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VwGH vom 20.09.2017, Ra 2017/11/0024

VwGH vom 20.09.2017, Ra 2017/11/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. V V (geboren am ),

2. G M V (geboren am ), 3. I G (geboren am ), 4. V L (geboren am ), 5. G M (geboren am ) und 6. A C (geboren am ), alle in B, alle vertreten durch Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zlen. 405-7/97/1/15-2017, 405-7/98/1/15-2017, 405- 7/99/1/15-2017, 405-7/100/1/15-2017, 405-7/101/1/15-2017, 405- 7/102/1/15-2017, 405-7/103/1/14-2017, 405-7/104/1/14-2017, 405- 7/105/1/14-2017, 405-7/106/1/14-2017, 405-7/107/1/14-2017, 405- 7/108/1/14-2017, 405-7/109/1/14-2017, 405-7/110/1/14-2017, 405- 7/111/1/14-2017, 405-7/112/1/14-2017, 405-7/113/1/14-2017, 405- 7/114/1/14-2017, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg),

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es den Erst-, Dritt- , Viert- und Fünftrevisionswerber betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat jedem dieser Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Revision des Zweit- und Sechstrevisionswerbers wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden, durch Bestätigung mehrerer Straferkenntnisse der belangten Behörde vom , jeder der Revisionswerber (nach der Aktenlage: Staatsangehörige von Rumänien) schuldig erkannt, jeweils drei gleichlautende Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) begangen zu haben: Sie hätten am als Inhaber (Gesellschafter) der C. GbR, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz in Berlin, und damit als Arbeitgeber der beiden Arbeitnehmer I. und S. (nach der Aktenlage ebenfalls Staatsangehörige von Rumänien), die sie auf eine Baustelle nach Österreich entsandt hätten, hinsichtlich dieser Arbeitnehmer

1. keine rechtzeitige Meldung über deren Entsendung an die zuständige Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen erstattet (Übertretung des § 7b Abs. 3 iVm Abs. 8 Z 1 AVRAG),

2. am Arbeitsort keinen Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitsaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung bereitgehalten (Übertretung des 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG), und

3. am Arbeitsort keine Unterlagen über deren Anmeldung zur Sozialversicherung bereitgehalten (Übertretung des § 7b Abs. 5 iVm Abs. 8 Z 3 AVRAG).

Über jeden Revisionswerber wurden pro Delikt und pro betroffenem Arbeitnehmer Geldstrafen von (je nach Art der Übertretung) EUR 500,-- bzw. EUR 1.000,-- verhängt (somit jeweils 6 Geldstrafen pro Revisionswerber); außerdem wurden den Revisionswerbern Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 In der Begründung zitierte das Verwaltungsgericht zunächst (wörtlich) auf fast 130 Seiten die zugrunde liegenden Straferkenntnisse und die dagegen erhobenen Beschwerden und gab sodann das Vorbringen in der durchgeführten Beschwerdeverhandlung wieder. In den Beschwerden wurde (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) einerseits bestritten, dass sämtlichen Revisionswerbern die Verantwortung für die von der C. GbR zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandten Personen zukomme, weil nur einer der Gesellschafter damit betraut gewesen sei. Andererseits wurde die Eigenschaft der beiden im Straferkenntnis genannten Arbeitskräfte als "Arbeitnehmer" der Revisionswerber bestritten; vielmehr handle es sich um mit Werkvertrag beauftragte selbständig tätige Personen, sodass die Bestimmungen des AVRAG nicht zur Anwendung gelangten.

3 Als entscheidungsrelevanten Sachverhalt stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die beiden bezeichneten Arbeitskräfte I. und S. am auf einer näher genannten Baustelle von Bediensteten der Finanzpolizei bei der Durchführung von Abbrucharbeiten mit einfachen Werkzeugen (Abtragung von Gipskartonwänden mit Bohr-/Schlaghammer und Grobreinigung mit Schaufel und Besen) betreten worden seien, und zwar "im unmittelbaren örtlichen Verbund" mit einigen der Revisionswerber. Die den Arbeitskräften I. und S. zugeteilten Arbeiten hätten sich weder örtlich noch im Hinblick auf die Arbeitsschritte von jenen unterschieden, die von den Revisionswerbern verrichtet worden seien. Unstrittig seien weder die Entsendung der beiden Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung nach Österreich der zuständigen Behörde gemeldet worden, noch die in der Tatumschreibung genannten Unterlagen am inländischen Arbeitsort bereitgehalten worden.

