übermitteln.

...

(8) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne des Abs. 1

1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen Abs. 3 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder

2. in der Meldung oder Änderungsmeldung nach Abs. 3 wissentlich unrichtige Angaben erstattet oder

3. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält oder den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar zugänglich macht oder

4. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 oder § 7h Abs. 2 nicht übermittelt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Bei grenzüberschreitender Entsendung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatzorten) am Ort der Kontrolle.

...

Bestellung von verantwortlichen Beauftragten§ 7j. (1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten

gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem

1. bei der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen durch Arbeitgeber/innen im Sinne der § 7, 7a oder 7b oder Überlasser/innen mit Sitz im Ausland, oder

2. beim zuständigen Träger der Krankenversicherung durch Arbeitgeber/innen oder Beschäftiger/innen mit Sitz im Inland

eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG. Eingegangene Mitteilungen nach Z 1 sind an das Kompetenzzentrum LSDB, eingegangene Mitteilungen nach den Ziffern 1 und 2 für den Baubereich (Abschnitt I oder § 33d des BUAG) sind auch an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse weiterzuleiten.

..."

7 § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008 lautet auszugsweise:

"Besondere Fälle der Verantwortlichkeit§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch

juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden."

8 Das Verwaltungsgericht legte seinem Erkenntnis - soweit relevant - folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Die Revisionswerberin sei handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma K mit Sitz in der Slowakei. Am sei eine Kontrolle auf einer Baustelle in Linz erfolgt, bei der festgestellt worden sei, dass die vier im Strafbescheid näher bezeichneten Arbeitnehmer der Firma K mit der Durchführung von Montagearbeiten beschäftigt gewesen seien und von der Firma K als Arbeitnehmer nach Österreich entsandt worden seien. Neben der Revisionswerberin sei auch ihr Ehemann E K mit der handelsrechtlichen Geschäftsführung der Firma K betraut. Mit der Beschwerde sei eine mit datierte Vereinbarung über die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vorgelegt worden, nach der E K alleine als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die Einhaltung der mit der Entsendung von Arbeitnehmern nach Österreich verbundenen verwaltungsrechtlichen Vorschriften entsprechend den Bestimmungen des AVRAG und AuslBG verantwortlich sei. Diese Vereinbarung sei im Tatzeitpunkt nicht gegenüber einer Behörde bekannt gegeben worden. Die Firma K habe die vier im Spruch des bekämpften Bescheids angeführten slowakischen Arbeitnehmer nicht bis spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme (welche am erfolgt sei) bei der Zentralen Koordinationsstelle gemeldet.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/11/0081, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, bereits ausgeführt hat, ist § 7j Abs. 1 AVRAG dahin auszulegen, dass das Wirksamwerden einer Bestellung eines Beauftragten nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG - und eine solche liegt im Revisionsfall unstrittig vor - nicht zusätzlich vom Einlangen einer Meldung, hier bei der zentralen Koordinationsstelle, abhängt.

10 Das angefochtene Erkenntnis war bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, sodass sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen und auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , C-64/18 u.a., erübrigte.

11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017110213.L00

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