VwGH vom 04.10.2017, Ra 2017/11/0151

VwGH vom 04.10.2017, Ra 2017/11/0151

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des G F S in G-L, vertreten durch Mag. Heimo Fresacher, Mag. Gerald Krenker, Rechtsanwälte in 9400 Wolfsberg, Herrengasse 1/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 61.11-3447/2016-11, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs gegen eine Gebührenrechnung iA. Steiermärkisches Krankenanstaltengesetz 2012 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz; Mitbeteiligte:

Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m. b. H., vertreten durch Niernberger Kleewein Rechtsanwälte in 8010 Graz, Elisabethstraße 50c), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem über Beschwerde des Revisionswerbers ergangenen angefochtenen Erkenntnis wurde - den Bescheid der belangten Behörde vom abändernd - der Einspruch des Revisionswerbers gegen zwei näher bezeichnete Gebührenrechnungen der Mitbeteiligten jeweils vom gemäß § 85 Abs. 3 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes 2012 (im Folgenden: Stmk. KAG 2012), "neu zugestellt durch Behebung" am , als verspätet zurückgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

2 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte habe dem Revisionswerber die beiden Gebührenrechnungen für Spitalsaufenthalte seines Sohnes im Juli 2002 nach zahlreichen erfolglosen Zustellversuchen am durch persönliche Übernahme beim Postpartner 8049 zugestellt. Die beiden Gebührenrechnungen, bereits aus dem Jahr 2002 stammend, hätten jeweils den Hinweis enthalten, dass Fälligkeit, allfällige Verzugszinsen und Vollstreckbarkeit in § 42 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes 1999 geregelt seien und dagegen binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der Krankenanstalt Einwendungen erhoben werden könnten. Es könne also nicht die Rede davon sein, dass die Gebührenrechnungen dem Revisionswerber, wie er behauptet habe, ohne Belehrung übermittelt worden wären. Erst mit E-mail seines Rechtsvertreters vom - und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist - habe der Revisionswerber Einspruch gegen diese Gebührenrechnungen erhoben. Dem Revisionswerber sei die verspätete Erhebung des Einspruchs vom Verwaltungsgericht vorgehalten worden. Der Einspruch sei im Hinblick auf die gesetzliche Einspruchsfrist als verspätet anzusehen. Soweit der Revisionswerber in einer Stellungnahme seines Rechtsvertreters auf frühere Zustellungen eines Inkassobüros verweise, sei ihm zu entgegnen, dass diese rechtlich nicht relevant seien, weil es vorliegendenfalls ausschließlich um die Zustellung der Gebührenrechnungen durch die Mitbeteiligte gehe.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

4 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

6 1.1. § 85 Stmk. KAG 2012, die Nachfolgebestimmung des § 42 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes 1999, lautet (auszugsweise):

"§ 85

Gebührenrechnung

(1) Soweit LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen nicht im Vorhinein entrichtet wurden, sind sie mit dem letzten Tag eines jeden Pflegemonats beziehungsweise mit dem Tag der Entlassung aus der Anstaltspflege abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben. Sie sind mit dem Tage der Vorschreibung fällig und innerhalb von zwei Wochen zu bezahlen. Nach Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag sind die gesetzlichen Verzugszinsen zu verrechnen. Aus berücksichtigungswürdigen Gründen kann über Antrag der Verpflichteten/des Verpflichteten die Abstattung vorgeschriebener LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen in Teilbeträgen gestattet bzw. gestundet werden. ... .

(2) Zur Einbringung fälliger LKF-Gebühren, Pflegegebühren, Kostenbeiträge, Sondergebühren und Sonderaufwendungen ist der Verpflichteten/dem Verpflichteten eine Gebührenrechnung zuzustellen; diese hat zu enthalten: ...

...

9. einen Hinweis auf die Regelung der Abs. 3 und 4.

(3) Gegen die Gebührenrechnung kann die/der Verpflichtete binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bei der Stelle einen begründeten Einspruch erheben, welche die Gebührenrechnung ausgestellt hat. Wird innerhalb dieser Frist kein begründeter Einspruch erhoben, so gilt die in der Gebührenrechnung ausgewiesene Zahlungsverpflichtung als endgültig. Ansuchen um Gewährung eines Zahlungsaufschubes oder von Teilzahlung gelten nicht als Einspruch. Falls dem Einspruch vom Rechtsträger der Krankenanstalt nicht voll Rechnung getragen wird, ist er vom Rechtsträger der nach dem Sitz der öffentlichen Krankenanstalt zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen. Diese hat darüber mit Bescheid zu entscheiden.

..."

7 1.2. Wie § 85 Stmk. KAG 2012 zeigt, besteht eine Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde (im Revisionsfall der belangten Behörde) erst dann, wenn nach Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Vorgangsweise eine Gebührenrechnung zugestellt wurde, gegenüber der diese Rechnung ausstellenden Stelle innerhalb der Einspruchsfrist ein begründeter Einspruch erhoben wurde und, falls diesem von der Krankenanstalt nicht Rechnung getragen wurde, der Einspruch der Bezirksverwaltungsbehörde vorgelegt wurde.

