VwGH vom 19.09.2006, 2005/06/0017

VwGH vom 19.09.2006, 2005/06/0017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der IH und 2. des Dr. NL, beide in L, beide vertreten durch Friedl & Holler, Rechtsanwalt-Partnerschaft in 8462 Gamlitz, Marktplatz 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ. FA13B-12.10 L 257-04/3, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Ö GmbH in G, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1; 2. Stadtgemeinde L, vertreten durch Kortschak & Höfler, Rechtsanwälte OEG in 8430 Leibnitz, Kadagasse 15), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben je zu gleichen Teilen dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom (eingelangt beim Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde am ) beantragte die Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von vier Wohnhäusern mit insgesamt 18 Wohneinheiten, einer Tiefgarage für 18 Pkw und 6 Nebengebäuden (Gartenhaus, Fahrräder, Müll) auf dem näher angeführten Grundstück in der KG A.

Die Beschwerdeführer, deren Grundstück in ca. 218 m Entfernung östlich vom Bauvorhaben gelegen ist, erhoben aus Anlass der Kundmachung vom der (in der Folge vertagten) Bauverhandlung am schriftlich Einwendungen. Sie trugen vor, dass mit der Realisierung des Bauvorhabens eine unzumutbare zusätzliche Lärmbelästigung verbunden sei, die unter Berücksichtigung des bereits derzeit bestehenden Lärmpegels ein gesundheitsschädliches Ausmaß erreiche. Diese Belästigung resultiere aus dem Umstand, dass sämtliche Zufahrten zu den gegenständlichen Bauten in unmittelbarer Nähe ihrer Grundstücke erfolgten und dadurch eine Vervielfachung des Verkehrsaufkommens in ihrer bisherigen ruhigen Wohngegend eintrete. Dies sei auch in den Nachtstunden zu erwarten, wobei eine Lärmbelästigung durch das Anfahren von Pkws und durch das Zuschlagen von Pkw-Türen in unmittelbarer Nähe ihrer Schlafzimmerfenster eintreten werde. Es werde hinsichtlich der Lärmbelästigung durch die Summierung des Istmaßes mit dem Prognosemaß das Widmungsmaß - nicht nur geringfügig - überschritten, sodass sie gestützt auf diese Einwendung den Antrag stellten, ihnen auf Grund der Einwendung der unzumutbaren und gesundheitsschädlichen Lärmbelästigung sowie der Einwendung des Widerspruches zum Bebauungsplan gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG die Parteistellung im Bauverfahren zuzuerkennen. Die Bauverhandlung wurde sodann auf Grund des Antrages der Beschwerdeführer vertagt.

Diese Kundmachung und Ladung zur Bauverhandlung wurde an der Amtstafel der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom bis angeschlagen.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Erstmitbeteiligten die baurechtliche Bewilligung für das angeführte Bauvorhaben unter Auflagen und mit der Maßgabe, dass die mit dem Genehmigungsvermerk versehenen und beiliegenden Pläne und Unterlagen einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten. Die Einwendungen der Beschwerdeführer betreffend eine Lärmbelästigung wurden nach Anerkennung ihrer Parteistellung unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der die Errichtung einer Wohnhausanlage mit Tiefgarage im reinen Wohngebiet zulässig sei und die von Wohnhäusern typischerweise ausgehenden Emissionen von Nachbarn im Wohngebiet hinzunehmen seien, abgewiesen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies die u. a. von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom ab. Es erfolgte lediglich in der Auflage

5. eine Richtigstellung.

Die belangte Behörde wies die u.a. dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Sie führte im Wesentlichen aus, der Aktenlage sei zu entnehmen, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück im geltenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Aufschließungsgebiet der Kategorie reines Wohngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,3 bis 0,8 ausgewiesen sei. Für diesen Bereich sei der Bebauungsplan K-Weg erlassen worden, in dem festgelegt sei, dass die Erschließung des Planungsgebietes (das Baugrundstück und zwei weitere genannte Grundstücke der KG A.) im Süden über den K-Weg (öffentliches Gut, Gemeindestraße, Grundstück Nr. 137) und im Norden über das Grundstück Nr. 36/2 (öffentliches Gut, Gemeindeweg) erfolgen solle. Festgelegt sei weiters, dass einbis dreigeschoßige Bauwerke entstehen sollten, der Bebauungsgrad 0,2 bis 0,4 betragen solle und sich das Planungsgebiet in der Ortsbildschutzzone von L. befinde.

Wenn die Beschwerdeführer ausführten, dass weder ein lärmtechnisches noch ein medizinisches Gutachten zur Klärung der lärmtechnischen Situation eingeholt worden sei, werde Folgendes festgestellt:

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. a Stmk. Raumordnungsgesetz seien reine Wohngebiete Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt seien, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienten (Kindergärten, Schulen, Kirchen u.dgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprächen, zulässig seien. § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG gewähre daher im Zusammenhang mit der Widmungskategorie reines Wohngebiet gemäß § 23 Abs. 5 lit. a Stmk. Raumordnungsgesetz nur insoweit einen Immissionsschutz, als es sich um sonstige Gebäude im Sinne dieser Bestimmung handle, die keine Wohnbauten seien. Aus dieser Widmungsregelung ergebe sich für die verfahrensgegenständliche Wohnbebauung kein Immissionsschutz für die Nachbarn und damit auch kein Mitspracherecht. Sämtlichen Vorbringen der Beschwerdeführer sei darüber hinaus zu entnehmen, dass eine Lärmbelästigung insbesondere im Bereich des K-Weges befürchtet werde. Diesbezüglich werde auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach aus § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Schutzanspruch gegen die Vermehrung von Belästigungen durch die Vermehrung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen zustehe. In dem Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0268, habe der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus ausgeführt, dass dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zustehe, dass die Verkehrsverhältnisse außerhalb des Bau- oder Widmungsgrundes unverändert blieben. In diesem Verfahren sei es um die Zunahme des Verkehrs auf einem Servitutsweg gegangen. Insgesamt könne auch zu diesem Themenkomplex keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer festgestellt werden.

