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VwGH vom 27.04.2015, 2012/11/0073

VwGH vom 27.04.2015, 2012/11/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Dr. W M in P, vertreten durch Prof. Haslinger Partner Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS4-AMB-141/002-2009, betreffend Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums zur Diagnostik und Therapie von Erkrankungen, die durch Veränderungen des Knochenstoffwechsels entstehen. Es sollen Hormonmangelzustände von Frauen und Osteoporose bei Männern und Frauen diagnostiziert und behandelt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 5 iVm § 8 Abs. 1 lit. a NÖ Krankenanstaltengesetz (NÖ KAG) ab. In der Begründung gab die belangte Behörde die eingeholten Stellungnahmen wieder. Zur Feststellung des Einzugsgebietes folgte die Behörde der "schlüssigen und leicht nachvollziehbaren Darstellung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger" und nahm die Bezirke Wien-Umgebung, Baden, Mödling und Tulln als Einzugsgebiet an. Das vom Antragsteller bezeichnete Einzugsgebiet erscheine aufgrund der gegebenen Mobilität von Patienten räumlich zu eng gefasst. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Wirtschaftskammer für Niederösterreich, der Niederösterreichische Gesundheits- und Sozialfonds sowie der Landessanitätsrat für Niederösterreich seien übereinstimmend und schlüssig zum Ergebnis gekommen, dass die bezweckten Leistungen bereits durch "bestehende Leistungsangebote" abgedeckt seien. Die vom Beschwerdeführer dagegen vorgebrachten Argumente würden diese Stellungnahmen nicht entkräften. Weiters ergebe sich auf Grund der Stellungnahmen, dass in keiner der Einrichtungen im Einzugsgebiet längere Wartezeiten bestünden und fast durchgängig eine "taggleiche" Behandlung möglich sei. An der Richtigkeit der Angaben bestehe kein Zweifel, da die Stellungnahmen der sonstigen im Verfahren beizuziehenden Stellen, darunter insbesondere auch die der Wirtschaftskammer für Niederösterreich, übereinstimmten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte die Beschwerde mit Beschluss vom , B 1151/10-7, ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden.

2. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine Bedarfsprüfung nicht ausreiche, bloß den Inhalt eingeholter Stellungnahmen wiederzugeben. Weiters sei das Einzugsgebiet nicht ordnungsgemäß festgestellt worden und entsprechende Feststellungen zur Größe des Einzugsgebietes sowie zur Anzahl, Erreichbarkeit, Betriebsgröße, Ausstattung und Auslastung vergleichbarer Einrichtungen fehlten. Auch sei die belangte Behörde ohne nachvollziehbare Begründung der Stellungnahme des Hauptverbandes und nicht der entgegenstehenden Ansicht des Beschwerdeführers gefolgt.

3. Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes (NÖ KAG), LGBl. 9440-28, lauten auszugsweise:

"§ 5

(1) Liegt ein ordnungsgemäßer Antrag im Sinne des § 4 vor, ist zu erheben, ob ein Bedarf im Hinblick auf den angegebenen Anstaltszweck samt dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowie allfällige Schwerpunkte unter Beachtung der Höchstzahl an systemisierten Betten nach dem Landeskrankenanstaltenplan gegeben ist und gegen den Bewerber keine Bedenken bestehen.

(2) Ergeben die Erhebungen, daß ein Bedarf im Sinne des folgenden Absatzes nicht gegeben ist oder daß gegen den Bewerber Bedenken bestehen, ist der Antrag abzuweisen.

(3) Der Bedarf ist nach den im Einzugsgebiet (§ 4 Abs. 1 lit. a) und in dessen Umgebung vorhandenen Krankenanstalten, deren Belagsmöglichkeit und Entfernung zu der zu errichtenden Anstalt sowie nach den allenfalls vorhandenen Aufzeichnungen über die Häufigkeit der in Frage kommenden Krankheitsfälle, bei Ambulatorien auch nach den in der Umgebung des Standortes des zu errichtenden Ambulatoriums niedergelassenen Ärzten, zu beurteilen.

...

§ 8

(1) Die Bewilligung zur Errichtung ist zu erteilen, wenn

a) nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Kassenvertragszahnärzte und Kassenvertragsdentisten, ein Bedarf gegeben ist;

..."

4.1. In seinem (oben zitierten) Beschluss vom verwies der Verfassungsgerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung zur verfassungsgerichtlichen Unbedenklichkeit einer Bedarfsprüfung hinsichtlich der Errichtung von selbständigen Ambulatorien (VfSlg. 13.023/1992, 15.456/1999, 17.848/2006) und zur vorübergehenden sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Sachverhalten mit und ohne Bezug zum Unionsrecht im Gefolge des , "Hartlauer Handelsgesellschaft mbH", Slg. 2009, I - 1721 (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , G 41, 42/10 ua., und vom , G 290/09 ua.). Vor diesem Hintergrund sieht der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von den in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa die Nachweise im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0046) entwickelten Kriterien der Bedarfsprüfung abzugehen.

4.2. In den von der belangten Behörde zitierten Stellungnahmen des Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds, der Niederösterreichischen Wirtschaftskammer und des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger werden teilweise voneinander abweichend "Standorte" bzw. Orte oder Städte genannt, in denen Knochendichtemessungen bzw. Osteoporose-Therapien durchgeführt würden, es werden jedoch keine Aussagen zur Anzahl, Betriebsgröße oder Ausstattung und Auslastung der an den bezeichneten Orten befindlichen Einrichtungen getroffen. Eigene Feststellungen der belangten Behörde dazu fehlen im gegenständlichen Bescheid gänzlich, und die Feststellung, dass der Bedarf "durch bereits bestehende Leistungsangebote abgedeckt" sei, ist nicht nachvollziehbar begründet.

Im Bedarfsprüfungsverfahren von in diesem Verfahren Parteistellung Genießenden abgegebene Stellungnahmen entbinden die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, eigene nachvollziehbare und schlüssig begründete Feststellungen zu den relevanten Sachumständen zu treffen. An diesen Feststellungen ist die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung zu messen, ohne dass es entscheidend auf Gewicht und inhaltlichen Gehalt der Stellungnahmen ankäme (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0055). Die belangte Behörde hätte sich somit aus Eigenem, allenfalls gestützt auf ein entsprechendes Sachverständigengutachten, ein Bild von der Bedarfssituation (Auslastung bzw. Wartezeiten bei den bestehenden Leistungsanbietern) im - durch nachvollziehbare Aussagen festzustellenden - Einzugsgebiet des beantragten Ambulatoriums verschaffen müssen.

5. Der angefochtene Bescheid war schon alleine aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das den Ersatz der Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-73195