4 Die genannten Arbeitskräfte I. und S. seien zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen, seien unter der "laufenden Kontrolle und Weisung" der Gesellschafter (Revisionswerber) gestanden und hätten sich nicht vertreten lassen dürfen. Ihre Arbeitsabläufe hätten zeitlich, örtlich und inhaltlich jenen der Gesellschafter (Revisionswerber) geglichen. Die beiden Arbeitskräfte hätten auch über keine maßgeblichen eigenen Betriebsmittel und über keine eigene unternehmerische Struktur verfügt, sie seien nach Arbeitsleistung entlohnt worden und hätten hinsichtlich einer mangelhaften Ausführung nicht auf eigenes wirtschaftliches Risiko gehandelt.

Dazu zitierte das Verwaltungsgericht auszugsweise eine als "Werkvertrag" titulierte (aktenkundige) Vereinbarung, welche zwischen der C. GbR als Auftraggeber und den beiden Arbeitskräften I. und S. als Auftragnehmer geschlossen worden sei. Diese Vereinbarung sei seitens der C. GbR nur von einem der Gesellschafter (nach dem Schriftzug vom Zweitrevisionswerber) unterfertigt worden.

5 Festgestellt wurde außerdem, dass sich sämtliche Revisionswerber (sowie eine weitere Person) am durch Unterzeichnung eines Gesellschaftsvertrages zur erwähnten C. GbR, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zusammengeschlossen hätten. Zweck dieser Gesellschaft sei demnach die "Ausübung der Bauausführung, insbesondere (...) Montage von Baufertigteilen, Trockenbau, Abriss, ...". Gemäß § 7 Abs. 3 dieses Gesellschaftsvertrages hätten bestimmte Rechtsgeschäfte (nach dem aktenkundigen Gesellschaftsvertrag u.a. auch Dienstverträge jeglicher Art) zwar alleine durch einen geschäftsführenden Gesellschafter, der (gemäß § 7 Abs. 4 dieses Vertrages) durch die "Geschäftsversammlung" zu bestimmen sei, geschlossen werden dürfen. Dazu stellte das Verwaltungsgericht fest, dass einerseits eine Bestellung zum Geschäftsführer durch die "Geschäftsversammlung" bis zum Tatzeitpunkt nicht stattgefunden habe, und dass andererseits mit der am von den Gesellschaftern unterzeichneten Ergänzung zum Gesellschaftsvertrag der Sechstrevisionswerber zum kaufmännischen und der Zweitrevisionswerber zum technischen Geschäftsführer bestellt worden seien. Diese Vertragsergänzung, so das Verwaltungsgericht weiter, sei aber "ihrem Zweck entsprechend inhaltlich nicht umgesetzt und nicht gelebt" worden.

6 Offenbar mit Bezug auf die letztgenannte Feststellung wird in der Beweiswürdigung ausgeführt, der Zweitrevisionswerber habe in der Verhandlung den Abschluss von Verträgen als Teil des Aufgabenbereiches des kaufmännischen Geschäftsführers (Sechstrevisionswerber) genannt, gleichzeitig aber ausgesagt, dass er (der Zweitrevisionswerber) die Verträge mache und über Vorhalt angegeben, dass sich die beiden Geschäftsführer "dahingehend abwechseln können". Vor diesem Hintergrund gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Vertragsurkunde vom zu Umgehungszwecken bloß zum Schein erstellt worden sei.

