VwGH 22.12.2010, 2010/06/0211
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Das Bgld BauG 1997 enthält weder eine taxative noch eine beispielhafte Aufzählung jener Vorschriften, auf die öffentlichrechtliche Einwendungen der Nachbarn gestützt werden können. Es ist daher jeweils zu prüfen, ob es sich bei den Einwendungen der Anrainer um solche im Sinne des § 21 Abs. 4 leg. cit. handelt (Hinweis E vom , 2000/05/0063, Slg. 15637/A, oder aus jüngerer Zeit das E vom , 2008/05/0080). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/06/0030 E RS 1 |
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RS 2 | Dem Nachbarn kommt ein Recht auf Einhaltung der nach den Bebauungsrichtlinien zulässigen Gebäudehöhe zu, sowohl was die darin normierten Maximalwerte anlangt als auch die Geschoßanzahl. Ein davon losgelöstes, gleichsam selbständiges Nachbarrecht auf Wahrung schönheitlicher Aspekte wie auch auf Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Ortsbild besteht aber nicht (vgl. die in Pallitsch/Pallitsch, Burgenländisches Baurecht, 2. Auflage, bei E 156 zu E 161 zu § 21 Bgld BauG 1997 angeführte hg. Judikatur). Es kommt dem Nachbarn daher auch weder ein Mitspracherecht zur Frage zu, ob sich das Vorhaben aus dem von ihm thematisierten Blickwinkel dem Charakter eines Dorfes anpasst (§ 14 Abs. 3 lit. b Bgld RPG 1969), noch, ob die Art der projektierten Dachkonstruktion den Bebauungsrichtlinien entspricht oder nicht. Bei dem in den Bebauungsrichtlinien genannten Kriterium für die Zulässigkeit von Flachdächern, die auch als begehbare Terrasse ausgebildet werden können, nämlich, dass sie von der öffentlichen Verkehrsfläche aus nicht eingesehen werden können, handelt es sich nach dem Regelungszusammenhang um einen schönheitlichen Aspekt bzw. um einen solchen des Ortsbildes, zu dem dem Nachbarn kein Mitspracherecht zukommt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/06/0030 E RS 3
(hier: nur die ersten zwei Sätze) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des K R in X, vertreten durch Ochsenhofer & Heindl Rechtsanwälte OG in 7400 Oberwart, Schulgasse 11, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom , Zl. OW-02-04- 70-13, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Y GenmbH in Z, vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2, 2. Gemeinde B, vertreten durch Dax & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 7540 Güssing, Badstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am eingebrachten Baugesuch vom kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung von acht Reihenhäusern (in zwei Blöcken zu je vier Objekten) samt Carports und Einfriedungen auf einem Areal im Gemeindegebiet ein, das an die G-Straße grenzt. Die Gebäude sind zweigeschossig geplant (Erdgeschoß und erstes Obergeschoß). Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes, das sich, seitlich etwas versetzt, auf der anderen Seite der G-Straße befindet. In der Bauverhandlung vom , die im Hinblick auf verschiedene Einwendungen von Nachbarn abgebrochen wurde, machte er unter anderem geltend, die vorgesehenen zwei Vollgeschoße seien nach den Bebauungsrichtlinien des Gemeinderates vom nicht zulässig, und wiederholte diesen Einwand mit näheren Ausführungen in einer Eingabe vom vor der weiteren Bauverhandlung vom : Gemäß den Bebauungsrichtlinien hätten sich die Bauformen in ihrer Proportion der umgebenden Bebauung anzupassen, auf dem Bauplatz seien demnach zwei Vollgeschoße (außer dem Kellergeschoß) nicht zulässig.
Der Bürgermeister erteilte mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen und erachtete die Einwände des Beschwerdeführers als unberechtigt. Der Beschwerdeführer und ein weiterer Nachbar (dessen ebenfalls bebautes Grundstück dem Bauplatz gegenüber auf der anderen Seite der G-Straße liegt) erhoben Berufungen, die mit Bescheid des Gemeinderates vom als unbegründet abgewiesen wurden.
Der Beschwerdeführer und der weitere Nachbar erhoben Vorstellungen an die belangte Behörde.
Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom (erste Vorstellungsentscheidung) den Vorstellungen Folge, behob den angefochtenen Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Nach § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien (Verordnung vom ) hätten sich die Bauformen im gegenständlichen Gebiet in ihrer Proportion der umgebenden Bebauung anzupassen. Die Baubehörden hätten daher auf Grund der Einwendungen der Vorstellungswerber jedenfalls unter Beiziehung eines geeigneten Sachverständigen und anhand eines schlüssigen Gutachtens prüfen und begründen müssen, ob beim Bauvorhaben die Gebäudehöhen im Widerspruch zur umgebenden Bebauung (aufgezählt werden zehn Grundstücke) stünden oder nicht. Dies sei nicht geschehen. Angesichts dieses Ermittlungsfehlers habe der Gemeinderat seinen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Über Auftrag der Berufungsbehörde erstellte Architekt N. ein Gutachten vom . Darin heißt es, der Bauplatz liege auf einer Geländekuppe im Bereich südwestlich der G-Straße, wobei der westliche Teil ca. 1,50 m Richtung Westen falle. Der östliche Teil des Grundstückes könne als eben bezeichnet werden. Auf diesem Bauplatz sollten zwei Reihenhäuser-Blöcke zu je vier Reihenhäusern errichtet werden, welche eine Gebäudehöhe von 6,71 m im Mittel und eine Bauwerkshöhe von 7,69 m im Mittel aufwiesen. Im östlichen Block seien die Häuser auf gleichem Niveau angeordnet. Im westlichen Block seien die beiden Objekte 3 und 4 ebenfalls auf gleichem Niveau angeordnet, die Einheiten 1 und 2 (das westlichste Objekt 1 ist jenes, das am nächsten zum Grundstück des Beschwerdeführers liegt) seien um 35 cm bzw. um 80 cm dem Gelände verlaufend nach unten versetzt (es folgt eine weitere Beschreibung). Das untersuchte Gebiet sei auf Grund der Vorstellungsentscheidung der belangten Behörde abgegrenzt worden (10 Objekte in der Umgebung); zur weiteren Beurteilung seien noch Objekte innerhalb des Bezugsbereiches (11. bis 14.) berücksichtigt worden. Diese Objekte sind in einem Lageplan (Katasterplan) lagemäßig dargestellt; von den von der belangten Behörde genannten Objekten ist jenes mit der Nr. 3 im Gutachten vom Bauplatz am weitesten entfernt (rund 200 m). Das Objekt Nr. 13 (vom Sachverständigen zusätzlich ausgewählt) liegt ebenfalls rund 200 m vom Bauplatz entfernt, die Objekte Nr. 11 und Nr. 12 wesentlich näher, das Objekt Nr. 14 etwa soweit entfernt wie das Gebäude des Beschwerdeführers.
Diese 14 Objekte werden unter Anschluss von Lichtbildern beschrieben. Es handelt sich dabei überwiegend um freistehende Einzelobjekte, bei einigen davon in einer Hanglage, sodass hangseits ein Vollgeschoß in Erscheinung tritt, talseits ein zweites Geschoß. Das Objekt Nr. 11 befindet sich in der G-Straße in einer Entfernung von ca. 110 m vom Bauplatz und ist ein zweigeschossiges, voll unterkellertes Wohnobjekt. Die Gebäudehöhe wird mit ca. 7 m beziffert, die Bauwerkshöhe mit ca. 10 m. Das Objekt Nr. 5 ist ein dreigeschossiges (Erdgeschoß und zwei Obergeschoße). Beim Objekt Nr. 13 heißt es, in einer Entfernung von "ca. 150 m" (laut Plan rund 200 m) zum Bauplatz, entlang der G-Straße, bestehe eine Wohnhausanlage aus 6 Blöcken, jeweils mit Erdgeschoß und Obergeschoß, mit Gebäudehöhen von 6,50 m und Bauwerkshöhen von ca. 10 m (das Objekt Nr. 13 ist nach dem Plan der zum Bauplatz nächstgelegene Block).
