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VwGH vom 10.09.2019, Ra 2017/11/0039

VwGH vom 10.09.2019, Ra 2017/11/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. C M in M, vertreten durch Dr. Ingrid Schwarzinger, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Stiftgasse 21/20, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W207 2002246- 1/77E, betreffend Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien; mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, MA 2, in 1080 Wien, Lichtenfelsgasse 2, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0149, verwiesen.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)Erkenntnis erteilte das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Revisionswerbers und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

In den Feststellungen führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber, ein Arzt für Allgemeinmedizin, sei am bei der mitbeteiligten Partei als vollbeschäftigter Vertragsbediensteter eingestellt und in die Bedienstetengruppe der Physikatsärzte der Verwendungsgruppe A III eingereiht worden. Er sei mit Beginn des Dienstverhältnisses als Dezernatsleiterstellvertreter für den Bereich "Gesundheitsplanung" und Referatsleiter für den Bereich "Medizinische Strukturentwicklung und Public Health" bei der MA 15 und schließlich ab bis zu der mit ausgesprochenen Kündigung innerhalb der MA 15 als Leiter der Stabstelle "Medizinisches Qualitätsmanagement und Public Health" verwendet worden. Die Einführung der Magistratsabteilung MA-L (Landessanitätsdirektion), die aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen im Bereich der Geschäftsgruppe "Gesundheits- und Spitalwesen" gegründet worden sei und zu einer Verschiebung des Bereichs "Gesundheitsplanung" von der MA 15 in die neue Magistratsabteilung geführt habe, habe keinen faktischen Einfluss auf die strategischen Planungsaufgaben des Revisionswerbers gehabt, die er in leitender Funktion ausgeführt habe. Für unmittelbare ärztliche Tätigkeiten im Sinne eines Kontaktes mit Patienten sei der Revisionswerber nie eingesetzt worden; er weise diesbezüglich auch keine praktische Berufserfahrung auf. Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom sei auf Grundlage eines Antrags des Revisionswerbers vom festgestellt worden, dass der Revisionswerber mit dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Dies sei im Zusammenhang mit einem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts vom gestanden, mit dem dem Revisionswerber aufgrund eines bereits am erlittenen Arbeitsunfalls wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Versehrtenrente zuerkannt worden war. Der Gesamtgrad der Behinderung sei von der Behörde mit 80 v.H. eingeschätzt worden. Mit sei das Dienstverhältnis durch den Dienstgeber gekündigt worden, was im Wesentlichen damit begründet worden sei, dass der Revisionswerber zwischen und wegen "Langzeitkrankenständen" keine für den Dienstgeber verwertbare Arbeitsleistung erbracht habe. Die in weiterer Folge erhobene Klage des Revisionswerbers auf erhöhte Arbeitsunfallrente nach einem am erlittenen Arbeitsunfall sei 2008 vom Landesgericht St. Pölten abgewiesen worden, da durch diesen Arbeitsunfall keine rentenrelevanten Dauerfolgen eingetreten seien.

Der vom Revisionswerber bis zum Eintritt der "Langzeitkrankenstände" bzw. bis zur mit ausgesprochenen Kündigung ausgeübte Tätigkeitsbereich sei entfallen. Die damals ausgeübten strategischen Aufbau-, Planungs-, und Managementtätigkeiten würden einem laufenden Wandel unterliegen und sich zum Entscheidungszeitpunkt als interdisziplinär, fach- und berufsübergreifend und somit als betriebliche Querschnittsfunktion darstellen, die alle Leistungsbereiche durchziehe und sich aus heutiger Sicht nicht mehr für eine Auslagerung in eine separate Stabstelle bzw. für eine Bearbeitung durch eine einzelne strukturelle Einheit eigne, sondern auf verschiedene Dienststellen und externe Organisationen aufgeteilt sei. Die erfolgten organisatorischen Änderungen seien im Sinne der betrieblichen Erfordernisse des Dienstgebers und nicht zum Zweck der Benachteiligung des Revisionswerbers erfolgt. Der Revisionswerber könne an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz der mitbeteiligten Partei ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden, ein qualifikationsbedingt geeigneter Ersatzarbeitsplatz als Arzt mit ausschließlichen Managementaufgaben im Bereich Medizinisches Qualitätsmanagement und Public Health bzw. der externen Qualitätssicherung mit dem damaligen, vom Revisionswerber ausgeübten Aufgabenbereich bzw. eine reine Managementtätigkeit, die dem ehemaligen Tätigkeitsbereich des Revisionswerbers entspreche, existiere nicht. Nach einer Phase der Arbeitslosigkeit beziehe der Revisionswerber aus Anlass des 1995 erlittenen Arbeitsunfalls auf Grundlage eines arbeitsgerichtlichen Urteils seit eine Versehrtenrente von (damals) monatlich ca. EUR 1.500,-- sowie seit zusätzlich eine Berufsunfähigkeitspension in der Höhe von (damals) EUR 1.528,36.

Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass eine Bindung an die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs in dessen Erkenntnis Zl. 2011/11/0149 nicht bestehe, da sich die vorliegende Entscheidung auf § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG stütze, das genannte Erkenntnis sich jedoch mit § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG beschäftigt habe. Der ehemalige Tätigkeitsbereich des Revisionswerbers sei durch die zwischenzeitlich erfolgten organisatorischen Umstrukturierungen entfallen. Ein qualifikationsbedingt geeigneter Ersatzarbeitsplatz sei nicht vorhanden. In Abwägung dieser objektiven betrieblichen Rahmenbedingungen und der damit verbundenen Interessen des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses mit den vor allem unter dem Gesichtspunkt der sozialen Schutzbedürftigkeit des Revisionswerbers bestehenden Interessen an der Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses sei zunächst die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Revisionswerbers zu berücksichtigen, der seinen eigenen Angaben zufolge einen dem gewohnten Arbeitsplatz mit bewährtem Tätigkeitsbereich entsprechenden Arbeitsplatz wünscht und eine freundliche Arbeitsatmosphäre, Arbeiten ohne besonderen Druck und selbstgewählte Pausen benötige. Solche Rahmenbedingungen seien in der aktuellen Arbeitswelt im Bereich einer leitenden Managementfunktion aber kaum bzw. nur in schwer zumutbarem Rahmen umzusetzen. Dem stehe gegenüber, dass der Revisionswerber eine Berufsunfähigkeitspension sowie eine Versehrtenrente beziehe und damit über ein laufendes monatliches Einkommen von über EUR 3.000,-

- verfüge. Auch unter Berücksichtigung der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit eines begünstigten Behinderten sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber als sozial abgesichert anzusehen sei. Selbst wenn durch Organisationsänderungen und Zusammenlegen einzelner Aufgaben ein Ersatzarbeitsplatz für den Revisionswerber geschaffen würde, sei aufgrund der benötigten Einarbeitungszeit die Fortsetzung des Dienstverhältnisses der mitbeteiligten Partei nicht zumutbar. Aufgrund der seit Mitte 2001 fehlenden verwertbaren Berufstätigkeit und des damit fehlenden aktuellen Praxisbezugs ergäbe sich (selbst wenn man die zahlreichen Fortbildungen, die der Revisionswerber absolviert habe, berücksichtige) eine Einarbeitungszeit von acht bis zehn Monaten, die jedenfalls von einem fachlich gleichgeordneten Mitarbeiter - unter organisatorischer Anleitung eines übergeordneten Mitarbeiters - überwacht werden müsse. 3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

4 In der Zulässigkeitsbegründung wird unter Anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Revisionswerbers auf Arbeitsunfälle zurückzuführen seien. Eine Zustimmung zur Kündigung dürfe aber nach dem Erkenntnis , nicht erteilt werden, wenn die Eigenschaft als begünstigter Behinderter aufgrund eines Arbeitsunfalls entstanden sei. Insofern widerspreche das angefochtene Erkenntnis der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob sich der

dritte Satz des § 8 Abs. 2 BEinstG auch auf erst auszusprechende Kündigungen bezieht, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt.

Die Revision ist jedoch nicht begründet.

7 Die vorliegend relevanten Bestimmungen des BEinstG in der

maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 lauten:

"Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 175f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn dem Dienstgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 angehört. Abs. 4 und 4a sind anzuwenden.

(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

(4a) Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist auch das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs. 1 zu berücksichtigen.

(5) Gesetzliche Bestimmungen, die die Beendigung des Dienstverhältnisses an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen, bleiben unberührt. Finden auf die Kündigung eines begünstigten Behinderten die Abs. 2 bis 4 Anwendung, gelten die Bestimmungen des § 105 Abs. 2 bis 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, bzw. die in Ausführung der Bestimmungen des § 210 Abs. 3 bis 6 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, erlassenen landesrechtlichen Vorschriften nicht.

...

Übergangsbestimmungen

§ 27. (1) ...

...

(3) § 8 Abs. 4 ist auf Anträge auf Zustimmung zur Kündigung anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 17/1999 eingebracht werden.

..."