7 In der rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Frage, ob es sich bei dem mit den Arbeitskräften I. und S. jeweils geschlossenen "Werkvertrag" tatsächlich um einen solchen handle, nicht die Bezeichnung sondern die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend seien (Hinweis auf näher zitierte hg. Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall sprächen mehrere Kriterien gegen das Vorliegen eines Werkvertrages und vielmehr dafür, dass die beiden Arbeitskräfte I. und S. im Rahmen eines unselbständigen Arbeitsverhältnisses mit der C. GbR tätig geworden seien. Im Einzelnen vertrat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Vertragsinhalt und die genannten Sachverhaltsfeststellungen (zusammengefasst) die Ansicht, dass insbesondere sowohl das Fehlen einer im Vertrag genau umrissenen Leistung (vereinbart seien die Arbeiten lediglich der Art nach, zB Demontagearbeiten, Verfugungsarbeiten) sowie eines Fertigstellungstermins und damit das Fehlen einer erfolgsbezogenen Entlohnung als auch die Arbeitsverrichtung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die Eigenschaft der beiden Arbeitskräfte I. und S. als Arbeitnehmer sprächen. Dafür spreche auch, dass diesen eine eigene unternehmerische Struktur fehle, woran die genannten Arbeitsmittel (Bohrhammer, Schaufel, Besen) nichts änderten, weil es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter und nicht um wesentliche Betriebsmittel handle. Überdies stellten die durchzuführenden Arbeiten einfache manuelle Tätigkeiten mit einem nicht ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum dar, sodass durch die Integration der beiden Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf insgesamt von einem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen sei. Die beiden im Straferkenntnis bezeichneten Personen seien daher als Arbeitnehmer von den in Rede stehenden Bestimmungen des AVRAG erfasst.

8 Zur Frage der Verantwortlichkeit sämtlicher Revisionswerber für die Übertretung der genannten Bestimmungen des AVRAG vertrat das Verwaltungsgericht zusammengefasst die Ansicht, dass sämtliche Revisionswerber - wegen ihrer Funktion als Gesellschafter der C. GbR und weil Geschäftsführer nicht rechtswirksam bestellt worden seien - als "Arbeitgeber" der beiden nach Österreich entsandten Arbeitnehmer anzusehen seien, sodass sämtliche Revisionswerber die Verpflichtung der §§ 7b und 7d AVRAG zur Meldung der Entsendung und Bereithaltung der genannten Unterlagen am Arbeitsort getroffen habe. Dies ergebe sich daraus, dass einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht keine Rechtspersönlichkeit zukomme und somit grundsätzlich alle Gesellschafter zur Vertretung berufen und damit für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortlich seien. Im konkreten Fall sei eine Bestellung von Geschäftsführern für die in Berlin ansässige C. GbR durch die nach dem Gesellschaftsvertrag dafür zuständige "Geschäftsversammlung" nicht erfolgt. Die "Einrichtung eines technischen und eines kaufmännischen Geschäftsführers" (offensichtlich gemeint: durch die Ergänzung zum Gesellschaftsvertrag vom ) sei "zum offenkundigen Zweck der Umgehung gesellschaftsbzw haftungsrechtlicher Bestimmungen nur zum Schein und somit nicht rechtswirksam" erfolgt.

9 Vor diesem Hintergrund erachtete das Verwaltungsgericht den objektiven Tatbestand als erfüllt und begründete im Weiteren das Verschulden (Ungehorsamsdelikt) und die Höhe der verhängten Strafen.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die in einem gemeinsamen Schriftsatz erhobene außerordentliche Revision der Revisionswerber, zu der die belangte Behörde mit Schriftsätzen vom

13. bzw. mitgeteilt hat, auf eine Revisionsbeantwortung zu verzichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Zur Revision des Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftrevisionswerbers:

Die Revision dieser Revisionswerber ist, wie sie insoweit zutreffend ausführt, zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie sich aus nachstehenden Ausführungen ergibt, bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit des Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftrevisionswerbers in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2006/03/0090, und das dort zitierte Vorerkenntnis vom , Zl. 2003/03/0041) abgewichen ist.

