VwGH vom 31.03.2008, 2005/05/0328
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des L in Wien, vertreten durch Mag. Michael Leissner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Zieglergasse 12/9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-371/04, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer suchte mit Schreiben vom um die Erteilung der Bewilligung für die Errichtung eines Kleingartenwohnhauses gemäß § 8 Wiener Kleingartengesetz 1996 (im Folgenden in der Fassung LGBl. Nr. 91/2001; KlGG) an. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), forderte den Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG mit Schreiben vom auf, die Baupläne, versehen mit Ergänzungen gemäß § 8 Abs. 3 KlGG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 KlGG hinsichtlich des nachvollziehbaren Nachweises der zulässigen Gesamtkubatur und Ausnutzbarkeit binnen 14 Tagen nachzureichen. Es seien (u.a.) beim Nachweis der zulässigen Gesamtkubatur und Gebäudehöhe die Geländeveränderungen (Geländeprofil alt/neu) nicht dargestellt worden.
Der Beschwerdeführer erwiderte in seinem Schreiben vom , dass planliche Darstellungen in Verbindung mit § 15 Abs. 1 KlGG laut § 8 Abs. 3 KlGG nicht verlangt werden.
Die MA 37 wies mit Bescheid vom (im 2. Rechtsgang) das Ansuchen gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück. Neu vom Beschwerdeführer vorgelegte Pläne wiesen zwar im Unterschied zur ursprünglichen Planfassung nunmehr in der Darstellung der Fassadenabwicklung im Bereich der Westfassade und der Ostfassade jeweils eine zusätzliche strichlierte Linie zunächst jener, die den beabsichtigten Geländelauf an das Gebäude darstelle, auf, ohne jedoch klarzustellen, welche Bedeutung dieser Linie beizumessen sei. Dadurch sei es nach wie vor nicht möglich nachzuvollziehen, ob das verfahrensgegenständliche Kleingartenwohnhaus der bestehenden Höhenlage entsprechend angepasst worden sei.
In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer einerseits vor, er habe die Pläne durch Angaben über das ursprüngliche Gelände in Form einer strichlierten Linie bei der Fassadenabwicklung ergänzt. Andererseits wiederholte er seinen Standpunkt, dass seine Pläne von Anfang an im Sinne des § 8 Abs. 3 KlGG vollständig waren.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Gemäß § 13 Abs. 2 KlGG dürfe eine Gesamtkubatur von höchstens 250 m3 über dem anschließenden Gelände bestehen und dürfe der oberste Abschluss des Kleingartenwohnhauses nicht mehr als 5,50 m über dem verglichenen Gelände liegen. Nach § 15 Abs. 1 letzter Satz KlGG seien Baulichkeiten der bestehenden Höhenlage möglichst anzupassen. In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Plan sei zwar eine Fassadenabwicklung, die von einem verglichenen Gelände ausgehe, enthalten, jedoch keine Angabe über das bestehende Gelände. Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Planergänzung könne nicht als ausreichend angesehen werden, da sie nicht erkennen lasse, ob Abgrabungen etwaigen erforderlichen Anschüttungen in entsprechendem Ausmaß gegenüberstehen. Des Weiteren sei der Verlauf des ursprünglichen Geländes an der Nordsowie der Südfassade nicht dargestellt, wodurch eine Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des Bauvorhabens nicht möglich sei. Da somit die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig gewesen seien, sei der Beschwerdeführer unter Setzung einer angemessenen Frist aufgefordert worden, die fehlenden Unterlagen nachzuliefern. Er sei auch darauf hingewiesen worden, dass widrigenfalls das Ansuchen zurückgewiesen werden müsse.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Kleingartenwohnhauses verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass gemäß § 8 Abs. 4 KlGG nach Vorlage der vollständigen Unterlagen und nach Anzeige des Baubeginns mit der Bauführung begonnen werden dürfe. Die von der belangten Behörde angeführten Bestimmungen der §§ 13 Abs. 2 und 15 Abs. 1 KlGG würden keinen Bezug auf die Baubewilligung nehmen. Insbesondere würde eine systematische und teleologische Interpretation des KlGG ergeben, dass die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 4 KlGG nicht an weitere Voraussetzungen, als an jene des § 8 KlGG gebunden seien. Die Aufzählung in § 8 Abs. 2 KlGG sei taxativ, sodass es keiner weiteren Unterlagen als der an dieser Stelle aufgezählten bedürfe. Dasselbe gelte für die Umschreibung, was Baupläne enthalten müssen. Das von der belangten Behörde bemängelte Fehlen von Angaben über das bestehende Gelände und die dadurch vermeintlich fehlende Nachvollziehbarkeit der Übereinstimmung des Kleingartenwohnhauses mit dem KlGG sei kein Mangel im Sinne des § 8 KlGG.