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Entscheidung des Behindertenausschusses des Bundessozialamtes (jetzt: Sozialministeriumservice) gemäß § 8 BEinstG um eine Ermessensentscheidung. Die Behörde hat bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen, muss das aber nicht tun, wenn im Sinne des Gesetzes gelegene Gründe gegen diese Zustimmung sprechen. Der Sinn des § 8 BEinstG liegt darin, der Behörde die Möglichkeit zu verschaffen abzuwägen, ob eher dem Arbeitnehmer eine Kündigung oder dem Dienstgeber eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses zugemutet werden kann. Enthält das Vorbringen des Dienstgebers Gründe, die für eine Zustimmung zur Kündigung sprechen, weil der Dienstnehmer einen Tatbestand des § 8 Abs. 4 BEinstG erfüllt, wird es - falls diese Gründe tatsächlich vorliegen - regelmäßig im Sinne des Gesetzes liegen, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis , mwN). Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich auch, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 4 lit. a und lit. b BEinstG ("... der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann") den Dienstgeber nicht zu organisatorischen Änderungen seines Betriebes, um einen Arbeitsplatz für einen begünstigten Behinderten zu schaffen, verpflichtet (, mwN).

9 In den Revisionsgründen wird zunächst ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe die Rechtslage verkannt. In der im Revisionsfall anwendbaren Fassung des § 8 BEinstG sei ein Zustimmungsverbot für den Fall normiert, dass die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten auf einem Arbeitsunfall beruht. Das Verwaltungsgericht habe in Verkennung dieser Rechtslage Feststellungen zu den Arbeitsunfällen des Revisionswerbers unterlassen.

Abgesehen davon, dass sich im angefochtenen Erkenntnis entgegen der Revisionsansicht (die oben angeführten) Feststellungen zu den Arbeitsunfällen des Revisionswerbers finden, ist dazu auszuführen, dass bereits Wortlaut und Textzusammenhang des § 8 Abs. 2 BEinstG nahelegen, dass sich das "Zustimmungsverbot" bei Arbeitsunfällen nur auf den Fall der nachträglichen Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung bezieht ("...wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines

Arbeitsunfalles ... ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu

einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ..."), nicht jedoch auf die Zustimmung zu einer erst auszusprechenden Kündigung (vgl. im Ergebnis auch Widy in Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz8 (2016), § 8 BEinstG Erl. 152). Unterstützt wird diese Sichtweise durch die Gesetzesmaterialien zur Novelle des BEinstG, BGBl. I Nr. 17/1999, seit der § 8 Abs. 4 BEinstG die oben wiedergegebene demonstrative Aufzählung von Gründen enthält, aus denen dem Dienstgeber eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden wird können. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1518 BlgNR, 20. GP, 12) heißt es dazu:

"Die demonstrative Aufzählung von Gründen, die die Zustimmung zu einer auszusprechenden Kündigung in der Regel rechtfertigen werden, dient der Erhöhung der Rechtssicherheit und soll verdeutlichen, daß behinderte Mitarbeiter zwar einen erhöhten Kündigungsschutz genießen, jedoch nicht als praktisch unkündbar anzusehen sind (VwSlg NF 11511A, 13126A und Zl. 85/09/0225)."

Folgte man der Revisionsansicht, das in § 8 Abs. 2 BEinstG normierte Zustimmungsverbot bei Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten aufgrund eines Arbeitsunfalls beziehe sich sowohl auf erst auszusprechende als auch auf bereits ausgesprochene Kündigungen, so würde das in diesen Fällen eine "praktische Unkündbarkeit" von begünstigten Behinderten bedeuten. Derartiges vorgesehen zu haben, kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund der zitierten Materialien und mangels eindeutiger diesbezüglicher Anhaltspunkte jedoch nicht zugesonnen werden. Hinsichtlich des in der Revision dazu ins Treffen geführten Erkenntnisses , wird übersehen, dass es sich in dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahren um eine nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung handelte, während es im Revisionsfall um die Zustimmung zu einer erst auszusprechenden Kündigung geht.

Die Revision zeigt somit in diesem Punkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

10 Weiters wird gerügt, die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Revisionswerbers hätte nicht erteilt werden dürfen, da er die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 Wiener Vertragsbedienstetenordnung (Wr. VBO 1995) erfülle und daher keine Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes zulässig sei. Feststellungen zur abschließenden rechtlichen Beurteilung würden dazu fehlen.

