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VwGH vom 27.05.2010, 2008/03/0101

VwGH vom 27.05.2010, 2008/03/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Mag. F L in R, vertreten durch Fritsch Kollmann Partner Rechtsanwälte, 8010 Graz, Reitschulgasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark vom , Zl UVS 30.10-89/2007-16, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom wurde dem Beschwerdeführer - neben einer weiteren Übertretung, hinsichtlich der das Verwaltungsstrafverfahren im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde eingestellt worden war - Folgendes zur Last gelegt:


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"Tatzeit:
bis
Tatort:
Wildwintergatter auf Grundstück Nr. 308/6, KG Ra, genehmigt von der Bezirkshauptmannschaft Leoben mit Bescheid vom , GZ.: 8.0 A 22-87/4
Ihre Funktion:
Beschuldigter

Übertretung:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom

, ... wurde das oben angeführte Wildwintergatter mitsamt

Rotwildfütterungsanlage gemäß §§ 4 und 50 Stmk. Jagdgesetz 1986 genehmigt, wobei der 'Winterbestand' mit 25 Stück festgesetzt wurde. Auflagenpunkt Nr. 7 des genannten Bescheides lautet überdies wie folgt: 'Der im Gatter gehaltene Rotwildbestand ist exakt zu erfassen und der Zielbestand von 25 Stück einzuhalten.'

Das gegenständliche Wintergatter mitsamt Rotwildfütterungsanlage wird derzeit von der 'Liegenschaftsverwaltung Ra GmbH', ... zu deren Eigenjagdgebiet

... das oben angeführte Grundstück gehört, betrieben. Mit

Schreiben vom wurden Sie von der 'Liegenschaftsverwaltung Ra GmbH' gemäß § 23 Stmk. Jagdgesetz als Jagdverwalter namhaft gemacht. In dieser Funktion trugen Sie die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für den nachstehend angeführten Sachverhalt:

Jedenfalls im Zeitraum zwischen dem und dem befanden sich im gegenständlichen Wildwintergatter entgegen dem oben angeführten, einschlägigen Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom zumindest 52 Stück Rotwild. Dies wurde im Zuge einer Erhebung durch die Bezirkshauptmannschaft Leoben am festgestellt."

Der Beschwerdeführer habe dadurch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom verletzt, über ihn wurde gemäß § 77 des Steiermärkischen Jagdgesetzes (JG) iVm § 23 JG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid dem Grunde nach ab, gab ihr hinsichtlich der Strafe Folge und sprach gemäß § 21 VStG eine Ermahnung aus. Gleichzeitig schränkte die belangte Behörde im Spruch die Tatzeit auf ein und ergänzte die verletzte Rechtsvorschrift dahin, dass der genannte Bescheid der BH Leoben in Verbindung mit § 77 JG verletzt worden sei.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sowie den wesentlichen Inhalt der dagegen eingebrachten Berufung wieder, und traf dann folgende Feststellungen:

Die Liegenschaftsverwaltung Ra GmbH (idF: RF) sei Eigentümerin des Grundstücks Nr 308/5 der KG Ra und Eigenjagdberechtigte des Reviers L, auf dem sich ein mit Bescheid vom genehmigtes Wildwintergatter "V" samt Rotwildfütterungsanlage befinde. Im genannten Bescheid sei mit Punkt 7 die Auflage erteilt worden, den im Gatter gehaltenen Rotwildbestand exakt zu erfassen und den Zielbestand von 25 Stück einzuhalten. Das Revier L sei von RF im Jahr 1994 mit einem Frühjahrsgatterbestand von 44 Stück Rotwild laut Abschussplan 1994/1995 erworben worden. In einem Verfahren nach § 61 Abs 1 JG zur Verminderung des Rotwildes im Revier Vo sei in der Verhandlungsschrift vom hinsichtlich des Wildwintergatters "V" festgehalten, dass das Gatter voll funktionstüchtig sei, die Auflagen eingehalten würden, der aktuelle Rotwildstand 51 Stück betrage und ein "Zielbestand von 30 Stück" angestrebt würde.

JM sei seit über 15 Jahren beeidetes Jagdschutzorgan im verfahrensgegenständlichen Revier L, der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt gemäß § 23 JG bestellter Jagdverwalter des Eigenjagdberechtigten des Eigenjagdgebietes. Der Beschwerdeführer sei im Winter 2005/2006 zwei- bis dreimal im Revier gewesen und habe gemeinsam mit JM Wildstandszählungen vorgenommen, wobei er jedes Mal weniger als 42 Stück gezählt habe. An der Frühjahrswildstandsmeldung 2006 von 42 Stück habe der Beschwerdeführer nicht gezweifelt, weil sie nur um vier Stück niedriger gelegen sei als im Vorjahr; er habe diesbezüglich noch extra bei JM nachgefragt, der ihm diesen Wildstand bestätigt habe. Am habe DI Dr. K 54 Stück Rotwild im Wintergatter gezählt. Der Rotwildbestand im Revier habe seit 1994 immer über 25 Stück betragen. 1996 seien es 31 Stück gewesen, danach sei der Bestand kontinuierlich bis 2001 gestiegen, in welchem Jahr ein leichter Rückgang zum Vorjahr festgestellt habe werden können. Danach sei der Bestand wiederum bis 2003 gestiegen und anschließend ein leichter Rückgang erfolgt.

