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VwGH vom 16.06.2014, 2012/11/0159

VwGH vom 16.06.2014, 2012/11/0159

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/11/0160 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom , Zl. UVS- 04/A/44/3579/2011-4, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: Mag. R S in W, vertreten durch Stolz Schartner Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Dem Mitbeteiligten war mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom Folgendes angelastet worden:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S GmbH mit Sitz in Wien, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin die im Folgenden angeführten Verstöße gegen das Arbeitsruhegesetz - ARG, BGBl. Nr. 144/1983 i. g.F. zu verantworten hat:

Sonntagsruhe - Sonntagsarbeit

Folgende Arbeitnehmer, die vom Unternehmen S GmbH beschäftigt wurden, wurden entgegen § 3 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz - ARG, BGBl. Nr. 144/1983, wonach Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden haben, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe), zur Arbeitsleistung an Sonntagen herangezogen, nämlich

1.1. A N, Soz.Vers.Nr. XX

am zu einer Arbeitszeit von 6:20 Stunden

am zu einer Arbeitszeit von 6:55 Stunden

1.2. H P, Soz.Vers.Nr. YY

am zu einer Arbeitszeit von 9:00 Stunden

1.3. J R, Soz.Vers.Nr. ZZ

am zu einer Arbeitszeit von 7:30 Stunden

1.4. A S, Soz.Vers.Nr. AA

am zu einer Arbeitszeit von 6:30 Stunden

am zu einer Arbeitszeit von 8:00 Stunden Samstagsarbeit

Folgende Arbeitnehmer, die vom Unternehmen S GmbH beschäftigt wurden, wurden entgegen § 3 Abs. 2 Arbeitsruhegesetz - ARG, BGBl. Nr. 144/1983, wonach für alle Arbeitnehmer die Wochenendruhe spätestens Samstag um 13:00 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15:00 Uhr zu beginnen hat, an Samstagen über eine Zeit von 15:00 Uhr zu Arbeiten herangezogen, nämlich

2.1. A N, Soz.Vers.Nr. XX

am zu einer Arbeitszeit von 09:30 bis 17:00 Uhr

am zu einer Arbeitszeit von 10:00 bis 17:00 Uhr am zu einer Arbeitszeit von 08:15 bis

17:00 Uhr

am zu einer Arbeitszeit von 08:15 bis 17:30 Uhr

am zu einer Arbeitszeit von 07:50 bis 17:00 Uhr

2.2. H P, Soz.Vers.Nr. YY

am zu einer Arbeitszeit von 07:30 bis 19:30 Uhr

2.3. J R, Soz.Vers.Nr. ZZ

am zu einer Arbeitszeit von 10:30 bis 16:30 Uhr am zu einer Arbeitszeit von 07:00 bis

18:30 Uhr

2.4. A S, Soz.Vers.Nr. AA

am zu einer Arbeitszeit von 06:00 bis 16:00 Uhr am zu einer Arbeitszeit von 07:00 bis

19:00 Uhr"

Wegen dieser Übertretungen wurden über den Mitbeteiligten jeweils Geldstrafen in Höhe von EUR 840,-- (bzw. Ersatzfreiheitsstrafen) gemäß § 27 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz (ARG) verhängt.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde, der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (UVS), der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein.

In der Begründung legte der UVS dar, dass in der Berufung gegen das Straferkenntnis u.a. geltend gemacht worden sei, es sei kein präziser Tatort angegeben worden. Zwar sei an einer Stelle in der Begründung ersichtlich, dass die vier Arbeitnehmer auf einer Baustelle im Einsatz gewesen seien, wobei auch die Adresse M, angegeben gewesen sei. Dem Spruch selbst sei dieser Vorwurf jedoch nicht zu entnehmen. Als Tatort denkbar sei einerseits der Betriebsstandort, andererseits der Baustellenstandort. Die Erstbehörde sei daher der ihr - schon zur Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung obliegenden - Begründungspflicht nicht nachgekommen; die Bezeichnung des Beschäftigungsortes als Einsatzort sei ein wesentliches Sachverhaltselement im Sinn des § 44a VStG.

