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VwGH vom 14.11.2006, 2005/05/0339

VwGH vom 14.11.2006, 2005/05/0339

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Mag. Ilona Mühlberger in Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 302/05, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 381,90 EURO binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft in Wien 17, Laubengasse 16. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) der Auftrag erteilt, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides 1. das an der rechten vorderen Grundgrenze ohne Baubewilligung errichtete Flugdach im Ausmaß von 3,40 m x 5,50 m mit einer Höhe von 3,30 m abzutragen, und 2. auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche der Liegenschaft das Einstellen von Kraftfahrzeugen zu unterlassen. Begründend wurde ausgeführt, dass sich die gegenständliche Liegenschaft in einem Gartensiedlungsgebiet befinde. Bei der am abgehaltenen Ortsverhandlung sei festgestellt worden, dass das Flugdach auf einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche errichtet worden sei, wobei diese nicht unmittelbar bebaubar sei. § 62a Abs. 1 Z 13 BO komme daher nicht zur Anwendung, und es wäre für die Errichtung eine Bewilligung der Behörde gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO einzuholen gewesen. Weiters komme § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes (WGG) zur Anwendung, wonach Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen auf gärtnerisch auszugestaltenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig seien.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie darauf verwies, dass ihr Vater als damaliger Grundeigentümer ihren Sohn zu dessen Geburtstag das Flugdach habe errichten lassen, ohne die entsprechende Gesetzeslage zu kennen. Sie könne nunmehr ihren Vater mit 94 Jahren und ihre Mutter mit 88 Jahren nicht mit diesen Tatsachen belasten. Diese würden die Beseitigung "ihres Geschenks" nicht verkraften.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab und führte in ihrer Begründung im Wesentlichen aus, dass gemäß § 129 Abs. 10 BO vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden sei, zu beseitigen seien. Vorschriftswidrig im Sinne von § 129 Abs. 10 BO sei jede Baumaßnahme, die sowohl zum Zeitpunkt ihrer Durchführung als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Bescheides einer Baubewilligung bedürfe, für die eine solche jedoch nicht vorliege, oder wenn die Baumaßnahme sonst den Bauvorschriften widerspreche. Gemäß § 62a Abs. 1 Z 13 BO seien Flugdächer mit einer bebauten Fläche von höchstens 25 m2 und einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m auf unmittelbar bebaubaren Flächen, ausgenommen in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre, bewilligungsfrei. Im gegenständlichen Fall befinde sich das Flugdach jedoch in einem Vorgarten auf einer gärtnerisch auszugestaltenden und nicht unmittelbar bebaubaren Fläche. Des Weiteren sei die Höhe von 2,50 m um 0,80 m überschritten worden. Die gegenständliche Bauführung sei gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO bewilligungspflichtig, denn das Flugdach sei wegen seiner Beschaffenheit geeignet, öffentliche Rücksichten zu berühren, da eine ausreichende Fundierung erforderlich sei, um dem auftretenden Winddruck standzuhalten. Das Nichtbestehen einer Baubewilligung sei von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden. Gemäß § 3 Abs. 1 lit. b WGG bedürfe die Verwendung von Flächen und Räumen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen, ohne dass eine Bauführung erfolgt, einer behördlichen Bewilligung im Sinn der §§ 60, 70a oder 71 BO, sofern nicht § 62a BO zur Anwendung komme. Das Einstellen von Kraftfahrzeugen auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche im Vorgarten der gegenständlichen Liegenschaft sei somit bewilligungspflichtig. Dies sei von der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt worden. Ein Auftrag, das Einstellen zu unterlassen, sei gemäß § 129 Abs. 10 BO iVm § 1 Abs. 2 WGG möglich. Die gegenständliche Bauführung bzw. die Nutzung als KfZ-Einstellplatz widerspreche auch den §§ 79 Abs. 1 und § 82 Abs. 1, 2, 3 und 6 BO. Die Unkenntnis der Gesetzeslage des vorherigen Eigentümers sowie die sonst geltend gemachten Umstände seien nicht zu berücksichtigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass es die Behörde unterlassen habe, das Alter des Flugdaches bzw. des Kfz-Stellplatzes festzustellen. Hätte die bauliche Anlage mehr als 30 Jahre an derselben Stelle bestanden, hätte dies zu einem Baukonsens gemäß § 71a BO führen können. Wenn die Anlage vor dem errichtet worden wäre, käme die Ausnahmebestimmung des § 71b BO zur Anwendung. Die belangte Behörde hätte zu prüfen gehabt, ob § 71 BO (allenfalls in Verbindung mit § 62a Abs. 1 Z. 13 BO) zur Anwendung gelange. Die belangte Behörde habe zudem die Bestimmung des § 4 Abs. 4 WGG nicht beachtet, wonach Kleinanlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen mit einer Bodenfläche von 50 m2 im Vorgarten zulässig seien, wenn die Errichtung auf den seitlichen Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung sonst offen stehen, im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes nicht zumutbar wäre. Die Beschwerdeführerin bringt zudem vor, dass seitens der Behörde mit einem gelinderen Mittel vorzugehen gewesen wäre, und zwar insoweit, als sie dazu hätte angeleitet werden müssen, die Höhe des errichteten Flugdaches auf 2,50 m zu reduzieren.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und ist ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO ist es ausreichend, dass für die bestehende bewilligungspflichtige Baulichkeit eine behördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl die Baulichkeit sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zu jenem der Auftragserteilung einer behördlichen Bewilligung bedurft hätte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0178).

