VwGH vom 16.10.2012, 2012/11/0047
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der Ärztekammer für Kärnten in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Gernot Murko und Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6/I, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 14-Ges-563/3/2009, betreffend Errichtungs- und Betriebsbewilligung für ein selbständiges Ambulatorium (mitbeteiligte Partei: P L in K, vertreten durch Dr. Robert Mogy, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 41), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm eine sanitätsbehördliche Errichtungsbewilligung erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit Schriftsatz vom , ergänzt mit Schriftsatz vom , beantragte der Mitbeteiligte, ein Facharzt für Allgemeinchirurgie, die Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums an der Adresse seiner bisherigen (als "Zentrum für Gesundheit und Ästhetik" bezeichneten) chirurgischen Ordination. Als Leistungsumfang gab er "chirurgische Eingriffe bis zu einem Schwierigkeitsgrad, ab dem eine stationäre Versorgung des Patienten notwendig ist", an. Der Leistungskatalog umfasst invasive Therapien (v.a. kosmetische Operationen in Lokalanästhesie) und non-invasive Therapien (diverse ästhetische Behandlungen). Das Ambulatorium sei für "ein gewisses Segment an privaten Patienten" bestimmt und es würden "spezielle Leistungen angeboten, die von der Sozialversicherung nicht gedeckt sind und daher vom Patienten direkt bezahlt und mit diesem auch direkt verrechnet werden". Verträge mit den österreichischen Sozialversicherungen würden nicht angestrebt. Das Einzugsgebiet für derartige Leistungen sei überregional und international.
Die belangte Behörde holte im Ermittlungsverfahren zur Beurteilung des Bedarfs die Stellungnahmen des Landessanitätsrates für Kärnten, der Wirtschaftskammer Kärnten und der Beschwerdeführerin ein. Während die Wirtschaftskammer keine Stellungnahme abgab, hielt der Landessanitätsrat in seiner Sitzung vom fest, im Hinblick auf die am erfolgte Bewilligung "einer Privatkrankenanstalt mit 20 Betten mit einem chirurgischen Angebot, welches sich auch auf ambulante Leistungen erstreckt", sei ein Bedarf für das beantragte Ambulatorium nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin verneinte in ihrer Stellungnahme das Vorliegen eines Bedarfs im Wesentlichen mit dem Argument, das Leistungsspektrum des beantragten Ambulatoriums würde sowohl von Kassenvertragsärzten als auch in tageschirurgischer Weise von Belegspitälern bereits abgedeckt, ohne dass wesentliche Wartezeiten oder Beschwerden von Patienten über ein unzureichendes Angebot vorlägen.
Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erteilte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten "gemäß § 6 Abs. 2 der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 (K-KAO), LGBl. Nr. 26/1999, idgF LGBl. Nr. 61/2008, die sanitätsbehördliche Errichtungsbewilligung für eine Privatkrankenanstalt/Chirurgisches Ambulatorium in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums im Sinne des § 2 Ziffer 7 K-KAO" sowie gemäß § 15 Abs. 1 K-KAO unter näher bezeichneten Bedingungen und Auflagen die sanitätsbehördliche Betriebsbewilligung; mit Spruchpunkt II. wurde die "Bewilligung zum Betriebe (Arbeitsstättenbewilligung)" erteilt.
Zur für die Errichtungsbewilligung maßgeblichen Bedarfsprüfung führte die belangte Behörde begründend aus, der Mitbeteiligte habe in seinem Antrag einen überregionalen Bedarf und nicht ausschließlich einen Bedarf der Kärntner Bevölkerung angegeben. Neben einer Vielzahl kleinerer Behandlungen habe er im Jahr rund 300 nennenswerte chirurgische Eingriffe in seiner Ordination vorgenommen. Wenn auch der Bedarf für die beantragte Einrichtung zur Erbringung ambulanter operativer Leistungen für Privatpatienten in regionaler Hinsicht nicht seriös feststellbar sei, so sei der überregionale Bedarf jedenfalls gegeben.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher insbesondere vorgebracht wird, die belangte Behörde habe die Bedarfssituation mangelhaft beurteilt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat darauf repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Ausgehend vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom , C-169/07, welches aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofs ergangen war, hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall mit Beschluss vom , Zl. A 2010/0032-1 (2009/11/0075), gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 9 Abs. 2 lit. a der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 (K-KAO), LGBl. für Kärnten Nr. 26/1999 (WV), in der Fassung LGBl. Nr. 61/2008 , als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Erkenntnis vom , G 61/10, G 82/10 und G 120/10, abgewiesen.
2. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach den im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgeblichen Bestimmungen der K-KAO zu beurteilen, die auszugsweise lauten:
"§ 2
Einteilung der Krankenanstalten
Die Krankenanstalten werden eingeteilt in
1. ...
