VwGH vom 08.09.2011, 2008/03/0061
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H S in M, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Kärnten vom , Zl 2Wa-77/08, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan (BH) vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 und § 22 Abs 2 in Verbindung mit § 7 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), abgewiesen.
Die BH gab zunächst den Antrag des Beschwerdeführers wieder. Danach habe dieser (zusammengefasst) geltend gemacht, er sei erfolgreicher Sportschütze und führe mehrmals pro Woche sogenanntes "Trockentraining" (Training mit ungeladener Waffe) sowie mindestens einmal pro Woche Training mit geladener Waffe durch. Er sei seit über einem Jahrzehnt als Zimmerer auf diversen Baustellen tätig, was zur Folge habe, dass er zumeist unter der Woche nicht zu Hause sei und in diversen Pensionen bzw Gasthöfen nächtige. Zur Durchführung des für seine sportlichen Erfolge notwendigen Trockentrainings sei es unerlässlich, dass er seine Waffen unter der Woche auch in die Unterkünfte mitnehme und dort ein Trockentraining absolviere. Die Unterkünfte, die ihm von seinem Dienstgeber zugewiesen würden, seien jedoch kaum mit entsprechenden Tresoren ausgestattet, weshalb eine ordnungsgemäße Verwahrung der Schusswaffen beim Verlassen des Zimmers nicht mehr gegeben sei. Er müsse deshalb die Waffen beim Verlassen des Zimmers, etwa für die Einnahme einer Mahlzeit, mitnehmen. Dies (bei sich haben der Waffen) sei aber ohne Waffenpass unzulässig. Im Ergebnis bedeute dies, dass es zur Ausübung des Schießsports in der Situation des Beschwerdeführers notwendig sei, die Waffe zu führen, um das entsprechende Training durchführen zu können. Die Ausstellung eines Waffenpasses sei daher erforderlich.
Dazu führte die BH aus, mit diesem Vorbringen sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, einen tatsächlichen Bedarf im Sinne des § 22 Abs 2 WaffG glaubhaft zu machen, weil dem "insbesondere die Möglichkeiten des Transportes im Sinne des § 7 Abs 3 WaffG entgegenstehen". Mangelhafte Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Waffen eines Sportschützen in verschiedenen Hotelzimmern könnte nicht als Begründung für einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen gewertet werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der BH gemäß § 66 Abs 4 AVG ab. Begründend führte sie aus, die von der BH angeführten Gründe für die Abweisung des Antrags würden grundsätzlich auch von ihr geteilt, abgesehen von der Auffassung der BH, wonach dem behaupteten Bedarf die Möglichkeiten des Transportes im Sinne des § 7 Abs 3 WaffG entgegenstünden. Zu ergänzen sei lediglich, dass die waffenrechtliche Beurteilung des Verbringens einer Schusswaffe von einem Pensionszimmer in den im selben Haus gelegenen Speisesaal nicht unter dem Gesichtspunkt des § 7 Abs 3 WaffG, sondern unter dem Aspekt des § 7 Abs 2 WaffG vorzunehmen sei und demnach im Sinne dieser Gesetzesstelle auch kein Führen einer Waffe vorliege. Nehme der Beschwerdeführer als Unterkunftnehmer mit Zustimmung des Unterkunftgebers seine Waffe vom Zimmer in den Speisesaal (dem die Qualifikation eines Betriebsraumes zukomme) mit, greife § 7 Abs 2 WaffG; das Erfordernis eines Waffenpasses sei damit nicht gegeben. Unabhängig von der Frage, ob im Pensionszimmer eine ausreichende sichere Verwahrungsmöglichkeit gegeben sei, müsse klargestellt werden, dass der Beschwerdeführer um eine erforderliche sichere Verwahrungsmöglichkeit "sowieso nicht herumkommen (werde), weil er anderenfalls die Waffe auch immer zum jeweiligen Arbeitsplatz mitnehmen und dort auch immer bei sich haben müsste". In Ermangelung gesicherter Verwahrungsmöglichkeiten von Waffen in Unterkünften müsse daher bei jedem Verlassen der Unterkunft die Waffe mitgenommen werden, was auf ein permanentes Führen der Waffen hinausliefe und ohne Waffenpass unzulässig wäre. Die vom Beschwerdeführer dargestellte Bedarfsbegründung würde daher "pro futuro zu einer exzessiven Ausweitung subjektiv-öffentlicher Rechte im Bereich des österreichischen Waffenrechtes führen", was "der Absicht des Gesetzgebers, eine exorbitante Bewaffnung bestimmter Bevölkerungsgruppen zu verhindern, zuwider" liefe. Mangelnde Aufbewahrungsmöglichkeiten stellten daher keinen die Ausstellung von Waffenpässen rechtfertigenden Bedarf dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), von Bedeutung:
"Besitz
§ 6. Als Besitz von Waffen und Munition gilt auch deren Innehabung.
Führen
§ 7.
(1) Eine Waffe führt, wer sie bei sich hat.
(2) Eine Waffe führt jedoch nicht, wer sie innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder eingefriedeten Liegenschaften mit Zustimmung des zu ihrer Benützung Berechtigten bei sich hat.