Der Sachverständige kam zusammengefasst zum Ergebnis, die Bebauungsstruktur im untersuchten Bereich sei eine typisch gewachsene Bebauung, wobei das Alter der Gebäude von Neubauten bis zu Bauten aus der Nachkriegszeit reiche. Die Gebäudetypen seien freistehende Einfamilienhäuser sowie gekoppelte Bebauungen und auch Blockbauten. Die Gebäude wiesen, wie aus dem Befund ersichtlich, ein Erdgeschoß mit ausgebautem Dachgeschoß, teils auch mit einem Obergeschoß und auch, mit einer Ausnahme, zwei Obergeschoße auf. Die bei der gegenständlichen Reihenhausanlage gegebene mittlere Bauwerkshöhe von 6,70 m liege um ca. 1 m unter der durchschnittlichen Bauwerkshöhe der verglichenen Wohnhäuser in der Umgebung. Sie sei somit im Vergleich zur umliegenden Bebauung weder abweichend noch atypisch für diesen Bereich und füge sich, auch wenn sie in der Kuppenlage liege, in die umliegende Bebauung ein.
Der Beschwerdeführer und der weitere Nachbar äußerten sich zum Gutachten ablehnend.
Mit Bescheid des Gemeinderates vom wurden die beiden Berufungen abermals als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer und der weitere Nachbar erhoben abermals Vorstellungen, denen mit Bescheid der belangten Behörde vom (2. Vorstellungsentscheidung) Folge gegeben wurde:
Die Klärung der entscheidungsrelevanten Frage, ob die projektierten Gebäudehöhen der Reihenhäuser zur umgebenden Bebauung in einem angemessenen Verhältnis stünden, verlange neben der Erhebung der Gebäudehöhen der bestehenden Gebäude in der Umgebung auch die Berücksichtigung des Geländes, auf dem sich der Baubestand befinde. Dies sei nicht berücksichtigt worden. Es werde im Gutachten nur erwähnt, dass das gegenständliche Vorhaben in einer Kuppenlage liege. Die Gefälle zweier näher bezeichneter Straßen und der G-Straße sowie die möglichen Auswirkungen der Gefälle auf die zulässigen Gebäudehöhen würden im Gutachten nicht beschrieben. Da die Berufungsbehörde diesen fehlenden Aspekt im Gutachten des Sachverständigen nicht erkannt habe und nicht auszuschließen sei, dass ansonsten ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre, habe sie den bekämpften Berufungsbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Abgesehen davon sei die Folgerung im Gutachten, das Bauvorhaben mit Erdgeschoß und einem Obergeschoß, mit einer Bauwerkshöhe von ca. 6,70 m und Gebäudehöhen von ca. 7,70 m sei im Vergleich zur umliegenden Bebauung weder abweichend noch atypisch für diesen Bereich, für die Aufsichtsbehörde nicht schlüssig. Reihenhäuser seien für diesen Bereich nicht typisch. Ein Vergleich der erhobenen Gebäudehöhen in dem von der Aufsichtsbehörde abgegrenzten Bereich mit den geplanten Gebäudehöhen der Reihenhäuser zeige die Unmäßigkeit des Projektes. Die Gebäudehöhen des Baubestandes innerhalb des abgegrenztes Bereiches seien in fast allen Fällen (Ausnahme: ein näher bezeichnetes Grundstück, das ist das Objekt Nr. 5) deutlich geringer als die den Grundstücken der (damaligen) Vorstellungswerber zugewandte Gebäudehöhe. Der Unterschied der Gebäudehöhe der Reihenhäuser (mit 7,23 m) zu den Gebäudehöhen der Gebäude der (damaligen) Vorstellungswerber (4,30 m und 4,50 m) betrage nahezu 3 m.
Im fortgesetzten Berufungsverfahren erstattete Architekt N. ein ergänzendes Gutachten vom . Der Beschwerdeführer und der weitere Nachbar äußerten sich abermals ablehnend.
Der Gemeinderat gab sodann mit Bescheid vom (3. Berufungsbescheid) den Berufungen des Beschwerdeführers und des weiteren Nachbarn abermals keine Folge.