Der von der belangten Behörde bestätigte Bescheid der MA 37 gründet sich auf § 13 Abs. 3 AVG.
Eine Behörde darf nur dann nach dieser Bestimmung vorgehen, wenn das Anbringen einen "Mangel" aufweist, also von der Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz. 27). Was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben iSd § 13 AVG zu verstehen ist, muss der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden. Als Mangel ist insbesondere das Fehlen von Belegen anzusehen, wenn die Partei auf Grund des Gesetzes erkennen konnte, welche Unterlagen erforderlich sind (s die Nachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 283).
Ob hier ein Mangel vorlag, der eine Verbesserung rechtfertigte, ist anhand des KlGG zuprüfen. Dessen §§ 8, 13 und 15 lauten auszugsweise
"Baubewilligungen
§ 8
(1) 'Im Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet' und 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' sowie auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Flächen ist für Neu-, Zu- und Umbauten von Kleingartenhäusern und Kleingartenwohnhäusern sowie für die Umwidmung eines Kleingartenhauses in ein Kleingartenwohnhaus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Baubewilligung erforderlich. Alle anderen Bauführungen in Kleingärten und auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Flächen bedürfen weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige; das Erfordernis der Zustimmung des Grundeigentümers nach Maßgabe zivilrechtlicher Bestimmungen bleibt unberührt. Für die Errichtung von Gemeinschaftsanlagen gelten ausschließlich die Bestimmungen der Bauordnung für Wien.
(2) Bei Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleingartenwohnhäusern sowie von Kleingartenhäusern im 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet' und im 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' sind der Behörde nur vorzulegen:
1. Baupläne in zweifacher Ausfertigung; die Baupläne
sind von einem nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften hiezu Berechtigten zu verfassen und von diesem, vom Bauwerber, vom Bauführer sowie vom Grundstückseigentümer zu unterfertigen;
...
(3) Die Baupläne haben folgende Angaben zu enthalten:
...
2. die Lage und Größe des Gebäudes unter Angabe der
Abmessungen und der Abstände zu den Kleingartengrenzen sowie der Nebengebäude, der Dachvorsprünge, der Balkone, der überdachten Kellerabgänge und der anderen baulichen Anlage, die der bebauten Fläche des Kleingartens zugerechnet werden;
3. den Nachweis der Einhaltung der zulässigen
Gesamtkubatur unter Darstellung der Gebäudehöhen im Wege der Fassadenabwicklung und der Dachform;
...
(4) Nach Vorlage der vollständigen Unterlagen darf nach Anzeige des Baubeginns (§ 124 Abs. 2 der Bauordnung für Wien) mit der Bauführung begonnen werden.
...
(6) Ergibt die Prüfung der Angaben in den Bauplänen gemäß Abs. 3, dass die Bauführung unzulässig ist, hat die Behörde binnen drei Monate ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen die Bauführung mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss einer Ausfertigung der Unterlagen zu untersagen. Wird die Bauführung untersagt, ist sie einzustellen.
...
Gebäudegröße
§ 13
...
(2) Kleingartenwohnhäuser dürfen eine Gesamtkubatur von höchstens 250 m3 über dem anschließenden Gelände haben, wobei der oberste Abschluss des Kleingartenwohnhauses nicht mehr als 5,50 m über dem verglichenen Gelände liegen darf.
