zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 25.02.2010, 2005/06/0086

VwGH vom 25.02.2010, 2005/06/0086

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom , Zl. Bk 18/04, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Übersendung anonymisierter Entscheidungsausfertigungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom die Übersendung von (in eventu auch anonymisierten) Ausfertigungen oder Kopien von insgesamt elf Entscheidungen der Obersten Berufungskommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: OBDK) gegen Kostenersatz.

Der Präsident der OBDK teilte ihm mit Schreiben vom mit, dass das Disziplinarstatut keine dem § 15a OGHG entsprechende Bestimmung enthalte, sodass dem Ansuchen - dies insbesondere im Hinblick auf § 79 Disziplinarstatut - nicht entsprochen werden könne.

Mit weiterer Eingabe vom an die OBDK brachte der Beschwerdeführer vor, er benötige in einem näher genannten Verfahren des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien die Ausfertigungen oder Kopien näher angeführter, nicht oder nur gekürzt veröffentlichter Entscheidungen der OBDK und bitte um Zusendung gegen Kostenersatz. Er sei auch mit Entscheidungen in anonymisierter Form einverstanden, beantrage jedoch die Erlassung eines Bescheides, wenn seine Bitte abgeschlagen werden sollte.

Mit Beschluss vom wies der Präsident der OBDK den Antrag des Beschwerdeführers auf Zusendung von Ausfertigungen oder Kopien von im Einzelnen angeführten Entscheidungen der OBDK zurück und führte zur Begründung aus, dass eine - etwa an § 15a Abs. 2 OGHG orientierten Einsicht in Entscheidungen der OBDK gesetzlich nicht vorgesehen, vielmehr - als der teleologischen Ausrichtung des § 79 Disziplinarstatut diametral zuwiderlaufend - unzulässig sei. Eine darauf abzielende Antragstellung sei nicht anders zu beurteilen.

Gegen diesen als Bescheid zu wertenden Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , KI-10/96, VfSlg. 14.974, klargestellt, dass Beschlüsse (Bescheide) des Präsidenten der OBDK, mit denen über das Vorliegen von Ausschließungs- oder Befangenheitsgründen entschieden wurde, die Entscheidung eines eigenständigen monokratischen Organes und nicht eine Entscheidung eines Mitgliedes des entscheidenden Senates der OBDK seien; nur letzteres sei eine Kollegialbehörde im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG. Das Disziplinarstatut 1990 sehe weder einen Rechtszug gegen die Ablehnungsentscheidung des Präsidenten der OBDK an den entscheidenden Senat der OBDK vor, noch finde sich eine Bestimmung, wonach die Entscheidung des Präsidenten der OBDK über einen Ablehnungsantrag dem Senat, der die Sachentscheidung zu treffen habe, zuzurechnen wäre. Der Ausschluss der Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof treffe somit für die Entscheidung des Präsidenten der OBDK über einen Ablehnungsantrag nicht zu.

Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise für die vorliegend angefochtene Entscheidung des Präsidenten der OBDK, weil auch diesbezüglich kein Rechtszug innerhalb der OBDK vorgesehen ist.

2. Zur Sache:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, "daß mir auf Antrag Entscheidungen der OBDK, seien es Ausfertigungen, seien es Ablichtungen, in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden; weiters in meinem Recht auf Information und Auskunft über die Judikatur der OBDK zu Fragen, wie ich mich als Rechtsanwalt zu verhalten habe und zu konkreten Vorwürfen in einem Disziplinarverfahren, besonders dann, wenn ich wie hier ohnehin nur bereits eindeutig bezeichnete Entscheidungen benötige".

Ein derartiges subjektives Recht ist aus den Bestimmungen des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl. Nr. 474/1990, (im Folgenden: DSt) nicht ableitbar. § 79 DSt enthält lediglich ein Verbot von Mitteilungen an die Öffentlichkeit über den Verlauf und die Ergebnisse eines Disziplinarverfahrens, über den Inhalt der Disziplinarakten sowie über den Inhalt einer nicht öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Disziplinarentscheidungen; daraus kann aber ein Rechtsanspruch auf die Übersendung anonymisierter Entscheidungen nicht entnommen werden. Insbesondere besteht hier keine mit § 15a Abs. 2 OGHG vergleichbare Bestimmung. § 15a des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968, in der Fassung BGBl. I Nr. 95/2001, lautet:

"(1) Die für die Entscheidungsdokumentation Justiz (§ 15) erstellten Daten sind nach Maßgabe der technischen und dokumentaristischen Möglichkeiten im Internet bereit zu stellen.

(2) Nach Maßgabe der personellen und technischen Voraussetzungen ist vom Evidenzbüro des Obersten Gerichtshofes durch Erteilung anonymisierter Ausdrucke (§ 15 Abs. 4) gegen Kostenersatz Einsicht in die Entscheidungsdokumentation Justiz zu gewähren."

Der Rechtsanspruch kann auch nicht auf die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , G 315/89, G 67/90, VfSlg. Nr. 12.409, mit welchem die damalige Fassung des § 15 Abs. 2 OGHG aufgehoben worden war, gestützt werden. Einerseits bestand durch § 15 Abs. 1 OGHG (in der damaligen Fassung: "Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes von allgemeiner Bedeutung sind amtlich zu veröffentlichen") eine grundsätzliche Veröffentlichungspflicht; andererseits stellte der Verfassungsgerichtshof im Besonderen auf die Bedeutung ab, der die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kraft dessen durch Art. 92 Abs. 1 B-VG im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit begründeter Funktion als oberster Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen für die Auslegung der Normen des Zivil- und des Strafrechts (einschließlich der betreffenden Verfahrensvorschriften) zukommt.

Hier geht es hingegen (lediglich) um das Disziplinarrecht einer bestimmten Berufsgruppe - also um einen in Bezug auf die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen generell höchst sensiblen Bereich -, sodass diese allgemeinen Erwägungen ungeachtet der Interessenlage des Beschwerdeführers nicht Platz greifen können.

Da der geltend gemachte Rechtsanspruch nicht besteht, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die belangte Behörde für diese Verwaltungsangelegenheit zuständig war.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil die obsiegende belangte Behörde keine Kosten verzeichnet hat.

Wien, am