Nach Darstellung des Verfahrensganges und Ausführungen zur Bindungswirkung der tragenden Aufhebungsgründe kassatorischer Vorstellungsentscheidungen heißt es zur Begründung, "tragende Aufhebungsgründe" seien hier die Ausführungen der belangten Behörde betreffend das Fehlen des Geländegesichtspunktes im Gutachten des Sachverständigen und die von der belangten Behörde als unschlüssig erachtete Folgerung, das Bauvorhaben sei im Vergleich zur umliegenden Bebauung weder abweichend noch atypisch. Hingegen seien die darüber hinausgehenden Ausführungen der Vorstellungsbehörde, insbesondere jene mit "reinem Behauptungscharakter", Reihenhäuser seien für diesen Bereich nicht typisch, oder ein Vergleich der Gebäudehöhen zeige die Unmäßigkeit des Vorhabens, nach Auffassung der Berufungsbehörde lediglich Hinweise für das fortgesetzte Verfahren, nicht aber für die Bescheidaufhebung tragende Gründe mit Bindungswirkung, dies schon deshalb, weil es sich hierbei um Fachfragen handle, die erst nach einem Sachverständigengutachten einer rechtlichen Würdigung unterzogen werden könnten. Gleiches gelte im Übrigen für die Ausführungen der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom betreffend die Abgrenzung des Beurteilungsbereiches.
Der Sachverständige habe in seinem Ergänzungsgutachten vom das Gelände auch unter Hinweis auf sein früheres Gutachten näher dargestellt. Zu der - nicht bindenden - Ansicht der belangten Behörde, Reihenhäuser seien für diesen Bereich nicht typisch, werde ausgeführt, eine Reihenhausbebauung sei in dem untersuchten Bereich zwar nicht vorhanden, es sei jedoch eine Blockbebauung, die der Reihenhausbebauung gleichgesetzt werden könne, in einer Entfernung von 200 m mit Erdgeschoß und Obergeschoßen vorhanden und somit sei eine verdichtete Bauform sehr wohl typisch für diesen Bereich. Zu bemerken sei weiters, dass für die Beurteilung des Bauvorhabens nicht nur die unmittelbar umliegende Bebauung ausschlaggebend sein könne, sondern sehr wohl der vom Gutachter erweiterte Betrachtungsbereich, weil für ein städtebauliches Erscheinungsbild die Straßenräume wesentlich seien. Zu verweisen sei auf das Landesentwicklungsprogramm, nach dem bei Bebauungsplänen und Teilbebauungsplänen bei der Ausnutzung des Baulandes und der Bauplätze eine hohe Wirtschaftlichkeit anzustreben und einer verdichteten Bebauungsweise grundsätzlich der Vorzug zu geben sei.
Mit dem Ergänzungsgutachten sei nunmehr nach Auffassung der Berufungsbehörde den bindenden Aufhebungsgründen ausreichend Rechnung getragen.
Der Beschwerdeführer und der weitere Nachbar hätten auch das Ergänzungsgutachten in mehrfacher Hinsicht kritisiert und auf eine Stellungnahme des Baumeisters D. verwiesen. Letzterer führe hinsichtlich des Bestandes eines größeren Baugebietes aus, dass dieses "nach Erkenntnis der Anrainer" nicht gegeben sei. Außerdem gehe aus keiner gesetzlichen Grundlage die Gleichsetzung der Blockverbauung mit einer Reihenhausverbauung hervor. Auch sei es nicht vorstellbar, dass eine "Städtebauweise-Betrachtung" für das ländliche Gebiet aussagekräftig sein könne. Die absolute Höhe sei auch in der Beilage zum Gutachten nicht erkennbar. Eine Kuppenlage sei keine "Kuppellage". Auch sei die Verwechslung der Straßenfluchtlinie im gegebenen Fall nicht möglich, weil sie bei der vor Ort gegebenen Bauweise ohnedies einzuhalten sei.
Diese Einwände seien nach Auffassung der Berufungsbehörde nicht geeignet, das schlüssige und den Denkgesetzen nicht widersprechende Gutachten des Architekten N. zu widerlegen. Hinsichtlich des Wortes "Kuppellage" liege eindeutig ein Schreibfehler vor. Im Lageplan der Projektunterlagen sei ein bestimmter Fixpunkt für die Höhenlage eingezeichnet, dieser sei für die Beurteilung völlig ausreichend. Bereits im ursprünglichen Gutachten sei definiert worden: Die Gebäudehöhe sei die Traufenhöhe, die Bauwerkshöhe sei die Höhe des obersten Punktes eines Gebäudes. Jedenfalls seien die Berufungswerber dem Gutachten N. nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Äußerungen des Baumeisters D. fußten zum Teil auf "Erkenntnissen der Anrainer", nicht aber auf einer eigenständigen Befundaufnahme und einer entsprechenden fachlichen Schlussfolgerung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe dem Nachbarn das Recht auf die Einhaltung bestimmter Gebäudehöhen gemessen an einer bestimmten Norm zu, und zwar nur in Bezug auf die ihm zugewandte Gebäudefront. Damit habe er zwar ein eingeschränktes Mitspracherecht im betreffenden Bauverfahren, die zulässige Gebäudehöhe sei jedoch an der maßgeblichen Norm, im Beschwerdefall am § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien zu messen. Diese Bestimmung gebe vor, dass sich die geplanten Bauformen in ihrer Proportion der umgebenden Bebauung anzupassen hätten. Ob dies zutreffe, habe die Baubehörde auf Grund der Beurteilung von Sachverständigen zu prüfen. Der Sachverständige N. habe ein zutreffendes Beurteilungsgebiet gewählt.