Dazu ist auf die hg. Rechtsprechung hinzuweisen, derzufolge der Zustimmungsbescheid nach § 8 Abs. 2 BEinstG die Kündigung durch den Dienstgeber zwar ermöglicht, nicht aber ersetzt. Weitergehende vertragliche oder gesetzliche Beschränkungen bleiben aufrecht (). Ob eine Kündigung nach den Bestimmungen der Wr. VBO 1995 zulässig ist oder nicht, ist nicht im Verfahren nach § 8 BEinstG zu klären. Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.

11 Ferner wird vorgebracht, es habe keine korrekte Gewichtung der Zumutbarkeit stattgefunden, da das Verwaltungsgericht unzulässigerweise die Unfallrente des Revisionswerbers in die Abwägung der Zumutbarkeit einbezogen habe. Es wäre jedoch eine Abwägung mit dem Einkommen vorzunehmen gewesen, das der Revisionswerber mit durchgehendem Karriereverlauf bei der Mitbeteiligten beziehen würde.

Wieso die Unfallrente, die der Revisionswerber empfängt, in unvertretbarer Weise in die Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichtes einbezogen worden sein soll, wird nicht substantiiert. In die Beurteilung, ob der Revisionswerber sozial abgesichert ist (und ihm daher die Kündigung eher zugemutet werden kann; vgl. oben Rn 8), haben sämtliche finanzielle Aspekte einzufließen. Dass eine Unfallrente zur sozialen Absicherung des Verunfallten dient, ist dieser immanent. Ihr Zweck ist gerade der Ausgleich des durch die Schadenszufügung verminderten oder nur unter erschwerten Voraussetzungen erzielbaren Erwerbseinkommens (vgl. etwa ).

Soweit in der Revision ein Vergleich des bei normaler Einkommensentwicklung erzielbaren Verdiensts des Revisionswerbers mit seiner derzeitigen Einkommenssituation vermisst wird, der der Abwägung zugrunde zu legen sei, ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht von einem unbestrittenen laufenden Einkommen des Revisionswerbers von über EUR 3.000,-- (nach den Angaben des Revisionswerbers etwa EUR 3.400,--) ausging. Wenn es auf dieser Grundlage zum Ergebnis kam, der Revisionswerber sei sozial abgesichert, so ist dies nicht zu beanstanden.

Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit auch in diesem Punkt nicht vor.

12 Das weitere Vorbringen, die überlange Verfahrensdauer sei ausschließlich zum Vorteil der Dienstgeberin ausgelegt worden, da sich aus der langen "Arbeitsmarktkarenz" des Revisionswerbers eine lange Einschulungsphase ergeben hätte, obwohl es der Mitbeteiligten durchaus frei gestanden wäre, den Revisionswerber Einschulungen zu unterziehen und ihn an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen zu lassen und somit den Schaden durch die lange Verfahrensdauer (und die daraus folgende lange Einarbeitungszeit) zu verringern,bezieht sich im Ergebnis auf die hypothetische Einarbeitungszeit für den Fall, dass ein Arbeitsplatz für den Revisionswerber geschaffen würde. Da die Mitbeteiligte aber zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes nicht verpflichtet ist (vgl. abermals , mwN), wird auch mit diesem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt.

13 Weiters führte die Revision aus, das Verwaltungsgericht habe sich im angefochtenen Erkenntnis über den "Auftrag" des Verwaltungsgerichtshofs hinweggesetzt, sich mit dem Mobbingvorwurf des Revisionswerbers auseinanderzusetzen. Stattdessen sei das Verwaltungsgericht unzulässiger Weise auf eine Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes "umgeschwenkt".

Das Verwaltungsgericht ist aufgrund der ihm vorliegenden Sach- und Rechtslage im (ausschließlich) maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu dem Schluss gekommen, dass im Fall des Revisionswerbers einer der in § 8 Abs. 4 BEinstG demonstrativ aufgezählten Zustimmungsgründe vorliegt, und hat in eigener Ermessensübung nach einer nachvollziehbaren Interessensabwägung die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung nach § 8 Abs. 2 BEinstG erteilt. Dass das Verwaltungsgericht dabei nicht den Zustimmungsgrund des § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG heranzog wie die Berufungskommission in ihrem mit dem Vorerkenntnis Zl. 2011/11/0149, aufgehobenen Bescheid, bewirkt keine Rechtswidrigkeit seines Vorgehens, da Gegenstand des Verfahrens lediglich der Antrag auf Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG war. Das Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte nicht auf den Zustimmungsgrund des § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG umschwenken dürfen, trifft somit nicht zu. Im Übrigen wird auch nicht behauptet, der Revisionswerber sei durch das Heranziehen eines anderen Zustimmungsgrundes überrascht worden. Da das Verwaltungsgericht für seine Entscheidung § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG ("... der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten ...") nicht herangezogen hat, brauchte es sich mit den Mobbingvorwürfen nicht mehr auseinanderzusetzen. Entgegen dem Revisionsvorbringen finden sich im Übrigen sehr wohl auch dazu Ausführungen ab Seite 75 des angefochtenen Erkenntnisses.

