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VwGH vom 21.03.2011, 2008/04/0029

VwGH vom 21.03.2011, 2008/04/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des EG in N, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1d, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. E 015/11/2007.008/004, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft N vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer (auszugsweise) wie folgt abgesprochen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Sie haben als Obmann des U Y N zu verantworten, dass dieser Verein seine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des reglementierten Gewerbes Gastgewerbe gemäß § 94 Z. 26 GewO 1994 mit den Berechtigungen nach § 111 Abs. 1 Z. 2 in der Betriebsart Clubbuffet nicht ruhend gemeldet hat, obwohl am Hauptstandort N Parzelle Nr. … seit kein Gewerbe mehr ausgeübt wird, wofür Sie als Obmann seit verantwortlich sind und das Ruhen binnen drei Wochen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft anzuzeigen ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 368 iVm § 93 GewO 1994 idgF

Sie haben dadurch § 368 Z. 1.18 iVm. § 93 1994 idF. BGBl. I Nr. 88/2000 verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Gemäß § 368 (Einleitungssatz) GewO 1994 idgF eine Strafe von EUR 200 falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 20 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens d.s. 10% der Strafe."

Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit der Maßgabe abgewiesen, dass (soweit noch wesentlich) die Wortfolge "Tatzeit: bis " hinzugefügt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass bis zum und ebenso bis zum keine Anzeige des Ruhens der Gewerbeberechtigung erfolgt sei. Die Verpflichtung der Anzeige des Ruhens der Gewerbeberechtigung bleibe auch nach Ablauf der in § 93 GewO 1994 vorgesehenen Anzeigefrist aufrecht; es handle sich hiebei um ein "Dauerdelikt".

Die zur Vertretung nach außen Berufenen seien nach § 9 VStG für die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten juristischer Personen verantwortlich. Die gegenständliche juristische Person habe ihre Pflicht zur Anzeige des Ruhens der Gewerbeausübung unter der Obmannschaft des Beschwerdeführers ab verletzt, weshalb dieser für die Verletzung verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei. Es ändere am Verschulden des Beschwerdeführers nichts, dass die Verletzung der Anzeigepflicht bereits vor seiner Übernahme des Amtes als Vereinsobmann begonnen habe, weil es nicht den gewerberechtlichen Sorgfaltsanforderungen entspreche, wenn der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche sich ohne eigene Kontrolle (etwa Einsicht in das Gewerberegister) auf das Verhalten seiner Vorgänger im Amt verlasse.

Der Beschwerdeführer habe die Verletzung dieser Ordnungsvorschrift über einen längeren Zeitraum (mehr als sieben Monate) in grob fahrlässiger Weise zu verantworten. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sei auch unter Berücksichtigung ihres Charakters als Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift nicht unerheblich. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, unter Berücksichtigung der Aspekte der General- und Spezialprävention und des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer der Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht zu Gute komme, erweise sich die verhängte Strafe trotz des Fehlens von Erschwerungsgründen als tat- und schuldangemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 93 GewO 1994 idF BGBl. Nr. 194/1994 lautet:

"Der Gewerbetreibende muss das Ruhen und die Wiederaufnahme der Gewerbeausübung binnen drei Wochen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft anzeigen."

§ 368 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 111/2002 lautet:

"Eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1 090 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält."

Der Beschwerdeführer bringt (zusammengefasst) vor, er sei für die ihm angelastete Tat nicht verantwortlich, weil er erst mit Vereinsobmann geworden sei. Das Gewerbe sei zum Zeitpunkt seiner Bestellung als Obmann jedenfalls schon seit mehr als drei Wochen (und zwar bereits seit ) nicht ausgeübt worden und er hätte keine Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens gehabt. Er habe davon ausgehen können, dass sein Vorgänger ordnungsgemäß seinen Pflichten nachgekommen sei.

Auch eine Einsicht in das Gewerberegister hätte die Tat nicht beendet, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, dass dieses Gewerbe ruhend zu melden gewesen sei. Dies wäre auch am , einem Sonntag, unmöglich gewesen. Jedem neugewählten Funktionär müsse zumindest ein bis zwei Monate Zeit gegeben werden um sich einzuarbeiten.

Mit der erstinstanzlichen Strafverfügung sei eine Tatanlastung bis erfolgt, daher mangle es hinsichtlich des im angefochtenen Bescheid angeführten Tatzeitraumes vom 1. Juni bis an der Verfahrensgrundlage; für diesen Zeitraum sei bereits Verfolgungsverjährung eingetreten.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte durch die Einvernahme der beantragten Zeugen W und S feststellen müssen, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Nicht-Ruhendmeldung treffe, weil die Wirtschaftskammer falsche Auskünfte erteilt habe. Zum Beweis dafür, dass der frühere Obmann C alle Schritte gesetzt habe bzw. setzen hätte müssen, hätte die belangte Behörde die Zeugen V und C einvernehmen müssen. Die belangte Behörde hätte auch nicht auf eine Erstreckung der Verhandlung zur Einvernahme des Beschwerdeführers selbst verzichten dürfen, weil dieser unverschuldet wegen Bettlägerigkeit nicht an der Verhandlung habe teilnehmen können.