12 Auch in den Revisionsgründen wird (abgesehen von der Rechtsansicht, dass der erwähnte "Werkvertrag" unter Zugrundelegung seines wahren wirtschaftlichen Gehalts als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sei) die Auffassung des Verwaltungsgerichts, im vorliegenden Fall seien sämtliche Revisionswerber schon aufgrund ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der C. GbR als "Arbeitgeber" der beiden Arbeitskräfte I. und S. zu qualifizieren, bekämpft. Die Revision beruft sich dazu auf die ihres Erachtens rechtswirksame Bestellung eines kaufmännischen und eines technischen Geschäftsführers (Zweit- und Sechstrevisionswerber) durch den erwähnten Ergänzungsvertrag zum Gesellschaftsvertrag vom und verweist auf die die Bestellung der Geschäftsführer bezeugenden Aussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dieser Ergänzungsvertrag sei von sämtlichen Gesellschaftern unterfertigt worden. Im angefochtenen Erkenntnis fehle daher jegliche Begründung für die Auffassung, dass die Bestellung der Geschäftsführer nur zum Schein erfolgt sei. Aufgrund der ausschließlichen Bestellung des Zweit- und Sechstrevisionswerbers zu Geschäftsführern seien der Erst-, Dritt- , Viert- und Fünftrevisionswerber nicht befugt gewesen, (gemeint: im Namen der C. GbR bzw. deren Gesellschafter) Verträge wie jenen über die Beauftragung und Entsendung von Arbeitskräften abzuschließen und daher - im Sinne der Ausführungen im zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2006/03/0090 - gegenständlich verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich.

13 Die maßgebenden Bestimmungen des AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der für den angelasteten Tatzeitpunkt maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lauten auszugsweise:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen.

...

Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in

einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat

§ 7b. (1) Ein/e Arbeitnehmer/in, der/die von einem/einer Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf ...

...

(3) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden und dem/der im Abs. 1 Z 4 bezeichneten Beauftragten, sofern nur ein/e Arbeitnehmer/in entsandt wird, diesem/dieser, die Meldung in Abschrift auszuhändigen oder in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. ...

...

(5) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben, sofern für den/die entsandten Arbeitnehmer/innen in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen. ...

...

(8) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne des Abs. 1

1. die Meldung oder die Meldung über nachträgliche Änderungen bei den Angaben (Änderungsmeldung) entgegen Abs. 3 nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet oder

...

3. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält oder den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar zugänglich macht oder

...,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen.

...

Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat.

...

Strafbestimmungen

§ 7i. ...

(4) Wer als

1. Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

...,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.

...

(10) Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.

..."

14 Tatbestandsvoraussetzung sämtlicher hier angelasteter Übertretungen ist das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs. 1 AVRAG). Zu bestrafen ist bei Nichteinhaltung der vom Verwaltungsgericht als übertreten angenommenen Bestimmungen der "Arbeitgeber" (§ 7b Abs. 8 und § 7i Abs. 4 AVRAG).

15 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Annahme zugrunde, dass sämtliche Revisionswerber als Arbeitgeber im Sinne der genannten Bestimmungen anzusehen seien, weil die (in Deutschland ansässige) C. GbR als Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine Rechtspersönlichkeit habe und daher - mangels rechtswirksamer Bestellung von vertretungsbefugten Geschäftsführern - sämtliche Gesellschafter vertretungsbefugt und verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich seien.

16 Dem Verwaltungsgericht ist zunächst beizupflichten, dass die in Deutschland ansässige C. GbR auch nach deutschem Recht keine juristische Person ist (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofes vom , VIII ZR 232/15, Rn 17 ff).

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2003/03/0041, zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeführt:

"Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (...) fällt nicht unter die im § 9 Abs. 1 VStG 1991 (in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998) aufgezählten Gesellschaften ("juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften"), bei denen für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, sofern diese "nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich (ist), wer zur Vertretung nach außen berufen ist" (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2004/05/0068). Für Gesellschaften bürgerlichen Rechts gilt, dass für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch eine solche Gesellschaft primär deren Gesellschafter strafrechtlich verantwortlich sind, weil grundsätzlich alle Teilhaber zur Vertretung wie zur Geschäftsführung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts berufen sind. Sowohl die Geschäftsführung als auch die Vertretung können jedoch vertraglich - wobei hiefür Formfreiheit besteht (vgl. Grillberger in Rummel, ABGB3 II/1 Rz 14 ff zu § 1175) - abweichend geregelt werden (vgl. das - noch zur Fassung des § 9 VStG vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ergangene - Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0138, und das schon zitierte Erkenntnis vom sowie Grillberger aaO Rz 1 ff zu § 1188 und Rz 1 ff zu § 1201).

