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VwGH vom 23.09.2010, 2010/06/0129

VwGH vom 23.09.2010, 2010/06/0129

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2010/06/0130

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerden des RH in Q, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/28, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , 1) Zl. IVW6-P-72/001-2009 (Beschwerde Zl. 2010/06/0129), und 2) Zl. IVW6-P-72/002-2009 (Beschwerde Zl. 2010/06/0130), betreffend Namensänderung (mitbeteiligte Parteien: zu 1. mj. SS, zu 2. mj. PS, beide in X, beide vertreten durch Dr. Alois Autherith und Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.221,20 sowie der erstmitbeteiligten Partei und der zweitmitbeteiligten Partei jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden minderjährigen Mitbeteiligten (die Erstmitbeteiligte ist im Dezember 1997 geboren, der Zweitmitbeteiligte im April 1999) sind die Kinder des Beschwerdeführers und führten dessen Familiennamen H. Nach der Scheidung der Ehe ihrer Eltern am verblieben sie bei der Mutter, der auch die alleinige Obsorge zukam. Diese hat ihren früheren Familiennamen S. wieder angenommen.

Mit Anträgen vom beantragten die beiden Mitbeteiligten, vertreten durch ihre Mutter, die Änderung ihres Familiennamens in S. und stimmten auch persönlich (durch Unterfertigung auf dem jeweiligen Formular) der beantragten Namensänderung zu. Die beantragte Maßnahme wurde damit begründet, dass die Mutter der Kinder nach der Scheidung durch Wiederannahme ihres früheren Familiennamens den Namen S. führe und die minderjährigen Kinder im gemeinsamen Haushalt mit ihr lebten und auch diesen Familiennamen führen sollten.

Die Behörde erster Instanz setzte den Beschwerdeführer von den Anträgen in Kenntnis. Dieser äußerte sich mit Schriftsatz vom ablehnend und brachte vor, der Familienname sei ein Teil der Identität eines jeden Menschen. Die beiden Kinder seien ehelich geboren und hätten mit ihm und seiner früheren Frau (der Mutter der Kinder) zehn Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt. Für die Kinder sei also der bisherige Familienname in der ganzen Zeit ein ganz normaler Bestandteil ihrer Identität. Das weitere Vorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, die Mutter der Kinder (die frühere Frau des Beschwerdeführers) habe seit der Trennung daran gearbeitet, dass die Kinder "ihren Vater aus ihren kleinen Köpfen löschen" und dies sei ihr auch gelungen. Sie habe es geschafft, ihm die Kinder zu entziehen und in weiterer Folge "die rasch eingetretene Entfremdung der Kinder auch gerichtlich absegnen" zu lassen.

Er sei davon überzeugt, dass es nicht der richtige Weg sei, mit der Namensänderung den Kindern das letzte Stück Identität des Vaters zu nehmen. Man sollte die Kinder bei Erreichen der nötigen Reife, also mit 18, entscheiden lassen, wie sie heißen wollten. Anzumerken sei, dass er nicht aus Prinzip gegen Namensänderungen sei, wenn er persönlich davon überzeugt sei, es sei völlig unwichtig, wie jemandes Namen laute, weil es um Menschen gehe, egal wie sie hießen. Wenn man aber die Namensänderung als Instrumentarium für eine weitere schwere Verletzung des leiblichen Vaters gebrauche, dann träten moralisch-ethische Gesichtspunkte in den Mittelpunkt, die jeder für sich einer Wertigkeit unterziehen möge. Aus Gründen einer möglichen zukünftigen Darlegung der Abläufe nach der Trennung seiner Kindern gegenüber und aus Gründen der Identitätsbewahrung der Kinder spreche er sich gegen die Namensänderung aus.

Das der Behörde erster Instanz zugeordnete Amt für Jugend, Familie und soziale Angelegenheiten führte in einer Stellungnahme vom insbesondere aus, mit den Kindern habe am ein Gespräch alleine geführt werden können und sie seien zum Antrag auf Änderung des Familiennamens befragt worden. Beide wollten S. heißen, wie ihre Mutter, die Großeltern und auch die Verwandten. Sie hätten dies damit begründet, dass sie bei der Mutter wohnten und als einzige in ihrer nahen Familie einen anderen Nachnamen hätten. Weiters meinten sie, dass sie sich das gut überlegt hätten und ihre Mutter schon längere Zeit gebeten hätten, ihren Nachnamen ändern zu dürfen. Sie wollten endlich so heißen, wie ihre Mutter, und freuten sich schon darauf.

Weiters heißt es in der Stellungnahme, die Angleichung des Familiennamens der Kinder an das Umfeld, in dem sie aufwüchsen, sei der Vorzug zu geben, weil dies dem Wohl der Kindern in höherem Maße entspreche als die Beibehaltung ihres bisherigen, anders lautenden Familiennamens. Dass die beiden Kinder mit Veränderungen umgehen könnten, hätten sie seit der Trennung der Eltern und den damit verbundenen Veränderungen im Familiensystem in der Vergangenheit mehrmals unter Beweis gestellt. Die beabsichtigte Änderung des Familiennamens sei daher dem Kindeswohl nicht abträglich.

