VwGH vom 23.09.2010, 2010/06/0115

VwGH vom 23.09.2010, 2010/06/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der L GmbH, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Kardinalsplatz 9/3/4, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 21205-D/803/2- 2010, betreffend die Abweisung eines Baugesuches (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde X, vertreten durch Bründl, Reischl Partner OG in 5204 Straßwalchen, Braunauerstraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom (bei der Behörde eingelangt am ) kam die Beschwerdeführerin um die Erteilung der Bewilligung einer Ankündigungsanlage (Scrolling Board) gemäß § 6 des Salzburger Ortsbildschutzgesetzes 1999 (OSchG) unter Anschluss von Projektunterlagen ein; diese umfassen ua. eine Fotomontage (Farbbild mit der Fotomontage der geplanten Werbeeinrichtung, aber auch eine Ansicht, wonach das Objekt inklusive Tragemast eine Höhe von rund 6 m erreichen soll; in der Ansicht ist links daneben ein Laternenpfahl eingezeichnet, der niedriger als die geplante Werbeanlage dargestellt ist, wobei aber die Höhe des Mastes nicht kotiert ist).

Mangels Entscheidung durch den Bürgermeister brachte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag ein. In der Folge holte die (damit zuständig gewordene) Gemeindevertretung Befund und Gutachten des Bezirksarchitekten als Sachverständiger für den Ortsbildschutz ein. Darin wird zunächst das geplante Objekt beschrieben, weiters heißt es:

"Zum Standort selbst und seiner näheren Umgebung ist

auszuführen, dass die Lage innerhalb des Ortsgebietes von S... an

der Ausfahrt des Kreisverkehrs der Q-Straße in Fahrtrichtung St... und an der rechten Straßenseite gewählt wurde, wobei es sich hierbei um einen Grünstreifen zwischen Bestandsobjekten sowie einem Geh- und Radweg, welcher sich auf Landesstraßengrund befindet, handelt. Der eigentliche Fahrbahnrand der Landesstraße B folgt nach einem weiteren ca. 2,5 m breiten Grünstreifen und liegt die Verkehrsfläche im Vergleich zum Aufstellungsort laut Projektangaben um ca. 0,5 m tiefer. Die unmittelbar auf dieser Straßenseite bestehenden Objekte stellen allesamt Gewerbeobjekte in 2-geschoßiger bzw. hallenartiger Ausführung mit derartiger Höhenentwicklung dar, wobei insbesondere ein Schlossereibetrieb, ein Kfz-Bedarfshandel und in weiterer Folge eine Karniesenfabrik zu nennen sind. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite befindet sich in direkter Blickbeziehung die alte Bestandsbebauung ebenerdiger landwirtschaftlicher Objekte in ortsüblicher, 2- geschoßiger Höhenentwicklung mit dominierenden Sattel- und Schopfwalmdachabschlüssen, welche durch gleichartige Wohnbauten ergänzt bzw. als solche bereits umgenutzt wurden. Unmittelbar dem Aufstellungsort gegenüber schließt die Vorplatz- und Manipulationsfläche eines sägewerks- bzw. holzverarbeitenden Betriebes an und folgen weiter südlich im Bereich des Kreisverkehrs ein Tankstellenobjekt und ein Lebensmittelmarkt mit zugeordneten Parkplatzflächen. Das derzeitige Straßenbild weist mit Ausnahme des Werbepylons des Lebensmittelfachmarktes mit einer Fläche von ca. 2 x 2 m und des Auspreisungspylons der Tankstelle mit einer Breite von ca. 1,3 m keinerlei frei stehende Werbeeinrichtungen auf und sind darüber hinaus lediglich baubehördlich bewilligungspflichtige Reklameflächen mit der Bezeichnung des jeweiligen Betriebes an den Objekten angebracht. Generell ist jedoch festzuhalten, dass es sich bei den beschriebenen Anlagen ausschließlich um Eigenwerbeflächen in Form von betrieblichen Logos bzw. Firmenschriftzügen handelt. Durch die größtenteils noch vorherrschenden Grünstreifen entlang des Straßenkörpers und lockere Verbauung mit einzelnen Durchblicken zum landwirtschaftlich genutzten Hinterland kann beim gegebenen Ortsbild durchaus noch von erkennbarem ländlichem Raum gesprochen werden und ist hierbei keinesfalls ein stadtähnliches Gefüge bzw. eine Zentrumsbildung gegeben. Weitere Bildkomponenten sind insbesondere die frei stehenden Laternenmaste der Straßenbeleuchtung entlang der östlichen Straßengrenze und vereinzelt Verkehrseinrichtungen in Form von Gebotstafeln, Wegweisern, etc.