Wie die belangte Behörde festgestellt hat, besteht für die gegenständliche bauliche Anlage und für das Einstellen von Kraftfahrzeugen keine entsprechende Bewilligung. Dass die erforderlichen Bewilligungen nicht vorliegen, wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist jedoch für die gegenständliche Baulichkeit eine behördliche Genehmigung erforderlich:

§ 62a Abs. 1 Z. 13 BO lautet:

"(1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

....

13. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von höchstens 25 m2 und einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m auf unmittelbar bebaubaren Flächen, ausgenommen in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre;"

§ 60 Abs. 1 lit. a BO lautet auszugsweise:

"(1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung

neuer Gebäude zu verstehen; ...... Flugdächer mit einer bebauten

Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude....."

§ 62a Abs. 1 Z. 13 BO kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zur Anwendung, da das Flugdach die Höhe von 2,50 m überschreitet. Es wäre demnach eine Bewilligung nach § 60 Abs. 1 lit. a BO erforderlich.

Ein Beseitigungsauftrag darf sich nur dann auf Teile einer Baulichkeit beziehen, wenn die konsenswidrigen oder konsenslosen Teile vom übrigen Teil der Baulichkeit trennbar sind (vgl. das hg Erkenntnis vom Zl. 2004/05/0279). Eine Trennbarkeit von Teilen der gegenständlichen Baulichkeit wurde aber von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich (vgl. auch das hg Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0138). Der belangten Behörde kann folglich nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Beseitigung der ganzen Baulichkeit verfügt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0341) ist die Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Baues im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Voraussetzungen für die Erlangung eines Baukonsenses gemäß § 71a BO bzw. § 71b oder § 71 von der belangten Behörde zu prüfen und festzustellen gewesen wären, vermag der Beschwerde somit keinesfalls zum Erfolg zu verhelfen. Auch § 4 Abs. 4 WGG regelt lediglich die Voraussetzungen für das Erlangen einer Baubewilligung. Diese Bestimmung ändert aber nichts an der Bewilligungspflicht.

Sollte die Beschwerdeführerin nachträglich um eine Baubewilligung ansuchen bzw. eine solche erwirken, stünde dies der Vollstreckung des Abtragungsauftrages entgegen, ein Beseitigungsauftrag ist jedoch vor Erlangung eines erforderlichen Baukonsenses zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0026).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch beim Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext: any hearing at all) erfüllt seien, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1519 mwN). Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am