Gestaltung der Baulichkeiten
§ 15
(1) Das Äußere von Baulichkeiten in Kleingärten und auf Gemeinschaftsflächen muss nach Bauform, Baustoff und Farbe so beschaffen sein, dass dadurch der Charakter des kleingärtnerisch genutzten Gebietes nicht beeinträchtigt wird. Baustoffe zur Abdichtung, wie Dachpappe und Ähnliches dürfen äußerlich nicht in Erscheinung treten. Balkone dürfen nur an einer Front des Kleingartenhauses oder des Kleingartenwohnhauses errichtet werden. Darüber hinaus sind Baulichkeiten der bestehenden Höhenlage möglichst anzupassen."
Das Baubewilligungsverfahren nach § 8 KlGG ist dadurch gekennzeichnet, dass nach Vorlage der geforderten Unterlagen entweder die Ausführung gemäß § 8 Abs. 6 KlGG untersagt bzw. die Bewilligung bei Einschreiten von Nachbarn versagt (§ 8 Abs. 8 KlGG) wird oder das Vorhaben "als gemäß § 70 der Bauordnung für Wien bewilligt" (§ 8 Abs. 10 KlGG) gilt. Ein über die Prüfung der Unterlagen hinausgehendes Beweisverfahren oder eine Verhandlung ist nicht vorgesehen.
Zu untersagen ist die Ausführung nach § 8 Abs. 6 KlGG, wenn sie "unzulässig" ist; ob eine solche Unzulässigkeit vorliegt, ist nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 6 KlGG allein hinsichtlich der Angaben in den Bauplänen zu prüfen. Eine darüber hinausgehende allgemeine Prüfung, ob die Baumaßnahmen den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen (vgl. §§ 62 Abs. 3 und 67 Abs. 1 BauO für Wien), kennt das KlGG nicht.
Ob die besonderen Bauvorschriften der §§ 12 bis 16 KlGG eingehalten werden, ist daher allein nach dem Bauplan zu beurteilen, wobei zu beachten ist, dass nach dem Einleitungssatz des § 8 Abs. 3 KlGG der Bauplan die vom Gesetz geforderten Angaben enthalten muss.
Was die Einhaltung der hier herangezogenen Bauvorschrift des § 13 Abs. 2 KlGG betrifft, ist als Nachweis die Darstellung der Gebäudehöhen im Wege der Fassadenabwicklung und der Dachform vorgesehen; andere Nachweise fordert das Gesetz nicht. Ergibt die Überprüfung anhand dieser Nachweise, dass die Grenzwerte des § 13 Abs. 2 KlGG nicht eingehalten werden, ist die Ausführung zu untersagen; für die hier erfolgte Anforderung weiterer Plandarstellungen bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. (Darüber hinaus ist zu bemerken, dass auch diese Bauvorschrift nur das anschließende, also das neu geschaffene, und das - in keinem Gesetz näher definierte - "verglichene", aber jedenfalls nicht das bestehende bzw. gewachsene Gelände nennt.)
Angaben über das bestehende Gelände forderte die belangte Behörde auch, damit die Einhaltung der Bauvorschrift des § 15 Abs. 1 letzter Satz KlGG geprüft werden könne.
Geländeveränderungen im Kleingartengebiet sind bewilligungsfrei und gelten auch nicht als bewilligt, wenn sie im Plan dargestellt werden (vgl. § 8 Abs. 1 KlGG, § 62a Abs. 7 BO iVm § 1 Abs. 2 KlGG). Schon aus diesem Grund kann eine Einzeichnung des bestehenden Geländes, auf deren Fehlen der angefochtene Bescheid aufbaut, nicht verlangt werden (vgl. aber die nunmehr geltende Neufassung des § 8 Abs. 3 Z. 3 KlGG, LGBl. Nr. 13/2006). Ob § 129 Abs. 10 BO zum Tragen kommt, wenn § 15 Abs. 1 letzter Satz KlGG nicht eingehalten wird, ist hier nicht zu beurteilen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit nicht zu erkennen, dass dem vorliegenden Bauansuchen die für ein Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG herangezogenen Mängel anhafteten. Daraus folgt aber, dass nicht mit einem Verbesserungsauftrag vorzugehen war, weshalb durch die Zurückweisung des Bauansuchens der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt wurde. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Da die Schriftsätze des Beschwerdeführers und der belangten Behörde erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem nicht entgegen, weil lediglich ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu beurteilen war.
Wien, am