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VwGH vom 22.02.2012, 2010/06/0162

VwGH vom 22.02.2012, 2010/06/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des AR und 2. der WR, beide in M, beide vertreten durch Dr. Erwin Wibmer, Rechtsanwalt in 9971 Matrei in Osttirol, Obersamergasse 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb1-L-2981/5, betreffend nachträgliche Einbeziehung von Interessenten gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StraßenG (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde M, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, 2. Straßeninteressentschaft H, vertreten durch den Obmann SB), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit die Vorstellung in Bezug auf die von der Berufungsbehörde bestätigten Spruchpunkte 3. und 4. des erstinstanzlichen Bescheides abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss der konstituierenden Vollversammlung der Interessenten der im Gebiet H Grundstücke Besitzenden vom wurde die Bildung der Weggemeinschaft des öffentlichen Interessentenweges "H", die Erlassung einer Satzung und die Festlegung der einzelnen Anteile gemäß dem Tir. Straßengesetz 1951 beschlossen. Der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei hat in seiner Sitzung vom die von der Weggemeinschaft beschlossene Satzung mit Bescheid genehmigt.

Gemäß dieser Satzung (§ 1) war Gegenstand der Weggemeinschaft "der Hauptweg von der Tauerntalstraße auf dem Grundstück des Schloss W abzweigend über die Ortschaft H bis in den B-Graben, endend am R-Moos, Zubringerwege zu den Höfen W, S, I und A, U und O, H, S, L, G, L, W, H und M." In § 2 der Satzung wurden die von der Weggemeinschaft erfassten Grundstückseigentümer angeführt (ein Lageplan war dieser Satzung nicht angeschlossen).

Die mitbeteiligte Gemeinde holte im Jahre 2006 zur Frage der Neugründung der Straßeninteressentschaft von Amts wegen gemäß § 20 Abs. 4 Tir. Straßengesetz 1989 (im Folgenden: Tir. StrG) das verkehrstechnische Gutachten von Ing. G.H. vom August 2006 ein, nach dem die Dringlichkeit des Verkehrsbedürfnisses des in Betracht kommenden Kreises von Benützern der Interessentenstraße H und auch ein dringendes öffentliches Interesse an der Schaffung bzw. Erhaltung der Verkehrsverbindung gegeben sei. Es würden über die Straße insgesamt 63 Häuser mit 73 Haushalten und 307 Bewohnern mit Hauptwohnsitz erschlossen.

Mit Eingabe der Weggemeinschaft "H" vom wurde die Umbenennung in "Straßeninteressentschaft H" und die Genehmigung der anläßlich der Vollversammlung vom beschlossenen Satzung beantragt.

Die Weggemeinschaft H stellte weiters mit Eingabe vom gemäß § 22 Abs. 5 Tir. StrG die Anträge, die Beitragsanteile der bisherigen Interessenten neu festzusetzen und zugleich gemäß § 25 Abs. 1 lit. b Tir. StrG nachträglich Interessenten einzubeziehen, dies in Verbindung mit der gutachterlichen Ermittlung der Beitragsanteile samt Satzungsentwurf des DI. R.M. vom (im Folgenden auch als Gutachten der "Agrar L" bezeichnet).

Mit Schreiben der Beschwerdeführer vom (bei der erstmitbeteiligten Partei eingelangt am ) nahmen die Beschwerdeführer dazu Stellung und erklärten sich unter näher genannten Bedingungen zur Mitgliedschaft bei der Straßeninteressentschaft bereit. Sie forderten insbesondere, dass ihnen nach den in ihrem Bereich erfolgten Umbauten der Straße und den dadurch für sie entstandenen Problemen, zu ihrem Grundstück zufahren zu können, eine rechtlich gesicherte Zufahrt gewährleistet werde.

