VwGH vom 24.02.2010, 2008/04/0028
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der
M GmbH (vormals: H GmbH) in F, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen- 530279/31/Bm/Sta, VwSen-530280/43/Bm/Sta, VwSen-530281/33/Bm/Sta, VwSen-530282/33/Bm/Sta, VwSen-530283/33/Bm/Sta, VwSen- 530284/34/Bm/Sta, VwSen-530285/33/Bm/Sta, VwSen- 530286/33/Bm/Sta, VwSen-530287/33/Bm/Sta, VwSen- 530288/33/Bm/Sta, VwSen-530289/33/Bm/Sta, VwSen- 530290/34/Bm/Sta, VwSen-530291/35/Bm/Sta, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien:
1. Dipl.-Vw. H und 2. H, beide in F und vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in 4655 Vorchdorf, Schloßplatz 15, 3. Dr. O in F, 4. G und 5. M, beide in F, 6. W in F, 7. E in F, 8. Verlassenschaft F in F, z.H. Notariat Frankenmarkt, Hauptstraße 126, 9. F und 10. T, beide in F, 11. I in F, 12. X und 13. Y, beide in F, 14. Z und 15. A, beide in F,
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16. | J und 17. B, beide in F, 18. Dr. M und 19. Dr. H sowie |
20. | Dr. L und 21. L, alle in F und vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in 4655 Vorchdorf, Schloßplatz 15), zu Recht erkannt: |
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0168, verwiesen.
In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses führte der Verwaltungsgerichtshof zunächst aus, bei der projektierten Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (Biomasse-Heizkraftwerk) handle es sich - der durch die Aktenlage bestätigten Auffassung der belangten Behörde zufolge - um eine von der bisher bestehenden gewerblichen Betriebsanlage der Beschwerdeführerin (Sägewerk) abgrenzbare Anlage, die dieser daher nicht zuzurechnen, sondern getrennt zu beurteilen sei.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass § 2 Abs. 1 Z 20 GewO 1994 ("Betrieb eines Elektrizitätsunternehmens") Tätigkeiten erfasse, die im Sinne des § 7 Z 8 ElWOG in Gewinnabsicht der Erzeugung von elektrischer Energie sowie kommerziellen, technischen oder wartungsbezogenen Aufgaben im Zusammenhang mit dieser Funktion dienen, wobei es nicht darauf ankomme, was den Hauptinhalt der (Unternehmens)Tätigkeit bilde.
Bei der Gewinnung und Abgabe von Wärme durch eine doppelfunktionale Stromerzeugungsanlage wie die projektierte Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage handle es sich dagegen um keine in § 7 Z 8 ElWOG angeführte Tätigkeit ("Funktion"), sodass diese nicht von § 2 Abs. 1 Z 20 GewO 1994 erfasst werde und sohin weiters Gegenstand einer gewerblichen Betriebsanlagengenehmigung nach der GewO 1994 sein könne.
Hiebei sei § 74 Abs. 5 GewO 1994 maßgeblich, nach dem Anlagen zur Erzeugung elektrischen Stroms, die auch der mit dieser Tätigkeit in wirtschaftlichem und fachlichem Zusammenhang stehenden Gewinnung und Abgabe von Wärme dienen, keiner Genehmigung gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 bedürfen, wenn sie nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften für derartige Anlagen bewilligt seien und der Charakter der Anlage als Stromerzeugungsanlage gewahrt bleibe.
Dass bei der projektierten Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage der Charakter der Anlage als Stromerzeugungsanlage gewahrt bleibe, habe die belangte Behörde dargetan. Sie habe sich jedoch nicht mit der weiteren Tatbestandsvoraussetzung der Bewilligung "nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften" auseinander gesetzt.
In Betracht kämen dabei - abhängig vom beantragten Vorhaben - neben der Bewilligung nach Luftreinhaltevorschriften (Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen) etwa auch Bewilligungen nach dem Wasserrechtsgesetz oder dem Forstgesetz. Weiters sei nicht auf die erfolgte Bewilligung der Anlage nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften, sondern darauf abzustellen, ob für die konkrete Anlage Bewilligungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften erforderlich seien.
2. Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde die Stellungnahme einer Amtssachverständigen für Chemie ein, die im Ergebnis ausführte, ausgehend von einer aus dem Projekt ableitbaren Schwellenwertberechnung sei die Einleitung der Abwässer aus der projektierten Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage wasserrechtlich nicht bewilligungspflichtig.