Wäre der Abschussplan für das Jahr 2005/2006, der vom Bezirksjägermeister genehmigt worden sei, erfüllt worden, dann wäre unter Berücksichtigung des Zuwachses auch kein Zielbestand von 25 Stück im darauffolgenden Jagdjahr erreicht worden.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde weiter aus, es ergebe sich aus dem gesamten Akteninhalt, dass seit vielen Jahren die Rotwildbewirtschaftung in der Ra, wobei im Wesentlichen drei Jagdreviere beteiligt seien, nicht funktioniere. Diese Problematik sei auch der Behörde seit Jahren bekannt. Überdies sei die Erstbehörde bereits seit Jahren von einem Zielbestand von 30 Stück, entgegen dem ursprünglichen Bescheid aus dem Jahr 1987, der einen Zielbestand mit 25 Stück festgehalten habe, ausgegangen. Die Abänderung des Zielbestandes sei nicht "bescheidmäßig erfolgt", ergebe sich aber aus zahlreichen behördlichen Schriftstücken; überdies seien von der Eigenjagd L seit vielen Jahren höhere Frühjahrswildstände gemeldet worden.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde unter anderem aus, es seien seit Jahren in den Abschussplänen Wildstandsmeldungen für das verfahrensgegenständliche Eigenjagdgebiet über einen Zielbestand von 25 bzw 30 Stück hinaus - hier habe sich die Jagdbehörde nicht eindeutig entschieden - gemacht worden, weshalb es "auch dem Normunterworfenen nicht zur Last gelegt werden kann, nicht zu wissen, welcher Zielbestand tatsächlich Rechtsbestand hat". Die Abschusspläne seien jeweils im Einvernehmen mit dem Jagdberechtigten genehmigt und teilweise nur unwesentlich korrigiert worden. So hätte auch der genehmigte Abschussplan für das Jahr 2006/2007 keine Reduktion auf einen Zielbestand von 25 Stück bewirkt. Dabei sei beachtlich, dass die maximale Wilddichte von vier Stück pro ha nicht überschritten werden solle und somit im Gatter "V" mehr als 25 Stück möglich wären.

Es könne nicht festgestellt werden, inwieweit der Beschwerdeführer als Jagdverwalter der verfahrensgegenständlichen Eigenjagd hätte verhindern können, dass sich 52 Stück Rotwild im Wintergatter am befunden haben. Gleichzeitig müsse aber auch davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer keine Anstrengungen unternommen habe, hier Abhilfe zu schaffen bzw "den Zielbestand bescheidmäßig den Tatsachen entsprechend anzupassen".

Gemäß § 21 Abs 1 VStG könne die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig sei und die Folgen der Übertretung unbedeutend. Sie könne den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich sei, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Negative Folgen durch den Überbestand an Rotwild im gegenständlichen Wintergatter seien nicht hervorgekommen. Das Rotwild sei ordnungsgemäß und ausreichend mit Futter versorgt worden, etwaige Schälschäden durch den Überbestand nicht aktenkundig. Der Überbestand an Rotwild im Raum Ra zum Tatzeitpunkt könne nicht allein und ausschließlich auf den erhöhten Wildstand im Bereich des gegenständlichen Wintergatters zurückgeführt werden. Es lägen also weder negative Folgen der Übertretung vor, noch sei das Verschulden des Beschwerdeführers mehr als geringfügig, sodass die Voraussetzungen nach § 21 Abs 1 VStG erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet, zu der der Beschwerdeführer eine Gegenäußerung abgegeben hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs 2 des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986, LGBl Nr 23/1986 (JG), hat der Grundbesitzer für die Errichtung von Wildgattern um die Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde anzusuchen. Eine solche Genehmigung ist mit Auflagen zu versehen.

Gemäß § 23 JG hat der Jagdverwalter die Jagd in dem seiner Verantwortung übertragenen Jagdgebiet zu verwalten. Gegenüber der Behörde haftet er insbesondere für die Erstellung und Einhaltung des Abschussplanes sowie wie für die Beachtung der übrigen jagdpolizeilichen Bestimmungen dieses Gesetzes.

Gemäß § 56 Abs 2 JG hat der Abschuss von Schalenwild (das Schwarzwild ausgenommen) auf Grund eines genehmigten Abschussplanes stattzufinden. Der Abschussplan ist ein Pflichtabschussplan, dessen Gesamtabschusszahlen weder unter- noch überschritten werden dürfen.