(3) Eine Waffe führt weiters nicht, wer sie - in den Fällen einer Schußwaffe ungeladen - in einem geschlossenen Behältnis und lediglich zu dem Zweck, sie von einem Ort zu einem anderen zu bringen, bei sich hat (Transport).
…
Ermessen
§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.
…
Schießstätten
§ 14.
Für die Benützung von Schußwaffen auf behördlich genehmigten Schießstätten sind die Bestimmungen über das Überlassen, den Besitz und das Führen von Schußwaffen sowie die Bestimmungen über das Überlassen und den Erwerb von Munition für Faustfeuerwaffen nicht anzuwenden. Waffenverbote (§§ 12 und 13) gelten auf solchen Schießstätten jedoch.
…
Ausstellung von Waffenbesitzkarte und Waffenpaß
§ 21. ...
(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schußwaffen nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.
...
Rechtfertigung und Bedarf
§ 22. ...
(2) Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann."
2. Ausgehend von dieser Rechtslage ist es nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0066, mwN).
Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann. Vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/03/0144, mwN).
3.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Bedarf im Sinne des § 22 Abs 2 WaffG nicht etwa auf das Bestehen einer besonderen Gefahrenlage, sondern (zusammengefasst) damit zu begründen versucht, dass er mangels ausreichender Verwahrungsmöglichkeiten seine Schusswaffen mit sich führen müsse, um sie (vor und nach der Arbeit) zu Trainingszwecken (er sei Sportschütze) verwenden zu können.
3.2. Es trifft zu, dass ein Bedarf im Sinne des § 22 Abs 2 WaffG nicht nur dann gegeben sein kann, wenn der Betreffende "besonderen Gefahren ausgesetzt" ist, weil sich schon aus der Formulierung "jedenfalls" in § 22 Abs 2 WaffG ableiten lässt, dass auch andere Umstände bedarfsbegründend sein können (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0035, jagdlicher Bedarf).
In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die zu den Voraussetzungen der Dartuung eines Bedarfs wegen einer besonderen Gefahrenlage ergangene Judikatur auch auf die Anforderungen hinsichtlich der Geltendmachung jagdlichen Bedarfs übertragen werden können.
3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom , Zl 90/01/0030, mit einem auf mangelnde Aufbewahrungsmöglichkeiten im Rahmen von schießsportlichen Wettkämpfen gestützten Bedarf befasst und dazu Folgendes ausgeführt:
"Der Beschwerdeführer hat das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen von Faustfeuerwaffen insbesondere damit begründet, daß es ihm im Rahmen von Wettkämpfen nicht möglich sei, seine Faustfeuerwaffen ordnungsgemäß zu verwahren. Dieser Argumentation hat die belangte Behörde zu Recht entgegengehalten, daß mangelnde Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Waffen von Wettkampfteilnehmern nicht als die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigender Bedarf gewertet werden könnten. Vielmehr wäre es auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Aufgabe des Beschwerdeführers, sich in solchen Fällen nicht von der Wettkampfstätte zu entfernen. Es kann nicht Sinn der waffengesetzlichen Vorschriften über das Ausstellen von Waffenpässen sein, durch die Erteilung einer Bewilligung zum Führen von Faustfeuerwaffen einen allfälligen Organisationsmangel von Veranstaltern schießsportlicher Bewerbe - nämlich die Unterlassung der Bereitstellung hinreichender Verwahrungsmöglichkeiten für die Faustfeuerwaffen von Wettkampfteilnehmern - auszugleichen."
3.4. Nicht entscheidend anders verhält es sich im vorliegenden Beschwerdefall: Der Beschwerdeführer will mangelnde Verwahrungsmöglichkeiten für seine Waffen durch die Erlangung eines Waffenpasses, der es ihm ermögliche, die Waffe (stets) bei sich zu haben (§ 7 WaffG), substituieren. Der Umstand aber, dass in bestimmten Situationen eine ausreichende Verwahrung der Waffe nicht möglich ist, kann nicht als die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigender Bedarf gewertet werden:
Der Beschwerdeführer als Inhaber einer Waffenbesitzkarte ist dazu verpflichtet, seine Waffen sorgfältig zu verwahren. Will er Waffenübungen nicht bloß auf behördlich genehmigten Schießstätten (§ 14 WaffG) durchführen, sind von ihm die organisatorischen Vorkehrungen zu verlangen, die es ihm ermöglichen, seinen Verwahrungspflichten Folge zu leisten. Bestehen an auswärtigen Arbeits- und Nächtigungsorten keine ausreichenden Verwahrungsmöglichkeiten, wie der Beschwerdeführer vorbringt, darf er sie dorthin nicht verbringen. Ein Bedarf am Führen einer Schusswaffe kann aus einer solchen Situation hingegen nicht abgeleitet werden. Die Verneinung des Bedarfs des Beschwerdeführers am Führen von Faustfeuerwaffen durch die belangte Behörde erfolgte sohin zu Recht.
3.5. Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers bezüglich der nicht ausreichenden Feststellung des maßgebenden Sachverhalts sowie der mangelhaften Begründung des bekämpften Bescheids als nicht zielführend.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Wien, am