VwGH vom 27.04.2015, 2012/11/0130
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der Ärztekammer für Steiermark in Graz, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ: FA8A-87.01- 71/2012-29, betreffend Bewilligungen nach dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz 1999 - KALG (mitbeteiligte Partei: P G GmbH, G), zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Die Beschwerde wird, insoweit sie sich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt II. erteilte Betriebsbewilligung richtet, als unzulässig zurückgewiesen.
Soweit mit dem angefochtenen Bescheid (unter Spruchpunkt I.) der Mitbeteiligten die Errichtungsbewilligung für wesentliche Änderungen der Krankenanstalt erteilt wurde, wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Kostenersatzbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1, 2 und 6 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes (KALG) die Errichtungsbewilligung für wesentliche Änderungen der von ihr an einem näher genannten Standort in Graz betriebenen Krankenanstalt, nämlich "Erweiterung des Anstaltszweckes und der genehmigten medizinischen Leistungen um Leistungen der physikalischen Medizin:
Massagen, Gymnastik und Heilgymnastik, Mechanotherapie, Hochfrequenz-, Ultraschall-, Thermo-, Hydrotherapie und Elektrotherapie" (Spruchpunkt I.).
Unter Spruchpunkt II. wurde der Mitbeteiligten gemäß § 5 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 KALG die Betriebsbewilligung für diese Änderungen erteilt.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Verfahrensgang und - zusammengefasst - die Äußerungen der von ihr im Ermittlungsverfahren befassten Stellen sowie die Stellungnahme der Mitbeteiligten vom wieder und legte den wesentlichen Inhalt der maßgebenden Bestimmungen des KALG dar.
Daran schließen sich folgende (hier wörtlich wiedergegebene) Ausführungen:
"Der Bedarf für die beantragten Leistungen ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses der im Sachverhalt geschilderten Bedarfsprüfung als gegeben anzunehmen.
Die Bestimmungen des Stmk. Landeskrankenanstaltenplanes sind nicht anzuwenden, zumal es sich bei der vorliegenden Krankenanstalt weder um eine öffentliche, noch um eine positive gemeinnützige handelt.
Da die Vorschreibung der im Spruch I. angeführten Auflagen gemäß § 3 Abs 6 KALG für die Errichtung war notwendig, um eine Gefährdung von Patienten oder Bediensteten hintan zu halten.
Wie dem Sachverhalt entnommen werden kann, liegen die angeführten Voraussetzungen für die Erteilung der Errichtungsbewilligung vor. Aufgrund der schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Gutachten der Sachverständigen ist ebenso die Eignung des Gebäudes iSd § 3 Abs 2 lit c KALG als gegeben anzunehmen.
Wie dem Sachverhalt und den schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Gutachten der Sachverständigen entnommen werden kann, liegen die angeführten Voraussetzungen für die Erteilung der Beriebsbewilligung vor.
Unter Betrachtung des geschilderten Sachverhaltes liegen somit die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Betriebsbewilligung vor."
Gegen diesen Bescheid - sowohl gegen Spruchpunkt I. als auch gegen Spruchpunkt II. - richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1.1. Da die vorliegende Beschwerde mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängig war, sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG darauf die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
1.2. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes 1999, LGBl. Nr. 66/1999 idF LGBl. Nr. 44/2011 (KALG), von Bedeutung:
"2. TEIL
Allgemeine Bestimmungen über die Errichtung
und den Betrieb von Krankenanstalten
§ 3
Errichtungsbewilligung
(1) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Bewilligung der Landesregierung.
(2) Diese kann unbeschadet der nach sonstigen Rechtsvorschriften erforderlichen Voraussetzungen nur erteilt werden, wenn
a. ein Bedarf im Sinne des Abs. 3 nach einer Krankenanstalt hinsichtlich des angegebenen Anstaltszweckes (§ 1 Abs. 3 und § 2 a) und des in Aussicht genommenen Leistungsangebotes gegeben ist;
b. ...
(3) Der Bedarf ist zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung unter Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot zu beurteilen
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1. | bei bettenführenden Krankenanstalten ... |
2. | bei selbstständigen Ambulatorien im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und kasseneigene Einrichtungen, niedergelassene Ärzte, Gruppenpraxen und selbstständige Ambulatorien, soweit sie sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, bei selbstständigen Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Zahnärzte, Dentisten und zahnärztliche Gruppenpraxen, soweit sie sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen. Ein Bedarf ist gegeben, wenn eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Einzugsgebiet erreicht werden kann, wobei ausgehend von den Ergebnissen der Planungen des jeweiligen RSG folgende Kriterien zu berücksichtigen sind: |
a) | örtliche Verhältnisse (regionale rurale oder urbane Bevölkerungsstruktur und Besiedlungsdichte), |
b) | die für die Versorgung bedeutsamen Verkehrsverbindungen, |
c) | das Inanspruchnahmeverhalten und die Auslastung von bestehenden Leistungsanbietern, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen, durch Patienten, |
d) | die durchschnittliche Belastung bestehender Leistungsanbieter gemäß lit. c) und |
e) | der Entwicklungstendenzen in der Medizin bzw. Zahnmedizin. |
Von einer Prüfung des Bedarfs ist abzusehen, wenn nach dem vorgesehenen Leistungsangebot in der Krankenanstalt ausschließlich sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen erbracht werden sollen. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse ist zur Frage, ob es sich beim Leistungsangebot um ausschließlich sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen handelt, zu hören. | |
... | |
§ 4 | |
Verfahren zur Errichtungsbewilligung | |
... |
(2) Bei Prüfung des Bedarfes (§ 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 3) sind neben den Parteien gemäß § 5a auch die Träger der öffentlichen Krankenanstalten des jeweiligen Versorgungssektors (§ 24) zu hören.
