VwGH vom 28.05.2008, 2008/03/0015

VwGH vom 28.05.2008, 2008/03/0015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des O S in O, Deutschland, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl VwSen-110753/16/Kl/Pe, betreffend eine Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 23 Abs 1 Z 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) iVm Art 3 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 für schuldig erkannt. Er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der B. GmbH am gegen 12.30 Uhr auf der Innkreisautobahn A 8, Amtsplatz der Zollstelle Suben, mit einem nach den Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeug, das von einem Staatsangehörigen eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) gelenkt worden sei, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland durchgeführt, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt worden sei. Wegen dieser Übertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 67 Stunden) verhängt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Gütertransport mit einer gültigen Gemeinschaftslizenz vom , gültig vom bis durchgeführt worden sei. Eine CEMT-Genehmigung sei nicht vorgelegt worden. Laut CMR-Frachtbrief sei der Transport durch die B GmbH durchgeführt worden. Der türkische Lenker habe seinen ordentlichen Wohnsitz in der Türkei, sei bei einem türkischen Unternehmen beschäftigt und werde von diesem Unternehmen der B GmbH zur Verfügung gestellt. Letztere stelle ihrerseits Lkw an das türkische Unternehmen zur Verfügung. Der türkische Lenker verfüge über keinen Wohnsitz in Deutschland und über kein in Deutschland aufrechtes Beschäftigungsverhältnis.

Der Beschwerdeführer sei verantwortlicher Geschäftsführer der

B GmbH, für die die beim Transport vorgelegte Gemeinschaftslizenz ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe im Zuge des Berufungsverfahrens eine Urkunde vom vorgelegt, welche von ihm (für die B. GmbH) sowie von EU unterzeichnet gewesen sei und mit der EU, Prokurist der B. GmbH, als verantwortlicher Beauftragter mit Wirkung ab für den örtlichen Teilbereich Transitverkehr zwischen Deutschland - Österreich - Ungarn - Rumänien - Bulgarien und Türkei bestellt worden sei. EU übernehme damit die Verantwortung für den Einsatz und die Schulung der Fahrer, für den ordnungsgemäßen Zustand der eingesetzten Fahrzeuge, sowie für die ordnungsgemäße Beladung derselben. Ausdrücklich werde EU gegenüber den in diesem Bereich tätigen Mitarbeitern eine entsprechende selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis erteilt. Als Verantwortungsbereiche seien in dieser Urkunde genannt:

"1. ordnungsgemäßer Zustand der eingesetzten Fahrzeuge

und ordnungsgemäße Abwicklung und Kontrolle der Ladung und

Transporte.

2. Kontrolle, Belehrung und Schulung der Fahrer."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass gemäß Art 3 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 484/2002 der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates sei - mit einer Fahrerbescheinigung unterliege. Gemäß Art 3 Abs 3 dieser Verordnung werde die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art 6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz sei und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes seien, rechtmäßig beschäftige oder Fahrer rechtmäßig einsetze, die Staatsangehörige eines Drittstaates seien und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt würden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt worden seien.

Gemäß § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG begehe eine Verwaltungsübertretung, wer als Unternehmer nicht dafür sorge, dass die gemäß der genannten Verordnung erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt würden. Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Fall nicht dafür gesorgt, dass die erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt werde. Soweit der Beschwerdeführer seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung bestreite, sei ihm entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs 2 und 4 VStG die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten bzw der Zustimmungsnachweis einen klar bestimmten, räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich zu enthalten habe. Werde die vom Beschwerdeführer vorgelegte Vereinbarung vom herangezogen, so sei ihr zwar ein räumlich abgegrenzter Bereich, nämlich der Transitverkehr zwischen Deutschland - Österreich - Ungarn - Rumänien - Bulgarien und Türkei, zu entnehmen und auch der sachlich abgegrenzte Bereich "Einsatz und Schulung der Fahrer, ordnungsgemäßer Zustand der eingesetzten Fahrzeuge sowie die ordnungsgemäße Beladung derselben". Eine Verantwortlichkeit für die Fahrerbescheinigungen bzw das Mitführen der Fahrerbescheinigungen gehe jedoch daraus nicht hervor. Es sei daher von keiner Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit an EU in Bezug auf Fahrerbescheinigungen auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen das von der belangten Behörde angenommene Erfordernis des Mitführens einer Fahrerbescheinigung durch den Lenker des gegenständlichen Gütertransports. Der Lenker sei in keinem Beschäftigungsverhältnis zur B. GmbH gestanden, sondern sei in der Türkei beschäftigt und habe auch dort seinen ordentlichen Wohnsitz. Weiters übersehe die belangte Behörde, dass weder der B. GmbH noch einem anderen Unternehmen als Arbeitgeber auf Grund der Rechtsansicht der deutschen Behörden Fahrerbescheinigungen gemäß Art 3 und 6 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 ohne weiteres erteilt würden.