Aus Sachverständigensicht ist auszuführen, dass durch die Höhenentwicklung der geplanten Ankündigungsanlage - laut Ansichtdarstellung über den benachbarten Laternenpfahl ragend und somit auch die Fassadenhöhen der angrenzenden Bauten erreichend - sowie auf Grund dessen Dimension durchaus von einem Fremdkörper und damit verbundenen Irritationen im gegebenen Ortsbild auszugehen ist. Diesbezüglich widerspricht die Darstellung in der vorliegenden Fotomontage deutlich den technischen Angaben und Aufrissdarstellungen und ist daher in der Realität die Höhenentwicklung und somit auch größere Breitenentwicklung auf eine gedachte Linie zwischen Oberkante Laternenmast und Traufenlinie des Nachbarobjektes anzulegen. Insbesondere die Werbefläche im Ausmaß von ca. 6,5 m2 übersteigt deutlich das ortsübliche Maß der bestehenden beiden Betriebsanlagenpylone und ist auch das Präsentieren von Fremdwerbungen als nicht üblich für den örtlichen Charakter anzusehen. Insgesamt wird dabei ein sehr urbanes Element in einem bislang noch ländlich geprägten Umfeld mit einzelnen Gewerbebetrieben situiert. Auch ist das Ansinnen in der Beziehung kritisch zu betrachten, als es sich bei der unmittelbaren Umgebung innerhalb des größtenteils bereits durch

die Durchzugsstraßen negativ beeinflussten Großraumes St... noch

um eine annähernd freie und lockere Bebauung mit den hier noch dominanten ehemaligen landwirtschaftlichen Objekten handelt.

Zusammenfassend ist bei dem gegenständlichen Projekt daher auf Grund der vorangeführten Umstände durchaus von einer Störung des gegebenen Ortsbildes auszugehen, und kann der Behörde nicht empfohlen werden, die Ankündigungsanlage im Sinne des § 6 Abs. 3 Salzburger Ortsbildschutzgesetz zu bewilligen."

Die Beschwerdeführerin äußerte sich zum Gutachten ablehnend. Die Beurteilung sei mangels ausreichender Begründung nicht nachvollziehbar, insbesondere, weil diesem Gutachten keinerlei Lichtbilder beilägen, die die Behauptungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen nachvollziehbar erscheinen ließen. Die Wortfolge "Fremdkörper und damit verbundenen Irritationen im gegebenen Ortsbild" werde nicht näher begründet. Ein charakteristisches Ortsbild lasse sich aus dem Gutachten nicht ableiten, vielmehr werde im Gutachten sogar darauf verwiesen, dass das Ortsbild in erster Linie von zahlreichen Gewerbeobjekten und ebenerdigen landwirtschaftlichen Objekten geprägt sei. Sie werde selbst ein Ortsbildgutachten vorlegen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der (infolge des Devolutionsantrages zuständig gewordenen) Gemeindevertretung vom wurde die angestrebte Bewilligung versagt. Dabei stützte sich die Behörde entscheidend auf das eingeholte Gutachten, das sie als eindeutig, klar und auch entsprechend nachvollziehbar begründet erachtete. Das von der Beschwerdeführerin angekündigte Gegengutachten sei der Behörde bislang nicht vorgelegt worden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie weiterhin das Gutachten als unzureichend qualifizierte und auch noch hinzufügte, die Ausführungen des Sachverständigen, die Ankündigungsanlage wäre nach den vorliegenden Projektunterlagen zu groß und überproportional dimensioniert, seien überhaupt nicht nachvollziehbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung abgewiesen und den bekämpften gemeindebehördlichen Bescheid "bestätigt". Auch die belangte Behörde stützte sich auf das im gemeindebehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten, das sie als ausreichend und schlüssig erachtete, die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Amtssachverständigen sei nicht erforderlich gewesen, das von der Beschwerdeführerin angekündigte ergänzende Privatgutachten sei nicht vorgelegt worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, der ein Privatgutachten angeschlossen ist, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Salzburger Ortsbildschutzgesetz 1999, LGBl. Nr. 74/1999 (Wiederverlautbarung - OSchG), in der Fassung der Kundmachung LGBl. Nr. 58/2009 anzuwenden.

Die §§ 1, 4 und 6 OSchG lauten:

"Begriff

§ 1

Ortsbild im Sinn dieses Gesetzes ist das allgemein wahrnehmbare und vorwiegend durch Bauten und sonstige bauliche Anlagen geprägte Bild einer Stadt, eines Ortes oder von Teilen davon.

Anzeigepflicht

§ 4

(1) Die Anbringung jeder Art von privaten, im Ortsbild in Erscheinung tretenden Ankündigungen zu Reklamezwecken sowie die nicht nur geringfügige Änderung solcher Ankündigungen ist der Behörde vorher anzuzeigen. Als geringfügig ist eine solche Änderung anzusehen, die die Auswirkung der Ankündigung auf das Ortsbild nicht ändert.

(2) Zur Erstattung der Anzeige ist verpflichtet, wer die Anbringung der Ankündigung unmittelbar veranlasst. In der Anzeige ist die beabsichtigte Ankündigung anhand von Plänen darzustellen und sind Ort, Größe, Art, Inhalt, Form, Farbgebung, Material und Dauer der Ankündigung anzugeben. Bei der Ankündigung von Veranstaltungen mit überwiegend örtlicher Bedeutung genügt die Vorlage des Plakates und die genaue Bezeichnung der Ankündigungsorte.

(3) Die Behörde kann, wenn es zur Beurteilung des Vorhabens erforderlich erscheint, die Vorlage von Schaubildern und Fotos verlangen.