D.I. R.H. erstattete in der Folge ergänzende Gutachten vom und vom zur Frage der Festsetzung der Beiträge für die Interessenten.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde genehmigte mit Bescheid vom den Antrag der Weggemeinschaft "H" auf Umbenennung in "Straßeninteressentschaft H" (Spruchpunkt 1.). Weiters bewilligte er in Spruchpunkt 2. die in der Vollversammlung der Straßeninteressentschaft "H" vom beschlossene Änderung der Satzung.

Gemäß Spruchpunkt 3.a) wurden die in Punkt A dieses Bescheides genannten Interessenten (u.a. die Beschwerdeführer; insgesamt sind 47 weitere Grundstücke erfasst) gemäß § 25 Abs. 1 lit. b Tir. StrG nachträglich als Interessenten in die Straßeninteressentschaft "H" einbezogen, gemäß Spruchpunkt 3.b) wurden die Beitragsanteile sämtlicher Interessenten der Straßeninteressentschaft bezogen auf das jeweils betroffene, einem Interessenten oder mehreren Interessenten gehörende Grundstück gemäß § 22 Abs. 5 Tir. StrG neu festgesetzt (insgesamt sind nunmehr 84 Grundstücke erfasst).

Im Spruchpunkt 4. wurde die Änderung der Satzung der Straßeninteressentschaft "H" gemäß Punkt C dieses Bescheides, mit welcher der Umfang der Weganlage, der Interessentenkreis, die Rechte und Pflichten der Interessenten, die Widmung der Straße als öffentliche Interessentenstraße und die Beitragsleistungen und die Beitragsanteile neu festgelegt wurden, genehmigt. In § 2 dieser Satzung wurde der nun aktuelle Verlauf der Straße im Vergleich zu der Satzung aus dem Jahre 1951 völlig neu bestimmt. Der Beitragsanteil für die Beschwerdeführer wurde in der Höhe von 0,75 (siehe dazu sogleich unten) festgesetzt.

Die erstinstanzliche Behörde führte dazu insbesondere aus, dass zunächst die gutachterliche Stellungnahme der Agrar L vom zur Frage der Beitragsanteile und der zu ändernden Satzung eingeholt und das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Der gutachterlichen Stellungnahme der Agrar L vom sei das Sachverständigengutachten von Ing. G.H., Technisches Büro für Verkehrstechnik, vom zugrunde gelegen, gemäß dem die Dringlichkeit des Verkehrsbedürfnisses und des öffentlichen Interesses an der Schaffung der Verkehrsverbindung, beginnend ab km 0,55 F_Privatstraße bis zur Hofstelle "M" (Hauptweg) - basierend auf der Interessentenstraße "H" - bejaht worden sei.

Bei der Ausmittlung der einzelnen Anteile sei der kleinste Beitragsanteil mit 0,05 % festgelegt und entsprechend den Bewertungs- und den Berechnungsergebnissen die Prozentanteile in 5/100 Stufen gerundet und der dadurch erforderliche Rundungsausgleich auf die Gesamtzahl 100 % zugunsten der Liegenschaften vorgenommen worden, die infolge ihrer Lage eine große Wegstrecke in Kauf nehmen müssten. Weiters sei detailliert dargelegt worden, inwieweit in den einzelnen Berechnungsgrundlagen land- und forstwirtschaftliche Grundstücke (inklusive Almen), Haushalte, Freizeitwohnsitze, touristisch genutzte Objekte, unbebaute Grundstücke sowie die Sonderfälle "S Hütte" und "Äußere S-Alm", "Kindergarten H" der erstmitbeteiligten Partei sowie die Bringungsgemeinschaft "Seilweg P" berücksichtigt worden seien.

