VwGH 30.06.2011, 2008/03/0063
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | WaffG 1996 §25 Abs3; WaffG 1996 §8 Abs3; |
RS 1 | Die in § 8 Abs 3 WaffG 1996 genannten Verlässlichkeitsausschlussgründe begründen unwiderlegbare Rechtsvermutungen; sie umschreiben Tatbestände, bei deren Zutreffen die waffenrechtliche Verlässlichkeit einer Person jedenfalls zu verneinen ist. Bei diesen wird also aus bestimmten Tatbeständen ex lege auf die mangelnde Verlässlichkeit des Betreffenden geschlossen; liegt einer dieser Gründe vor, stellt schon der Gesetzgeber selbst die gesetzliche Vermutung der Unverlässlichkeit auf. Bei den Verlässlichkeitsausschlussgründen nach § 8 Abs 3 WaffG 1996 ist also das Tatsachensubstrat in abschließender Weise präzisiert, gleichzeitig entfällt die von der Behörde - sonst - anzustellende Prognoseentscheidung (Hinweis E vom , 2000/20/0563, mwN). |
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RS 2 | Eine Zuständigkeit der Behörde nach § 38 AVG und damit eine Wiederaufnahme wegen anderer Vorfragenentscheidung ist ausgeschlossen, wenn - wie im Fall des § 8 Abs 3 WaffG 1996 - für die Erlassung eines Bescheides das Vorliegen eines anderen rechtskräftigen Bescheides (Urteiles) mit Tatbestandswirkung gefordert ist. Die Frage nämlich, ob eine Verurteilung im Sinne des § 8 Abs 3 Z 1 WaffG 1996 vorliegt, ist keine Vorfrage (Rechtsfrage), die entweder von der entscheidenden Behörde selbst zu beurteilen oder von einer anderen Behörde (einem Gericht) als Hauptfrage zu entscheiden wäre (vgl die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 19). Demgegenüber ist die Frage, ob der Betreffende wegen des ihm angelasteten Delikts (im Strafverfahren) zu verurteilen ist und welche Strafe zu verhängen ist, allein vom Strafgericht zu beantworten. |
Normen | |
RS 3 | Ein Zeitablauf von mehr als fünf Jahren ist regelmäßig als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhalts anzusehen (Hinweis E vom , 91/01/0139). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2007/03/0059 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des C S in K, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Kramer und Dr. Norbert P. Tischitz, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Moritschstraße 2/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Kärnten vom , Zl 2Wa-43/04, betreffend Wiederaufnahme in einer Angelegenheit nach dem Waffengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, Inhaber eines am ausgestellten Waffenpasses, war mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 150 Tagessätzen zu je S 100,-- verurteilt worden. Auf Grund dessen entzog ihm die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom gemäß § 25 Abs 3 in Verbindung mit § 8 Abs 3 Z 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) den Waffenpass. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0058, als unbegründet ab.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG ab.
In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst den Antrag des Beschwerdeführers dar. Dieser habe unter Hinweis darauf, dass das Landesgericht Klagenfurt mit Beschluss vom gemäß § 31a Abs 1 StGB die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe von 150 Tagessätzen auf 120 Tagessätze reduziert habe, die Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG beantragt, weil auf Grund der vom Strafgericht vorgenommenen nachträglichen Neubemessung der Strafe der seinerzeitige Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Waffenpass gemäß § 25 Abs 3 in Verbindung mit § 8 Abs 3 Z 1 WaffG entzogen worden war, keine gesetzliche Grundlage mehr habe, und die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers nicht mehr beeinträchtigt sei.
Dazu führte die belangte Behörde aus, der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs 1 Z 3 AVG könne nur dann Platz greifen, wenn im zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren § 38 AVG zum Tragen gekommen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen: Die Entscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt vom sei nahezu vier Jahre vor Erlassung des Waffenpassentzugsbescheides durch die Bundespolizeidirektion Klagenfurt erfolgt.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens erwogen:
1. Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.