Unstrittig ist, dass das in Rede stehende Gastgewerbe am angegebenen Standort seit nicht mehr ausgeübt wird und dass eine Ruhendmeldung bei der hiefür zuständigen Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft bis zur Übernahme der Obmannschaft durch den Beschwerdeführer am durch dessen Vorgänger nicht veranlasst wurde und auch danach durch den Beschwerdeführer jedenfalls bis nicht erfolgt ist.

Ein Verstoß gegen § 93 GewO 1994 ist ein Unterlassungsdelikt und diese Unterlassung ist erst mit Erstattung der unterlassenen Anzeige beendet (vgl. das zur Unterlassung der Anzeige der Wiederaufnahme der Gewerbeausübung gemäß § 93 GewO 1994 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/04/0020). Die angelastete Unterlassung ist somit während des im angefochtenen Bescheid genannten Tatzeitraumes, dessen Ende in nicht zu beanstandender Weise von der belangten Behörde mit dem Zeitpunkt der vom Beschwerdeführer behaupteten telefonischen Auskunft durch die Wirtschaftskammer Burgenland festgelegt wurde, nicht beendet gewesen. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde auch (anders als in der mit Erhebung des Einspruches außer Kraft getretenen Strafverfügung) der Zeitpunkt der Übernahme der Obmannschaft durch den Beschwerdeführer berücksichtigt. Da ein Dauerdelikt vorliegt, war auch ein weiterer Vorhalt des Tatzeitraumes nicht erforderlich.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, selbst bei unverzüglicher Ruhendmeldung nach Wahl zum Vereinsobmann am hätte er keine Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens gehabt, ist festzuhalten, dass ihm bei sofortiger Anzeige des Ruhens der Gewerbeausübung jedenfalls kein Verschulden hätte angelastet werden können, weil ihm Versäumnisse seines Vorgängers nicht zuzurechnen waren.

Im Interesse der Einhaltung gewerberechtlicher Verpflichtungen durch juristische Personen sind die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen einer juristischen Person bei Übernahme ihres Amtes verpflichtet, sich Überblick über die gewerberechtlichen Verpflichtungen zu verschaffen und es kann ein derartiger Verantwortlicher die Nichteinhaltung einschlägiger gewerberechtlicher Vorschriften keineswegs mit der Unkenntnis jener Vorschriften, für deren Einhaltung er hätte sorgen müssen, entschuldigen (zur allgemeinen Verpflichtung eines Gewerbetreibenden, sich über die bei Ausübung seines Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zu unterrichten vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0293).

Der Beschwerdeführer vermeint zwar, einem neu eintretenden Vereinsfunktionär sei eine Einarbeitungszeit von ein bis zwei Monaten zuzugestehen, in der er sich mit den einschlägigen Rechtsvorschriften vertraut machen kann, unterlässt allerdings jegliche Darlegung, warum er bei dieser - nicht zu teilenden - Ansicht eine Ruhendmeldung in dieser Zeit nicht veranlasst hat.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung ausdrücklich seine Einvernahme als Beweismittel zur Verschuldensfrage beantragt. Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde war er jedoch auf Grund eines durch Beleg nachgewiesenen Krankenhausaufenthaltes bettlägerig und konnte an der Verhandlung nicht teilnehmen (siehe dazu die Verhandlungsschrift vom : eingangs der Verhandlung verweist der Verhandlungsleiter auf den beigelegten Befund des Krankenhauses, aus dem sich der stationäre Aufenthalt des Beschwerdeführers ergibt). Der in der Verhandlung erschienene rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers hat ausdrücklich auf die schriftlichen Ausführungen, und damit auch auf den schriftlichen Antrag auf Parteienvernehmung, verwiesen. Die Beschwerde legt nun dezidiert dar, dass eine Erstreckung der Verhandlung zur Ermöglichung der Einvernahme des Beschwerdeführers zur Verschuldensfrage zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der im § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann in Bezug auf die behördliche Ladung nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0085).

Der Beschwerdeführer konnte, wie dargestellt, aus gerechtfertigten Gründen nicht zur Verhandlung vor der belangten Behörde kommen. Gemäß § 51h Abs. 1 VStG ist die Verhandlung u.a. dann zu vertagen, wenn sich die Einvernahme des von der Verhandlung ausgebliebenen Beschuldigten als notwendig erweist. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0314) kann dann, wenn sich der Beschuldigte vor dem unabhängigen Verwaltungssenat auf seine Vernehmung als Beweis beruft, die Aufnahme dieses Beweises nur unterbleiben, wenn er an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen.

Da im Beschwerdefall nicht auszuschließen ist, dass die Durchführung der beantragten Erstreckung und Vernehmung des Beschwerdeführers zu einem anderen Verfahrensergebnis hinsichtlich der Verschuldensfrage - und damit hinsichtlich der Bestrafung - hätte führen können, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-73554