Für den vorliegenden Fall kommt es daher darauf an, ob es sich bei der in Rede stehenden Güterbeförderung um eine solche gehandelt hat, für die die Geschäftsführung und Vertretung beiden Gesellschaftern zukam oder ob diese - aufgrund Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern - ausschließlich im Verantwortungsbereich eines Gesellschafters durchgeführt wurde. Wäre die Beförderung etwa ausschließlich auf Grundlage der dem Mitgesellschafter des Beschwerdeführers zukommenden Berechtigung für Spediteure unter dessen ausschließlicher Verantwortung durchgeführt worden, so wäre dem Beschwerdeführer insofern keine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zugekommen, sodass dieser auch für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich nicht verantwortlich wäre."

18 Auch nach deutschem Recht steht die Führung der Geschäfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Gesellschaftern gemeinsam zu (§ 709 Abs. 1 BGB), kann jedoch gemäß § 710 BGB einem oder mehreren Gesellschaftern übertragen werden, wodurch die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Die Bestellung von Geschäftsführern kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen (vgl. Henssler/Strohn/Servatius, BGB § 709 Rn 6 ff).

19 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage träfe grundsätzlich sämtliche Revisionswerber als Gesellschafter der C. GbR die Befugnis zur Vertretung und zur Geschäftsführung und damit die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit, sofern nicht vertraglich (bei gegebener Formfreiheit) Abweichendes geregelt wurde.

20 Das Bestehen einer solchen abweichenden vertraglichen Regelung wird im angefochtenen Erkenntnis deshalb verneint, weil das Verwaltungsgericht der Bestellung der beiden Geschäftsführer durch den Ergänzungsvertrag zum Gesellschaftsvertrag vom (beide Verträge liegen als Kopie im Akt und wurden demnach von sämtlichen Gesellschaftern der C. GbR unterschrieben) die Rechtswirksamkeit abspricht, und zwar einerseits deshalb, weil diese Bestellung zu Geschäftsführern nicht (wie im Gesellschaftsvertrag vom vorgesehen) durch die "Geschäftsversammlung" und andererseits nur "zum Schein" erfolgt sei.

Diese Argumente sind aus folgenden Gründen nicht tragfähig:

21 Mit dem erstgenannten Argument wird verkannt, dass, wie im zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2003/03/0041, ausgeführt wurde, Formfreiheit bei der Bestellung von Geschäftsführung und Vertretungsbefugten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht. Daher durfte das Verwaltungsgericht der Bestellung des Zweit- und Sechstrevisionswerbers zu Geschäftsführern mittels Ergänzungsvertrag vom nicht aus Formgründen (erforderlicher Beschluss der "Geschäftsversammlung") die Rechtswirksamkeit absprechen, zumal dieser Bestellungsvorgang, wie erwähnt, ohnedies durch sämtliche Gesellschafter der C. GbR (durch Unterfertigung des Ergänzungsvertrages) erfolgte.

22 Zum zweitgenannten Argument führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Geschäftsführerbestellung "inhaltlich nicht umgesetzt und nicht gelebt" worden bzw. "zum offenkundigen Zweck der Umgehung gesellschafts- bzw. haftungsrechtlicher Bestimmungen nur zum Schein und somit nicht rechtswirksam" erfolgt sei. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Einschätzung fehlt jedoch.