Das Arbeitsinspektorat habe diesem Berufungsvorbringen entgegen gehalten, dass der Unternehmenssitz maßgeblich sei und deshalb auch - zutreffend - genannt worden sei. In den Fällen, in welchen ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werde, sei Tatort im Bereich des Arbeitnehmerschutzes der Sitz der Unternehmensleitung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0051).

Gerade in diesem Erkenntnis sei aber, so der UVS weiter, vom Verwaltungsgerichtshof die Bezeichnung des Beschäftigungsortes als ein wesentliches Sachverhaltselement iSd § 44a VStG angesehen worden. Mit "Beschäftigungsort" könne nur jener Ort gemeint sein, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeit zu verrichten habe. Eine Ergänzung des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses durch Aufnahme des Beschäftigungsortes sei dem UVS aber wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung verwehrt gewesen, zumal die gesetzwidrigen Einzelhandlungen im Zeitraum bis gesetzt worden seien und eine rechtskonforme, alle notwendigen Tatbestandselemente enthaltende Verfolgungshandlung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 31 Abs. 2 VStG nicht gesetzt worden sei.

Es sei daher das angefochtene Straferkenntnis wegen Verletzung des § 44a Z 1 VStG zu beheben und das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch den Mitbeteiligten (die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand) erwogen:

1. Im Beschwerdeverfahren ist lediglich strittig, ob gegen den Mitbeteiligten innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung gesetzt worden ist.

Der UVS hat - im Einklang mit der Auffassung des Mitbeteiligten - diese Frage verneint, weil weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom noch im Spruch des Straferkenntnisses vom der Beschäftigungsort der zur Arbeitsleistung herangezogenen Arbeitnehmer (jener Ort, an dem sie ihre Arbeit zu verrichten hatten) genannt worden sei.

Demgegenüber vertritt die Beschwerde die Auffassung, dass die in der Aufforderung zur Rechtfertigung und im Straferkenntnis jeweils enthaltene Nennung des Unternehmenssitzes in Verbindung mit den sonstigen angeführten Sachverhaltselementen ausreichend gewesen sei, um dem Beschwerdeführer eine Rechtfertigung zu ermöglichen, zumal als Tatort der Sitz des Unternehmens anzunehmen sei.

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, (u.a.) die als erwiesen angenommene Tat (Z 1), die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2), sowie die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung (Z 3) zu enthalten.

§ 44a Z 1 VStG bestimmt, dass der "Spruch" (§ 44 Abs. 1 Z 6 VStG), wenn er nicht auf Einstellung lautet, "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/03/0179, mwH) muss die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der angeführten Rechtsvorschrift ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und weiters der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom , Zl. 85/02/0053, und das Erkenntnis vom , Zl. 2011/03/0130).

2.2. Im vorliegenden Fall war dem Mitbeteiligten - wie oben näher dargestellt - im Spruch des Straferkenntnisses angelastet worden, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S GmbH mit Sitz an einer näher genannten Adresse in Wien es zu verantworten, dass die S GmbH als Arbeitgeberin im Einzelnen genannte Arbeitnehmer an konkret genannten Tagen (Sonntage bzw. Samstage ab 15 Uhr) unzulässig zur Arbeitsleistung herangezogen habe.

Damit wird kein Zweifel offen gelassen, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt wird. Entgegen der Auffassung des UVS steht die derart vorgenommene Tatumschreibung mit dem Gebot des § 44a Z 1 VStG und damit auch mit den an eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG zu stellenden Anforderungen in Einklang, weil der Mitbeteiligte damit weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wurde (wie sich nicht zuletzt in seiner - inhaltlich auf die einzelnen Vorwürfe eingehenden - Rechtfertigung vom zeigt).

Einer gesonderten Angabe des Ortes, an dem die beschäftigten Arbeitnehmer eingesetzt waren, bedurfte es im Übrigen auch deshalb nicht, weil bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Tatort regelmäßig der Sitz der Unternehmensführung anzusehen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/02/0118, und vom , Zl. 2003/11/0277).

Die vom UVS bzw. dem Mitbeteiligten (in der Gegenschrift) zur Stütze ihrer gegenteiligen Auffassung berufenen Erkenntnisse sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil ihnen jeweils anders gelagerte Sachverhalte zu Grunde lagen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am