Diese Stellungnahme wurde dem Vater mit Erledigung der Behörde vom zur Kenntnis gebracht (zugestellt durch Hinterlegung, Beginn der Abholfrist am , die Sendung kam als unbehoben zurück).

Mit den erstinstanzlichen Bescheiden vom wurde antragsgemäß die Änderung des Familiennamens bewilligt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer (jeweils) Berufung. Inhaltlich brachte er darin vor, nach seiner Auffassung entsprächen die Anträge auf Namensänderung nicht dem freien Willen der Kinder, sondern nur der massiven Instrumentalisierung durch die Mutter. Eine kinderpsychologische Untersuchung der Kinder hätte jedenfalls ergeben, dass sie nicht ihren wahren Willen gegenüber der Behörde bekannt gegeben hätten, sondern nur den Willen der Mutter. Beantragt werde daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Kinderpsychologie zum Beweis dafür, dass die beantragte Namensänderung nicht dem Willen der Kinder und nicht dem Kindeswohl entspreche. Im Übrigen gäbe es auch genügend Fälle, in denen Kinder in einem Familienverband aufwüchsen, wo sowohl Vater als auch Mutter der Kinder unterschiedliche Namen hätten und die verheirateten Eltern bewusst keinen einheitlichen Familiennamen trügen. Angesichts dessen sei es nicht verständlich, weshalb die Behörde erster Instanz einen Nachteil für das Kind annehme, wenn es einen anderen Namen trage als die Mutter.

Mit den angefochtenen (im Wesentlichen inhaltsgleichen) Bescheiden hat die belangte Behörde die jeweilige Berufung als unbegründet abgewiesen. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, Befürchtungen des Beschwerdeführers, wonach die Namensänderung Auswirkungen auf die Identität der Kinder hinsichtlich ihrer Abstammung haben könnte, seien deshalb unbegründet, weil insbesondere nach dem Inkrafttreten des Namensrechtsänderungsgesetzes (BGBl. Nr. 25/1995), welches auch in aufrechter Ehe eine getrennte Namensführung der Eltern zulasse, die Abstammung eines Kindes nicht mehr von dem Familiennamen abgeleitet werden könne, den es führe. Im Übrigen verkenne der Beschwerdeführer, dass die Behörde erster Instanz lediglich überprüft habe, ob die grundsätzlich im Wohl des Kindes gelegene Herstellung der Gleichheit des Familiennamens mit jenem der obsorgeberechtigten Mutter ausnahmsweise dem Kindeswohl abträglich wäre (was sich nicht ergeben habe). Er verkenne die Rechtslage insoweit, als durch die Namensänderung für das Kind kein Vorteil entstehen müsse, sondern es vielmehr genüge, dass ihm dadurch kein Nachteil erwachse. Die Motive, welche die Mutter (gemeint: in ihrer Eigenschaft als Vertreterin der Kinder) dazu bewogen hätten, die Namensänderung (gemeint: namens der Kinder) zu beantragen, unterlägen keiner rechtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsbehörden. Ein Zuwarten mit der Entscheidung bis zur Volljährigkeit der Kinder komme nicht in Betracht, weil die Behörde eine Entscheidungspflicht treffe. Nach Erreichen der Volljährigkeit stehe es den Kindern selbstverständlich frei, einen neuerlichen Namensänderungsantrag einzubringen.

Die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens sei entbehrlich gewesen. Auch sei bereits vom Pflegschaftsgericht in einer Entscheidung vom ein (bestimmtes) kinderpsychologisches Gutachten herangezogen worden. Dieses habe zwar ein anderes Beweisthema gehabt und habe somit keine expliziten Aussagen zu den Fragen des Kindeswohles im Falle einer Namensänderung, gebe aber dennoch sehr genau über die Beziehung der Kinder zu ihren beiden Elternteilen Aufschluss. Daraus gehe u. a. hervor, dass die Kinder eine sehr gute Beziehung zur Mutter hätten, die Beziehung zum Vater jedoch eine unsichere, vermeidende Beziehung sei. Der Einholung eines Gutachtens habe es im gegenständlichen Verfahren nicht bedurft.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und, wie auch die jeweiligen Mitbeteiligten, in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen, beide Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 195/1988 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 135/2010 (NÄG), lauten:

"Antrag auf Namensänderung

§ 1. (1) Eine Änderung des Familiennamens oder Vornamens ist auf Antrag zu bewilligen, wenn ein Grund im Sinn des § 2 vorliegt, § 3 der Bewilligung nicht entgegensteht und die Namensänderung betrifft

1. einen österreichischen Staatsbürger;

...