...
7. selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige, vierundzwanzig Stunden nicht überschreitende Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist.
...
II. Abschnitt
Errichtung und Betrieb
§ 6
Bewilligung zur Errichtung
(1) Krankenanstalten können von physischen oder juristischen Personen errichtet und betrieben werden.
(2) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf der Bewilligung der Landesregierung. Anträge auf Erteilung der Bewilligung haben den Anstaltszweck (§ 2) zu bezeichnen und das in Aussicht genommene Leistungsangebot offenzulegen. Der Antragsteller hat jene Sozialversicherungsträger, für die anzunehmen ist, daß ihnen infolge ihrer voraussichtlichen Betroffenheit gemäß § 11 Abs 2 Parteistellung im Bewilligungsverfahren zukommen wird, namhaft zu machen.
(3) ...
…
§ 9
Sachliche Voraussetzungen
(1) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt darf nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen nach Abs 2 und die Mindestanforderungen nach Abs 3 erfüllt werden.
(2) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt darf nur erteilt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
a) es muss nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot unter Berücksichtigung aller versorgungswirksamen Kapazitäten ein Bedarf gegeben sein;
b) der Bewerber muss das Eigentum oder ein sonstiges Recht an der für die Krankenanstalt in Aussicht genommenen Betriebsanlage nachweisen, das ihm die längerfristige und unbehinderte Benützung der Betriebsanlage gestattet;
c) das für die Unterbringung der Krankenanstalt vorgesehene Gebäude muß den bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften entsprechen und nach seiner Lage und Beschaffenheit für die Art der vorgesehenen Krankenanstalt geeignet sein.
(3) ...
…
§ 11
Einholung von Stellungnahmen
(1) Im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt ist ein Gutachten des Landeshauptmannes einzuholen, das zum Antrag vom Standpunkt der sanitären Aufsicht Stellung nimmt. Hiebei ist der Landessanitätsrat zu hören.
(2) Im Verfahren gemäß Abs 1 haben die gesetzlichen Interessenvertretungen privater Krankenanstalten und betroffene Sozialversicherungsträger, bei selbständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Kärnten, sowie bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Zahnärztekammer hinsichtlich des zu prüfenden Bedarfes (§ 9 Abs 2 lit a) Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht gemäß Art. 131 Abs 2 B-VG Beschwerde zu erheben.
…
§ 15
Betriebsbewilligung
…"
2. Die vorliegende Beschwerde, die sich erkennbar nur gegen die mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Errichtungsbewilligung nicht aber gegen die Betriebsbewilligungen richtet, ist im Hinblick auf das der Beschwerdeführerin nach § 11 Abs. 2 K-KAO hinsichtlich des nach § 9 Abs. 2 lit. a K-KAO zu prüfenden Bedarfs eingeräumte Recht zur Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG zulässig.
3. Die Beschwerde ist auch begründet:
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. aus vielen das Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0079, mit Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2002/11/0226, mwN, sowie jüngst das Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0046) ist ein Bedarf für die Errichtung eines Ambulatoriums dann als gegeben anzusehen, wenn durch die Errichtung dieses Ambulatoriums bzw. durch Veränderungen des Leistungsangebotes die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständige Ambulatorien ist nach dieser Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Dabei ist jedoch Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben ist.
Bei der Bedarfsprüfung sind nach der zitierten Judikatur die im Einzugsgebiet des Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen. Die Größe des Einzugsgebietes hängt unter anderem wesentlich vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise ab, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen (z.B. allgemein- oder zahnmedizinischen Leistungen) das Einzugsgebiet kleiner ist als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen.
Vor diesem Hintergrund erfordert die Prüfung der Bedarfslage Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums sowie darüber, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen Untersuchungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten) erforderlich (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2004/11/0079).
3.2. Weder finden sich derartige Feststellungen im angefochtenen Bescheid noch ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich, dass die belangte Behörde eine Bedarfserhebung im beschriebenen Sinn durchgeführt hätte.
Die belangte Behörde stützt ihre Feststellung, es sei ein überregionaler Bedarf "für die beantragte Einrichtung zur Erbringung ambulanter operativer Leistungen für Privatpatienten … jedenfalls gegeben", lediglich auf die (unbelegte) Angabe des Mitbeteiligten und bezeichnet die Einwände der Beschwerdeführerin (sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Gegenschrift) als "allgemein und nicht nachvollziehbar". Damit verkennt sie, dass es ihre Aufgabe gewesen wäre, den Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium anhand der dafür maßgebenden, oben dargestellten Kriterien zu beurteilen.
3.3. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen bedurfte, in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG.
Wien, am