VwGH vom 04.03.2008, 2005/05/0302
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der A B. X Werbung in Wien, vertreten durch Prof. Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Tuchlauben 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-218/002-2005, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Sooss), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom , gerichtet an die "X-Werbung" unter der Anschrift der Beschwerdeführerin, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Auftrag, eine auf dem Grundstück "Die oberen Krautäcker" errichtete Werbetafel bis spätestens zu entfernen. In der Begründung verwies die Baubehörde auf einen Vorhalt im Ermittlungsverfahren, wonach für diese Werbetafel keine Baubewilligung vorliege. Das Grundstück befinde sich im Grünland. Nach § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ BauO 1996 müsse die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerkes anordnen, wenn für das Bauwerk keine Bewilligung vorliege und das Bauwerk unzulässig sei.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Bescheid sei an die "X-Werbung" gerichtet, eine natürliche oder juristische Person dieses Namens existiere aber nicht, sodass der Bescheid mangels Existenz des Bescheidadressaten nichtig sei. Die Beschwerdeführerin erhebe die Berufung nur vorsichtsweise, falls sie als Adressatin gemeint sein könnte. In der Sache brachte sie vor, dass die Werbetafel bereits vor 1985 errichtet worden sei und dass im Jahr 1985 über Antrag der Beschwerdeführerin die Versetzung der bereits bestehenden Werbetafel an den nunmehrigen Aufstellungsort durch den Bürgermeister als zuständige Baubehörde erster Instanz bewilligt worden sei. Der Bewilligungsbescheid sei mündlich erlassen worden, was gemäß § 62 AVG an seiner Rechtswirksamkeit und Verbindlichkeit nichts ändere. Zum Beweis dafür, dass die Baubewilligung mündlich erteilt worden sei, wurde die Vernehmung des Zeugen F. F. begehrt.
Den die Berufung abweisenden Bescheid der Berufungsbehörde vom hob die belangte Behörde mit Bescheid vom auf, weil auf Grund des Sitzungsprotokolles des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei ersichtlich gewesen sei, dass der Beschluss des Kollegialorgans nicht die notwendige erforderliche Begründung aufgewiesen habe.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom neuerlich ab. Die Falschbezeichnung des Bescheidadressaten im Bescheid erster Instanz sei unbeachtlich gewesen, weil der Bescheid demjenigen zugestellt worden sei, für den er seinem Inhalt nach bestimmt gewesen sei. Auch nach der im Zeitpunkt der behaupteten Errichtung geltenden Rechtslage seien Baubewilligungsbescheide schriftlich zu erlassen gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Sie stellte fest, dass die Beschwerdeführerin im Firmenbuch in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft eingetragen und daher rechtsfähig sei. Insbesondere sei sie befähigt gewesen, den Abbruchbescheid mit einer Berufung zu bekämpfen. Die Bewilligung einer bewilligungspflichtigen baulichen Maßnahme habe sowohl nach der Bauordnung 1976 als auch nach der NÖ BauO 1996 der Schriftform bedurft, eine wie immer geartete mündliche Zusage des Bürgermeisters hätte die schriftliche Baubewilligung nicht zu ersetzen vermocht. Die von den Baubehörden herangezogene Bestimmung des § 35 Abs. 2 Z. 3 erster Fall NÖ BauO 1996 gelange zur Anwendung, weil sich die Werbeanlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Abbruchauftrages als bewilligungspflichtig dargestellt habe und auch eine nachträgliche Bewilligung nicht möglich sei.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unterbleiben eines Abbruchauftrages verletzt. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, dass mit der als Adressatin des Abbruchauftrages bezeichneten "X-Werbung" auch Frau N. X. gemeint sein könnte, die an derselben Zustellanschrift "tätig" sei. Weder der erstinstanzliche Bescheid noch der Berufungsbescheid hätten erkennen lassen, an wen ("natürliche Person? Gesamthandschaft? juristische Person?") er gerichtet gewesen sei, sodass für keinen der allenfalls in Betracht kommenden möglichen Adressaten klar gewesen sei, ob mit dem Bescheid eine Verpflichtung für ihn oder sie begründet worden sei. Daher erweise sich auch der Berufungsbescheid als infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig.
