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VwGH vom 27.02.2006, 2005/05/0344

VwGH vom 27.02.2006, 2005/05/0344

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. des Ernst Wiltschko, 2. der Sabine Lang sowie 3. der Gabriele Klomm, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 245/05, betreffend baupolizeiliche Aufträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 381,90 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom wurde der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/12, vom , mit dem den Eigentümern der Baulichkeit auf der Liegenschaft R-gasse 3 ein baupolizeilicher Auftrag in insgesamt sieben Punkten erteilt wurde, nämlich sechs näher umschriebene Baugebrechen zu beseitigen und die widmungswidrige Nutzung des Gangbereiches im 1. Stock als Lagerraum aufzulassen, gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Magistrat der Stadt Wien zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die in § 129 Abs. 4 der Bauordnung für Wien (BO) normierte Verpflichtung der Behörde, die Räumung oder den Abbruch des Gebäudes anzuordnen, wenn die Instandsetzung der Baulichkeit einer Substanzveränderung mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit gleichkäme, nicht dadurch umgangen werden könne, dass sich ein Bauauftrag nur auf bestimmte Baugebrechen eines Gebäudes beziehe und andere außer Acht lasse. Es wäre daher Sache der erstinstanzlichen Behörde gewesen, die dem gegenständlichen Gebäude anhaftenden Baugebrechen mittels Erstellung von Befund und Gutachten erschöpfend festzustellen bzw. ausführlich und begründet darzulegen, warum bezüglich anderer Schäden kein Baugebrechen vorliege. Darauf basierend wäre schlüssig und nachvollziehbar zu begründen gewesen, ob ein Auftrag zur Behebung aller Baugebrechen einer Substanzveränderung von mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit gleichkäme.

In der Folge wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/12, vom den Beschwerdeführern als Eigentümer des gegenständlichen Gebäudes auf der Liegenschaft R-gasse 3 ein baupolizeilicher Auftrag in insgesamt 18 Punkten erteilt, nämlich 15 näher umschriebene Baugebrechen zu beseitigen, zu Art und Umfang zweier vermuteter Baugebrechen (Tragfähigkeit der Dippelbäume der gesamten Decke über dem 1. Stock, Durchfeuchtung des Erdgeschossmauerwerks) den Befund eines Sachverständigen vorzulegen und die widmungswidrige Nutzung des Gangbereiches im 1. Stock als Lagerraum aufzulassen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer zusammengefasst vor, es treffe zu, dass das gegenständliche Gebäude in einem sehr schlechten Zustand sei. Der Sachverständige DI L. habe in seinem Gutachten vom festgestellt, dass das gegenständliche Objekt aus technischer und wirtschaftlicher Sicht abzubrechen sei, weil auf Grund der Kosten einer Generalinstandsetzung eine Sanierung unwirtschaftlich und technisch unmöglich sei. Durch die Mängel bestehe eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen. Die Erfüllung der aufgetragenen Arbeiten sei unwirtschaftlich und den Eigentümern unzumutbar. Tatsächlich sei das gesamte Gebäude abzubrechen.

Mit Schreiben vom wurde den Beschwerdeführern die Stellungnahme der Magistratsabteilung 37/12 vom zur Kenntnis gebracht, wonach bei Berücksichtigung sämtlicher Baugebrechen die Instandsetzung des gegenständlichen Gebäudes zu einer Substanzveränderung von deutlich weniger als der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit führte. Um das Gebäude in Stand zu setzen, müssten maximal 33 % der wesentlichen raumbildenden Elemente durch neue Bauteile ersetzt werden.

