VwGH vom 25.08.2010, 2008/03/0171
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Dkfm. R D in W, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 10/12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom , Zl UVS-03/P/11/4423/2008-6, betreffend Übertretung des Eisenbahngesetzes und der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 15.55 Uhr in Wien 2, Kaiserallee nächst Baum 102 ein nach dem Kennzeichen näher bestimmtes Kraftfahrzeug ca 4 m vor den Gleisen der in beiden Richtungen fahrenden und die Kaiserallee querenden Liliputbahn, und damit unmittelbar vor einer Eisenbahnkreuzung abgestellt, obwohl das Halten, Parken oder Umkehren unmittelbar vor oder nach einer Eisenbahnkreuzung verboten ist, wenn durch das haltende, parkende oder umkehrende Fahrzeug der Lenker eines anderen Fahrzeuges gehindert wird, die Annäherung eines Schienenfahrzeugs rechtzeitig wahrzunehmen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch § 124 Abs 1 iVm § 47c des Eisenbahngesetzes 1957 iVm § 16 Abs 2 lit d der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 verletzt. Es wurde über ihn gemäß § 124 des Eisenbahngesetzes 1957 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 105,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 18 Stunden) verhängt.
Begründend wurde insbesondere festgehalten, der Beschwerdeführer hätte sein Fahrzeug iS der Tatanlastung an der genannten Örtlichkeit vorschriftswidrig unmittelbar an den Gleisen eines Schienenfahrzeugs abgestellt. Dies sei hinreichend durch die an der Tatörtlichkeit vorherrschenden Nummerierung und Kennzeichnung der dort stehenden Bäume samt Bahngleisen und Fahrtrichtung umschrieben. Diese Feststellungen gründeten auf die aufgenommenen Beweise, den Bericht des Meldungslegers im Verfahren erster Instanz sowie dessen zeugenschaftlicher Aussage vor der belangten Behörde, unterstützt durch die vom Meldungsleger erstellte Bilderdokumentation der Tatörtlichkeit. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen hingegen darauf beschränkt, das Fahrzeug wäre 4,5 m (laut Skizze sogar noch mehr) von den Gleisen entfernt gestanden, ohne dies durch entsprechende Beweise zu untermauern. An der Richtigkeit der Daten des Meldungslegers bestünde kein Zweifel. Die Tatörtlichkeit sei im Grunde des § 44a Z 1 VStG hinreichend konkretisiert. Auf Grund der vorgelegten Bilderdokumentation sei der in der Anzeige und auch im bekämpften Straferkenntnis aufscheinende Baum 102 an der Tatörtlichkeit erwiesenermaßen vorhanden und beschriftet, im Hinblick auf die Angabe der Fahrtrichtung der verfahrensgegenständlichen Gleise als auch auf die Abstellposition im Verband mit dem Baum 102 sei die Tatortpräzisierung hinreichend erfolgt. Der Beschwerdeführer habe nicht darzulegen vermocht, dass ihn an der Verletzung der vorliegenden - als Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG einzustufenden - Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 124 Abs 1 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl Nr 60 idF vor BGBl I Nr 95/2009, begeht (sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt ist) eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen der §§ 42, 43, 46 bis 47b oder den auf Grund der §§ 47c und 49 durch Verordnung erlassenen Vorschriften zuwider handelt, und ist hiefür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 726,-- zu bestrafen.
Nach § 47c des Eisenbahngesetzes 1957 kann der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie für alle oder einzelne Arten von Eisenbahnen durch Verordnung Vorschriften erlassen, in denen das zum Schutz der Eisenbahnanlagen, des Betriebs einer Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn oder des Verkehrs auf einer Eisenbahn gebotenen Verhalten (§§ 43 Abs 1, 46, 47a und 47b leg cit) näher bestimmt wird.
Gemäß § 16 Abs 2 lit d der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961, BGBl Nr 2, zuletzt geändert durch BGBl Nr 123/1988, ist "das Halten, Parken oder Umkehren unmittelbar vor oder nach einer Eisenbahnkreuzung, wenn durch das haltende, parkende oder umkehrende Fahrzeug der Lenker eines anderen Fahrzeuges gehindert wird, die Annäherung eines Schienenfahrzeuges oder Einrichtungen zur Anzeige oder Sicherung von Eisenbahnkreuzungen rechtzeitig wahrzunehmen", verboten.
2. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, er hätte nicht wegen des ihm angelasteten Abstellens seines Fahrzeuges zur angegebenen Tatzeit in der Kaiserallee nächst Baum 102 bestraft werden dürfen. Der Meldungsleger habe in einer den Verwaltungsstrafakten einliegenden Skizze den Tatort nächst Baum 202 eingezeichnet, in der Anzeige - der der angefochtene Bescheid letztlich gefolgt sei - sei aber nächst Baum 102 angegeben. Die Bäume 102, 103 ff, seien jedoch von der Baumreihe 202, 203 ff durch zwei Grünstreifen und einem breiten asphaltierten Weg, der ausschließlich als Gehweg benützt werden dürfe, von der Fahrbahn getrennt und von dieser 6 bis 7 m entfernt. Zudem befinde sich bei Baum 202 ein Stoppschild. Durch die vorgelegten Fotos des Meldungslegers bei den Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und die Skizze sei erwiesen, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug zur angelasteten Tatzeit nicht nächst Baum 102, sondern nächst Baum 202 oder 203 abgestellt hätte. Der Meldungsleger habe zudem bei seiner Einvernahme bei der mündlichen Verhandlung am seine Unsicherheit damit dokumentiert, dass er dem Beschwerdeführer zugestanden habe, möglicherweise Recht zu haben, dass sich an der von ihm gezeichneten Tatörtlichkeit nicht der Baum 102, sondern der Baum 203 oder der Baum 202 befinde, und dass der Meldungsleger diesbezüglich der belangten Behörde noch berichten werde, was aber nicht erfolgt sei. Damit leide der Bescheid unter einer unrichtigen Tatortbezeichnung. Durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit der unrichtigen Tatortbezeichnung nächst Baum 102 ohne zuvor erfolgtem Lokalaugenschein und ohne ausreichende Berücksichtung der vom Meldungsleger im Berufungsverfahren vorgelegten Lichtbilder und seiner Skizze leide der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
3. Auf dem Boden der vorgelegten Verwaltungsstrafakten sowie des vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegten "Lichtbildes über die Tatortverhältnisse" ergibt sich, dass sowohl der im angefochtenen Bescheid bezüglich des Tatortes herangezogene Baum 102 als auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Baum 202 an einer Eisenbahnkreuzung mit der in Rede stehenden Liliputbahn liegen.
Gemäß § 44a VStG hat der Spruch (wenn er nicht auf Einstellung lautet) u a die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten (Z 1). Nach der hg Rechtsprechung entspricht die Tatort- und Tatzeitumschreibung dann dem Gesetz, wenn 1. im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu wiederlegen, und 2. der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl die hg Erkenntnisse eines verstärkten Senats vom , Zl 85/02/0053, Slg Nr 11.894/A, vom , Zlen 91/03/0049, 0050, vom , Zl 2003/03/0149, sowie vom , Zl 2001/03/0371).
Wenn auch nach der hg Rechtsprechung Tatort und Tatzeit möglichst präzise anzugeben sind (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 91/03/0346), kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall durch die gewählte Formulierung im Spruch in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt wäre oder Gefahr liefe, einer Doppelbestrafung ausgeliefert zu sein. Infolge der unstrittigen genauen Fixierung der Tatzeit wird ein ausreichend enger Bezug zwischen der den Beschwerdeführer angelasteten Tat und einem bestimmten, für die Übertretung der herangezogenen eisenbahnrechtlichen Regelungen maßgeblichen Ort hergestellt, wobei es rechtlich ausgeschlossen erscheint, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die ihm vorgeworfene Tat neuerlich zur Verantwortung gezogen werden könnte (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 91/19/0362). Hinsichtlich einer konkret gegebenen Einschränkung seiner Verteidigungsmöglichkeiten bzw der Gefahr einer Doppelbestrafung wird vom Beschwerdeführer auch nichts vorgebracht.
Von daher macht es für eine Übertretung der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden eisenbahnrechtlichen Regelungen mit Blick auf § 44a Z 1 VStG keinen Unterschied, ob das Fahrzeug des Beschwerdeführers nahe dem Baum 202, oder nahe dem Baum 102 abgestellt war. Ungeachtet dessen ist zum Hinweis des Beschwerdeführers, sein Fahrzeug könnte sich auch nächst dem Baum 203 - der in einem größeren Abstand zu den Geleisen steht als die Bäume 102 bzw 202 - befunden haben, festzuhalten, dass er nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten in der von ihm bei der Verhandlung am gefertigten Skizze (Aktenblatt 16) sein Fahrzeug nächst dem Baum 202 einzeichnete.
4. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-73484