Im Bauauftrag, der durch die Abweisung der Berufung in Rechtskraft erwachsen ist, wird die "X-Werbung" als Adressatin und damit Verpflichtete angeführt; in der Begründung des Bauauftrages wird festgehalten, dass diese Adressatin ("Sie") die Werbetafeln errichtet habe. Schon in ihrer Berufung im ersten Rechtsgang hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass über ihren Antrag die Versetzung der bereits bestehenden Werbetafel bewilligt worden wäre und dass aus dem Bewilligungsbescheid ihr ein Recht erwachsen sei. Sie begehrte damals auch, ihrer Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, und führte dazu aus, dass ihr ein unwiederbringlicher Nachteil entstehe, wenn die Werbetafel abgebrochen würde. An diesem von der Beschwerdeführerin eingeräumten Bezug zur Sache hat sich bis zur Beschwerde nichts geändert; auch in der Beschwerde stellt sie dar, dass sie die Werbetafel errichtet habe. Die unvollständige Bezeichnung des Verpflichteten im Abbruchauftrag (statt "A B. X Werbung" die Bezeichnung "X-Werbung") hinderte nicht, dass der Beschwerdeführerin, die sich als Errichterin des gegenständlichen Objektes bekennt, dieser Abbruchauftrag gegenüber der Beschwerdeführerin erlassen worden ist. Die unvollständige Bezeichnung im erstinstanzlichen Bescheid ist somit eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit des Bescheides, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätte berichtigt werden können; auch eine unrichtige Namensbezeichnung kann nämlich eine solche Unrichtigkeit darstellen, wenn die Identität der Person feststeht (hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/21/0348). In diesem zitierten Erkenntnis wurde es auch als unerheblich angesehen, ob die Behörde tatsächlich eine Berichtigung vorgenommen hat; entscheidend ist auch hier, dass die Person, deren Bezug zur Sache gegeben ist, den Bescheid bekommen und gegen ihn Rechtsmittel ergriffen hat. Allein die unvollständige Namensbezeichnung macht den Bescheid noch nicht rechtswidrig.
Die Baubehörde ist mit einem Abbruchauftrag nach § 35 Abs. 2 NÖ BauO 1996 (BO) vorgegangen; nach dieser Bestimmung hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerkes anzuordnen, wenn (Z. 3) für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Anzeige vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist. Die Behörden sind davon ausgegangen, dass für das errichtete Bauwerk keine Baubewilligung vorliege.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass sie über eine nach den im Zeitpunkt der Errichtung geltenden Bestimmungen gültige Baubewilligung verfüge (dass die Errichtung vor dem erfolgt sein muss, ergibt sich aus einem im Akt erliegenden Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde, mit welchem die "X-Werbung" aufgefordert wurde, eine auf den so genannten Oberen Krautgartenäckern aufgestellte Werbetafel, die konsenslos sei, binnen kürzester Zeit abzutragen). Auch damals hätte eine Baubewilligung der Schriftform bedurft; die Nichtbefolgung dieser Formvorschrift hätte aber nur eine während bestimmter Fristen zu wahrende Nichtigkeit gebildet, wobei eine Aufhebung nicht erfolgt sei.
Die Abs. 3 und 4 des § 118 NÖ BauO 1976 in der Fassung LGBl. 8200-1 (BO alt) lauteten:
"(3) Bescheide auf Grund dieses Gesetzes sind schriftlich zu erlassen.
(4) Bescheide, welche entgegen den Bestimmungen des Abs. 3 und des § 9 Abs. 4, § 10 Abs. 6 und 7, § 18 Abs. 2, § 20, § 99 Abs. 1 und 2, § 99a sowie § 100 Abs. 2 erlassen wurden, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Aufhebung ist jedoch nur möglich
1. in Fällen des § 10 bis zur Durchführung im Grundbuch und
2. in allen übrigen Fällen bis zum Baubeginn gemäß § 106 Abs. 1."
