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VwGH vom 15.12.2011, 2008/03/0098

VwGH vom 15.12.2011, 2008/03/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des I B in W, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Tramposch Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom , Zl uvs-2007/17/2023-2, betreffend Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde wird in Ansehung des Ausspruchs über die Schuld abgelehnt.

II. zu Recht erkannt:

Im Umfang des Strafausspruchs wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

"Tatzeit: um 11:45 Uhr

Tatort: Gemeindegebiet Kundl, Kontrollstelle Kundl, A 12 Fahrtrichtung Westen

Beförderungseinheit/Fahrzeug(e): über 3,5 t Gesamtmasse, LKW,

Anhänger

Kennzeichen: A-S (D), A-M (D)

Beförderte gefährliche Güter: UN 3265 ätzender saurer organischer flüssiger Stoff, N.A.G. 8, II 10 Fässer, 2.033 kg

UN 2920 ätzender flüssiger Stoff, entzündbar, N.A.G. 8 (3), II 44 Fässer mit 8.727 kg

Beförderer: R B Transporte, W, Sstraße 2

Sie haben als Lenker dieser Beförderungseinheit gelenkt, obwohl Sie sich, obwohl dies zumutbar war, nicht davon überzeugt haben, dass die Beförderungseinheit den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften (KFG) entsprach. Bei der Kontrolle durch das Landespolizeikommando für Tirol am wurde festgestellt, dass beim Anhänger die Bremsschläuche bei den Radbremszylinderanschlüssen der 1. Achse beidseitig bis auf das Gewebe rissig waren und darüber hinaus war der ABS-Stecker abgerissen, weshalb das ABS ohne Funktion war. Der festgestellte Mangel ist entsprechend den Bestimmungen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Beförderung in die Gefahrenkategorie I einzustufen."

Damit habe der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 13 Abs 2 Z 3 GGBG begangen, über ihn wurde gemäß § 27 Abs 3 lit a leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens aufgetragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG der gegen dieses Straferkenntnis gerichteten Berufung insofern Folge gegeben, als die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe auf EUR 750,-- herabgesetzt wurde. Weiters wurde der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge "dass beim Anhänger die Bremsschläuche bei den Radbremszylinderanschlüssen der 1. Achse beidseitig bis auf das Gewebe rissig waren und darüber hinaus war" gestrichen wird.

Begründend wurde unter anderem festgehalten, dass nach der Anzeige (untermauert mit einem Gutachten gemäß § 58 KFG 1967) die in Rede stehenden Mängel bei der Kontrolle am festgestellt worden seien und Gefahr in Verzug vorgelegen habe. Die Herabsetzung der Strafe durch die belangte Behörde (auf die Mindeststrafe) sei erfolgt, weil dem Beschwerdeführer die Übertretung, wonach die Bremsschläuche rissig gewesen seien, auf Grund des Gutachtens nach § 58 KFG 1967 nicht anzulasten gewesen sei, zumal diese Schäden von ihm nicht zu erkennen gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid (ua) eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde.

Die Voraussetzungen für die Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind, insoweit der angefochtene Bescheid über die Schuld des Beschwerdeführers abspricht, gegeben. Die Behandlung der Beschwerde konnte daher in diesem Umfang abgelehnt werden.

Zu II.:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafbemessung. Die belangte Behörde sah sich - wie oben wiedergegeben - veranlasst, die von der in Rede stehenden Bezirkshauptmannschaft verhängte Geldstrafe herabzusetzen, weil dem Beschwerdeführer die von der Erstbehörde festgestellte Übertretung lediglich zum Teil zurechenbar war. Eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unterblieb.

2. Die Beschwerde bringt dazu vor, dass von der Berufungsbehörde gravierende Teile des erstinstanzlichen Vorwurfs aufgehoben worden seien, die Geldstrafe aber lediglich geringfügig und unverhältnismäßig reduziert worden sei. Unter Berücksichtigung der Umstände hätte die Geldstrafe richtigerweise unter Anwendung des § 20 VStG bis zur Hälfte unterschritten werden müssen.

