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VwGH 23.09.2010, 2010/06/0132

VwGH 23.09.2010, 2010/06/0132

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §40 Abs1;
BauG Bgld 1997 §18 Abs4;
BauG Bgld 1997 §18 Abs5;
RS 1
Die Durchführung einer Bauverhandlung an Ort und Stelle wird vom Bgld BauG 1997 nicht gefordert.
Normen
AVG §8;
BauG Bgld 1997 §21 Abs2;
BauG Bgld 1997 §5 Abs1 Z1;
BauRallg;
RS 2
Ein Recht auf Einhaltung der geschlossenen Bauweise besteht nur in Bezug auf das Anbauen eines Nachbargebäudes an die seitliche Grundgrenze (vgl. § 5 Abs. 1 Z. 1 Bgld BauG 1997).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der JF in I, vertreten durch Dr. Josef Lagler, Rechtsanwalt in 7132 Frauenkirchen, Franziskanerstraße 62, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. ND- 02-04-158-1-2010, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: 1. BT in I, 2. CT in I, 3. Marktgemeinde I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der im Verwaltungsverfahren erhobenen Vorstellung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte der Erst- und dem Zweitmitbeteiligten mit Bescheid vom die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses, von Einstellräumen sowie einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 1705/4, KG I. Unter einem wurde der Abbruch des Altbestandes genehmigt. Die Einwendung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Grenzverlauf (sie anerkannte den vom Vermessungskonsulenten DI H. in einem Vermessungsplan dargestellten Grenzverlauf nicht) wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der Gemeinderat wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom als unbegründet ab.

In der dagegen erhobenen Vorstellung machte die Beschwerdeführerin insbesondere geltend, die Baubehörde habe es versäumt, die Erst- und den Zweitmitbeteiligten bescheidmäßig zum Anbau an ihre Feuermauer zu verpflichten. Durch diese Missachtung bleibe ein Freiraum von 8 bis 12 cm, wodurch die Gefahr bestehe, dass Niederschlagswässer in ihre Feuermauer eindringen würden. Die Begründung, man könne den Nachbarn nicht zwingen, auf fremden Grund zu bauen, sei insofern unrichtig, als sie ihre ausdrückliche Zustimmung zum jederzeitigen "Ausbau der Grundgrenzen" erteilt habe.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Sie führte dazu insbesondere zu dem Vorbringen betreffend den direkten Anbau an die Feuermauer aus, dass ein Überbauen der Grundstücksgrenzen durch die Baubehörde nicht mittels Bescheid vorgeschrieben werden könne, da dies einer Enteignung der angrenzenden Nachbarn gleich käme. Die Einhaltung der geschlossenen Bebauungsweise, auf die die Beschwerdeführerin offensichtlich abstelle, besage, dass Gebäude an der Straßenfront an den seitlichen Grundgrenzen anzubauen seien. Dies bedeute aber, dass ganz genau auf die jeweilige Eigentumsgrenze abzustellen sei. Seien diese Eigentumsgrenzen strittig, sei diesbezüglich ein Gutachten eines Vermessungstechnikers einzuholen. Im vorliegenden Fall seien die Grundgrenzen durch das im Bauakt aufliegende Gutachten des Ingenieurkonsulenten für Vermessungstechnik DI H. vom festgestellt worden. Bestünden nämlich im Zuge eines Bauvorhabens Streitigkeiten über den Verlauf einer Grundstücksgrenze, müsse diese Frage durch die Vorlage eines amtlichen Vermessungsplanes durch den Bauwerber erfolgen. Da diese Frage sohin mit einem Plan über den Grenzverlauf geklärt worden sei, habe die Baubehörde diese Vorfrage als bereinigt ansehen können und sie ihrem Verfahren zu Grunde legen können. Die Widerlegung eines derartigen Gutachtens wäre nur auf gleicher, fachlicher Ebene, etwa durch die Vorlage eines weiteren vermessungstechnischen Gutachtens möglich.

Das geltende Baugesetz enthalte - anders als die früher geltende Bauordnung 1969 - keine Bestimmung, wonach zur Vermeidung von Reihen die Baubehörde bei der Bezirksverwaltungsbehörde den Antrag zu stellen habe, dass diese dem Bauwerber zum Anbau an das Nachbargebäude verpflichte. Mangels gesetzlicher Regelung sei daher im vorliegenden Verfahren keine Verpflichtung zum Anbau an das bestehende Nachbargebäude ableitbar.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall war das Burgenländische Baugesetz 1997 - Bgld. BauG, LGBl. Nr. 10/1998, in der Fassung LGBl. Nr. 18/2005 anzuwenden.

Gemäß § 18 Abs. 4 leg. cit. ist das Ansuchen um Baubewilligung ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen, wenn sich schon aus dem Ansuchen ergibt, dass das Vorhaben unzulässig ist und sich die Gründe der Unzulässigkeit nicht beheben lassen.

Ist das Ansuchen nicht nach Abs. 4 abzuweisen, hat die Behörde gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung eine mündliche Bauverhandlung vorzunehmen. Zur Bauverhandlung sind die Parteien (§ 21) sowie die zur baupolizeilichen Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Sachverständigen und Planverfasser zu laden.

Gemäß § 21 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. sind Parteien die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind (Nachbarn).

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann ein Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.

Ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, im Privatrecht begründet (privatrechtliche Einwendung), so hat die Baubehörde gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung einen gütlichen Ausgleich zu versuchen.