Weiters legte die Beschwerdeführerin den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom vor, mit dem ihr wasserrechtliche Bewilligungen für die Ableitung von Niederschlagswässern aus dem Bereich der Grundstücke X, Y und Z, KG F, in die X Ache, deren Mühlbach bzw. in die Vöckla sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiezu erforderlichen Anlagen und für die Errichtung einer Rohrgutförderanlage über die Vöckla und den Mühlbach im Bereich näher genannter Grundstücke, alle KG und Gemeinde F, erteilt wurden.
3. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen und neuerlich beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der projektierten Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage gemäß § 74 Abs. 5 GewO 1994 als unzulässig zurück.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im fortgesetzten Verfahren sei zu prüfen gewesen, ob für diese Anlage Bewilligungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften, wie etwa auch Bewilligungen nach dem Wasserrechtsgesetz erforderlich seien bzw. bestünden. Die belangte Behörde habe das Vorliegen anderer bundesrechtlicher Vorschriften untersucht und festgestellt, dass in Verbindung mit der gegenständlichen Anlage mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom wasserrechtliche Bewilligungen erteilt worden seien. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedürfe die gegenständliche Anlage daher gemäß § 74 Abs. 5 GewO 1994 keiner Genehmigung nach § 74 Abs. 2 GewO 1994, weshalb der Antrag zurückzuweisen gewesen sei.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die erst-, zweit- sowie 18. bis 21. mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Gegenschrift.
Mit Schriftsatz vom teilte die Beschwerdeführerin mit, dass eine Änderung des Firmenwortlautes (von H GmbH in M GmbH) vorgenommen worden, das Rechtssubjekt jedoch ident geblieben sei.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zu der im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtslage des § 74 Abs. 5 GewO 1994 wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die (oben zusammengefasst wiedergegebenen) Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2005/04/0168, verwiesen.
2. Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, § 74 Abs. 5 GewO 1994 diene letztendlich der Verwaltungsvereinfachung und vermeide ein weiteres Verfahren, ohne den Schutzinteressen Abbruch zu tun. Die anderen bundesrechtlichen Vorschriften im Sinn des § 74 Abs. 5 GewO 1994 könnten sich nur auf die mit der Erzeugung elektrischen Stroms in wirtschaftlichem und fachlichem Zusammenhang stehende Gewinnung und Abgabe von Wärme beziehen. Es sei daher wohl gemeint, ob die Anlage in ihrem Teil zur Gewinnung und Abgabe von Wärme nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bewilligt sei bzw. solche erforderlich seien. Nur in diesem Fall sei § 74 Abs. 5 GewO 1994 tatsächlich anwendbar und eine gewerberechtliche Genehmigung entbehrlich.
3. Gemäß § 74 Abs. 5 GewO 1994 bedürfen Anlagen zur Erzeugung elektrischen Stroms (unter anderem) keiner gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung, wenn "sie" (gemeint die Anlagen) nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bewilligt sind. Dabei ist nach der oben dargestellten hg. Rechtsprechung darauf abzustellen, ob für die konkrete Anlage Bewilligungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften erforderlich sind.
In diesem Sinne normiert § 74 Abs. 5 GewO 1994 den Entfall der gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung für jenen Teil der Anlage, welcher der Gewinnung und Abgabe von Wärme dient, sofern dieser Teil nach anderen bundesrechtlichen Bestimmungen genehmigt werden muss. Damit ist eine Verwaltungsvereinfachung intendiert (vgl. auch hiezu das obzitierte hg. Erkenntnis vom ). Entscheidend ist daher für den Entfall der Genehmigungspflicht, ob für jenen Teil der Anlage, welcher der Gewinnung und Abgabe von Wärme dient, eine (andere) bundesrechtliche Bewilligung erforderlich ist, was - wie die Beschwerde zu Recht vorbringt - voraussetzt, dass von der (anderen) bundesrechtlichen Bewilligung eben dieser Teil der Anlage erfasst wird.
Die von der belangten Behörde angeführten wasserrechtlichen Genehmigungen betreffen (der Begründung des Bewilligungsbescheides zufolge) einerseits eine Genehmigung für die Ableitung von Niederschlagswässern und andererseits für die Errichtung einer Rohrgutförderanlage, beides im Zusammenhang mit der Ableitung von auf dem Betriebsgelände der Beschwerdeführerin anfallenden Niederschlagswässern in näher bezeichnete Gewässer. Beides sind daher keine Genehmigungen, die den wärmeerzeugenden Teil der Anlage erfassen. Sie sind somit nicht geeignet, gemäß § 74 Abs. 5 GewO 1994 die Notwendigkeit einer Genehmigung nach § 74 Abs. 2 leg. cit. auszuschließen.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-73549