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VwGH vom 08.10.2014, 2012/11/0192

VwGH vom 08.10.2014, 2012/11/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der G S in W, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/7, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom , Zl. 41.550/507-9/12, betreffend Feststellung der Nichtzugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom wurde der (im Zuge eines Verfahrens gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG von Amts wegen nachgeprüfte) Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 3 und 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) ab mit 60 vH festgesetzt. Diesen Bescheid änderte die belangte Behörde aufgrund einer Berufung im ersten Rechtsgang mit Bescheid vom dahin ab, dass der Grad der Behinderung "ab mit vierzig (40) von Hundert (vH) festgesetzt" wurde, und begründete dies mit einer durch Gutachten objektivierten Verbesserung im Leidenszustand an der rechten Hüfte der Beschwerdeführerin.

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hob den Bescheid vom mit Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0173, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, dies einerseits wegen der Unzulässigkeit einer rückwirkenden Feststellung und andererseits weil bei einem Nichterreichen des Grades der Behinderung von 50 vH (§ 2 Abs. 1 BEinstG) dieser Grad nicht bescheidmäßig festzustellen, sondern gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG nur der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten auszusprechen sei.

1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundessozialamtes vom ab und änderte diesen dahin, dass ausgesprochen werde, die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zum Personenkreis der begünstigten Behinderten lägen nicht mehr vor.

Begründend gab die belangte Behörde die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) wieder: Der Facharzt für Unfallchirurgie Dr. K. gab in seinen Gutachten vom nach Durchführung einer Untersuchung der Beschwerdeführerin als führendes Leiden eine mit 30 vH bewertete Grand-Mal-Epilepsie an, die durch die wechselseitige Beeinflussung durch zwei zusätzliche Leiden der Beschwerdeführerin ("Geringgradige Beweglichkeitseinschränkung an der rechten Hüfte" und "Geringe Beweglichkeitseinschränkung am rechten Knie") zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH führe. In seiner Beurteilung führte der Sachverständige aus, dass die Beweglichkeit der rechten Hüfte seit dem Gutachten aus dem Jahr 1992 eine "wesentliche Besserung" erfahren habe, auch die damals beschriebene Pseudoarthrose sei auf den vorliegenden Röntgenbildern nicht mehr nachweisbar. Zum stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Krankenhaus Hietzing im Februar 2007 infolge von Stürzen wegen Hüftproblemen wurde u.a. festgehalten, dass die Beschwerdeführerin danach in gutem Allgemeinzustand und beschwerdefrei entlassen worden sei.

Auch der Facharzt für Orthopädie Dr. M. gelangte in seinem Gutachten vom im Wesentlichen zur selben Richtsatzeinschätzung (Gesamtgrad der Behinderung 40 vH), bezeichnete die Beweglichkeitsverbesserung im Vergleich zum Gutachten aus 1992 als "evident" und verwies auf das genannte Gutachten des Unfallchirurgen Dr. K. das eine "orthopädischfachlich korrekte, die Funktionsbehinderung in entsprechender Höhe würdigende Beurteilung" enthalte.

In seiner ergänzenden, auf die Äußerung im Parteiengehör replizierenden Stellungnahme vom führte der Orthopädie Dr. M. aus, dass bereits im Jahr 2006 im Zuge der Neufestsetzung des Grades der Behinderung im rechten Hüftgelenk der Beschwerdeführerin eine maßgebliche Verbesserung der Beweglichkeit im Vergleich zur Erstuntersuchung eingetreten sei. Der Bewegungsumfang weiche nur "geringfügig vom Bewegungsumfang eines Normalen" ab, die Beweglichkeit sei "in den letzten drei Jahren nahezu ident geblieben".

In ihrer Beweiswürdigung folgte die belangte Behörde den genannten Gutachten, die sie als schlüssig erachtete, zumal neue, aktuelle Beweismittel nicht vorgelegt worden seien. Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des BEinstG, insbesondere des § 14 Abs. 2 und des § 27 Abs. 1 leg. cit., sowie des aufgrund letztgenannter Bestimmung gegenständlich maßgeblichen Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und der Richtsatzverordnung vom , BGBl. Nr. 150/1965, gelangte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin seit dem Gutachten vom mit 40 vH objektiviert sei und diese daher nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten (der gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG durch einen Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gekennzeichnet sei) angehöre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 7/2011 (BEinstG), lauten auszugsweise:

" Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt:

...

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967). Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

..."

2.3. Die Beschwerde wendet unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften ein, die belangte Behörde habe ihre Beurteilung auf Gutachten gestützt, die bereits mehr als drei Jahre alt und daher nicht mehr als Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten geeignet gewesen seien. Hätte die belangte Behörde neue Gutachten eingeholt, so wäre sie zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheidergebnis gelangt.

Außerdem habe die belangte Behörde, indem sie ihrer Entscheidung Gutachten aus den Jahren 2007 bis 2009 zugrunde gelegt habe, neuerlich eine implizite rückwirkende Feststellung über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten getroffen.

2.4. Zum letztgenannten Vorbringen genügt es, auf den Spruch des angefochtenen Bescheides zu verweisen, durch den (mangels gegenteiliger Angaben mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt seiner Erlassung) ausgesprochen wurde, dass die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht mehr vorlägen.

Was die Aktualität der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Gutachten betrifft, so ist die Beschwerdeführerin zwar im Recht, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hat. Daher werden in Verfahren wie dem vorliegenden in der Regel Gutachten über den aktuellen Gesundheits- bzw. Leidenszustand einzuholen sein.

Dennoch gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, mit dem - nicht näher begründeten - Hinweis auf ein für sie möglicherweise günstigeres Ergebnis die Relevanz des Verfahrensmangels aufzuzeigen. Wie dargestellt haben die beigezogenen Sachverständigen nicht nur eine evidente Besserung des Zustandes der von ihr ins Treffen geführten Leiden an der Hüfte konstatiert, sondern es hat der orthopädische Sachverständige Dr. M. in seiner Stellungnahme vom auch ausgeführt, dass bereits im Jahr 2006 im Zuge der Neufestsetzung des Grades der Behinderung im rechten Hüftgelenk der Beschwerdeführerin eine maßgebliche Verbesserung der Beweglichkeit im Vergleich zur Erstuntersuchung eingetreten sei, dass der Bewegungsumfang der Beschwerdeführerin nur mehr "geringfügig vom Bewegungsumfang eines Normalen" abweiche, und dass die Beweglichkeit "in den letzten drei Jahren nahezu ident geblieben" sei.

Angesichts dieses offensichtlich stabilen Zustandes hatte die belangte Behörde - mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte - keine Veranlassung, eine Neubegutachtung durchzuführen. Auch die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, in welcher Weise und in welchem Ausmaß sich der genannte Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nach der Gutachtenserstellung wieder verschlechtert hätte.

2.5. Im Übrigen sind die Gutachten entgegen dem (auch diesbezüglich nur allgemein gehaltenen) Beschwerdevorbringen nicht als unschlüssig oder widersprüchlich zu erkennen. Insbesondere ist in den Gutachten beider genannter Sachverständiger auch der in der Beschwerde genannte Krankenhausaufenthalt der Beschwerdeführerin im Februar 2007 berücksichtigt, der für sich genommen aber nicht gegen das Verfahrensergebnis spricht, weil die Beschwerdeführerin danach, so die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Gutachten, beschwerdefrei und laut Entlassungsdiagnosen ohne Hinweis auf eine Hüftgelenksabnützung aus der Krankenanstalt entlassen wurde.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am