TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 12.11.2012, 2010/06/0170

VwGH vom 12.11.2012, 2010/06/0170

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des AH in N, vertreten durch die Rechtsanwälte Brüggl Harasser Partnerschaft in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 205-07/254/6- 2010, betreffend einen Auftrag zur Entfernung von Behinderungen (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde N), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Gebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde verläuft unstrittig der als Fuß- bzw. Wanderweg genutzte K-Weg, und zwar vom Ortsgebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde bis zur V-Kapelle, von wo er in Richtung M-Berg und W/B-Berg weiter führt, unter anderem auch über Grundstücke des Beschwerdeführers.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde als Straßenrechtsbehörde erster Instanz vom wurde gemäß § 40 Abs. 2 Landesstraßengesetz 1972 -

LStG 1972 der Gemeingebrauch festgestellt, der von niemandem eigenmächtig behindert werden dürfe. Nach Abweisung der vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung und Vorstellung erging zuletzt das abweisende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2009/06/0145, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird.

Nach Erlassung des Vorstellungsbescheides vom (dieser Bescheid war Gegenstand des vorgenannten Beschwerdeverfahrens zur Zl. 2009/06/0145) ersuchte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom , den Beschwerdeführer darauf aufmerksam zu machen, dass die Benützbarkeit des öffentlichen Weges jederzeit zu gewährleisten sei. Das bedeute, dass die derzeit angebrachten Absperrungen und sonstigen aufgestellten Hindernisse umgehend zu entfernen seien. Unter "umgehend" sei der Termin zu verstehen, dessen Nichteinhaltung rechtlich verfolgt werden würde. Dieses Schreiben erging auch an den Beschwerdeführer.

Laut einem im Gemeindeakt erliegenden Aktenvermerk vom fand an diesem Tag eine Begehung des K-Weges zur Festsetzung der weiteren Maßnahmen für die ungehinderte Benützung statt, an der der Bürgermeister sowie weitere namentlich angeführte Personen teilnahmen. Die bei der Begehung des Wanderweges von Osten nach Westen getätigten Wahrnehmungen hinsichtlich der Begehbarkeit des K-Weges wurden in diesem Aktenvermerk festgehalten.

Mit Bescheid vom trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde als Straßenrechtsbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer auf, die unzulässigen, im Einzelnen (beginnend von Osten nach Westen) angeführten Behinderungen des Gemeingebrauches am K-Weg innerhalb von drei Tagen ab Zustellung des Bescheides zu entfernen. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Als Rechtsgrundlage wurden (u.a.) § 3 Abs. 4 sowie § 4 Abs. 1 lit. b LStG 1972 genannt.

In der Begründung wird unter Hinweis auf das formell rechtskräftig beendete Verfahren betreffend die Feststellung des Gemeingebrauches des K-Weges durch den Vorstellungsbescheid vom ausgeführt, die Ortsbesichtigung am habe ergeben, dass die unzulässigen Behinderungen, wie sie im Spruch konkret angeführt seien, nicht entfernt worden seien. Zur Wahrung des festgestellten Gemeingebrauches sowie zur sicheren Benützung, welche nunmehr auf Grund des abgeschlossenen Verfahrens möglich sein müsse, sei die Entfernung der Hindernisse unbedingt notwendig. (Es folgen Ausführungen zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung.)

In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die gesetzte Leistungsfrist von drei Tagen sei infolge ihrer Kürze rechtswidrig, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei auch zu unbestimmt. Er sei in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden, die Niederschrift über die Begehung des K-Weges durch die Gemeindevorstehung in Anwesenheit des Bürgermeisters sei ihm nie zur Kenntnis gebracht worden. Der Ausspruch im angefochtenen Bescheid, einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, sei qualifiziert rechtswidrig und unvertretbar (wurde näher ausgeführt).

Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde wies mit Bescheid vom die Berufung ab. In ihrer Begründung schloss sich die Gemeindevertretung den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde an.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zur Begründung heißt es (soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung), dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters sei der Aktenvermerk über die Begehung des K-Weges am zugrunde gelegt worden. Nach der Rechtsprechung zu baurechtlichen Bescheiden seien bescheidmäßige Festlegungen durch Verweis auf Verhandlungsprotokolle nicht unzulässig. Entscheidend sei, dass klar erkennbar sei, was durch die mit dem Verweis bewirkte Rezeption Teil des Spruches werde. Im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides würden die vorgefundenen Hindernisse unter Angabe der jeweils betroffenen Grundparzelle beschrieben. Mit dem Verweis auf den Aktenvermerk über die Begehung werde jedenfalls eine ausreichende Klarstellung erreicht. Die belangte Behörde könne daher keine Feststellungsmängel erkennen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf den räumlichen Umfang des Entfernungsbegehrens sei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2009/06/0145, zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis ausgeführt, dass auf den Grundstücken des Beschwerdeführers der Verlauf des Weges zwar geändert worden sei, daraus sei jedoch für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Durch diese Verlegung sei kein neuer Weg entstanden, es handle sich vielmehr nach wie vor um denselben Weg. Insoweit der Beschwerdeführer auf die fehlende Skizze verweise, sei festzuhalten, dass sich dieser Einwand auf das Feststellungsverfahren beziehe, welches nicht gegenständlich sei, und dass sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zitierten Erkenntnis mit diesem Einwand auseinandergesetzt habe.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten des Beschwerdeführers nicht habe festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 3 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 - LStG 1972, LGBl. Nr. 119 (Stammfassung) lautet:

"§ 3

(1) Der Gemeingebrauch einer Straße ist jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden.

(2) Über den Bestand und Umfang des Gemeingebrauches hat die Straßenrechtsbehörde (§ 4) zu entscheiden.