Die Revision zeigt somit auch in diesem Punkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf. 14 Der Revisionswerber bestreitet ferner die Schlüssigkeit der berufskundlichen Gutachten. Der Sachverständige habe den Sachverhalt nicht vollständig erhoben, da er offenkundig nicht Willens oder in der Lage gewesen sei, die bei der Stadt Wien vorhandenen tauglichen Arbeitsplätze und/oder Inhalte zu eruieren. Er habe die Angaben der Mitbeteiligten zu ihren Organisationsstrukturen als Sachverhalt zu Grunde gelegt und keinerlei sonstige Erhebungen durchgeführt. Der Sachverständige, der nach eigenen Angaben Anfragen in Deutschland habe starten müssen, um die Tätigkeit im Qualitätsmanagement und der Qualitätssicherung beurteilen zu können, habe sich darauf versteift, dass der Revisionswerber aufgrund seiner langen Arbeitsmarktkarenz eine lange Einarbeitungszeit benötige, ohne sich ausreichend mit den von ihm absolvierten Fortbildungen auseinanderzusetzen. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass kein Privatgutachten beigebracht worden sei, sei fortgesetzte Rechtsverweigerung, da es nicht Aufgabe des Revisionswerbers sei, den Akt mit Privatgutachten entscheidungsreif zu machen. Ein Sachverständigengutachten muss einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar. Gleiches gilt, wenn der Sachverständige nicht darlegt, auf welchem Weg er zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist (vgl. z.B. ).

Das Gutachten des Amtssachverständigen ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nicht als unschlüssig zu erkennen; es ist aus dem Akt nicht ersichtlich, dass der Sachverständige nicht Willens oder in der Lage gewesen wäre, die Situation zu ermitteln. Aus dem Gutachten sowie sämtlichen Ergänzungsgutachten im Akt ergibt sich, dass der Sachverständige klar und nachvollziehbar dargelegt hat, woher er seine Informationen zum Wegfall des Arbeitsplatzes bezogen hat. Dass Informationen über interne Strukturen einer Organisation primär von dieser selbst bezogen werden müssen, liegt auf der Hand und führt noch nicht zu einer mangelhaften Tatsachenfeststellung, welche im Übrigen auch in keinem Punkt konkret behauptet wurde. Inwiefern die "Anfragen in Deutschland", auf eine Unschlüssigkeit der Gutachten hindeuten sollten, wird nicht dargelegt. Die Behauptung, der Sachverständige habe sich mit der vom Revisionswerber absolvierten Fortbildung im Hinblick auf die Einarbeitungszeit nicht ausreichend auseinandergesetzt, ist aktenwidrig und geht insofern ins Leere, als die Mitbeteiligte, wie bereits ausgeführt, zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes nicht verpflichtet ist.

Dem Vorwurf, der Hinweis auf die fehlende Beibringung eines Privatgutachtens sei als Rechtsverweigerung zu erachten, ist zu erwidern, dass ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten, wie es im Revisionsfall vorlag, in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden kann (). Dass ein solches beigebracht wurde, wird nicht behauptet. Insgesamt wird somit auch mit den gegen das Sachverständigengutachten gerichteten Behauptungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt. 15 Abschließend wird in der Revision vorgebracht, der Revisionswerber sei in seinem Recht auf Anhörung der Personalvertretung gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG sowie auf Einvernahme der Behindertenvertrauensperson gemäß § 22a Abs. 7 BEinstG verletzt. Wären diese Vorgaben eingehalten worden, so wäre hervorgekommen, dass es sehr wohl einen Arbeitsplatz für den Revisionswerber gebe bzw. dieser geschaffen werden könne. Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass nach der unbedenklichen Aktenlage der Personalvertreter, der gleichzeitig auch Behindertenvertrauensperson war, im Verfahren vor der Behörde gehört wurde, dieser jedoch nur vorgeschlagen hatte, dass der Revisionswerber zur Entspannung der Situation karenziert werden könne.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Revision daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf. 16 Die Revision war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG, insbesondere im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht durchgeführten Verhandlungen, unterbleiben.

17 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017110039.L00
Schlagworte:
Anforderung an ein Gutachten Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Beweismittel Sachverständigenbeweis Ermessen VwRallg8 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

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