Der Beschwerdeführer und der weitere Nachbar erhoben abermals Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid (dritter Vorstellungsbescheid) hat die belangte Behörde den Vorstellungen keine Folge gegeben.
Nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges heißt es zur Begründung, tragender Grund für den aufhebenden Spruch der zweiten Vorstellungsentscheidung sei die fehlende Beweisaufnahme zur Frage des Geländes und zu den Auswirkungen des Geländes auf die zulässigen Gebäudehöhen gewesen. Diesen Gründen komme Bindungswirkung zu. Die weiteren Aufhebungsgründe seien nicht als tragende Rechtsmeinung zu verstehen und entfalteten auch keine Bindungswirkung. Mit der Einholung des Ergänzungsgutachtens vom habe die Berufungsbehörde die aufgezeigten Mängel behoben. Das Gutachten des Sachverständigen N. erfülle nunmehr, im Gegensatz zum Gutachten D., die Voraussetzungen eines Gutachtens im Rechtssinn. Es bestehe aus einem Befund und einem Gutachten im engeren Sinn und erweise sich als geeignete Entscheidungsgrundlage. Hinsichtlich der Vorbringen der Vorstellungswerber teile die belangte Behörde die Rechtsauffassungen der Berufungsbehörde und führe ergänzend dazu aus, dass die Bebauungsdichte des gegenständlichen Baugrundstückes 35 % betrage. In einem solchen Fall seien gemäß § 2 der Bebauungsrichtlinien jedenfalls zwei Geschoße zulässig.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin und die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.
Im Beschwerdefall ist das Burgenländische Baugesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1998 (Bgld. BauG), idF LGBl. Nr. 53/2008 anzuwenden.
§ 21 BauG lautet auszugsweise:
"§ 21.
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind
der Bauwerber,
der Grundeigentümer bzw. die Miteigentümer, wenn der Bauwerber nicht Alleineigentümer ist, sowie
3. die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind (Nachbarn).
(2) Ein Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.
(3) Ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, im Privatrecht begründet (privatrechtliche Einwendung), so hat die Baubehörde einen gütlichen Ausgleich zu versuchen. Kommt eine Einigung zu Stande, ist sie in der Verhandlungsschrift festzuhalten und im Bescheid darauf hinzuweisen; kommt keine Einigung zu Stande, sind die streitenden Parteien hinsichtlich dieser Einwendung auf den Rechtsweg zu verweisen. Dies ist unter Anführung der Einwendung in der Verhandlungsschrift und im Bescheid ausdrücklich anzuführen.
(4) Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (zB Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen (öffentlichrechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.
(5) Andere Einwendungen sind als unzulässig zurückzuweisen.
(6) ... "
Für das betreffende Gebiet gibt es Bebauungsrichtlinien (Verordnung des Gemeinderates vom , kundgemacht durch Anschlag; angeschlagen am 23. Juli, abgenommen am ).
Nach § 2 Z 1 dieser Verordnung sind an Bebauungsweisen die geschlossene, die halboffene und die offene Bebauung zulässig. Z 2 dieses Paragraphen trifft nähere Bestimmungen zur Bebauungsdichte. Bei geschlossener Bebauungsweise darf der Bauplatz bis zu 70 % seiner Fläche bebaut werden, bei den übrigen Bebauungsweisen bei Bauten mit einem Geschoß bis zu 40 %, mit zwei Geschossen bis zu 35 %, und mit drei Geschoßen bis zu 30 % (es folgen Prozentsätze für Bauten mit vier Geschoßen und für Bauten mit fünf Geschoßen und mehr).