Wird gemäß Abs. 4 die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen (öffentlich-rechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.

Andere Einwendungen sind gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Bauverhandlung nicht auf dem Baugrundstück, sondern auf dem benachbarten Grundstück, nämlich in dem von der Erst- und dem Zweitmitbeteiligten bewohnten Haus ihrer Eltern bzw. Schwiegereltern am Grundstück mit der Adresse X-Straße 26 stattgefunden habe, ohne dass man dieses Haus verlassen und einen Augenschein, wie dies § 18 Abs. 5 Bgld. BauG vorsehe, an Ort und Stelle vorgenommen habe. Es sei keine Besichtigung des Baugründstückes erfolgt, insbesondere keine Besichtigung, ob die Absteckung der vom Vermessungskonsulenten DI H. vermessenen und abgesteckten Grundstücksgrenze richtig sei. Dies sei erfolgt, obwohl die Beschwerdeführerin die Richtigkeit dieser Grundstücksgrenzen ausdrücklich bestritten habe. Insbesondere zur Beurteilung der Frage, ob eine Reihe zwischen den Feuermauern Folge dieser Vermessung wäre bzw. ob diese Reihe nach Ausführung des Neubaues zu nicht zu duldenden Nachteilen für die Beschwerdeführerin als Nachbarin führen könne, wäre ein Augenschein unumgänglich gewesen. Ebenso wäre nur durch einen Augenschein zu beurteilen gewesen, ob der Altbestand tatsächlich zur Gänze abgebrochen werden müsse oder es möglich oder sogar geboten wäre, dass Fundamentteile des Altbestandes stehen bleiben könnten. Es wäre umso mehr ein Ortsaugenschein erforderlich gewesen, da zum Zeitpunkt der Bauverhandlung die Erst- und der Zweitmitbeteiligte mit dem Bau bereits begonnen hätten und entgegen der mit dem Baubescheid erster Instanz erteilten Auflage, den Altbestand nicht gänzlich abgebrochen hätten.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nachbarn können gemäß § 21 Abs. 4 Bgld. BauG im Baubewilligungsverfahren öffentlich-rechtliche Einwendungen insofern erheben, wenn die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Bauverordnung Flächenwidmungsplan Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet wird, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen. Verfahrensrechte können nur insoweit verletzt sein, als von der Partei im Verfahren entsprechende materielle Rechte geltend gemacht wurden.

Die Beschwerdeführerin macht, indem sie eine Verletzung des § 18 Abs. 5 Bgld. BauG geltend macht, lediglich ein solches Verfahrensrecht geltend. Abgesehen davon, dass die Durchführung der Verhandlung an Ort und Stelle vom Gesetz nicht gefordert wird, tut die Beschwerdeführerin auch die Wesentlichkeit des von ihr behaupteten Verfahrensmangels jedenfalls nicht dar, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie ihre Einwände gegen den in dem von der Behörde eingeholten Vermessungsplan des Vermessungskonsulenten DI H. angenommenen Grenzverlauf nur bei einem Augenschein und nicht auch sonst im Verfahren hätte vorbringen können. Weiters handelt es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren. Maßgeblich ist das dem Bauantrag zu Grunde liegende Bauprojekt, das sich aus den Einreichplänen ergibt. Auch die Frage, ob der Bauwerber bereits im Zeitpunkt der Bauverhandlung konsenslos mit der Bauführung begonnen hat, ist nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens. Auch geht es im Bauverfahren nicht darum, ob der Grenzverlauf entsprechend dem erstellten Vermessungsplan auf dem Grundstück selbst abgesteckt wurde, der von der Behörde angenommene Grenzverlauf ergibt sich vielmehr aus dem eingeholten Vermessungsplan.

Selbst wenn man davon ausginge, die Beschwerdeführerin hätte auch ein materielles Recht (etwa auf Einhaltung der geschlossenen Bauweise) geltend gemacht, trägt sie zu der im Baubewilligungsverfahren als Vorfrage zu behandelnden Frage des Grenzverlaufes in der Beschwerde nichts vor, außer dass sie den mittels eines Vermessungsplanes festgestellten Grenzverlauf zwischen ihrem Grundstück und dem Baugrundstück bestreitet. Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, dass das Bauvorhaben auf einem Teil ihres Grundstückes geplant wäre. Diesbezüglich hat ihr die belangte Behörde auch zutreffend entgegengehalten, dass sie diesem Vermessungsplan nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. Sie hat auch sonst dazu keine inhaltlich beachtlichen Gründe ins Treffen geführt. Sie geht in ihrem eigenen Vorbringen vielmehr davon aus, dass ihr Gebäude mit der bezogenen Feuermauer nicht unmittelbar an der Grundgrenze steht. Ein Recht auf Einhaltung der geschlossenen Bauweise besteht aber nur - wie dies die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - in Bezug auf das Anbauen eines Nachbargebäudes an die seitliche Grundgrenze (vgl. § 5 Abs. 1 Z. 1 Bgld. BauG).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §40 Abs1;
AVG §8;
BauG Bgld 1997 §18 Abs4;
BauG Bgld 1997 §18 Abs5;
BauG Bgld 1997 §21 Abs2;
BauG Bgld 1997 §5 Abs1 Z1;
BauRallg;
Schlagworte
Baurecht Nachbar
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2010060132.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAE-73262