Im Hinblick auf das Erfordernis der Fahrerbescheinigung gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der dem hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0221, zu Grunde lag. Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung als nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

2. Dem Beschwerdevorbringen kommt jedoch insoweit Berechtigung zu, als es sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung der vorgelegten Urkunde über die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG wendet.

Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach § 9 Abs 2 VStG können die zur Vertretung nach außen Berufenen für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellen.

§ 9 Abs 4 VStG sieht vor, dass verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein kann, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer im Verfahren (in Kopie) vorgelegte Urkunde, bei der es sich nach seinen Angaben um eine am geschlossene Vereinbarung zwischen der B. GmbH und deren Prokuristen EU handelte, schon deshalb als nicht geeignet angesehen, die Bestellung von EU zum verantwortlichen Beauftragten im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu dokumentieren, da der räumlich und sachlich abgegrenzte Bereich des Unternehmens, für den EU die Verantwortung im Sinne des § 9 Abs 2 VStG übertragen worden sei, nicht auch die Verantwortung für das Mitführen der Fahrerbescheinigung umfasst habe. Die weiteren Voraussetzungen für die wirksame Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten wurden vor diesem Hintergrund von der belangten Behörde nicht mehr geprüft.

Der belangten Behörde kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass die nach dem Wortlaut der in Kopie vorgelegten Urkunde ausdrücklich unter Bezugnahme auf die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 9 VStG erfolgte Übertragung der Verantwortung im vorliegenden Fall nicht auch die Verantwortlichkeit im Hinblick auf das Mitführen der Fahrerbescheinigung umfasste. Nach dieser Urkunde wurde dem Prokuristen der B. GmbH EU die Verantwortung für den Einsatz der Fahrer im Transitverkehr (unter anderem in Österreich) übertragen, eine selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis erteilt und die Verpflichtung auferlegt, die gesetzlichen Bestimmungen unter anderem für den Einsatz der Fahrer für die B. GmbH zu erfüllen. EU nahm mit dieser Vereinbarung auch zur Kenntnis, dass ihn die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für Verstöße gegen Rechtsvorschriften in den ihm übertragenen Bereichen trifft und er hat der Übertragung der Verantwortung ausdrücklich zugestimmt. Die Verpflichtung, für das Mitführen der Fahrerbescheinigung zu sorgen, zählt damit entgegen der Ansicht der belangten Behörde zu dem nach dem Wortlaut der in Kopie vorgelegten Urkunde an EU übertragenen Verantwortungsbereich und musste nicht gesondert angeführt werden (vgl dazu auch das hg Erkenntnis vom , Zl 94/09/0171, wonach es bei einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 letzter Satz VStG für bestimmte räumliche oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens nicht erforderlich ist, jede einzelne Anordnungsbefugnis anzuführen).

Die vorgelegte Urkunde war somit jedenfalls nach ihrem äußeren Anschein geeignet, die Bestellung des Prokuristen EU zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG auch für die hier verfahrensgegenständliche Verpflichtung, für das Mitführen der Fahrerbescheinigung zu sorgen, zu belegen. Hatte die belangte Behörde Zweifel betreffend die Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunde, so wäre sie gehalten gewesen, dies - ebenso wie das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG - im Verfahren zu überprüfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am