VwGH vom 28.03.2017, Ra 2017/09/0008

VwGH vom 28.03.2017, Ra 2017/09/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die außerordentliche Revision der Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Burgenland in Eisenstadt, vertreten durch Maxl & Sporn Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Ebendorferstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , Zl. E 212/01/2016.002/010, betreffend Einstellung eines Disziplinarverfahrens nach dem LDG 1984 (mitbeteiligte Partei: M H in R, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7400 Oberwart, Wiener Straße 8a; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Kostenantrag der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

1 Der im Jahr 1957 geborene Mitbeteiligte steht als Sonderschullehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Burgenland.

2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Burgenland vom wurde (auf Grund der Disziplinaranzeige vom ) gegen den Mitbeteiligten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des Vorwurfs verfügt, er stehe in dringendem Verdacht gegen § 29 Abs. 1 und 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984), (nämlich) Allgemeine Dienstpflichten, vor allem Vertrauensschädigung der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, verstoßen zu haben, da er am an einem näher bezeichneten Duathlon-Wettkampf teilgenommen habe und bei diesem als Sieger in einer näher umschriebenenLeistungsklasse hervorgegangen sei, obwohl er laut amtsärztlichem Gutachten dienstunfähig gewesen sei. Dies wurde damit begründet, dass der Mitbeteiligte seit an der Ausübung seines Dienstes verhindert gewesen sei; die Teilnahme an einem sportlichen Wettbewerb, insbesondere im Bereich des Hochleistungssports, sei kontraindiziert zu den amtsärztlichen Gutachten vom und vom , worin ihm eine aufrechte Dienstunfähigkeit bescheinigt worden und im erstgenannten Gutachten zudem eine rasche Erschöpfbarkeit im physischen und psychischen Bereich angeführt gewesen sei.

3 Diesen Einleitungsbeschluss hob das Landesverwaltungsgericht auf Grund der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde mit dem (nunmehr) angefochtenen Erkenntnis auf und stellte das Disziplinarverfahren gemäß §§ 87 Abs. 1 Z 2 und 3 sowie 72 Abs. 1 Z 1 LDG 1984 ein. Die Revision gemäß § 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.

4 Zur Begründung der Entscheidung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass ein rechtmäßiger Einleitungsbeschluss neben den sonstigen wesentlichen Sachverhaltselementen der angenommenen Dienstpflichtverletzung auch den Vorwurf der "schuldhaften" Begehung enthalten müsse. Aus den der Disziplinaranzeige angeschlossenen Unterlagen ergebe sich kein Hinweis auf ein schuldhaftes Verhalten des Mitbeteiligten. Die unterstellte Aufgabenverletzung der Dienstpflichten nach § 29 Abs. 1 LDG 1984 sei nicht nachvollziehbar; hinsichtlich des Vorwurfs einer Verletzung von § 29 Abs. 2 leg. cit. habe die revisionswerbende Partei nicht ausgeführt, ob sein Verhalten der Teilnahme am Wettkampf seine unvereinbare Einstellung zum Dienst erkennen lasse. Nach der Aktenlage sei auch nicht erkennbar, ob der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt wusste oder wissen hätte müssen, dass er mit einer Sportwettkampfteilnahme während des Krankenstandes von einer konkreten Pflichtverletzung ausgehen hätte müssen. Nur wenn der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt der Tat gewusst habe oder wissen hätte müssen, dass die inkriminierte Sportausübung seiner Genesung (Wiederherstellung der Dienstfähigkeit) schade, hätte er schuldhaft gehandelt. Mangels Vorhalts einer schuldhaften Begehung durch die revisionswerbende Partei und auch wegen Fehlens eines Hinweises auf ein schuldhaftes Verhalten im Einleitungsbeschluss sei mittlerweile auch Verfolgungsverjährung iSv § 72 Abs. 1 Z 1 LDG 1984 eingetreten und daher das Verfahren einzustellen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Verwaltungsgericht - der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung - erwogen hat:

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach Art. 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision ist zulässig und es kommt ihr im Ergebnis infolge von Begründungsmängeln der angefochtenen Entscheidung auch Berechtigung zu, wenn darin das Abweichen des Verwaltungsgerichtes von den nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu beachtenden Kriterien bei den Inhaltserfordernissen eines Einleitungsbeschlusses sowie die Einstellung des Verfahrens wegen mangelnder Hinweise auf ein schuldhaftes Verhalten moniert wird.

9 Gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist - nach Absatz 2 dieser Bestimmung - dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hierfür berufenen Behörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat (im hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/09/0007, zum inhaltsgleichen § 123 Abs. 2 BDG 1979) zu den inhaltlichen Erfordernissen eines Einleitungsbeschlusses ausgeführt:

"Der Einleitungsbeschluss nach der Rechtslage der Dienstrechts-Novelle 2011 erfüllt auch die Funktion des bisherigen Verhandlungsbeschlusses. Nunmehr sind unter einem gemäß § 123 Abs. 2 BDG 1979 auch die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen, das heißt, dass im Spruch des Einleitungsbeschlusses auch der vom Beschuldigten gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumption unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Insbesondere ist auch klarzustellen, welche Dienstpflichten der Beschuldigte im Einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird, wobei die endgültige rechtliche Subsumption dem das Disziplinarverfahren beendenden Erkenntnis der Disziplinarkommission - die an die rechtliche Würdigung im Einleitungsbeschluss nicht gebunden ist - vorbehalten bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/09/0246, zum Verhandlungsbeschluss vor der Dienstrechts-Novelle 2011)."