...
§ 5
Betriebsbewilligung
(1) Der Betrieb einer Krankenanstalt bedarf der Bewilligung der Landesregierung. Diese ist zu erteilen, wenn
...
§ 5 a
Parteistellung im Errichtungsbewilligungsverfahren für
Krankenanstalten
(1) Im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt haben die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und betroffene Sozialversicherungsträger, bei selbstständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Steiermark sowie bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Dentistenkammer hinsichtlich des nach § 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Artikel 131 Abs. 2 B-VG.
..."
2. Die Beschwerdeführerin, die Ärztekammer für Steiermark, stützt ihre Beschwerdelegitimation auf § 5a Abs. 1 KALG.
§ 5a KALG regelt die "Parteistellung im Errichtungsbewilligungsverfahren für Krankenanstalten" (so schon die Überschrift) und bestimmt, dass im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt die gesetzlichen Interessenvertretung privater Krankenanstalten und betroffener Sozialversicherungsträger sowie bei selbstständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Steiermark hinsichtlich des nach § 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG (alt) haben.
Eine vergleichbare Regelung, die der Beschwerdeführerin Parteistellung und Beschwerdelegitimation auch im Verfahren betreffend die Betriebsbewilligung (§ 5 KALG) einräumen würde, wird im KALG nicht getroffen.
Daraus folgt, dass eine Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin nur im Errichtungsbewilligungsverfahren besteht: Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 5a Abs. 1 KALG, der in seiner Terminologie auf "Errichtungsbewilligungsverfahren" für Krankenanstalten abstellt, sondern auch aus der systematischen Stellung der in Rede stehenden Bestimmungen, die zwischen dem Verfahren zur Errichtungsbewilligung (§ 5) und dem zur Erteilung der Betriebsbewilligung (§ 5a) unterscheiden.
Davon ausgehend ist die Beschwerde zwar hinsichtlich der mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids erteilten Errichtungsbewilligung, nicht aber hinsichtlich der mit der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids erteilten Betriebsbewilligung zulässig.
Hinsichtlich letzterer war die Beschwerde daher zurückzuweisen.
3. Soweit sich die Beschwerde aber gegen Spruchpunkt I. und gegen die behördliche Annahme des Vorliegens eines Bedarfs an der gegenständlichen Leistungserweiterung wendet, ist sie auch begründet.
3.1. Die Beschwerde rügt (zusammengefasst), dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil weder das in Frage kommende Einzugsgebiet der in Rede stehenden Krankenanstalt festgelegt noch die Ausstattung und Auslastung bestehender, in die Bedarfsprüfung einzubeziehender Einrichtungen festgestellt worden sei.
3.2. Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung in einem Verfahren auf Erteilung einer Errichtungsbewilligung nach dem KALG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/11/0027, vom , Zl. 2011/11/0029, und vom , Zl. 2012/11/0025, jeweils mwN, verwiesen.
Hervorzuheben ist daraus, dass die Prüfung der Bedarfslage Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebiets des Ambulatoriums sowie darüber erfordert, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen Untersuchungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung erforderlich.
3.3. Die derart notwendigen Feststellungen hat die belangte Behörde, die sich mit einer zusammenfassenden Wiedergabe der im Verfahren eingeholten Stellungnahmen begnügt hat, nicht getroffen. Derartige Ausführungen werden auch nicht durch die Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen vom , wonach das Vorbringen der Mitbeteiligten "zur bedarfsgerechten und erforderlichen Leistungserweiterung" aus medizinisch fachlicher Sicht "gut begründet und nachvollziehbar" sei, weil "bei bereits bestehender Genehmigung ein sportmedizinisches Training und eine sportmedizinische Rehabilitation ohne (Heil ) Gymnastik, Hydro- und Elektrotherapien etc. nicht durchführbar" sei, entbehrlich. Offen bleibt nämlich schon, warum die geforderten Leistungen nicht durch bestehende, in das Bedarfsprüfungsverfahren einzubeziehende Einrichtungen erbracht werden könnten.
4. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 Abs. 4 VwGG.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-73278