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VwGH vom 02.04.2014, 2012/11/0096

VwGH vom 02.04.2014, 2012/11/0096

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des JM in S, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FSG/48/11046/2011-10, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A und B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG "auf Grund des ärztlichen Gutachtens (§ 8 Abs. 3 FSG 1997)" befristet. Weiters wurden gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz FSG-GV ärztliche Kontrolluntersuchungen im Zeitabstand von sechs Monaten als Auflage vorgeschrieben.

Dies begründete die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Befristung einer Lenkberechtigung und der Vorschreibung von Nachuntersuchungen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0067) im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer nach dem eingeholten amtsärztlichen Gutachten an "einer Suchtkrankheit in der Form, als zumindest ein unregelmäßiger Konsum von Cannabis vorliegt", leide. Dieser Konsum sei zunächst erfolgt "wie jemand der Rotwein trinkt", dann laut ärztlicher Stellungnahme sogar als regelmäßiger Konsum, der offen und ohne Beschönigungstendenzen zugegeben werde. Die damit beschriebene Grundhaltung trage die "Gefahr einer Aufrechterhaltung bzw. Intensivierung des Cannabis Konsums in sich" sodass nach den schlüssigen Ausführungen des amtsärztlichen Sachverständigen bzw. der Amtsärztin eine fortschreitende Erkrankung vorliege, bei der ihrer Natur nach mit einer konkreten Verschlechterung betreffend die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu rechnen sei. Mit dieser "zu erwartenden, jedenfalls nicht auszuschließenden Verschlechterung" sei ein progredienter Konsum von Cannabis gemeint.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass mit dem von der belangten Behörde bestätigten erstinstanzlichen Bescheid sowohl die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen im Zeitabstand von sechs Monaten als auch eine Befristung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers bis zum (und nicht, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, bis zum ) ausgesprochen wurden.

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0132, mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 2010/11/0001, vom , Zl. 2000/11/0337, vom , Zl. 2001/11/0183, vom , Zl. 2002/11/0228, vom , Zl. 2006/11/0042, vom , Zl. 2007/11/0043, und vom , Zl. 2010/11/0067).

Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn reicht es nicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2012/11/0132, mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 2002/11/0228, und vom , Zl. 2006/11/0042).

Um die für die Befristung der Lenkberechtigung vorausgesetzte bloß eingeschränkte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar in ausreichendem Maß, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art nach Ablauf der von der Behörde angenommenen Zeit mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2012/11/0132, mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom , Zlen. 2010/11/0067, 0068, und vom , Zl. 2009/11/0084).

Demnach ist Voraussetzung sowohl für die Vorschreibung von Nachuntersuchungen als auch für die Befristung der Lenkberechtigung, dass beim Betreffenden eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss.

Zwar hat die belangte Behörde diese Voraussetzungen zunächst zutreffend wiedergegeben und dazu auf das Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0067, hingewiesen.

Der Beschwerdeführer weist in seiner Beschwerde jedoch mit Recht darauf hin, dass sich aus dem von der belangten Behörde zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat nicht ableiten lässt, beim Beschwerdeführer bestehe eine gesundheitliche Beeinträchtigung, nach deren Art mit einer (die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden) Verschlechterung gerechnet werden müsse:

Zwar durfte die belangte Behörde unstrittig von einem Drogenkonsum des Beschwerdeführers bis zum Jahr 2010 ausgehen, doch waren die darauf abzielenden Harnbefunde nach der Aktenlage seit dem negativ (vgl. insbesondere das aktenkundige psychiatrische Gutachten vom , wonach sich beim Beschwerdeführer keine Hinweise auf Drogenabhängigkeit, sondern nur auf Gelegenheitskonsum von Cannabis fänden, mit Hinweis auf den negativen Harnbefund vom ; vgl. zu weiteren negativen Harnbefunden den medizinisch diagnostischen Laborbefund vom , die ärztlichen Bestätigungen vom und vom und den medizinisch diagnostischen Laborbefund vom ).

Wenn daher die Amtsärztin der Bundespolizeidirektion Wien Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom , offenbar ausgehend vom Drogenkonsum des Beschwerdeführers zuletzt im Jahr 2010 ("Z. n. (Zustand nach) gefährlichem Cannabis"), den der Beschwerdeführer offen und ohne Beschönigungstendenzen zugegeben habe, die "Gefahr eines Rückfalls bzw. offensichtlich regelmäßigen Konsums" noch für den Begutachtungszeitpunkt angibt, so kann dies - mangels näherer Begründung und angesichts der zahlreichen negativen Harnbefunde - nur als Spekulation und nicht als schlüssige Aussage eines Sachverständigen gewertet werden, die keine taugliche Entscheidungsgrundlage bildete.

Daran vermag die Aussage des Dr. F. in der mündlichen Berufungsverhandlung vom , der keine neuen Fakten für die von der belangten Behörde angenommene Rückfallgefahr beim Beschwerdeführer dargelegt hat (und der im Übrigen - entgegen den Angaben im angefochtenen Bescheid - in der Berufungsverhandlung weder Befund noch Gutachten erstattet, sondern als Vertreter der Erstbehörde teilgenommen hat), nichts zu ändern.

Zusammengefasst verbleibt daher im gegenständlichen Fall der erwiesene Cannabiskonsum des Beschwerdeführers zuletzt im Jahr 2010, der (nicht zuletzt weil sämtliche aktenkundige danach folgende Harnuntersuchungen des Beschwerdeführers auf Cannabis negativ waren) jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheid nicht mehr zur Annahme berechtigte, der Beschwerdeführer leide an einer gesundheitliche Beeinträchtigung, nach deren Art mit einer (die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden) Verschlechterung gerechnet werden müsse (siehe zu vergleichbaren Fällen das - ebenfalls die belangte Behörde betreffende - Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0132, sowie das Erkenntnis vom , Zl. 2013/11/0028).

Im Übrigen ist die belangte Behörde gegenständlich auch unzutreffend davon ausgegangen, dass bereits eine "nicht auszuschließende Verschlechterung" einer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Vorschreibung einer Kontrolluntersuchung bzw. die Befristung der Lenkberechtigung rechtfertigt (vgl. aus vielen die beiden zuletzt genannten hg. Erkenntnisse, wonach die bloße Möglichkeit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht genügt).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-73237