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VwGH vom 11.01.2012, 2010/06/0095

VwGH vom 11.01.2012, 2010/06/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger, und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des L W in A, vertreten durch Dr. Christoph Brenner, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Ringstraße 68, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom , 2 Vk 76/09, betreffend eine Angelegenheit gemäß dem StVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der eine längere Freiheitsstrafe in der Justizanstalt X verbüßt, erhob mit Eingabe vom Beschwerde an die belangte Behörde insbesondere im Hinblick darauf, dass er an diesem Tag als "selbstverschuldet" unbeschäftigt aus dem Arbeitsbetrieb genommen worden sei. Diese angeführte Selbstverschuldung sei unwahr, falsch und willkürlich. Weiters führte er aus, dass er an einem Lehrgang (Kochkurs), der am begonnen habe, teilnehmen habe dürfen. In den Kursferien (Beginn am ) sei er in die Anstaltsküche eingeteilt worden. Als er aufgefordert worden sei, einen Stock tiefer Gemüse zu schneiden, habe er zur Antwort gegeben, dass er das nicht könne. Dass er dabei gegen eine gesetzliche Bestimmung verstoßen haben solle, sei ihm nicht ersichtlich. Er sei dann in seinen Haftraum geschickt worden. Die Justizwachebeamtin K. W. habe ihm in der Folge erklärt, dass er bei Herrn R., der für die Abhaltung des Kurses zuständig gewesen sei, noch eine Chance bekomme, wenn er sich am in der Anstaltsküche zur Arbeit melde. Kurz darauf habe er die Dosis seines Schmerzpflasters verdoppeln lassen, um arbeiten zu können. Am habe er dies der zuständigen Ärztin Dr. P. erklären müssen. Die Frage, ob sie ihn krankschreiben solle, habe er verneint. Eine Stunde später sei er als unbeschäftigt auf "W III" verlegt worden. Im Folgenden rügte er verschiedene Zustände in der Anstaltsküche. Seiner Ansicht nach sei Herr R. damit überfordert. Abschließend ersuchte er in dieser Beschwerde entweder in einem ständigen Haftraum bis zur Entlassung angehalten zu werden, oder, da eine Ausbildung unter Herrn R. nicht möglich sei, einer Strafvollzugsortsänderung zuzustimmen.

Aus den Akten der Justizanstalt X ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am mit der Ausbildung zum Koch mit Lehrabschlussprüfung begonnen hat. Am wurde der Beschwerdeführer zur praktischen Ausbildung in die Küche eingeteilt. Nach der Meldung des Justizwachebeamten A. W. vom verweigerte der Beschwerdeführer die ihm zugeteilte Arbeit in der Küche (nämlich Gemüseputzen). Hierauf habe der die Meldung erstattende Justizwachebeamte A. W. dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er, wenn er das nicht könne, im Haftraum verbleiben könne. Dieser Aufforderung habe der Beschwerdeführer entsprechend Folge geleistet.

Aus einer weiteren Meldung der Justizwachebeamtin K. W. vom an den Anstaltsleiter ergibt sich, dass der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden sei, am in der Anstaltsküche Dienst zu machen, ansonsten wäre man gezwungen, ihn aus gesundheitlichen Gründen aus der Facharbeiterintensivausbildung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe darauf geantwortet, dass ihm dies egal sei. Es wurde in der Folge eine Überprüfung des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit durch den Anstaltsarzt angeordnet. Abschließend wurde in dieser Meldung um Ablöse des Beschwerdeführers ersucht, da er zum wiederholten Male mit seinem negativen Verhalten aufgefallen sei.

Zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers äußerte sich die Anstaltsärztin, der er am vorgeführt worden war, am dahingehend, dass für ihn eine sitzende Tätigkeit empfohlen werde.