(4) Die Behebung unzulässiger Behinderungen des Gemeingebrauches ist durch die Straßenrechtsbehörde - erforderlichenfalls auch durch Anwendung unmittelbaren Zwanges - zu verfügen."

§ 40 Abs. 2 LStG 1972 in der Fassung LGBl. Nr. 92/2001 lautet:

"Von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen

§ 40

(2) Über die Zulässigkeit und den Umfang der Ausschließung des öffentlichen Verkehrs entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde nach einer mündlichen Verhandlung, die durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel bekannt zu machen ist. …

…"

§ 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 53/1991, lautet:

"§ 2. (1) Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

..."

§ 10 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 53/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008, lautet:

"(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
die Vollstreckung unzulässig ist oder
2.
die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
3.
die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen."
Nach Auffassung des Beschwerdeführers bildet bereits der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom , mit dem für den K-Weg der Gemeingebrauch festgestellt worden sei, der von niemandem eigenmächtig behindert werden dürfe, den tauglichen Vollstreckungstitel für eine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG. Es liege bereits "entschiedene Rechtssache" vor, es bedürfe daher nicht der Erlassung des angefochtenen Bescheides (gemeint: des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom ).
Dieser Ansicht ist nicht zu folgen: Aus § 10 Abs. 2 Z. 2 VVG geht hervor, dass die Vollstreckungsverfügung inhaltliche Deckung im Titelbescheid finden muss. Dies setzt wiederum voraus, dass der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefasst sein muss, dass einerseits dem Bescheidadressaten eine überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und ohne neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen - ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme - ergehen kann (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0234). Dem entspricht der auf § 40 Abs. 2 LStG 1972 gestützte Bescheid vom jedenfalls nicht, weil er nur die Feststellung des Gemeingebrauches für den K-Weg enthält und diesen Gemeingebrauch mit dem Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 LStG 1972 dahingehend näher umschreibt, dass dieser von niemandem eigenmächtig behindert werden dürfe. Zur Beseitigung der konkreten Behinderungen bedurfte es daher der Schaffung eines Titelbescheides gemäß § 3 Abs. 4 LStG 1972. Dass der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom keinen tauglichen Vollstreckungstitel darstelle, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet und mit dem nicht näher begründeten Vorbringen, es wäre der Anwendungsfall einer Vollziehungsverfügung gegeben, nicht dargetan.
Mit seinem Vorbringen, gemäß § 3 Abs. 4 LStG 1972 sei die Behebung unzulässiger Behinderungen eines Gemeingebrauches durch die Straßenrechtsbehörde erforderlichenfalls auch durch Anwendung unmittelbaren Zwanges zu verfügen, übersieht der Beschwerdeführer, dass § 3 Abs. 4 LStG 1972 die Erlassung eines Bescheides vorsieht und nur in Ausnahmefällen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Frage kommt (z.B. bei Gefahr im Verzug). Welche Alternative in Frage kommt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 93/07/0126, VwSlg. 14.113/A). Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde die Anwendung unmittelbaren Zwanges im Hinblick auf diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht ins Auge gefasst hat.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, ihm werde die Entfernung der Verbarrikadierung des Durchgangstores zwischen näher bezeichneten Grundstücken aufgetragen, von denen eines im "Titelbescheid" vom gar nicht enthalten und sohin vom Gemeingebrauch offenkundig nicht umfasst sei, ist wiederum darauf zu verweisen, dass Titelbescheid der Bescheid des Bürgermeisters vom ist. Im Übrigen hat, worauf auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinweist, der Verwaltungsgerichtshof in dem mehrfach zitierten Vorerkenntnis vom , Zl. 2009/06/0145, dargelegt, dass aus der Änderung des Verlaufes des K-Weges auf den Grundstücken des Beschwerdeführers für dessen Standpunkt nichts zu gewinnen sei, weil durch diese Verlegung kein neuer Weg entstanden sei, es sich vielmehr nach wie vor um denselben Weg gehandelt habe.
Ob der Ausspruch im Bescheid des Bürgermeisters vom , wonach einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, qualifiziert rechtswidrig sei, wie der Beschwerdeführer vorbringt, berührt nicht die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil die Vorstellungsbehörde die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Berufungsbehörde und nicht diejenige der Behörde erster Instanz zu beurteilen hatte.
Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, er sei der Begehung des K-Weges nicht beigezogen und es sei ihm die schriftliche Befundaufnahme nie zur Kenntnis gebracht worden, ist ihm zu entgegnen, dass das Gesetz die Beiziehung einer Partei zum Lokalaugenschein - mag sie auch im Einzelfall zweckmäßig sein - nicht vorschreibt (siehe dazu die bei
Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S. 856 E 13 zu § 54 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es sei nicht zu erkennen, von welchem Sachverhalt die Behörde hinsichtlich der Absperrung des K-Weges ausgehe, ist insbesondere auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hinzuweisen, wonach sich der Auftrag zur Entfernung auf die Begehung vom gründet. Dass die im Einzelnen aufgelisteten, zu entfernenden Behinderungen unzutreffend seien, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren, in dem er undifferenziert vorgebracht hat, im fraglichen Bereich befänden sich zahlreiche Holzbalken und Drahtverhaue bzw. Schilder auf dem Weg, die nicht vom Bescheid umfasst sein könnten, nicht konkret dargelegt.
Mit dem Hinweis auf die - sprachlich nicht geglückte - Formulierung im erstinstanzlichen Bescheid "die Behebung der
unzulässigen Behinderungen des Gemeingebrauches ... zu entfernen"
vermag der Beschwerdeführer gleichfalls nicht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil die vom Auftrag betroffenen "Behinderungen" in einer der Vollstreckbarkeit gerecht werdenden Konkretisierung aufgezählt würden,
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am