11 Für die Einleitung des Verfahrens reicht es somit aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. In dieser Phase des Verfahrens ist nur zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (siehe das Erkenntnis vom ). Seit der Dienstrechts-Novelle 2011 sind im Einleitungsbeschluss auch die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen.

12 Im vorliegenden Fall erfüllt der Einleitungsbeschluss der revisionswerbenden Partei vom diese Kriterien, zumal in seinem Spruch die Tatumstände hinreichend umschrieben sind und unverwechselbar feststeht, welches Verhalten dem Mitbeteiligten konkret zur Last gelegt wird (Teilnahme an einer näher bezeichneten Sportveranstaltung, obwohl er laut amtsärztlichem Gutachten dienstunfähig war), welcher Dienstpflichtverletzung(en) er dadurch verdächtigt wird (wobei die relevierten Pflichten aus § 29 LDG 1984 zitiert werden); ebenso lässt sich diesem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, worin der Vorwurf einer schuldhaft begangenen Verhaltensweise gelegen ist (dazu bedarf es nicht des wörtlichen Vorwurfes eines schuldhaften Verhaltens, sondern es muss dieses aus dem Gesamtinhalt hervorgehen). Damit war dem Mitbeteiligten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigungen gebundene - Disziplinarkommission in der Lage, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen (vgl. etwa auch die hg. Erkenntnisse vom , 88/09/0004, Slg 12.920/A, vom , 96/09/0145, vom , 97/09/0365, vom , 2001/09/0035, und vom , 2003/09/0016, mwN).

13 Gemäß § 87 Absatz 1 LDG 1984 ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn (Z 1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, (Z 2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt, (Z 3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder (Z 4) die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Landeslehrer entgegenzuwirken. Nach Absatz 2 gilt das Disziplinarverfahren als eingestellt, wenn das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.

14 Ein Einleitungsbeschluss darf nicht erlassen werden, wenn die in § 87 Abs. 1 LDG 1984 umschriebenen Gründe zur Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen.

15 § 72 Abs. 1 Z 1 leg. cit. sieht vor, dass ein Landeslehrer wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden darf, wenn gegen ihn nicht innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde zur Kenntnis gelangt ist, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.

16 Wenn das Verwaltungsgericht für den Ausschluss eines Verschuldens des Mitbeteiligten und die Einstellung des Verfahrens nach § 87 Abs. 1 Z 2 und 3 LDG 1984 tragend anführt, dass dem Mitbeteiligten "niemand (insbesondere nicht der Amtsarzt) verboten hat, sich sportlich zu betätigen, sein behandelnder Arzt ihm sogar dazu geraten hat" und "konkret schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass Sport der Genesung und Gesundheit depressiver Personen förderlich ist", so stellt dies ohne ausreichende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen ärztlichen Expertisen und dem Krankheitsbild des Mitbeteiligten, insbesondere den wesentlichen Fragen des Widerspruchs zwischen einer diagnostizierten raschen Erschöpfbarkeit (auch) im physischen Bereich und der erbrachten höhergradigen sportlichen Ausdauerleistung im Krankenstand sowie einer möglichen Schuldhaftigkeit des Mitbeteiligten dahingehend, dass er hätte einsehen müssen, dass die Teilnahme auch ohne ausdrückliches ärztliches Verbot nachteilige Auswirkungen haben könnte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 98/09/0078), der Gesundheitsverträglichkeit der Teilnahme an der Veranstaltung bzw. der behaupteten Heilungsverbesserung und zur Vorwerfbarkeit, auf Grundlage einer erkennbaren Beweiswürdigung keine ausreichende Begründung dar, die eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglicht, ob eine Einstellung geboten erschiene. Sollte aus den bisherigen Ergebnissen eine Einstellung nicht abgeleitet werden können und wären weitere (umfangreichere) Erhebungen - bis hin zur Beiziehung eines geeigneten Sachverständigen zur Feststellung der tatsächlichen Gesundheitssituation des Mitbeteiligten - erforderlich, so sollten diese weiteren Verfahrensschritte erst im eingeleiteten Disziplinarverfahren erfolgen.

17 Soweit im Übrigen das Verwaltungsgericht vermeint, dass mangels eines Hinweises auf ein schuldhaftes Verhalten im Einleitungsbeschluss mittlerweile Verfolgungsverjährung nach § 72 Abs. 1 Z 1 LDG 1984 eingetreten sei, ist ihm zu entgegnen, dass auch ein fehlerhafter Einleitungsbeschluss, der aber (wie hier auch unbestritten) rechtzeitig ist und dann in der Folge aufgehoben wird, zu einem Ausschluss der Verjährung führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/09/0004, VwSlg. 12.920/A).

18 Aufgrund der aufgezeigten Begründungsmängel war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

19 Der Kostenantrag der revisionswerbenden Partei war abzuweisen, da nach § 47 Abs. 4 VwGG der Revisionswerber bzw. der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 bis 4 und Abs. 8 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben.

Wien, am

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Schlagworte:
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Begründung Begründungsmangel

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