Sämtlichen derzeitigen und zur nachträglichen Einbeziehung vorgesehenen Straßeninteressenten der Straßeninteressentschaft sei die gutachterliche Stellungnahme vom samt Antrag der Straßeninteressentschaft "H" zur Äußerung zugestellt worden. Die Beschwerdeführer hätten darauf verwiesen, dass sie Ende der 60iger Jahre das Grundstück Nr. 575/2 käuflich erworben und darauf ihr Wohnhaus errichtet hätten. Dieses Grundstück sei damals direkt an dem Interessentschaftsweg H gelegen und sie hätten eine direkte Verbindung mit einer öffentliche Verkehrsfläche gehabt, wofür sie auch einen Wegkostenbeitrag von S 3.812,- geleistet hätten. Erst im Jahre 1978 sei durch erforderliche Umbauarbeiten am Basisweg ihre Zufahrt verlegt worden, sodass sie seither keine direkte Verbindung mit dem öffentlichen Gut mehr hätten und über fremden Grund zu ihrem Haus zufahren müssten. Sie seien grundsätzlich bereit, Mitglieder der Straßeninteressentschaft zu werden, wenn die amtsbekannte Problematik der Zufahrt und der Oberflächenwasserregulierung durch die Gemeinde geklärt werde und ihnen eine rechtlich gesicherte Zufahrt gewährleistet werde.

Mit dem ausgemittelten Anteil von 0,75 Anteilen seien sie einverstanden, wenn diese nur zukünftig und nicht rückwirkend gelten würden, zudem müssten auch die Anrainer des E ausnahmslos Mitglieder der Straßeninteressentschaft werden.

Weiters führte die erstinstanzliche Behörde aus, dass unter Zugrundelegung der unbedenklichen und schlüssigen gutachterlichen Stellungnahmen der Agrar L vom , und feststehe, dass ein Verkehrsbedürfnis und öffentliches Interesse an der Schaffung der Verkehrsverbindung beginnend ab dem km 0,55 der F-traße bis zur Hofstelle "M" (Hauptweg) bestehe und dass die entlang dieser Interessentenstrecke nach dem Gutachten erfassten Parteien als Interessenten gemäß § 20 Abs. 5 Tir. StrG in Betracht kämen, weil die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt seien. Nachdem einige der im Vorteilsgebiet liegenden möglichen Interessenten einen freiwilligen Beitritt zur Straßeninteressentschaft durch Vertrag abgelehnt hätten, sei von der Vollversammlung der Straßeninteressentschaft der Antrag auf bescheidmäßige Einbeziehung beschlossen worden. Die allen Beitragsanteilen zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen seien in der gutachterlichen Stellungnahme der Agrar L vom nachvollziehbar und schlüssig dargelegt worden.

Allfällige Ersuchen des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde in den frühen 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts um Bezahlung von Straßenbauaufwand hinderten gemäß dem geltenden Tir. StrG die Einbeziehung gemäß § 25 Tir. StrG nicht, sie begründeten insbesondere keinen gesetzlichen Hinderungs- und/oder "Befreiungstatbestand", sodass die Einbeziehung als Interessent auch dann zu erfolgen habe, wenn die Zahlung in den 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts tatsächlich geleistet worden sei. Vielmehr hätte schon damals mit nachträglicher Einbeziehung von Interessenten vorgegangen werden müssen, was nun nachgeholt werde. Der damalige Bürgermeister A.B. habe keine Kompetenz gehabt, dem Tir. StrG nicht entsprechende "Versprechungen" auf künftige Nichteinbeziehung in die Interessentschaft abzugeben. Sie würden auch keine Bindungswirkung entfalten. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass die Behörde von der Vorschreibung eines nachträglichen Baukostenbeitrages absehe, was dem Willen der Straßeninteressentschaft entspreche.

Privatrechtliche Zufahrtsprobleme änderten nicht die Stellung eines Eigentümers eines "mittelbar" und/oder "unmittelbar" erschlossenen Grundstückes, sodass mit Einbeziehung vorzugehen gewesen sei.

