VwGH vom 03.05.2012, 2010/06/0190

VwGH vom 03.05.2012, 2010/06/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie den Hofrat Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des M B in Z, vertreten durch Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Opernring 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.17-44/2010-4, betreffend Übertretung des Stmk. BauG (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde T vom wurden dem Beschwerdeführer hinsichtlich der auf dem Grundstück Baufläche .332, KG. T., befindlichen Gebäude baupolizeiliche Aufträge dahingehend erteilt, näher beschriebene, unverzüglich vorzunehmende Sicherungsmaßnahmen zu setzen und näher konkretisierte Mängelbehebungen an den baulichen Anlagen bis vorzunehmen.

Bei einem Ortsaugenschein am wurde festgestellt, dass keine der zur unverzüglichen Durchführung vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen bei den in Frage stehenden Gebäuden vorgenommen worden seien. Bei einem Ortsaugenschein am , durchgeführt von der Bezirkshauptmannschaft L, stellte der bautechnische Amtssachverständige fest, dass eine Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zielführend erscheine und eine Abtragung des Objektes empfohlen werde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde T vom wurde gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. Baugesetz 1995 hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen auf dem Grundstück Baufläche .332 KG. T., ein Beseitigungsauftrag, mit Ausnahme des südlich gelegenen Garagentraktes, erteilt.

Die Bezirkshauptmannschaft L erkannte den Beschwerdeführer mit Bescheid vom für schuldig, in der Zeit vom bis der mit Bescheid vom getroffenen Anordnung bislang nicht entsprochen zu haben. Dieser Bescheid sei am in Rechtskraft erwachsen. Er habe damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 118 Abs. 2 Z. 11 Stmk. BauG begangen und es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit sechs Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer selbst die ihm zur Last gelegte Übertretung dem Grunde nach zugebe. Seiner Rechtfertigung, dass er auf Grund seiner finanziellen Lage (vollkommene Mittellosigkeit) nicht in der Lage sei, dem Abbruchsauftrag zu entsprechen und ein Notstand im Sinne des § 6 VStG vorliege, könne nicht gefolgt werden. Unter Notstand sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im Allgemeinen strafbaren Handlung retten könne. Weiters gehöre es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarer Weise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbstverschuldet sei.

Wie aus dem der Bezirkshauptmannschaft L vorliegenden baupolizeilichen Bescheid vom hervorgehe und wie auch dem zuständigen Bearbeiter auf Grund des in der gegenständlichen Angelegenheit ebenfalls bei der Bezirkshauptmannschaft L anhängigen Verfahrens gemäß dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz bekannt sei, habe sich der Beschwerdeführer jahrelang nicht um das vorliegende Projekt gekümmert und somit neben diversen Brandstiftungen zum gänzlichen Verfall des gegenständlichen Objektes mit dazu beigetragen, sodass sich die Stadtgemeinde T schließlich veranlasst gesehen habe, einen Abbruchsbescheid zu erlassen. Der Beschwerdeführer habe somit den Verfall des gegenständlichen Objektes zumindest mitverschuldet, sodass im Sinne der wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes ausgeschlossen werden könne. Der Beschwerdeführer habe sich somit durch die Nichtbefolgung des Abbruchsauftrages strafbar gemacht.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe ab, dass die verletzte Rechtsvorschrift lautet:

"§ 118 Abs. 2 Z. 11 des Stmk. Baugesetzes 1995 in der zur Tatzeit gültigen Fassung iVm dem zitierten Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde T vom , GZ:… ."

Sie führte insbesondere aus, der Beschwerdeführer habe in keinem Stadium des Verfahrens dargelegt, warum ihm nicht zumindest eine teilweise Beseitigung der baulichen Anlagen möglich gewesen wäre. Er rechtfertige sich wiederholt mit dem Vorbringen, dass ihm die Bezahlung der Abbruchskosten in der von ihm kalkulierten Höhe von EUR 40.000,-- auf Grund seiner persönlichen Verhältnisse (offene Kreditverbindlichkeiten in der Höhe von ca. EUR 350.000,-- , die derzeit nicht bedient werden könnten und ein monatliches Einkommen von rund EUR 750,00) nicht möglich sei. Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur genüge es zum Nachweis der finanziellen Undurchführbarkeit der Beseitigung von Baugebrechen aber nicht, dass der Eigentümer die zur Schadensbehebung (Beseitigung) erforderlichen Mittel nicht besitze. Er müsse vielmehr nachweisen, dass er sich die hiefür erforderlichen Mittel nicht beschaffen könne. Entscheidend sei weiters, ob innerhalb des angeführten Tatzeitraumes alles unternommen worden sei, um die Finanzierung sicher zu stellen, nicht aber, ob sie tatsächlich sichergestellt werde. Ein derartiges Vorbringen sei vom Beschwerdeführer nicht erstattet worden. Wenn der Beschwerdeführer meine, auf Grund seiner Mittellosigkeit liege ein entschuldigender Notstand vor, so werde auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen. Angemerkt werde dazu, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Wesen des Notstandes gehöre, dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet worden sei, und dass sich jemand unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung dann nicht zu Recht auf Notstand berufen könne, wenn er die Möglichkeiten zur Abwendung der eingetretenen Zwangslage nicht rechtzeitig wahrgenommen habe. Durch seine jahrelange Untätigkeit habe der Beschwerdeführer den gänzlichen Verfall der hier in Rede stehenden baulichen Anlagen zumindest in Kauf genommen, weshalb er sich nunmehr nicht auf einen rechtfertigenden Notstand berufen könne.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 2 Z. 11 Stmk. Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 7/2002 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu EUR 7.267,-- zu bestrafen ist, wer

"11. die in Bescheiden getroffenen Anordnungen oder vorgeschriebenen Auflagen nicht einhält".

Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG in der Stammfassung hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.

Gemäß § 39 Abs. 1 Stmk. BauG in der Stammfassung hat der Eigentümer dafür zu sorgen, dass die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden.

Gemäß § 39 Abs. 3 Stmk. BauG in der Stammfassung hat die Behörde dem Eigentümer, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen und die Behebung des der Bewilligung und den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Zustandes unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufzutragen.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht dagegen, dass er die angeführte Verwaltungsübertretung begangen hat. Er macht aber geltend, dass ein Notstand vorgelegen sei, der auf Grund der erfolgten Brandstiftung und der Nichteinbringlichkeit von Schadenersatzbeträgen gegen den Verursacher nicht von ihm zu verantworten sei. Er hätte auch keine Möglichkeit gehabt, die erforderlichen Mittel zu beschaffen bzw. habe er in der Wirklichkeit keine Möglichkeit, eine versuchte Beschaffung von Geldmitteln nachzuweisen. Es hätte ihm auch nicht vorgeworfen werden dürfen, dass er die Möglichkeiten zur Abwendung der eingetretenen Zwangslage nicht rechtzeitig wahrgenommen habe, nachdem er ausgeführt habe, die Sache durch Verwertung der Liegenschaft einer Lösung zuzuführen. Eine mehrjährige Untätigkeit könne dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden. Es habe lediglich die Liegenschaft mangels Interessenten und mangels Erreichung des Mindestbotes über mehrere Jahren nicht verwertet werden können. Die belangte Behörde hätte somit einen entschuldbaren Notstand annehmen müssen, sowie dass der Beschwerdeführer alles in seinen Möglichkeiten Stehende getan habe, um der behördlichen Aufforderung zu entsprechen.

Dem ist - wie dies die Behörden zutreffend getan haben - entgegenzuhalten, dass eine Voraussetzung für das Vorliegen eines Notstandes ist, dass die Zwangslage, die dabei ins Treffen geführt wird, nicht selbst verschuldet ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0200). Aus dem baupolizeilichen Verfahren bei der Bezirkshauptmannschat L ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer offensichtlich jahrelang nicht um das gegenständliche Objekt gekümmert hat und somit zu seinem weitgehenden Verfall mit beigetragen hat, dass letztlich ein Abbruchsbescheid erlassen wurde. Auch im Hinblick auf die ins Treffen geführte hohe Überschuldung des Beschwerdeführers kann es sich dabei nicht um eine nicht selbst verschuldete Zwangslage handeln, sodass in Bezug darauf das Vorliegen einer Notstandssituation ausgeschlossen werden kann.

Bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG. Das bedeutet, dass schon das bloße Nichterfüllen des erteilten baupolizeilichen Beseitigungsauftrages strafbar ist, wenn der Adressat des Auftrages nicht aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um dem baupolizeilichen Auftrag zu entsprechen (vgl. zur Verletzung der Instandhaltungspflicht des Eigentümers eines Gebäudes das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0225). Wenn der Beschwerdeführer ins Treffen führt, er habe anlässlich seiner Einvernahme im Verwaltungsverfahren die Verwertung der Liegenschaft ins Treffen geführt und damit alles in seinen Möglichkeiten Stehende, um den Abbruchsauftrag zu erfüllen, getan, kann ihm gleichfalls nicht gefolgt werden. Der verfahrensgegenständliche Abbruchsauftrag ist am in Rechtskraft erwachsen und bis hat der Beschwerdeführer - außer der Absichtserklärung in seiner Einvernahme am - nichts unternommen, um eine Finanzierung zur Durchführung des aufgetragenen Abbruches (oder zumindest eines Teiles davon) zu erreichen bzw. dem erteilten Abbruchsauftrag nachzukommen. Die belangte Behörde verweist zutreffend darauf, dass es nach der hg. Judikatur zum Nachweis der finanziellen Undurchführbarkeit der Beseitigung von Baugebrechen nicht genüge, dass der Eigentümer die zur Schadensbehebung (Beseitigung) erforderlichen Mittel nicht besitze. Es muss vielmehr nachgewiesen haben, dass er sich die hiefür erforderlichen Mittel nicht beschaffen habe können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0007). Dies muss auch im Falle des verfahrensgegenständlichen Beseitigungsauftrages gelten. Zu einem derartigen Vorbringen muss der Beschuldigte auch nicht von der Verwaltungsstrafbehörde aufgefordert werden. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits grundsätzlich ausgesprochen, ungünstige finanzielle Verhältnisse eines Beschuldigten könnten nicht dazu führen, dass bei einem strafbaren Verhalten vom Vorliegen eines Verschuldens nicht ausgegangen werden dürfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0016).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am