(2) Insoweit der Antragsteller in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, hat der gesetzliche Vertreter den Antrag einzubringen. Die Einbringung bedarf der persönlichen Zustimmung des Antragstellers, wenn dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat. Voraussetzungen der Bewilligung

§ 2. (1) Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn

...

8. der Antragsteller den Familiennamen seiner Eltern oder eines Elternteils erhalten will oder der Antragsteller den Familiennamen einer Person erhalten will, von der er seinen Familiennamen abgeleitet hat und deren Familienname geändert worden ist oder dessen Änderung beantragt ist;

9. der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Obsorge für ihn zukommt oder in deren Pflege er sich befindet und das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist;

...

Versagung der Bewilligung

§ 3. (1) Die Änderung des Familiennamens oder Vornamens darf nicht bewilligt werden, wenn

...

6. die beantragte Änderung des Familiennamens oder Vornamens dem Wohl einer hievon betroffenen, nicht eigenberechtigten Person abträglich ist;

...

Zustimmungen und Anhörungen

§ 4. (1) ...

(2) Soweit tunlich hat die Behörde vor der Bewilligung Kinder zwischen dem vollendeten 10. und 14. Lebensjahr, für die ein Antrag auf Änderung ihres Familiennamens oder Vornamens eingebracht wurde, anzuhören.

(3) ..."

Die Annahme des Beschwerdeführers, nicht die Kinder, vertreten durch ihre Mutter, sondern die Mutter selbst (also im eigenen Namen) hätten die Namensänderungen beantragt, trifft nach dem Inhalt des Antrages nicht zu. Dass bei der Gewährung des Parteiengehörs durch die Behörde erster Instanz (auch in den angefochtenen Bescheiden) von einem "Antrag der Obsorge berechtigten Mutter" gesprochen wurde, ist eine sprachliche Unschärfe, die daran nichts zu ändern vermag.

In der Sache selbst wiederholt der Beschwerdeführer seine Auffassung, dass die Änderung des Familiennamens der bisherigen Namensidentität der Kinder unter ihrer massiven Instrumentalisierung dazu beitragen würde, dass die Kinder eine psychische Schädigung erlitten und die Namensänderung daher rechtswidrig im Sinne des § 3 NÄG wäre. Die Behörden wären daher verhalten gewesen, ein entsprechendes kinderpsychologisches Gutachten einzuholen, die Berufung auf ein Gutachten im Pflegschaftsverfahren zu einem anderen Thema sei nicht zielführend.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Der Gesetzgeber sieht es seit der Novelle des NÄG im Jahre 1995 (BGBl. NR. 25/1995) in § 2 Abs. 1 Z. 9 NÄG ausdrücklich als einen Grund für eine Namensänderung vor, dass der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Obsorge für ihn zukommt. Auf genau diesen Umstand stützte sich der verfahrensgegenständliche Antrag der beiden Mitbeteiligten. Der Mutter der Mitbeteiligten kommt die alleinige Obsorge für die Mitbeteiligten zu. Das allfällige Motiv für den Antrag sowie die Zweckmäßigkeit des Zeitpunktes der Namensänderung spielen dabei nach dieser Regelung keine Rolle. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, bringt der Umstand, dass der Gesetzgeber im Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 9 NÄG der Angleichung des Familiennamens eines Kindes mit dem seines aktuellen Umfeldes den Vorzug gegeben hat, zum Ausdruck, dass allenfalls mit einer solchen Namensänderung erwachsende psychische Belastungen eines Kindes jedenfalls im Regelfall als nicht derart nachteilig für das Kindeswohl zu qualifizieren seien, dass von einem Überwiegen dieser Nachteile gegenüber den typischerweise mit der Namensänderung verbundenen Vorteilen gesprochen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0019, mit Hinweis auf die Vorjudikatur, auf welches Erkenntnis gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

In Anbetracht des Umstandes, dass die mitbeteiligten Kinder im Sinne des § 4 Abs. 2 NÄG zugestimmt haben (und zwar auch ohne Mutter vor dem Jugendamt) erscheint die nicht näher fundierte Behauptung, eine kinderpsychologische Untersuchung hätte ergeben, dass die Kinder nicht ihren wahren Willen bekannt gegeben hätten, spekulativ. Von einer "Identitätsauslöschung" kann bei Erfüllung der ausdrücklich im Gesetz genannten Voraussetzung der Obsorge keinesfalls die Rede sein. Wenn der Beschwerdeführer die individuelle Beeinträchtigung der Identität der Mitbeteiligten durch die Namensänderung ins Treffen führt, tut er keine Ausnahmesituation dar, die eine andere Betrachtungsweise rechtfertigen könnte oder die die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens durch einen Amtsachverständigen im Namensänderungsverfahrens geboten hätte erscheinen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0377, Slg. 15904/A). Vielmehr besteht im Beschwerdefall kein Anhaltspunkt dafür, dass die Namensänderung dem Wohl der Kinder abträglich wäre (§ 3 Abs. 1 Z. 6 NÄG).

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-73254