Die Straßenbehörde erster Instanz sei ermächtigt, eine Straßeninteressentschaft von Amts wegen in jenen Fällen zu bilden, in denen die Errichtung, der Ausbau oder die Erhaltung einer öffentlichen Interessenstraße zur Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses eines bestimmten kleineren Gebietes im öffentlichen Interesse dringend notwendig sei. Sie könne dies auch gegen den Willen einzelner Interessenten, auf die ein erheblicher Teil der Beitragsanteile entfalle, durchführen. Voraussetzung für eine bescheidmäßige Erweiterung einer Straßeninteressentschaft sei, dass die für die Begründung der Interessentengemeinschaft maßgebenden Voraussetzungen nachträglich eingetreten seien.

Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung. Sie führten insbesondere aus, dass sie keinesfalls freiwillig einer Straßeninteressentschaft beiträten. Es würden nicht nur "Versprechungen", sondern ein schriftlicher Nachweis auf künftige Nichteinbindung in die Weginteressentschaft vorliegen. Alle bisher von ihnen erhobenen Einsprüche seien nach wie vor von Relevanz. Nach mehr als drei Jahrzehnten werde nun nachgeholt, was dazumal hätte sein sollen. Genauso lang seien sie unberechtigterweise aus politischen, taktischen oder gar persönlichen Gründen von jeglicher Mitsprache und Mitbestimmung in dieser Zeit ausgeschlossen gewesen, auch als es sie direkt vor ihrer Haustüre betroffen habe, als haushohe Mauern ihr Haus fast "eingelocht" hätten.

Der Gemeindevorstand der erstmitbeteiligten Partei wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde führte insbesondere aus, dass auf das zu Punkt 15 der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vorgetragene Vorbringen nicht weiter einzugehen gewesen sei, da dieser Punkt weder die Beschwerdeführer noch ihre Liegenschaft berühre und sie sich im bisherigen Verfahren auch gar nicht auf das Vorliegen einer schriftlichen Zusicherung über die Nichteinbeziehung in die Interessentschaft des damaligen Bürgermeisters A.B. berufen hätten. Eine derartige schriftliche Zusicherung, die auch ihre Liegenschaft betreffen würde, sei seitens der Beschwerdeführer im Verfahren auch gar nicht vorgelegt worden. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass angeblich erfolgte Zusicherungen diverser Bürgermeister - wie dies die Behörde erster Instanz zu Recht ausgesprochen habe - mangels deren Kompetenz keine Bindungswirkung entfalteten.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur jene Grundstückseigentümer als Interessenten anzusehen seien, deren Grundstücke bisher (straßenmäßig) überhaupt nicht oder nur unzureichend aufgeschlossen seien, sondern es genüge für eine Einbeziehung vielmehr die Tatsache der "Erschließung" des Grundstückes, d.h. dass das betreffende Grundstück über den Interessentenweg erreicht werde und dadurch zumindest über die bisherige Aufschließung hinaus eine zusätzlich Erschließung eintrete. Das (unterschiedliche) Maß des Erschließungsinteresses im Verhältnis zu anderen Interessenten drücke sich lediglich im Beitragsanteil aus (§ 22 Abs. 2 Tir. StrG), berühre aber nicht die Interessentenstellung dem Grunde nach.

Es sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführer Grundstückseigentümer der Liegenschaft in H im Gemeindegebiet der Erstmitbeteiligten seien und diese Liegenschaft werde durch die Interessentenstraße unmittelbar erschlossen. In der Zusammenschau mit dem verkehrstechnischen Gutachten des Technischen Büros für Verkehrstechnik - Ing. H. aus dem Jahre 2006, auf welches in weiterer Folge die gutachterliche Stellungnahme der Agrar L aus dem Jahr 2007 aufbaue, und im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ergebe sich, dass die Beschwerdeführer grundsätzlich Interessenten im Sinne des § 20 Abs. 2 Tir. StrG seien.

Entscheidend sei im vorliegenden Fall die Beurteilung der Frage, wann die in § 20 Abs. 5 Tir. StrG umschriebenen Voraussetzungen hinsichtlich der Beschwerdeführer eingetreten seien, insbesondere ob dies "nachträglich" gewesen sei, was gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG Voraussetzung für eine nachträgliche Einbeziehung wäre. Nachträglich bedeute im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "nach Bildung der Straßeninteressentschaft" (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0161).