Der Beschwerdeführer wurde zu den Vorfällen am einvernommen. Dabei erklärte er insbesondere, dass er sich noch am ein doppeltes Schmerzpflaster habe geben lassen, um wieder arbeiten zu können. Am sei er der Anstaltsärztin vorgeführt worden und habe ihr den Sachverhalt erzählt. Eine Stunde später sei er abgelöst worden und auf WIII gekommen. Er erklärte ausdrücklich, er würde weiter am Kurs teilnehmen wollen, da er arbeiten möchte.

Der Anstaltsleiter teilte der belangten Behörde zur verfahrensgegenständlichen Beschwerde mit, die Entscheidung, dass die "Unbeschäftigung" des Beschwerdeführers verschuldet sei, sei dahingehend abgeändert worden, dass sie als unverschuldet anzusehen sei. Es sei dem Beschwerdeführer der entsprechende Betrag für den Zeitraum vom bis nachträglich gutgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer sei darüber informiert worden.

Aus den vorgelegten Akten ist nicht zu entnehmen, dass der Anstaltsleiter der Justizanstalt X im fraglichen Juli 2009 eine Ablösung des Beschwerdeführers von der Ausbildung angeordnet hätte.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde insbesondere gemäß § 120 Abs. 1 und § 121 Abs. 1 StVG als unzulässig zurück. Sie führte dazu aus, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom moniert habe, zu Unrecht von der Lehrausbildung abgelöst worden zu sein, nachdem er in Folge starker Schmerzen dem Auftrag, Gemüse zu schneiden, nicht nachgekommen sei. Bereits aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich, dass dem Beschwerdebegehren keine Entscheidung des Anstaltsleiters zu Grunde liege. Gemäß § 121 Abs. 1 StVG stehe die Entscheidung über eine Beschwerde der belangten Behörde zu, wenn sich die Beschwerde gegen den Anstaltsleiter oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung wende und der Anstaltsleiter der Beschwerde nicht selbst abhelfe.

Der Vollständigkeit halber hielt die belangte Behörde in ihrer Entscheidung fest, dass nach Einleitung des Ordnungsstrafverfahrens wegen Arbeitsverweigerung eine Stellungnahme der Anstaltsärztin Dr. P., die die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers zum entsprechenden Zeitpunkt festgestellt habe, eingeholt worden sei, das Ordnungsstrafverfahren am eingestellt und vom Anstaltsleiter angeordnet worden sei, dem Beschwerdeführer den Arbeitsverdienstentgang auf sein Konto gutzuschreiben, sodass der Beschwerde von Seiten der Justizanstalt ohnehin abgeholfen worden sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde und Kostenersatz beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Strafvollzugsgesetz BGBl. Nr. 144/1969, idF BGBl. I Nr. 52/2009 (StVG.) zur Anwendung.

Gemäß § 47 Abs. 1 StVG. ist bei der Zuweisung der Arbeit auf den Gesundheitszustand, das Alter, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Strafgefangenen, die Dauer der Strafe, das Verhalten des Strafgefangenen im Vollzuge und sein Fortkommen nach der Entlassung, endlich auch auf seine Neigungen angemessene Rücksicht zu nehmen.

Gemäß § 48 Abs. 1 StVG. sind Strafgefangene, die keinen Beruf erlernt haben oder im erlernten Beruf nicht beschäftigt werden können, in einem ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und womöglich auch ihren Neigungen entsprechenden Beruf auszubilden, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10) mit den Einrichtungen der in Betracht kommenden Anstalten innerhalb der Strafzeit möglich ist.

Gemäß § 120 Abs. 1 StVG. können sich die Strafgefangenen gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Die Beschwerde hat die angefochtene Entscheidung, Anordnung oder das Verhalten zu bezeichnen und die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, soweit sie nicht offenkundig sind, darzulegen.

