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VwGH vom 02.04.2014, 2012/11/0196

VwGH vom 02.04.2014, 2012/11/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des CH in V, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic und Mag. Silke Todor-Kostic, Rechtsanwälte in 9220 Velden/Wörthersee, Karawankenplatz 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-1980/24/2011, betreffend Einschränkung der Befugnis zum Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenfahrzeugen (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im bekämpften Umfang (Vorschreibung von Kontrolluntersuchungen und Befristung der Lenkbefugnis) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein gegenüber dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom rechtskräftig auferlegtes Lenkverbot (§ 32 FSG) aufgehoben.

Gleichzeitig wurde die Befugnis des Beschwerdeführers zum Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen, Motorfahrrädern und Invalidenfahrzeugen eingeschränkt, indem (nur dieser Teil wird von der Beschwerde bekämpft) einerseits die Durchführung von jährlichen augenfachärztlichen Kontrolluntersuchungen jeweils im August samt Vorlage des Untersuchungsbefundes an die Behörde vorgeschrieben und andererseits die Befugnis zum Lenken der genannten Kraftfahrzeuge bis zum befristet wurde.

Ausschließlich gegen diese Einschränkung der Lenkbefugnis richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde unter gleichzeitigem Verzichtet auf die Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Das FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 61/2011, lautet auszugsweise:

"§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit


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1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.
...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. ...

...

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26, 29 sowie 30a und 30b entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges


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1.
ausdrücklich zu verbieten,
2.
nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden, oder
3.
nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.
..."
Die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 in der Fassung BGBl. II Nr. 280/2011, lautet auszugsweise:
"Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

(5) Personen mit einer fortschreitenden Erkrankung kann eine Lenkberechtigung befristet erteilt oder belassen werden unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen. ...

...

Sehvermögen

§ 7. (1) Alle Bewerber um eine Lenkberechtigung müssen sich einer Untersuchung unterziehen, um festzustellen, dass sie einen für das sichere Lenken von Kraftfahrzeugen ausreichenden Visus (Abs. 2 Z 1) haben. ...

2) Das im § 6 Abs. 1 Z 6 angeführte mangelhafte Sehvermögen liegt vor, wenn nicht erreicht wird

1. ein Visus mit oder ohne Korrektur

a) für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 beim beidäugigen Sehen von mindestens 0,5

..."

2. In der Begründung führt die belangte Behörde zur gegenständlichen Einschränkung der Befugnis des Beschwerdeführers zum Lenken der in § 32 FSG genannten Kraftfahrzeugen (Befristung und Vorschreibung jährlicher Kontrolluntersuchungen) eine Augenerkrankung an, zu welcher der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass er trotz dieser angeborenen Erkrankung bereits seit 25 Jahren unfallfrei mit dem "Moped bzw. Mopedauto" am Straßenverkehr bei jeder Tages- und Nachtzeit teilnehme.

Der augenfachärztliche Sachverständige habe ausgeführt, dass die Sehleistung des Beschwerdeführers nur knapp unter dem Visus von 0,5 liege, dass keine Bedenken im Hinblick auf die Lichtempfindlichkeit oder Defizite beim Fahren in der Dämmerung, Nacht oder schlechter Sicht vorlägen und dass die Sehleistung des Beschwerdeführers für das begehrte Lenken ausreichend sei.

Daran anknüpfend habe die Amtssachverständige ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf das "Nichtvorliegen einer chronisch fortschreitenden Augenerkrankung" sowie unter Bedachtnahme auf die zeitlebens erworbenen Kompensationsmechanismen zum Lenken der gegenständlichen Kraftfahrzeuge geeignet erscheine, dies jedoch unter der Auflage jährlicher augenfachärztlicher Kontrolluntersuchungen, "um eine etwaige Verschlechterung des Sehvermögens rechtzeitig zu erkennen", und befristet auf die Dauer von 5 Jahren.

In der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde erkennbar von der aktuellen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken der in § 32 FSG genannten Kraftfahrzeuge aus, weil zwar für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 das Erfordernis eines Visus von 0,5 erforderlich sei, doch im Sinne näher zitierter Judikatur zu berücksichtigen sei, dass es gegenständlich bloß um das Lenken eines Motorfahrrades gehe.

Zur Befristung und zur Vorschreibung der jährlichen Kontrolluntersuchungen verwies die belangte Behörde lediglich auf das genannte Gutachten der Amtsärztin.

3. Um eine bloß eingeschränkte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar noch in ausreichendem Maß, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art nach Ablauf der von der Behörde angenommenen Zeit mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. aus vielen das - ebenfalls zur Einschränkung gemäß § 32 FSG - ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/11/0091).

Demnach ist Voraussetzung sowohl für die Vorschreibung von Nachuntersuchungen als auch für die Befristung (hier: der Befugnis zum Lenken der in § 32 FSG genannten Kraftfahrzeuge), dass beim Betreffenden eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn reicht es nicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/11/0096, mit ausführlichem Verweis auf die Vorjudikatur, sowie im gegebenen Zusammenhang insbesondere auch § 3 Abs. 5 FSG-GV).

4. Fallbezogen hat die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die genannten Äußerungen der Amtsärztin gestützt, die jedoch entsprechend der Wiedergabe im angefochtenen Bescheid ausdrücklich vom "Nichtvorliegen einer chronisch fortschreitenden Augenerkrankung" ausging. Anhaltspunkte, weshalb dennoch mit einer Verschlechterung des Sehvermögens des Beschwerdeführers gerechnet werden müsse, werden nicht dargelegt und sind auch nicht offenkundig. Der bloße Hinweis der Sachverständigen auf eine "etwaige" Verschlechterung ist nach dem Gesagten jedenfalls nicht ausreichend.

5. Der angefochtene Bescheid war daher im angefochtenen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die beantragte Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-73388