Gemäß § 77 JG werden Übertretungen dieses Gesetzes und der auf Grund derselben erlassenen Vorschriften oder besonderen Anordnungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis EUR 2.200,-- bestraft.

2. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer als Jagdverwalter des beschwerdegegenständlichen Eigenjagdgebietes angelastet, er habe es zu verantworten, dass sich im Gatter entgegen dem "einschlägigen" Bescheid vom , der die Einhaltung eines Zielbestands von 25 Stück Rotwild normiert habe, am zumindest 52 Stück Rotwild befunden hätten.

3. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer vom Rechtsnachfolger des früheren Liegenschaftseigentümers (dem Adressat des Bescheides vom ) als Jagdverwalter namhaft gemacht wurde. Einem Bescheid, mit dem die Genehmigung für die Errichtung eines Wildgatters gemäß §§ 4 und 50 JG erteilt wird, kommt dingliche Wirkung zu (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0050). Von daher tritt der neue Liegenschaftseigentümer in die Rechtsstellung des früheren hinsichtlich des Bewilligungsbescheids vom ein; ihn treffen daher die Rechte und Pflichten aus diesem Bescheid. Daher trifft den vom neuen Eigentümer bestellten Jagdverwalter, den Beschwerdeführer, gemäß § 23 JG iVm § 77 JG grundsätzlich die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Bestimmungen des genannten Bescheides.

4. Während die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheids dem Beschwerdeführer die Wildstandsdiskrepanz zwischen dem am festgestellten Stand (52 Stück) und dem "einschlägigen Genehmigungsbescheid" vom (25 Stück) vorgeworfen hat, ging sie in der Begründung, wie dargestellt, davon aus, dass nach dem Eigentumsübergang am beschwerdegegenständlichen Revier (Gatterbestand im Frühjahr 1994 von 44 Stück Rotwild laut Abschussplan 1994/1995) seitens der Jagdbehörde ein Zielbestand von 30 Stück festgelegt worden sei. Da sich auch die Jagdbehörde über den Zielbestand von 25 bzw 30 Stück nicht "eindeutig entschieden habe", könne es auch "dem Normunterworfenen nicht zur Last gelegt werden, nicht zu wissen, welcher Zielbestand tatsächlich Rechtsbestand hat".

Damit im Widerspruch steht der Spruch des angefochtenen Bescheids, der einen gültigen, vom Beschwerdeführer einzuhaltenden Zielbestand von 25 Stück zu Grunde legt. Schon dieser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

5. Die belangte Behörde hat aber auch Folgendes verkannt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Nichterfüllung eines Abschussplanes zwar ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG darstellt, die Umkehr der Beweislast aber nicht bedeutet, dass dadurch das Delikt zu einem (reinen) Erfolgsdelikt würde. Ein Verschulden an der Nichterfüllung des bewilligten (vorgeschriebenen) Abschusses ist dann nicht gegeben, wenn die Erfüllung des Abschusses objektiv unmöglich ist. In diesem Fall kann dem Jagdausübungsberechtigten die Nichteinhaltung des Abschussplanes verwaltungsstrafrechtlich mangels Verschulden nicht vorgeworfen werden (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 94/03/0255, mwN).

Nichts anderes kann gelten, wenn ein gemäß § 23 JG verantwortlicher Jagdverwalter die bescheidmäßige Auflage, im Wildgatter müsse ein bestimmter Wildstand eingehalten werden, nicht einhält (auch dabei handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG), ihm die Einhaltung objektiv aber nicht möglich ist.

Ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde, die explizit davon ausgegangen ist, es könne nicht festgestellt werden, inwiefern der Beschwerdeführer verhindern hätte können, dass sich 52 Stück Rotwild im Wildwintergatter befinden, trifft eben dies zu.

Nicht unbeachtlich ist, dass bei Erfüllung des genehmigten Abschussplanes für das Jagdjahr 2005/2006 unter Berücksichtigung des Zuwachses dennoch kein Zielbestand von 25 Stück im darauf folgenden Jagdjahr erreicht worden wäre, die Erreichung eines "Zielbestands" von 25 Stück also jedenfalls die Überschreitung des genehmigten Abschussplans erfordert und damit einen Verstoß gegen § 56 Abs 2 JG bedeutet hätte.

Ist die Erfüllung des Bescheides aber unmöglich, kann die Vorwerfbarkeit des Verhaltens entgegen der Auffassung der belangten Behörde (der Beschwerdeführer habe keine Anstrengungen unternommen, den "Zielbestand bescheidmäßig anzupassen") nicht etwa darauf gestützt werden, dass der Betreffende keinen Antrag gestellt habe, den Bescheid abzuändern. Unter diesen Umständen kann dem Beschwerdeführer vielmehr rechtens nicht zur Last gelegt werden, er habe die Einhaltung des genannten Bescheides unterlassen.

6. Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid - wegen der vorrangig aufzugreifenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-73357