8 2. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit wie zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aus, dieses weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich "der Eindeutigkeit und Widersprüchlichkeit der Rechtsmittelbelehrung" ab. Das vermeintlich die Einspruchsfrist auslösende Schreiben der Mitbeteiligten vom (das gemeinsam mit den beiden Gebührenrechnungen am zugestellt worden sei) habe selbst keine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Im Übrigen habe die Mitbeteiligte zur Betreibung der beiden Forderungen aus dem Jahr 2002 ein Inkassobüro beauftragt.

Bereits am habe der Revisionswerber gegen die beiden ihm vom Inkassobüro am übermittelten Gebührenrechnungen Einwendungen erhoben bzw. diese nicht anerkannt. Das nunmehrige Schreiben vom könne demnach nicht fristauslösend gewesen sein. Das angefochtene Erkenntnis verletze den Revisionswerber in seinem Recht auf meritorische Entscheidung.

9 3.1. Die Revision ist schon deswegen zulässig, weil, wie zu zeigen ist, das angefochtene Erkenntnis von der hg. Judikatur betreffend die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit einer Begründung abweicht.

10 3.2. Die Revision ist begründet.

11 Eine Zurückweisung des von der belangten Behörde und dem Verwaltungsgericht als Einspruch des Revisionswerbers gewerteten Schreibens des Revisionswerbers vom , in dem auf die bereits geführte Vorkorrespondenz mit dem Inkassobüro hingewiesen und betont wurde, dass die Forderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten werde und von Verjährung auszugehen sei, als verspätet setzt voraus, dass dem Schreiben der Mitbeteiligten vom überhaupt eine fristauslösende Bedeutung zukam.

12 Dieses Schreiben enthielt nach Ausweis der Verwaltungsakten unter Hinweis auf die nach wie vor offenen Gebührenrechnungen aus dem Jahr 2002 die Aufforderung, den offenen Betrag bis zum zu bezahlen und kündigte für den Fall der Nichtbezahlung die Einleitung der gerichtlichen Exekution an. Überdies wurde darauf hingewiesen, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handle, die nicht verjähre. Eine Rechtsmittelbelehrung, wonach Einspruch erhoben werden könne, enthielt das Schreiben nicht. Unstrittig beigeschlossen waren dem Schreiben die beiden in Rede stehenden Gebührenrechnungen. Unstrittig und mit der Aktenlage im Einklang ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die beiden Gebührenrechnungen jeweils den Hinweis enthielten, dass Fälligkeit, allfällige Verzugszinsen und Vollstreckbarkeit in § 42 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes 1999 geregelt seien und dagegen binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der Krankenanstalt Einwendungen erhoben werden könnten.

13 Eine fristauslösende Wirkung konnte dem Schreiben der Mitbeteiligten vom jedenfalls dann nicht zukommen, wenn die Gebührenrechnungen dem Revisionswerber bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam zugestellt worden wären (§ 6 ZustG).

14 Das Verwaltungsgericht hat zwar in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses die ausdrückliche Feststellung getroffen, dass "die Gebührenrechnungen" - "nach zahllosen erfolglosen Zustellversuchen" - am zugestellt worden seien, hat aber in seinem Spruch ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Gebührenrechnungen am "neu zugestellt" worden seien. Handelte es sich bei der Zustellung am um eine neuerliche Zustellung, so könnte dem Schreiben vom von vornherein keine fristauslösende Wirkung zukommen.

15 Sollte es zutreffen, dass dem Revisionswerber - von einem von der Mitbeteiligten beauftragten Inkassobüro - im November 2015 die beiden Gebührenrechnungen übermittelt worden waren, wie das vom Revisionswerber bereits in seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts vorgebracht wurde (im Akt des Verwaltungsgerichtes findet sich ein E-mail der Kanzlei des Rechtsvertreters des Revisionswerbers vom an die Sachbearbeiterin des Inkassobüros, in dem ausdrücklich der Erhalt der Gebührenrechnungen bestätigt wurde - Feststellungen dazu fehlen im angefochtenen Erkenntnis -, so könnte nicht davon ausgegangen werden, dass eine wirksame, die Einspruchsfrist auslösende Zustellung der beiden Gebührenrechnungen iSd. § 85 Abs. 2 Stmk. KAG 2012 erst im Februar 2016 stattgefunden hätte. Ein anderes Verständnis dieser Vorschrift kann dem Gesetzgeber nämlich nicht zugesonnen werden, hätte es ansonsten doch der Rechtsträger der Krankenanstalt jederzeit in der Hand, zunächst ein Inkassobüro mit der Eintreibung offener Gebührenrechnungen zu beauftragen und erst zu einem späteren Zeitpunkt den gesetzlich vorgesehenen Weg der Zustellung durch die die Rechnung ausstellende Krankenanstalt zu beschreiten.

16 3.3. Der angefochtene Beschluss war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

17 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am