Gemäß § 8 Abs 3 WaffG gilt ein Mensch als nicht verlässlich im Falle einer Verurteilung wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen (Z 1).
Gemäß § 69 Abs 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hierfür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde (Z 3).
2. Die in § 8 Abs 3 WaffG genannten Verlässlichkeitsausschlussgründe begründen unwiderlegbare Rechtsvermutungen; sie umschreiben Tatbestände, bei deren Zutreffen die waffenrechtliche Verlässlichkeit einer Person jedenfalls zu verneinen ist. Bei diesen wird also aus bestimmten Tatbeständen ex lege auf die mangelnde Verlässlichkeit des Betreffenden geschlossen; liegt einer dieser Gründe vor, stellt schon der Gesetzgeber selbst die gesetzliche Vermutung der Unverlässlichkeit auf. Bei den Verlässlichkeitsausschlussgründen nach § 8 Abs 3 WaffG ist also das Tatsachensubstrat in abschließender Weise präzisiert, gleichzeitig entfällt die von der Behörde - sonst - anzustellende Prognoseentscheidung (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2000/20/0563, mwN).
3. Die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen eines in § 8 Abs 3 Z 1 WaffG genannten Delikts zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen (oder einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten) verurteilt wurde (diesfalls liegt ex lege ein Verlässlichkeitsausschlussgrund vor), ist allein von der Behörde im Entziehungsverfahren zu beantworten. Wird sie bejaht, wird damit die Hauptfrage nach der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des Betreffenden beantwortet.
Eine Zuständigkeit der Behörde nach § 38 AVG und damit eine Wiederaufnahme wegen anderer Vorfragenentscheidung ist ausgeschlossen, wenn - wie im Fall des § 8 Abs 3 WaffG - für die Erlassung eines Bescheides das Vorliegen eines anderen rechtskräftigen Bescheides (Urteiles) mit Tatbestandswirkung gefordert ist. Die Frage nämlich, ob eine Verurteilung im Sinne des § 8 Abs 3 Z 1 WaffG vorliegt, ist keine Vorfrage (Rechtsfrage), die entweder von der entscheidenden Behörde selbst zu beurteilen oder von einer anderen Behörde (einem Gericht) als Hauptfrage zu entscheiden wäre (vgl die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 19).
Demgegenüber ist die Frage, ob der Betreffende wegen des ihm angelasteten Delikts (im Strafverfahren) zu verurteilen ist und welche Strafe zu verhängen ist, allein vom Strafgericht zu beantworten.
4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt also der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs 1 Z 3 AVG nicht vor; durch die Abweisung des darauf zielenden Antrags durch die belangte Behörde wurde der Beschwerdeführer daher nicht in Rechten verletzt.
5. Der Vollständigkeit halber ist Folgendes klarzustellen:
Die Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom über die Entziehung des Waffenpasses des Beschwerdeführers hält gegenüber neuen (relevanten) Tatsachen nicht stand; eine wesentliche Änderung der Tatsachenlage nach Erlassung des Bescheides kann (nicht durch Wiederaufnahme, sondern) durch neue Antragstellung geltend gemacht werden (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2011/03/0067).
Eine wesentliche Sachverhaltsänderung ist nicht nur im Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom , mit dem nachträglich die Geldstrafe neu bemessen und die Strafhöhe mit 120 Tagessätzen festgesetzt wurde, zu sehen. Vielmehr liegt eine wesentliche Änderung der Tatsachenlage auch dann vor, wenn nach dem seinerzeitigen Anlassfall ausreichend lange Zeit verstreicht, in der der Betroffene sich "wohlverhalten" hat, also keine Verhaltensweisen gesetzt hat, die erneut seine Verlässlichkeit in Zweifel ziehen ließen; dabei hat der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass ein Zeitablauf von mehr als fünf Jahren regelmäßig als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhalts anzusehen wäre (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0059).
6. Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Das sich auf den Ersatz von Schriftsatzaufwand beziehende Kostenmehrbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil von der belangten Behörde anlässlich der Aktenvorlage eine Gegenschrift nicht erstattet wurde.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2008030063.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-73277