Diesbezüglich sei festgestellt worden, dass den Beschwerdeführern im Jahre 1969 die Baubewilligung erteilt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass für die Beschwerdeführer jedenfalls mit Rechtskraft des Baubescheides aus dem Jahre 1969 ein Verkehrsvorteil durch die Erschließung eingetreten sei.

Nachdem die Straßeninteressentschaft (vormals Weggemeinschaft) H bereits seit den 1950iger Jahren bestehe und für die Beschwerdeführer sohin erst nach Bildung der Straßeninteressentschaft ein verkehrsmäßiger Vorteil im Zuge der Bebauung ihres Grundstückes eingetreten sei, lägen die Voraussetzungen für eine nachträglich Einbeziehung in die Straßeninteressentschaft gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG vor. Auch wenn es nach dem Schreiben des damaligen Bürgermeisters vom "" (richtig wohl: 1973) offenbar Absprachen der Beschwerdeführer mit der Weggemeinschaft dahingehend gegeben habe, dass sie nicht in die Weggemeinschaft einbezogen würden und stattdessen einen Wegbaukostenbeitrag zu leisten hätten, sei die Tatsache, dass die Beschwerdeführer bereits zum damaligen Zeitpunkt einen Erschließungsvorteil genossen hätten und bereits zum damaligen Zeitpunkt rechtmäßigerweise in die Straßeninteressentschaft einbezogen hätten werden müssen, unverrückbar.

Auch wenn dies offenbar im Einvernehmen unterblieben sei und sich die Beschwerdeführer auch verständlicherweise auf diese Absprachen verlassen hätten, seien die Beschwerdeführer, nachdem auch die tatsächlichen topografischen Verhältnisse weiterhin unverändert seien, zu Recht - wenn auch Jahrzehnte später - gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG in die Straßeninteressentschaft einbezogen worden. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die erstinstanzliche Behörde gemäß Punkt 15 der Begründung des Bescheides vom von der Vorschreibung eines nachträglichen Baukostenbeitrages abgesehen habe.

Die Behandlung der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 62/10-4, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, in eventu die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei (rechtsanwaltschaftlich vertreten) und die zweitmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift (die ersteren beiden samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde) erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall ist das Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989, idF LGBl. Nr. 101/2006 (im Folgenden: Tir. StrG) anzuwenden.

Gemäß § 16 Abs. 1 Tir. StrG erfolgt die Erklärung einer Straße zur öffentlichen Interessentenstraße bei einer durch Vertrag gebildeten Straßeninteressentschaft durch Beschluss der Straßeninteressentschaft (lit. a), bei einer durch Bescheid gebildeten Straßeninteressentschaft durch Bescheid der Behörde (lit. b).

Gemäß § 16 Abs. 3 leg. cit. können jene Straßen zu öffentlichen Interessentenstraßen erklärt werden, die

"a) neben dem örtlichen Verkehr im Sinne des § 13 Abs. 2 überwiegend der Deckung des Verkehrsbedürfnisses eines bestimmten Kreises von Benützern dienen oder

b) die Verbindung zwischen öffentlichen Verkehrseinrichtungen, wie Bahnhöfen, Seilbahnstationen, Schifffahrtsstationen, Flughäfen udgl., und einer öffentlichen Straße herstellen und zur Deckung dieses Verkehrsbedürfnisses geeignet sind."

