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VwGH vom 16.10.2012, 2012/11/0171

VwGH vom 16.10.2012, 2012/11/0171

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des S S in S, vertreten durch Mag. Maria Strohmayer, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-11-0273, betreffend Entziehung einer Lenkberechtigung und weitere Maßnahmen nach dem FSG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und § 26 Abs. 2 Z 5 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von zehn Monaten entzogen. Weiters wurden eine Nachschulung, die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens sowie einer verkehrspsychologischen Untersuchung angeordnet.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Spruch des erstinstanzlichen Bescheids und den wesentlichen Inhalt der dagegen erhobenen Berufung (der Beschwerdeführer habe kein Fahrzeug gelenkt) wieder und schloss daran die wörtliche Wiedergabe der Aussagen der in der mündlichen Berufungsverhandlung vom Vernommenen und eine Darstellung der maßgebenden Bestimmungen des FSG und der StVO 1960.

Daran knüpfen sich folgende abschließende Erwägungen:

"Der (Beschwerdeführer) macht zu dieser Verwaltungsübertretung geltend, er habe im Verfahren stets darauf hingewiesen, dass er im fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug nicht gelenkt habe, sondern von seinen Töchtern grundlos verdächtigt worden sei.

Diesem Vorbringen genügt es entgegenzuhalten, dass es im Hinblick auf den Spruch des angefochtenen Bescheides Behörde I. Instanz gar nicht darauf ankommt, ob der (Beschwerdeführer) das in Frage stehende Fahrzeug tatsächlich gelenkt hat, da er gemäß dem Spruch verdächtigt wurde, in einem vermutlich alkoholisierten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben. Auf Grund der aktenkundigen schlüssigen Aussagen der amtshandelnden Beamten und der Töchter des (Beschwerdeführers) konnte die Behörde zu Recht davon ausgehen, dass die einschreitenden Beamten den (Beschwerdeführer) jedenfalls als verdächtig beurteilen konnten, das fragliche Fahrzeug in einem vermutlich alkoholisierten Zustand gelenkt zu haben. Zu dem Verdacht der Alkoholisierung lagen den Beamten die festgestellten und in der Anzeige festgehaltenen Alkoholisierungsmerkmale (deutlicher Alkoholgeruch, schwankender Gang, veränderte Sprache, deutliche Bindehautrötung) vor. Es bestand somit keine Veranlassung der belangten Behörde, die weiteren vom (Beschwerdeführer) beantragten Beweise, die für die vorliegende Verwaltungsübertretung nicht entscheidungserheblich waren, aufzunehmen.

Aus dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 2 Z. 1 StVO ergibt sich, dass eine Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt bereits dann besteht, wenn eine Person bloß 'verdächtig' ist, u.a. ein Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Dass die Weigerung der so 'verdächtigen' Person, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, eine Verwaltungsübertretung bildet, ergibt sich im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO, wobei der objektive Tatbestand bereits mit der Weigerung, sich dem Test zu unterziehen, vollendet ist. Daraus folgt, dass es rechtlich unerheblich ist, ob im Zug des darauf folgenden Verwaltungsstrafverfahrens der Beweis erbracht werden kann, dass der Beschuldigte tatsächlich ein Fahrzeug gelenkt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/02/0073, mwN). Dass der (Beschwerdeführer) 'verdächtig' im Sinne der genannten Norm war, ergibt sich aus den - in schlüssiger Beweiswürdigung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde getroffenen Feststellungen, wonach der (Beschwerdeführer) sein Fahrzeug am gegen 17.00 Uhr, vor dem Haus … am Fahrbahnrand einparkte, wobei er sich in einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der von der Tochter zunächst angezeigte Sachverhalt wurde zwar im Zuge des weiteren Verfahrens bestritten, doch haben die Beamten im Zuge ihrer Amtshandlung wegen Körperverletzung der Ehefrau des (Beschwerdeführers) Alkoholisierungsmerkmale am (Beschwerdeführer) wahrgenommen und diesen zum Alkomattest aufgefordert, welchen er verweigerte.

Die nachträglichen Behauptungen der Töchter, der Vater habe kein Fahrzeug in alkoholisierten Zustand gelenkt, sind zweifelsfrei als Schutzbehauptungen zu werten, weil schon allein der auch von der Tochter S geschilderte Ablauf des Geschehens vor der Körperverletzung der Ehefrau nachträglich konstruiert und somit als unglaubwürdig ist. Hingegen erscheint das zunächst von den Töchtern geschilderte Verhalten des alkoholisierten Vaters in sich schlüssig.

Da der Sachverhalt sohin ausreichend geklärt erscheint, war von der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung abzusehen und der Berufung kein Erfolg beschieden.

Hinsichtlich der Entzugsdauer wird auf die Feststellungen der Behörde I. Instanz verwiesen. (Verweigerung des Alkomattestes, zweimaliger Entzug innerhalb von 5 Jahren)."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Grundlage für die beschwerdegegenständliche Entziehung und die daran anknüpfenden weiteren Maßnahmen nach dem FSG bildete ein Vorfall vom , anlässlich dessen der Beschwerdeführer in Verdacht stand, in alkoholisiertem Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, wobei er trotz Aufforderung die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hatte.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen (mündlich verkündeten) Entziehungsbescheid vom hatte der Beschwerdeführer unter anderem bestritten, tatsächlich ein Fahrzeug gelenkt zu haben.

2. Im angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde dazu die Auffassung, es komme nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer tatsächlich ein Fahrzeug gelenkt habe, vielmehr reiche der diesbezügliche Verdacht.

3. Damit gab sie zu erkennen, die Rechtslage verkannt zu haben:

3.1. Gemäß § 5 Abs. 2 Z 1StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn diese verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Für die Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt reicht also ein diesbezüglicher Verdacht.

3.2. Die Weigerung der so "verdächtigten" Person, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, bildet eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/02/0073, mwN).

3.3. Demgegenüber gilt gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn jemand "ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO begangen hat".

Ebenso stellen die in § 26 Abs. 1 und Abs. 2 FSG genannten Übertretungen jeweils auf ein "Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges" ab.

3.4. Anders als bei der verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung der Verweigerung der Atemluftuntersuchung kommt es also im Beschwerdefall, in dem es um die Entziehung der Lenkberechtigung geht, entscheidend auch auf das tatsächliche Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/11/0065, mwN).

3.5. Dies hat die belangte Behörde augenscheinlich verkannt, wenn sie ihren Bescheid darauf gestützt hat, dass der Beschwerdeführer jedenfalls als verdächtig beurteilt werden konnte und das Vorbringen des Beschwerdeführers als "nicht entscheidungserheblich" beurteilt hat.

Anders als die belangte Behörde in der Gegenschrift vermeint, wurde im angefochtenen Bescheid, wie die oben wiedergegebene Begründung zeigt, eine Feststellung, der Beschwerdeführer habe in alkoholisiertem Zustand tatsächlich ein Fahrzeug gelenkt, nicht getroffen; eine solche wurde vielmehr ausdrücklich für entbehrlich gehalten.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der vom Beschwerdeführer begehrte Betrag für Schriftsatzaufwand den in der zitierten Verordnung genannten Pauschalbetrag, in dem die Umsatzsteuer zudem bereits enthalten ist, übersteigt.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-73345