§ 118 Abs. 4 BO alt betrifft Fälle der Vernichtbarkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. d AVG (Hauer/Zaussinger, NÖ BauO4 (1993), 446). Die Beschwerdeführerin vermeint, eine solche Vernichtbarkeit wäre auch im Fall einer bloß mündlich erteilten Baubewilligung auf Grund des dort enthaltenen Verweises auf den Abs. 3 leg. cit. gegeben gewesen.
Dazu führen die Erläuterungen bei Hauer/Zaussinger, aaO, 445, aus:
"Für Bewilligungsbescheide war die Schriftlichkeit schon in § 26 der Bauordnung für Niederösterreich aus 1883 vorgeschrieben; eine (angeblich) mündlich erteilte, jedoch nicht schriftlich beurkundete Baubewilligung wurde vom Verwaltungsgerichtshof schon seit jeher als unwirksam beurteilt (z.B. im Erkenntnis vom 11. 4. 1896, Slg. Nr. 9528). Sollte der Bescheid gemäß § 62 Abs 2 oder 3 AVG schriftlich beurkundet worden sein, dann wäre er nach Abs. 4 für nichtig zu erklären."
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der dort vertretenen Auffassung, dass die Vernichtbarkeit nur den Fall des zwar mündlich erlassenen, aber schriftlich protokollierten Bescheides erfasst, aus folgenden Erwägungen an: Den Verweis des § 118 Abs. 4 auf § 118 Abs. 3 BO alt gibt es seit der NÖ Bauordnung, LGBl. 166/1969. Zuvor galt die Bauordnung für das Land Niederösterreich vom 17. Jänner 1883, LGBl. Nr. 36, deren § 26 vorsah, dass der Gemeindevorsteher die Erledigung des Baugesuches längstens innerhalb 14 Tagen dem Bauwerber schriftlich zu erteilen hätte. In dem bei Hauer/Zaussinger zitierten Erkenntnis vom 11. April 1896 wurde klargestellt, dass einer "ex commissione" erteilten Baubewilligung keine Rechtswirksamkeit zukomme. Es findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber des Jahres 1969 von dieser Formvorschrift insofern abweichen wollte, als er mündliche Baubewilligungen ohne jede Protokollierung dann sanktionieren wollte, wenn sie nicht bis zum Baubeginn beseitigt würden.
Die zitierten Erläuterungen stehen auch im Einklang mit der Lehre von den Mindesterfordernissen eines Bescheides: Nach Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 572, muss die Willensäußerung schriftlich niedergelegt sein; dies bedeute entweder schriftliche Ausfertigung oder - bei mündlicher Verkündigung - schriftliche Beurkundung. Absolute Nichtigkeit liege also vor, wenn ein Bescheid nicht in einer dieser beiden vorgeschriebenen Formen, sondern z.B. telefonisch oder fernschriftlich erlassen werde.
Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3, 227, nennt als Mindestvoraussetzung, dass Bescheide förmlich erlassen werden; soweit das Gesetz eine besondere Form der Erlassung des Bescheides vorsehe, z.B. die schriftliche Erlassung, könne der Bescheid auf andere Weise nicht gültig erlassen werden. Krzizek, System II, 171, führt unter Hinweis auf entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass eine bloß mündlich erteilte Baubewilligung in jenen Fällen, in welchen die Schriftlichkeit vorgeschrieben ist, ein rechtliches Nichts sei; sie erzeuge keinerlei Rechtswirkungen.
Nur für die behauptete mündliche Verkündung hat die Beschwerdeführerin einen Zeugen angeboten; dass der Inhalt und die Verkündung des mündlichen Bescheides in einer Niederschrift beurkundet worden wäre, hat sie nicht einmal behauptet. Die Voraussetzung der Erteilung eines Bauauftrages, dass die Errichtung bewilligungslos erfolgt sei, ist somit zu bejahen.
Da die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen eines Bauauftrages von der Beschwerdeführerin nie in Frage gestellt wurden, erwies sich ihre Beschwerde insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am