Gemäß § 20 Abs. 1 lit. b leg. cit. kann eine Straßeninteressentschaft durch Bescheid der Behörde gebildet werden.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Behörde auf Antrag einer nach Abs. 5 als Interessent in Betracht kommenden Person mit Bescheid eine Straßeninteressentschaft zu bilden, wenn


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"a)
der Straße eine Verkehrsbedeutung nach § 16 Abs. 3 zukommt,
b)
die Straße für alle in die Straßeninteressentschaft einzubeziehenden Interessenten einen verkehrsmäßigen Vorteil bringt und
c)
die einfache Mehrheit der Interessenten, auf die mindestens 75 v.H. der Beitragsanteile (§ 22) entfallen, der Bildung der Straßeninteressentschaft zustimmt."
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung kann die Behörde von Amts wegen mit Bescheid eine Straßeninteressentschaft bilden, wenn die Straße
"a)
zur Deckung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses eines bestimmten Kreises von Benützern erforderlich ist oder die im dringenden öffentlichen Interesse gelegene Verbindung zwischen einer öffentlichen Verkehrseinrichtung und einer öffentlichen Straße herstellt und
b)
für alle in die Straßeninteressentschaft einzubeziehenden Interessenten einen verkehrsmäßigen Vorteil bringt."
Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung kommen u.a. als Interessenten in Betracht
"a)
die Eigentümer der durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstücke".
Gemäß § 21 Abs. 2 leg. cit. bedarf eine Änderung der Satzung zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Behörde. Diese ist zu erteilen, wenn die vorgesehene Änderung diesem Gesetz nicht widerspricht.
Gemäß § 22 Abs. 1 Tir. StrG sind die Straßenbaulast und die Kosten der Verwaltung für eine öffentliche Interessentenstraße von den Interessenten entsprechend den in der Satzung festgelegten Beitragsanteilen zu tragen.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind die Beitragsanteile entsprechend dem verkehrsmäßigen Vorteil der öffentlichen Interessentenstraße für die einzelnen Interessenten festzusetzen, wenn eine Straßeninteressentschaft durch Bescheid gebildet wird. Hiebei ist insbesondere auf das Ausmaß und die Nutzungsmöglichkeit der erschlossenen Grundstücke sowie die Art und den Umfang der Benützung der Straße durch die Benützer der öffentlichen Verkehrseinrichtungen im Sinne des § 16 Abs. 3 lit. b entsprechend Bedacht zu nehmen.
Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung hat die Behörde, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung der Beitragsanteile maßgebend waren, wesentlich geändert haben, auf Antrag der Straßeninteressentschaft oder eines Interessenten die Beitragsanteile neu festzusetzen, sofern sie nicht durch eine entsprechende Änderung der Satzung neu festgelegt wurden.
Gemäß § 24 Abs. 1 Tir. StrG tritt der Rechtsnachfolger eines Interessenten in sämtliche Rechte und Pflichten ein, die sich aus dessen Zugehörigkeit zur Straßeninteressentschaft ergeben.
Gemäß § 25 Abs. 1 Tir. StrG können in eine Straßeninteressentschaft Interessenten nachträglich u.a. durch Bescheid der Behörde einbezogen werden (lit. b).
Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Behörde Interessenten, bei denen die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 5 Tir. StrG nachträglich eingetreten sind, auf ihren Antrag oder auf Antrag der Straßeninteressentschaft mit Bescheid in die betreffende Straßeninteressentschaft einzubeziehen. Ein solcher Bescheid hat auch die entsprechende Änderung der Satzung zu enthalten.
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung haben nachträglich einbezogene Interessenten an die Straßeninteressentschaft einen nachträglichen Beitrag zu den von ihr getragenen Kosten des Baues der öffentlichen Interessentenstraße zu leisten. Die Höhe des nachträglichen Beitrages ergibt sich aus jenem Beitrag zu den Kosten des Baues der öffentlichen Interessentenstraße, den der nachträglich einbezogene Interessent im Falle ihres Neubaues im Zeitpunkt ihrer Einbeziehung leisten müsste.