23 Im angefochtenen Erkenntnis wird zwar ausgeführt, der Zweitrevisionswerber habe in der Verhandlung den Abschluss von Verträgen einerseits als Teil des Aufgabenbereiches des kaufmännischen Geschäftsführers (Sechstrevisionswerber) bezeichnet und andererseits ausgesagt, dass er (der Zweitrevisionswerber) die Verträge mache. Über Vorhalt habe er angegeben, dass sich die beiden Geschäftsführer "dahingehend abwechseln können". Diese Aussagen lassen zwar den Schluss zu, dass nicht bloß einer der beiden Geschäftsführer, sondern jeder von ihnen befugt war, im Namen der anderen Gesellschafter Verträge (so insbesondere Dienstverträge) abzuschließen, sodass (wie im Übrigen die Revision unter Pkt. C.2. zugesteht) beide Geschäftsführer die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit trifft. Dies lässt aber noch nicht den Schluss zu, dass die Geschäftsführerbestellung - als solche - insgesamt nur zum Schein erfolgt und rechtsunwirksam sei.

24 Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Verwaltungsgerichts durfte gegenständlich somit die Rechtswirksamkeit der Bestellung des Zweit- und Sechstrevisionswerbers zur Vertretung und Geschäftsführung (und damit deren ausschließliche Verantwortlichkeit für die angelasteten Übertretungen) nicht verneint werden.

25 Daraus folgt, dass das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich des Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftrevisionswerbers wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff, vor allem § 52 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

27 Zur Revision des Zweit- und Sechstrevisionswerbers:

Ausgehend von der zuvor dargelegten grundsätzlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Zweit- und Sechstrevisionswerbers wäre deren Revision nur dann zulässig, wenn die hier entscheidende Beurteilung, dass der in Rede stehende, mit den Arbeitskräften I. und S. abgeschlossene "Werkvertrag" nach seinem wahren wirtschaftlichen Gehalt als "Arbeitsvertrag" anzusehen sei (was zur Verantwortlichkeit des Zweit- und Sechstrevisionswerbers als "Arbeitgeber" iSd AVRAG führt), eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft. Die Revision behauptet unter Zitierung von hg. Judikatur das Außerachtlassen derselben im Rahmen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, ob gegenständlich ein Werkvertrag oder ein Arbeitsvertrag vorliegt.

28 Entgegen diesem Vorbringen stellt sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im vorliegenden Fall nicht:

29 Gemäß § 7i Abs. 10 AVRAG ist für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, der "wahre wirtschaftliche Gehalt" und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.

30 Damit in Übereinstimmung hat das Verwaltungsgericht - wie das wiedergegebene angefochtene Erkenntnis zeigt - die Frage, ob es sich bei den beiden Vereinbarungen zwischen der C. GbR einerseits und den genannten Arbeitskräften I. bzw. S. andererseits um einen Werkvertrag oder um einen Arbeitsvertrag handelt, den wahren wirtschaftlichen Gehalt dieses Vertrages anhand der für diese Vertragstypen jeweils kennzeichnenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beurteilt (vgl. zum Erfordernis einer "Gesamtbeurteilung" in Fällen der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften jüngst das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2017/11/0068, mit Verweis auf Judikatur des EuGH).

31 Die dabei vom Verwaltungsgericht für das Vorliegen eines Werkvertrages oder eines Arbeitsvertrages als maßgeblich erachteten Kriterien weichen auch nicht von jenen in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (bzw. des EuGH) als entscheidend herausgearbeiteten Kriterien ab (vgl. zu den maßgebenden Kriterien erneut das zitierte Erkenntnis Zl. Ra 2017/11/0068, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/08/0003, vom , Zl. 2012/09/0130, vom , Zl. 2011/08/0130, vom , Zl. 2013/11/0079, und vom , Zl. Ra 2016/08/0144).

32 Die Frage, inwieweit und aus welchen Gründen im Rahmen der jeweils vorzunehmenden Gesamtbetrachtung einzelnen dieser Kriterien im konkreten Fall ein höheres und anderen ein geringeres Gewicht beigemessen wird, stellt eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2017/11/0042).

33 Die gegenständliche Beurteilung dieser Frage ist weder mit einem Verfahrensfehler behaftet (insbesondere hat das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt) noch als unvertretbar zu erkennen.

34 Die Revision des Zweit- und Sechstrevisionswerbers war demnach mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017110024.L00.1

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