Nach § 3 Abs. 1 lit. c sind im hier gegenständlichen Gebiet "einfache und klare Bauformen auszuführen. In den Gebieten mit festgelegter offener oder halboffener Bauweise sind sie in Form liegender Quader oder einer Kombination davon auszuführen und haben sich in ihrer Proportion der umgebenden Bebauung anzupassen".
Das Bgld. BauG enthält weder eine taxative noch eine beispielhafte Aufzählung jener Vorschriften, auf die öffentlichrechtliche Einwendungen der Nachbarn gestützt werden können. Es ist daher jeweils zu prüfen, ob es sich bei den Einwendungen der Anrainer um solche im Sinne des § 21 Abs. 4 leg. cit. handelt (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0063, Slg. 15637/A, oder aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0074, mwN.).
Dem Nachbarn kommt ein Mitspracherecht bezüglich der Gebäudehöhe zu, und zwar soweit er davon betroffen ist, das heißt hinsichtlich der ihm zugewandten Gebäudefronten (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0030). Gibt es Bebauungsrichtlinien, kommt dem Nachbarn ein Recht auf Einhaltung der danach zulässigen Gebäudehöhe zu, sowohl was die darin normierten Maximalwerte anlangt als auch die Geschoßanzahl. Ein davon losgelöstes, gleichsam selbständiges Nachbarrecht auf Wahrung schönheitlicher Aspekte wie auch auf Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Ortsbild besteht aber nicht (siehe dazu das zuvor genannte hg. Erkenntnis). Im Beschwerdefall gibt es in den hier maßgeblichen Bebauungsrichtlinien weder normierte Maximalwerte betreffend die Gebäudehöhe noch (konkrete) Festlegungen hinsichtlich einer zulässigen Geschoßanzahl. Den Bebauungsrichtlinien ist nur zu entnehmen, dass auch Gebäude mit fünf Geschoßen oder mehr nicht jedenfalls unzulässig sein sollen, weil die Richtlinien für solche Fälle Bebauungsdichteregelungen vorsehen, darunter, dass bei zwei Geschoßen eine Bebauungsdichte von 35 % zulässig ist. Der Beschwerdeführer verweist zutreffend darauf, dass (entgegen der Annahme der belangten Behörde) daraus ein Umkehrschluss dahin, bei einer Bebauungsdichte von 35 % wären jedenfalls zwei Geschoße erlaubt, nicht zulässig ist. Diesem Argument der belangten Behörde kommt aber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers insofern keine entscheidende Bedeutung in dem Sinn zu, dass schon deshalb der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben wäre, weil es sich dabei lediglich um ein zusätzliches Argument handelte und demnach zu prüfen ist, ob die Auffassung der belangten Behörde auch ohne dieses Argument tragfähig ist.
Mangels näherer Festlegungen in den Bebauungsrichtlinien (Normierung von Maximalwerten hinsichtlich der Höhe oder einer zulässigen Geschoßanzahl) ist die zulässige Gebäudehöhe im Beschwerdefall, wie dies durch die Bindungswirkung der aufhebenden Vorstellungsentscheidungen vorgegeben ist, nach den Kriterien des § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien zu beurteilen.
Der Einwand des Beschwerdeführers, eine zweigeschossige Bebauung sei nach den Bebauungsrichtlinien nicht zulässig, der in der Folge von ihm auch näher erläutert wurde, ist, wie die Behörden des Verwaltungsverfahrens zutreffend erkannt haben, dahin zu verstehen, dass solche zweigeschossigen Objekte aus dem Gesichtspunkt der Gebäudehöhe nicht zulässig seien. Das war im fortgesetzten Verfahren anhand der in der Umgebung vorhandenen Bebauung zu prüfen. Der Sachverständige N. hat dazu 14 Objekte in der Umgebung näher beschrieben. Daraus ergibt sich, dass in dieser Umgebung, von drei Ausnahmen abgesehen, die eingeschossige Bebauung (und die sich daraus ergebende Höhenentwicklung) vorherrschend ist. Das war der rechtserhebliche Maßstab für die vorzunehmende Beurteilung. Dass das Vorhaben diesem Maßstab nicht entspricht, ist evident.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 41 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Schlagworte | Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2010060211.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-73508