Gemäß § 79 Abs. 2 Tir. StrG gelten die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden öffentlichen Interessentenwege als öffentliche Interessentenstraßen im Sinne dieses Gesetzes. Die für diese öffentlichen Interessentenwege bestehenden Weggemeinschaften bzw. Weginteressentschaften gelten als Straßeninteressentschaften im Sinne dieses Gesetzes. Die Tragung der auf die Mitglieder dieser Straßeninteressentschaften entfallenden Straßenbaulast richtet sich bei den früheren Weggemeinschaften nach der Satzung, bei den früheren Weginteressentschaften nach der bisherigen ständigen Übung.
Gemäß den §§ 45 und 46 Tir. StraßenG 1951, LGBl. Nr. 1, gab es Weginteressentschaften betreffend bei Inkrafttreten dieses Gesetzes () bestehende öffentliche Interessentenwege und öffentlich rechtliche Weggemeinschaften, die aus Anlass der Schaffung eines neuen Weges als eines öffentlichen Interessentenweges gemäß § 43 dieses Gesetzes unter Feststellung der Interessenten gebildet wurden.
Wer eine in die Weggemeinschaft einbezogene Liegenschaft erwarb, wurde gemäß § 46 Abs. 3 Tir. StraßenG 1951 Mitglied der Gemeinschaft und war zu allen aus der Mitgliedschaft entspringenden Leistungen verpflichtet.
Nach Ansicht der Beschwerdeführer handle es sich bei der "Straßeninteressentschaft " nicht um eine bloße Umbenennung der alten Weggemeinschaft "H", sondern um eine Neugründung unter dem Deckmantel der Umbenennung. § 25 Abs. 3 Tir. StrG biete aber für die nachträgliche Einbeziehung in eine neu gegründete Straßeninteressentschaft keine Rechtsgrundlage. Der verkehrsmäßige Vorteil durch die Wegerschließung sei für die beiden Beschwerdeführer mit der Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung ihres Wohnhauses, also im Jahre 1969, eingetreten.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführer durch die in Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides bewilligte "Umbenennung" der Interessentschaft jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt sein konnten. Die Frage, ob allenfalls eine Neugründung einer Straßeninteressentschaft vorliegt, kann im Zusammenhang mit den Spruchpunkten 3. und 4., die jedenfalls Rechte der Beschwerdeführer berühren, insbesondere im Zusammenhang mit der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG eine Rolle spielen.
Abgesehen davon ist zur erfolgten Umbenennung anzumerken, dass die neue Bezeichnung der neuen Diktion des angeführten Tir. StrG (1989) entspricht. Nach dem Tir. StraßenG 1951 gab es - wie dargestellt - Weginteressentschaften bzw. öffentlich rechtliche Weggemeinschaften. § 79 Abs. 2 Tir. StrG ordnete an, dass die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes u.a. bestehenden Weggemeinschaften als Straßeninteressentschaften im Sinne dieses Gesetzes gelten.
Dem Einwand, dass die nachträgliche Einbeziehung der Beschwerdeführer in die Interessenschaft gemäß § 25 Abs. 3 Tir.
StrG nicht zulässig sei, kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Maßgeblich für eine solche nachträgliche Einbeziehung ist gemäß dem wiedergegebenen § 25 Abs. 3 Tir. StrG, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 leg. cit. nachträglich (nach Bildung der Interessentschaft im Jahre 1951) eingetreten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0161). Die Voraussetzung des hier relevanten Tatbestandes des § 20 Abs. 5 lit. a leg. cit. ist, dass jemand Eigentümer eines durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstückes ist. Eine nachträgliche Einbeziehung von Interessenten im Sinne des § 20 Abs. 5 lit. a leg. cit. kommt daher dann in Betracht, wenn ein Grundstück nachträglich, also nach Bildung der Interessentschaft, durch die in Frage stehende Interessentenstraße mittelbar oder unmittelbar erschlossen wird. Dass das Grundstück der Beschwerdeführer erst nach der Bildung der Weggemeinschaft im Jahr 1951 durch die Interessentenstraße unmittelbar oder mittelbar erschlossen wurde, wurde von den Behörden nicht angenommen. Der von den Behörden für maßgeblich erachtete Umstand, dass die Beschwerdeführer im Jahre 1969 die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses erhalten haben und auf ihrem an der Straße gelegenen Grundstück dieses Wohnhaus errichteten und sich daraus für sie ein besonderer verkehrsmäßiger Vorteil der Interessentenstraße ergeben habe, stellt keinen Grund für eine nachträgliche Einbeziehung gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG dar. Das unterschiedliche Maß des Erschließungsinteresses drückt sich lediglich im Beitragsanteil aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/06/0017). Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon im Hinblick darauf als inhaltlich rechtswidrig.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass sich eine nachträgliche Einbeziehung von Interessenten in Verbindung mit dem Tatbestand des § 20 Abs. 5 lit. a leg. cit. daraus ergeben kann, dass eine Interessentenstraße verlängert bzw. ihr Verlauf anders geändert wird. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichthofes kann aber angesichts der Regelungen über die bescheidmäßige Bildung einer Straßeninteressentschaft gemäß § 20 Abs. 3 oder Abs. 4 Tir. StrG nicht davon ausgegangen werden, dass jede Veränderung des Straßenverlaufes einer Interessentenstraße eine bloße Änderung einer solchen darstellt, in Bezug auf die eine nachträgliche Einbeziehung von Interessenten gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG zulässig wäre. Bei einer anderen Auslegung könnten die für die bescheidmäßige Bildung einer Straßeninteressentschaft aufgestellten Kriterien (siehe § 20 Abs. 3 oder Abs. 4 Tir. StrG) umgangen werden und den betroffenen, nicht zustimmenden Interessenten die Garantie der im Rechtsweg zu erkämpfenden Einhaltung dieser Kriterien genommen werden. Nimmt die Veränderung einer bestehenden Interessentenstraße im Hinblick auf ihren ursprünglichen Verlauf derartige Ausmaße an, dass die Straße als eine andere angesehen werden muss, ist von einer Neugründung einer Interessentenstraße auszugehen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche bescheidmäßige Neugründung enthalten die genannten § 20 Abs. 3 oder Abs. 4 Tir. StrG, deren Einhaltung von den nicht zustimmenden Interessenten im Rechtsweg überprüft werden kann. Das Ausmaß der nunmehr vorgenommenen Veränderung bzw. Verlängerung der ursprünglichen Interessentenstraße H im Jahre 1951 ist auf Grund des vorliegenden Ermittlungsverfahrens und der vorliegenden Akten für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Insofern muss das vorliegende Ermittlungsverfahren auch als wesentlich mangelhaft und als mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet beurteilt werden. Die nachträgliche Einbeziehung von Interessenten gemäß § 25 Abs. 3 Tir. StrG ist nämlich - wie bereits erwähnt - auch immer nur insoweit zulässig, als es dabei um eine bloße Änderung einer Interessentenstraße und nicht um eine Neugründung einer Interessentenstraße geht.
Die Behörden haben im Übrigen zutreffend angenommen, dass die angesprochenen Erklärungen des früheren Bürgermeisters und die Ablehnung der Aufnahme der Beschwerdeführer in die Weggemeinschaft eine nachträgliche Einbeziehung der Beschwerdeführer in die Straßeninteressentschaft, sofern die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht hindern könnten.
Auf das übrige Beschwerdevorbringen war nicht mehr einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war, soweit mit ihm die Vorstellung der Beschwerdeführer in Bezug auf die ihre Rechte berührenden, von der Berufungsbehörde bestätigten Spruchpunkte 3. und 4. des erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen wurde, aus dem dargelegten Grund und, weil eine inhaltliche Rechtswidrigkeit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die in der genannten Verordnung vorgesehenen Pauschalbeträge abzuweisen, die die Umsatzsteuer mit umfassen. Ein Streitgenossenzuschlag ist nach diesen Bestimmungen nicht vorgesehen.
Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-73343