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VwGH vom 20.09.2012, 2010/06/0105

VwGH vom 20.09.2012, 2010/06/0105

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des Dr. XY, Rechtsanwalt in Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom , Zl. 06/11 2009/3694, Vz 574/2010PB, betreffend Bestellung zum Vertreter gemäß § 10 Abs. 3 RAO (mitbeteiligte Partei: IZ in Wien; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte begehrt im Verfahren 27C1481/03a des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom Beklagten S. die Bezahlung von Geldbeträgen, weiters stellte sie ein näher formuliertes Feststellungsbegehren. Das Urteil erster Instanz erging am . Nach verschiedenen Verfahrensschritten und Eingaben an die Rechtsanwaltskammer Wien beantragte die Mitbeteiligte die Beigebung eines Rechtsanwaltes gemäß § 10 Abs. 3 RAO.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom bestellte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 RAO zum entgeltlichen Vertreter der Mitbeteiligten in der eingangs angeführten Rechtssache des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien. Der Bescheid enthält weiters den Hinweis, dass hievon der Beschwerdeführer und die Mitbeteiligte verständigt werden, letztere mit dem Bemerken, dass der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung nur gegen Sicherstellung der Vertretungskosten zu übernehmen verpflichtet sei.

Der Beschwerdeführer brachte in weiterer Folge mit dem Hinweis auf seine Bestellung gemäß § 10 Abs. 3 RAO für die Mitbeteiligte eine Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom ein. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, das Berufungsverfahren wurde mit Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Wien vom bis zur rechtskräftigen Klärung eines beim Bezirksgericht Leopoldstadt anhängigen Verfahrens unterbrochen.

Gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Partei hat sich zur Beschwerde geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid enthalte keine Feststellungen über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 10 Abs. 3 RAO. Während Briefpapier, Kuvert und Stampiglie des angefochtenen Bescheides von der Rechtsanwaltskammer Wien als Bescheid erlassende Behörde sprechen, werde unter dem Datum des Bescheides der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien angeführt. Diese widersprüchliche Angabe sei ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid sei auch gänzlich unbegründet und bleibe daher unüberprüfbar. Bei Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wäre die belangte Behörde zu einem anderen Bescheidinhalt gelangt (wird näher ausgeführt).

Gemäß § 10 Abs. 3 Rechtsanwaltsordnung 1945 (RAO), StGBl. Nr. 103/1945 idF BGBl. I Nr. 111/2007, hat der Rechtsanwaltsausschuss einer zahlungsfähigen Partei, deren Vertretung kein Rechtsanwalt freiwillig übernimmt, einen Rechtsanwalt als Vertreter zu bestellen, in welchem Fall dieser gegen Sicherstellung der Vertretungsgebühren die Vertretung übernehmen muss.

Gemäß § 21 Abs. 1 der Geschäftsordnung für die Rechtsanwaltskammer Wien und deren Ausschuss 2008 (kundgemacht auf der Homepage der Rechtsanwaltskammer Wien unter der Internetadresse:

http://www.RAKWien.at/?Seite=AnwaelteundBereich=Ordnungen am ) sind Beschlüsse des Ausschusses im Plenum und in den Abteilungen, die in Form von Bescheiden ergehen, mit einer Begründung und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.

Festzuhalten ist zunächst, dass entgegen dem Beschwerdevorbringen der angefochtene Bescheid eindeutig dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien zuzurechnen ist. Die Verwendung des Briefkopfes "Seit 1850 Rechtsanwaltskammer in Wien" vermag daran nichts zu ändern, steht doch "der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien" am Ende der Erledigung unmittelbar nach dem Datum der Erledigung.

Die Beschwerde ist allerdings im Recht, wenn sie das Fehlen jeglicher Feststellungen und einer Begründung moniert. Der angefochtene Bescheid erschöpft sich darin, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 RAO zum entgeltlichen Vertreter der Mitbeteiligten bestellt werde und die Vertretung nur gegen Sicherstellung der Vertretungskosten zu übernehmen verpflichtet sei. Welche Erwägungen der Bestellung des Beschwerdeführers zu Grunde liegen, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Das gemäß Art. I Abs. 2 lit. B Z. 27 EGVG (u.a.) von Organen gesetzlicher beruflicher Vertretungen, wie dem Ausschuss der Wiener Rechtsanwaltskammer, zu führende "behördliche Verfahren" ist von der Anwendung des AVG ausgenommen. Dies bedeutet aber nicht, dass auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, in diesem behördlichen Verfahren nicht beachtet werden müssen. Der Grundsatz, dass die Bestimmungen des AVG immer dann sinngemäß anzuwenden sind, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimmt, kommt zum Tragen, wenn es um allgemeine, für jedes rechtsstaatliche Verfahren gültige Rechtsgrundsätze geht. Zu diesen Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zählt (auch) die Pflicht zur Begründung von Bescheiden (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1989), S. 40, E 16 zu Art. II EGVG, und die dort angeführte Rechtsprechung). Abgesehen davon sieht § 21 Abs. 1 der Geschäftsordnung für die Rechtsanwaltskammer Wien und deren Ausschuss ausdrücklich vor, dass Bescheide mit einer Begründung zu versehen sind.

Zur fehlenden Begründung der Entscheidung verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, dass nach ihrer Praxis der "§ 10-Abs-3-RAO-Antragsteller" nachweisen müsse, dass zumindest drei Rechtsanwälte abgelehnt hätten, seine Vertretung zu übernehmen. Sei dies der Fall, bestelle der Ausschuss jenes Mitglied der RAK-Wien, das in der Liste für Verfahrenshilfe/Zivilrechtsangelegenheiten als nächstes an die Reihe käme. Diese Vorgangsweise sei allen Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer Wien bekannt, sodass das Fehlen ihrer schriftlichen Darlegung im Bestellungsbescheid keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle.

Die Nachholung der Begründung in der Gegenschrift der belangten Behörde ersetzt allerdings die der Behörde obliegende Verpflichtung, den Bescheid zu begründen nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0193).

Da sich dem angefochtenen Bescheid die von der belangten Behörde angestrebten Überlegungen nicht entnehmen lassen, liegt ein wesentlicher Begründungsmangel vor, weil der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehindert ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-73216