Hinsichtlich der angesprochenen Widersprüche zwischen dem eingereichten Projekt und den Festlegungen im Bebauungsplan (betreffend Dichte, Grad sowie Dachgestaltung) werde noch festgehalten, dass ein Recht des Nachbarn auf Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien nur dann zustehe, wenn damit ein Immissionsschutz verbunden sei. Da die genannten Festlegungen Gestaltungsregelungen enthielten und nicht im Zusammenhang mit Immissionsschutz zu sehen seien, sei somit eine Verletzung von Nachbarrechten nicht gegeben.

Die Behandlung der zunächst dagegen beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1209/04-6, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Die zweitmitbeteiligte Stadtgemeinde hat rechtsanwaltschaftlich vertreten eine Stellungnahme zum Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgegeben und dazu Kostenersatz geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 119d Stmk. BauG i.d.F. LGBl. Nr. 78/2003 sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 anhängigen Verfahren nach den bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle (das ist der ) geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Es kommt daher im vorliegenden Fall des Stmk. BauG in der Stammfassung (LGBl. Nr. 59/1995) zur Anwendung.

Gemäß § 4 Z. 41 Stmk. Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), ist Nachbar der Eigentümer oder Inhaber eines Baurechtes (Bauberechtigter) der an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen sowie jener Grundflächen, die zum vorgesehenen Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass vom geplanten Bau oder dessen konsensgemäßer Benützung Einwirkungen auf diese Grundflächen ausgehen können, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Schutz gewähren.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsvorschriften, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;


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2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
4.
die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
5.
die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
§ 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG sieht betreffend den Schallschutz
eines Bauvorhabens vor, dass das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein muss, dass der von den Benützern oder von Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sicher gestellt sind.
Die Ausführungen in der Beschwerde in Bezug auf die befürchtete Lärmbelästigung wenden sich gegen den in dem Planungsgebiet bereits bestehenden Verkehrslärm auf öffentlichen Straßen und die durch das Bauvorhaben zu befürchtende Vergrößerung des Verkehrsaufkommens bzw. des dadurch entstehenden Verkehrslärmes.
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang zutreffend entgegengehalten, dass dem Nachbarn nach der hg. Judikatur zu § 26 Abs. 1 Stmk. BauG hinsichtlich der Vermehrung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen kein Mitspracherecht zukommt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0147). In gleicher Weise hat der Nachbar kein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass sich der Verkehr auf öffentlichen Straßen nicht ändere (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0142).
Weiters tragen die Beschwerdeführer vor, dass im Planungsgebiet Immissionswerte gegeben seien, die die gesetzlich festgelegten Höchstmaße bei weitem überschritten. Der angefochtene Bescheid widerspreche somit auch den gesetzlichen Bestimmungen des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L). Es hätte die Behörde bei Berücksichtigung der darin verankerten Vorgaben erkennen müssen, dass ohne Festlegung entsprechender Sanierungsgebiete im Sinne des § 2 Abs. 8 IG-L eine weitere Bebauung nicht erfolgen dürfe.
Abgesehen davon, dass sich dieses Vorbringen in keiner Weise auf das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben bezieht, enthält das Stmk. BauG keinerlei Bezugnahme auf das ins Treffen geführte Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) des Bundes, BGBl. I Nr. 115/1997. Nach diesem Bundesgesetz liegt es in der Entscheidung des jeweiligen Landeshauptmannes, bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 IG-L einen Maßnahmenkatalog gemäß Abs. 2 zur Verringerung von Schadstoffen in der Luft zu erlassen, um im Sinne des § 10 Abs. 2 IG-L das Sanierungsgebiet gemäß § 2 Abs. 8 festzulegen und im Rahmen der §§ 13 bis 16 Maßnahmen anzuordnen, die im Sanierungsgebiet oder in Teilen des Sanierungsgebietes umzusetzen sind, und Fristen zur Umsetzung der Maßnahmen festzusetzen. Es besteht jedenfalls kein Rechtsanspruch eines Nachbarn eines Bauverfahrens auf Festlegung eines Sanierungsgebietes im Sinne des § 2 Abs. 8 IG-L. Da das Vorbringen der Beschwerdeführer, wenn man ihre Parteistellung bejahte, jedenfalls abzuweisen war, brauchte auf die Frage, ob den Beschwerdeführern überhaupt die Stellung von Nachbarn im Sinne des § 4 Z. 41 Stmk. BauG zukam, nicht eingegangen zu werden. Die Beschwerdeführer wurden durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt.
Soweit sich die Beschwerdeführer in der Beschwerde auf § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG als eines der verletzten Rechte berufen, sind sie darauf zu verweisen, dass diese Schallschutz-Bestimmung allein von dem zu bewilligenden Bauvorhaben ausgehende Schallemissionen betrifft. Derartige Emissionen werden nicht gerügt.
Inwiefern die Beschwerdeführer aber durch "sämtliche Bestimmungen der EU-Umgebungslärmrichtlinie" in Rechten verletzt würden, wird in der Beschwerde nicht weiter begründet, und es ist nicht ersichtlich, weshalb im Hinblick auf diese Richtlinie (2002/49/EG) eine Rechtsverletzung möglich wäre, weshalb auch darauf nicht näher einzugehen war.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Stadtgemeinde war abzuweisen, da für die Erstattung einer Stellungnahme zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG kein Kostenersatz vorgesehen ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0128)
Wien, am