Gemäß § 121 Abs. 1 StVG. hat über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen der Anstaltsleiter zu entscheiden. Richtet sich die Beschwerde gegen den Anstaltsleiter oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugskammer zu.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte sich bei vollständiger Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ergeben, dass der Beschwerdeführer durch eine Entscheidung bzw. Anordnung des Anstaltsleiters zu Unrecht von der Facharbeiterintensivausbildung ausgeschlossen und demzufolge in seinem subjektiven Recht auf Berufsausübung bzw. Berufsfortbildung gemäß §§ 47 f StVG. verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer führt dabei selbst nicht ins Treffen, wann der Anstaltsleiter der Justizanstalt X diese Entscheidung bzw. Anordnung getroffen haben soll. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist eine solche Entscheidung oder Anordnung des Anstaltsleiters im fraglichen Zeitraum im Juli 2009 nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer ist vielmehr nach einer entsprechenden ärztlichen Untersuchung am als unbeschäftigt gemeldet worden. Die Anstaltsärztin hat in einer Stellungnahme vom zur Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass auf Grund der von ihm angegebenen Schmerzen beim Vorbeugen bzw. Stehen aus medizinischen Gründen eine sitzende Tätigkeit empfohlen werde.

Wenn der Beschwerdeführer zu der Frage, ob der Anstaltsleiter im Juli 2009 eine Entscheidung über die Ablösung des Beschwerdeführers von der Ausbildung getroffen habe, einen Aktenvermerk von der Ausbildungsstelle der Justizanstalt vom ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Beschwerde gemäß § 120 Abs. 1 StVG vom handelt. Eine allfällige Entscheidung bzw. Anordnung des Anstaltsleiters der Justizanstalt, auf die sich diese Beschwerde beziehen soll, müsste daher vor dieser Beschwerde liegen. Wenn der Anstaltsleiter in dem erwähnten Aktenvermerk von Ende Oktober 2009 die Ansicht vertreten hat, dass die Weiterführung der Ausbildung im Hinblick auf den bedenklichen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht sinnvoll erscheine, kann für das Vorliegen einer Anordnung bzw. Entscheidung über die Ablöse von der Ausbildung vor dem nichts gewonnen werden.

Der Beschwerdeführer rügt weiter als widersprüchlich, dass er am von der Facharbeiterintensivausbildung aus medizinischen Gründen abgelöst worden sei, das diesbezügliche Gutachten der Anstaltsärztin sei allerdings erst später, nämlich am , erstattet worden. Für ihn bleibe daher im Dunkeln, auf welcher Grundlage die Ablöse des Beschwerdeführers im Juli 2009 erfolgt sein solle.

Dazu ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Einvernahme am bereits am von der Anstaltsärztin Dr. P. untersucht wurde. Das diesbezügliche Ergebnis hat die Anstaltsärztin dann schriftlich am festgehalten. Es besteht kein Zweifel, dass die Beendigung der praktischen Arbeit in der Anstaltsküche im Juli 2009 aus gesundheitlichen Gründen des Beschwerdeführers, der ja die aufgetragene Arbeit aus solchen Gründen verweigert hat, erfolgte. Auch diese Beendigung der Arbeit in der Küche ist nicht vom Anstaltsleiter verfügt worden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom konkret dagegen gewendet hat, dass er als "selbstverschuldet" aus dem Arbeitsbetrieb im Juli 2009 genommen worden sei, was unwahr, falsch und willkürlich sei. Diesem Beschwerdepunkt hat der Anstaltsleiter, wie er das in seiner Stellungnahme an die belangte Behörde vom dargelegt hat, abgeholfen, indem durch die Leiterin des Rechtsbüros und den Anstaltsleiter festgestellt wurde, dass die Nichtbeschäftigung des Beschwerdeführers als unverschuldet anzusehen sei. Wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass sich der Beschwerdeführer in der diesbezüglichen Beschwerde gegen die Ablöse von der Lehrausbildung gewendet habe, hat sie diese Beschwerde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt weiter interpretiert, als sie tatsächlich verstanden werden kann.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG ungeachtet des diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers Abstand genommen werden. Angelegenheiten über die Gewährung von Vergünstigungen während des Strafvollzuges fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0132, und den in dem hg. Beschluss vom , Zl. 2009/06/0036, wiedergegebenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 443/08-17).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-73202