3. Unabhängig von diesem Vorbringen fällt zunächst auf, dass die belangte Berufungsbehörde zwar die von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein verhängte Geldstrafe, nicht aber die dort festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte. Dies vermag aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Zwar ist gemäß § 16 Abs 2 letzter Satz VStG ist die Ersatzfreiheitsstrafe (ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Ersatzfreiheitsstrafe nicht nach einem festen Umrechnungsschlüssel zu bemessen und es lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass innerhalb der gesetzlichen Mindest- und Höchstsätze ein bestimmtes Verhältnis zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe bestehen müsse (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0122, mwH). In der von der belangten Behörde herangezogenen Regelung des § 27 Abs 3 GGBG ist festgelegt, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe nach lit a des letzten Satzteils dieser Bestimmung bis zu sechs Wochen betragen kann. Dann, wenn eine Geldstrafe von der Berufungsbehörde - wie vorliegend - nicht nur auf Grund der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten herabgesetzt wird, ist auch die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen (vgl die Erkenntnisse vom , Zl 92/18/0168, mwH, und vom , Zl 97/10/0155).

Die Regelung des § 16 Abs 2 letzter Satz VStG war für den belangten Unabhängigen Verwaltungssenat aber nicht einschlägig. Das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein war dem Beschwerdeführer (nach Ausweis der vorgelegten Akten des Verwaltungsstrafverfahrens der Zustellverfügung entsprechend) in Deutschland zugestellt worden. Gemäß Art 10 Abs 3 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, "gilt" aber "die Zustellung von Bescheiden in Verwaltungsstrafsachen an Angehörige des Staates, in dem die Zustellung vorgenommen werden soll, ... hinsichtlich des Ausspruchs eines Freiheitsentzugs als nicht bewirkt". Dieses gesetzliche, für die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unmittelbar zum Tragen kommende Zustellhindernis hatte zur Folge, dass für den Beschwerdeführer der erstinstanzliche Strafausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe nicht in Geltung trat. Da somit eine Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer bezüglich des Ausspruchs der Ersatzfreiheitsstrafe nicht erfolgte, war die belangte Behörde nicht gehalten, bezüglich der damit gar nicht rechtlich in Geltung getretenen Ersatzfreiheitsstrafe eine Änderung des angefochtenen Bescheides anlässlich der Herabsetzung der Geldstrafe vorzunehmen. Wenn die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigte, dass dem Beschwerdeführer nicht mehr der gesamte im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltene Tatvorwurf zur Last zu legen ist, konnte vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund eine Bestätigung der Ersatzfreiheitsstrafe im angefochtenen Berufungsbescheid gar nicht erfolgen.

4. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend § 20 VStG ist festzuhalten, dass nach dieser gesetzlichen Bestimmung die Mindeststrafe bis zur Hälfte unter anderem dann unterschritten werden kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Einen konkreten Milderungsgrund, den die belangte Behörde auf dem Boden dieser Bestimmung zugunsten des Beschwerdeführers hätte in Rechnung stellen müssen, nennt die Beschwerde nicht.

Dass die belangte Behörde die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe herabsetzte, weil dem Beschwerdeführer nicht der gesamte erstinstanzliche Tatvorwurf anzulasten war, vermag aber ohnehin keinen Milderungsgrund iSd § 20 VStG darzustellen. Schon auf Grund des systematischen Zusammenhangs zwischen dem § 20 ("Außerordentliche Milderung der Strafe") und der grundlegenden gesetzlichen Regelung zur "Strafbemessung" in § 19 VStG kommen nach § 20 VStG als Milderungs- bzw Erschwerungsgründe jene in Betracht, auf die § 19 VStG abstellt. Nach § 19 Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, "soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen", gegeneinander abzuwägen. Aus diesem wörtlich zitierten Halbsatz betreffend die Bestimmung der Strafdrohung ergibt sich, dass Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht zusätzlich als Strafbemessungsgründe berücksichtigt werden dürfen (vgl Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger , Verwaltungsverfahrensrecht9, 2011, Rz 806). Der teilweise Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs im Berufungsverfahren bedeutet jedenfalls einen Umstand, der für den dann vorliegend maßgeblichen Tatbestand (samt der korrelierenden Strafdrohung) relevant ist. Mit dem teilweisen Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs wurde die Grundlage, die das strafbare Verhalten für die Strafbemessung darstellt, verändert, der Entfall vermag für sich genommen weder einen Milderungs- noch einen Erschwerungsgrund darzustellen, ihm wurde (ohnehin) durch die Herabsetzung der Geldstrafe entsprochen. Der teilweise Entfall des erstinstanzlichen Tatvorwurfs findet sich im Übrigen auch nicht in der auf dem Boden des § 19 Abs 2 VStG im Verwaltungsstrafverfahren relevanten (demonstrativen) Aufzählung der besonderen Milderungsgründe in § 34 StGB, die nach § 19 Abs 2 VStG unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sinngemäß anzuwenden ist.

5. Die Beschwerde war daher im Umfang des Strafausspruchs gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am