Ankündigungsanlagen

§ 6

(1) Die Errichtung und die nicht nur geringfügige Änderung von Anlagen, die für die Anbringung wechselnder Ankündigungen gemäß § 4 Abs 1 bestimmt sind (Plakatwände, Litfaßsäulen udgl) bedarf einer Bewilligung. Als Errichtung gilt auch die Widmung baulicher oder sonstiger Anlagen oder von Teilen davon für solche Zwecke.

(2) Für das Ansuchen um die Bewilligung gilt § 4 Abs 2 und 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass die Zustimmung des über den Anbringungsort Verfügungsberechtigten nachzuweisen ist, wenn nicht der Einschreiter selbst Verfügungsberechtigter ist.

(3) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn durch die Ankündigungsanlage unter Berücksichtigung der darauf vorzunehmenden Ankündigungen das Ortsbild weder gestört noch verunstaltet wird. Zur Sicherstellung dieses Erfordernisses kann die Bewilligung auch unter Auflagen erteilt werden."

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben sich entscheidend auf das im gemeindebehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten gestützt, das sie als ausreichend, schlüssig und nachvollziehbar qualifiziert haben. Dies wird von der Beschwerdeführerin bestritten (die erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Privatgutachten - vom - vorgelegt hat).

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, ein Ortsbildgutachten müsse geradezu zwingend eine Fotodokumentation enthalten, trifft in dieser Form nicht zu, weil es dafür an einer Rechtsgrundlage mangelt. Ein solches Erfordernis ist auch nicht aus dem von der Beschwerdeführerin bezogenen hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0318, abzuleiten, vielmehr heißt es dort, um gesichert beurteilen zu können, ob das Erscheinungsbild des im Gutachten beschriebenen Ortsbildes durch die (damals projektgegenständlichen) Werbetafeln auf Grund ihrer Beschaffenheit im Ausmaß, Form, Farbe und Werkstoff gestört werde, sei Voraussetzung, dass das Charakteristische des Erscheinungsbildes des beschriebenen Gebietes in nachvollziehbarer Begründung herausgearbeitet werde, wobei gerade im (damals) vorliegenden Fall als Unterstützung der verbalen Umschreibung der Schlussfolgerung im Gutachten des Sachverständigen eine Fotomontage hilfreich sein könnte. Dies gilt sinngemäß auch im Beschwerdefall: Enthält eines solches Gutachten eine ausreichende Fotodokumentation, können die verbalen Darlegungen des Sachverständigen knapper ausfallen; mangelt es an einer solchen Dokumentation, bedarf es entsprechend umfangreicherer Darlegungen (zu den Anforderungen an solche Gutachten siehe die bei Giese, Salzburger Baurecht, S 638ff, zu § 2 BauTG angeführte hg. Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten zur abschließenden Beurteilung des herangezogenen Versagungsgrundes nicht ausreicht. Im Befund des Gutachtens werden verschiedene Gewerbebetriebe genannt, auch mit Werbeeinrichtungen, darunter ein Werbepylon eines Lebensmittelfachmarktes und ein Auspreisungspylon einer Tankstelle. Dies (Gewerbebetriebe auch mit Werbeeinrichtungen, vom Sachverständigen allerdings angenommene Dominanz ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe) lässt eine nähere Kenntnis (Beschreibung oder Fotodokumentation) dieser Umgebung als notwendig erscheinen, um die Verträglichkeit der geplanten Ankündigungseinrichtung mit der Umgebung beurteilen zu können. Auch die Ausführungen des Sachverständigen zur Höhenentwicklung des Objektes bedürften einer Klarstellung:

Richtig ist wohl, dass nach der Ansicht in den Projektunterlagen der Laternenpfahl niedriger wäre als diese geplante Anlage. Allerdings steht diese Darstellung in einem offenkundigen Widerspruch zu der mit den Projektunterlagen vorgelegten Fotomontage, wonach diese Masten/Beleuchtungskörper offensichtlich wesentlich höher sind als die geplante Anlage, was - auch unter Berücksichtigung der auf dem Lichtbild/Fotomontage ersichtlichen Höhe der Masten im Vergleich zur Dimension der auf der Straße fahrenden Pkws - die Erklärung zuließe, dass entgegen der Annahme des Sachverständigen die Darstellung in der Fotomontage richtig, die Darstellung des (im Übrigen höhenmäßig nicht kotierten) Laternenmastes in der Ansicht hingegen unzutreffend verkürzt ist (somit nur eine nicht maßstabgetreue, schematische Darstellung wäre).

Das dem gemeindebehördlichen Verfahren zu Grunde gelegte Gutachten war somit zur abschließenden Beurteilung der Frage, ob das Ortsbild gestützt oder verunstaltet wird, unzureichend.

Dadurch, dass die belangte Behörde diesen Mangel des gemeindebehördlichen Verfahrens verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Es bleibt der Beschwerdeführerin unbenommen, das ihr nun vorliegende Privatgutachten im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorzulegen (die Vorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vermag dies nicht zu ersetzen).

Wien, am