In der Folge legten die Beschwerdeführer mit Schreiben vom ein in einem Verfahren nach § 6 Abs. 1 MRG ergangenes Gutachten des Zivilingenieurbüros F. vom vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass der Auftrag zur Auflassung der widmungswidrigen Verwendung des Gangbereiches im 1. Stock entfiel. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - aus, wenn sich ein Haus nicht in einer Schutzzone befinde, sei die wirtschaftliche Zumutbarkeit bei der Erlassung eines Instandsetzungsauftrages nach § 129 Abs. 4 BO nicht zu prüfen. Auf die in der Berufung vorgebrachten Argumente betreffend die Unwirtschaftlichkeit der Instandsetzung sei daher nicht einzugehen. Der Eigentümer eines außerhalb einer Schutzzone gelegenen Gebäudes habe keinen Rechtsanspruch auf die Erlassung eines Abtragungsauftrages. Das von den Beschwerdeführern vorgelegte Gutachten eines Zivilingenieurbüros vom sei offenbar im Zuge eines Verfahrens nach § 6 Abs. 1 MRG erstellt worden. Es befasse sich lediglich mit Fragen der Durchführung der notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen und der Wirtschaftlichkeit der Sanierung des Objektes. Inwieweit jedoch eine Erneuerung der Bausubstanz durch die gegenständlichen Instandsetzungsaufträge vorgenommen werden müsse, werde im vorgelegten Gutachten weder behandelt noch beantwortet. Die gutachterliche Stellungnahme des Amtssacherverständigen der Magistratsabteilung 37/12 vom könne daher dadurch nicht widerlegt werden. Es sei somit davon auszugehen, dass lediglich 33 % der Bausubstanz der gegenständlichen Baulichkeit im Falle der Durchführung der aufgetragenen Instandsetzungsmaßnahmen erneuert werden müssten, weshalb ein Auftrag zum Abbruch des Gebäudes nach § 129 Abs. 4 BO nicht zu erteilen gewesen sei. Den Beschwerdeführern stehe es jedoch frei, der Verpflichtung zur Instandsetzung des Hauses durch Abtragung des Gebäudes zu entgehen.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich nur gegen den die Berufung abweisenden Teil, richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gutachten des DI L. und des Zivilingenieurbüros F. vor, die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes sei durch die vorhandenen Baugebrechen bedroht und gefährdet. Die Behebung dieser bedrohlichen Schäden könne nicht durch einfache Maßnahmen beseitigt werden. Eine Sanierung des gegenständlichen Gebäudes sei unwirtschaftlich und technisch unmöglich, weil die durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahmen in Wirklichkeit zu einer völligen Substanzveränderung des Gebäudes führen würden, zumal sich aus dem Gutachten des DI L. ergebe, dass sich die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten auf EUR 580.502,75, die fiktiven Neubaukosten hingegen auf EUR 1.089.734,25 beliefen. Die belangte Behörde hätte sich damit auseinandersetzen und begründen müssen, warum trotz des aufzuwendenden Betrages von EUR 580.502,75, der immerhin mehr als die Hälfte der Kosten für einen fiktiven Neubau ausmache, lediglich 33 % der Bausubstanz im Falle der Durchführung der Instandsetzungsarbeiten betroffen wären. Auf Grund der massiven Mängel sei kein Instandsetzungsauftrag, sondern vielmehr ein Beseitigungsauftrag zu erteilen gewesen.

Die hier maßgebende Bestimmung des § 129 der Bauordnung für

Wien (BO) lautet auszugsweise:

"...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. ...

...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. Die Räumung oder der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen ist anzuordnen, wenn die Instandsetzung der Baulichkeit einer Substanzveränderung mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit gleichkäme; eine solche Substanzveränderung ist jedenfalls dann gegeben, wenn mindestens die Hälfte der wesentlichen raumbildenden Elemente durch neue Bauteile ersetzt werden müßte. Die Räumung oder der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen ist weiters auch dann anzuordnen, wenn durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich das Gebäude, die Gebäudeteile oder die baulichen Anlagen in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, daß die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann. In allen Fällen steht dem Eigentümer (Miteigentümer) des Gebäudes, der Gebäudeteile oder der baulichen Anlagen die Möglichkeit offen, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Zustand wiederherzustellen. ..."

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit bei Instandsetzungsaufträgen betreffend Gebäude außerhalb von Schutzzonen nicht zu prüfen ist (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0169). Entsprechend dieser Judikatur besteht ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines Abtragungsauftrages, wenn die Instandsetzung dem Hauseigentümer nicht zugemutet werden kann, nur für Häuser in Schutzzonen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0168). Die belangte Behörde ist daher zu Recht auf das Vorbringen der Beschwerdeführer zur Unwirtschaftlichkeit der Instandsetzung nicht eingegangen.

Abgesehen von der oben dargelegten Ausnahme zugunsten der Eigentümer eines in einer Schutzzone gelegenen Gebäudes steht niemandem, auch nicht dem Hauseigentümer, ein Anspruch auf Erlassung eines Abbruchauftrages zu. Daran vermag auch die Bestimmung des § 129 Abs. 4 BO nichts zu ändern, weil sich diese ausschließlich an die Behörde richtet und daher ausschließlich deren Vorgehen regelt. Diese Bestimmung begründet zwar ein subjektiv-öffentliches Recht der betroffenen Eigentümer von Gebäuden, dass ihnen nur unter den in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen ein Abbruchauftrag erteilt wird, doch lässt sich aus dieser Bestimmung umgekehrt kein subjektivöffentliches Recht der Eigentümer ableiten, einen Abbruchauftrag zu erhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 12.529/A). Außerdem ist nach § 62a Abs. 1 Z. 2 BO seit der Novelle LGBl Nr. 42/1996 für den Abbruch von Gebäuden oder baulichen Anlagen außerhalb von Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre weder eine Bauanzeige noch eine Baubewilligung erforderlich. Es steht den Beschwerdeführern somit baurechtlich jedenfalls frei, die Verpflichtung zur Instandsetzung des Hauses, wenn ihnen diese wirtschaftlich unzumutbar erscheint, durch den Abbruch des Gebäudes zu erfüllen. Auch im Hinblick darauf kann aus § 129 Abs. 4 BO - mit den oben genannten Ausnahmen - kein subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung eines Abbruchauftrages abgeleitet werden.

Da die Beschwerdeführer dadurch, dass ihnen kein Abbruchauftrag, sondern ein Instandsetzungsauftrag erteilt worden ist, somit in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Die Beschwerdeführer haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat zuletzt in seiner Entscheidung vom , Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext: any hearing at all), erfüllt wären, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1519 mwN). Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am