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VwGH vom 09.02.2018, Ra 2017/08/0136

VwGH vom 09.02.2018, Ra 2017/08/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Mag. M B in Wien, vertreten durch MMag. Maria Größ, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W162 2122554-1/11E, betreffend Berichtigung der Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Höhe der Notstandshilfe der Revisionswerberin für Zeiträume zwischen dem und in näher bezeichneter Weise berichtigt. Es führte begründend aus, die am geborene Revisionswerberin sei vom bis als Beamtin beim Amt der Akademie der bildenden Künste beschäftigt gewesen. Ab dem habe sie Überbrückungshilfe und ab bis erweiterte Überbrückungshilfe bezogen. Die (diesbezügliche) Bemessungsgrundlage habe EUR 3.051,02 betragen.

2 Vom bis sei sie insgesamt 196 Tage in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Im Jahr 2004 sei sie insgesamt 128 Tage beim ORF beschäftigt gewesen. Das Gesamteinkommen im Jahr 2004 habe inklusive Sonderzahlungen EUR 2.493,09 betragen.

3 Ein am gestellter Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung von Notstandshilfe sei von der belangten Behörde in einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld umgedeutet worden. Die belangte Behörde habe ihrer Bemessung der Notstandshilfe (in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen) zunächst jene Bemessungsgrundlage zu Grunde gelegt, die für die Gewährung der Überbrückungshilfe herangezogen worden sei. Auf Grund des Antrages der Revisionswerberin auf Übergangsgeld im August 2015 sei ihr gesamter Versicherungsverlauf überprüft worden. Dabei sei die belangte Behörde zum Schluss gekommen, dass das (arbeitslosenversicherungspflichtige) Einkommen der Revisionswerberin des Jahres 2004 als Bemessungsgrundlage heranzuziehen gewesen wäre.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob für die Berechnung des Arbeitslosengeldes und in weiterer Folge für die der Notstandshilfe gemäß § 21 Abs. 8 AlVG auch eine Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei, die aus dem Bezug einer Überbrückungshilfe nach den Bestimmungen des Überbrückungshilfengesetzes (ÜHG) stamme. Auch unter der Annahme, dass sich die Revisionswerberin immer in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis befunden habe und daher Arbeitslosengeld anstelle der Überbrückungshilfe bezogen hätte, sei § 21 Abs. 8 AlVG nicht anwendbar. Die Revisionswerberin habe am das 45. Lebensjahr vollendet und zu diesem Zeitpunkt erweiterte Überbrückungshilfe bezogen. Am habe sie einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt. Der Bemessungsgrundlagenschutz iSd § 21 Abs. 8 AlVG stelle auf jenes Entgelt ab, das zum Zeitpunkt des nach Erreichen der genannten Altersgrenze erstmals gestellten Antrags auf Arbeitslosengeld maßgeblich gewesen sei. Er habe sodann für weitere zu einem späteren Zeitpunkt - und damit insbesondere nach einer aufgenommenen Beschäftigung - gestellte Anträge Geltung. Da die Revisionswerberin erstmals nach Vollendung des 45. Lebensjahres am einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt habe, sei ihr Einkommen des Jahres 2004 als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

6 § 1 bis 3 ÜHG lauten:

"§ 1. (1) Scheidet ein Bundesbediensteter, der von der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 2 lit. a oder b des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, ausgenommen ist, nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes aus dem Bundesdienstverhältnis aus, ohne daß ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe- oder Versorgungsbezug besteht, so ist ihm auf Antrag für die Zeit, während der er das Arbeitslosengeld erhalten würde, wenn er während der Dauer des Bundesdienstverhältnisses arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen wäre, eine Überbrückungshilfe zu gewähren.

(2) Dem ehemaligen Bundesbediensteten kann auf Antrag nach Ablauf des Zeitraumes, für den ihm die Überbrückungshilfe nach Abs. 1 zusteht, für die Zeit, während der er die Notstandshilfe erhalten würde, wenn er während der Dauer des Bundesdienstverhältnisses arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen wäre, eine erweiterte Überbrückungshilfe gewährt werden.

(3) Wären bei arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung die Voraussetzungen für den Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG oder den Kranken- und Pensionsversicherungsanspruch gemäß § 34 AlVG erfüllt, so ist an Stelle des Übergangsgeldes gemäß § 39a AlVG eine besondere Überbrückungshilfe und an Stelle des Kranken- und Pensionsversicherungsanspruches gemäß § 34 AlVG ein besonderer Kranken- und Pensionsversicherungsanspruch zu gewähren. Soweit die Regelungen für das Übergangsgeld dem Arbeitslosengeld entsprechen, sind auf die besondere Überbrückungshilfe die Regelungen dieses Bundesgesetzes für die Überbrückungshilfe anzuwenden. Soweit die Regelungen für das Übergangsgeld von den Regelungen für das Arbeitslosengeld abweichen, zB hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und der Leistungshöhe des Grundbetrages, sind auf die besondere Überbrückungshilfe die Regelungen für das Übergangsgeld anzuwenden.

§ 2. (1) Auf die Überbrückungshilfe, die erweiterte Überbrückungshilfe, die besondere Überbrückungshilfe sowie den besonderen Kranken- und Pensionsversicherungsanspruch ist, soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, das AlVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 6, 45, 71 Abs. 1, 74, 75, 77 und 78 anzuwenden, wobei die Überbrückungshilfe dem Arbeitslosengeld, die erweiterte Überbrückungshilfe der Notstandshilfe, die besondere Überbrückungshilfe dem Übergangsgeld und der besondere Kranken- und Pensionsversicherungsanspruch dem Kranken- und Pensionsversicherungsanspruch gemäß § 34 AlVG entspricht.

(2) Erfüllt der ehemalige Bundesbedienstete zufolge der zu geringen Dauer des letzten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses die Anwartschaft im Sinne des § 14 AlVG nicht, so ist bei der Ermittlung der Anwartschaftszeit für die Überbrückungshilfe und bei der Ermittlung der Bezugsdauer der Überbrückungshilfe die Dauer von vorangegangenen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen der öffentlich-rechtlichen Dienstzeit zuzurechnen.

(3) Soweit den Beziehern von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe Zuschläge und Zuschüsse zu diesen Leistungen gewährt werden, haben auch die Bezieher entsprechender Leistungen nach diesem Bundesgesetz Anspruch auf gleichartige Zuschläge und Zuschüsse.

§ 3. § 1 ist auf ehemalige Bundesbedienstete nur bis zu dem Zeitpunkt anzuwenden, in dem diese einen Anspruch auf entsprechende Leistungen nach dem AlVG erwerben."

7 § 21 AlVG lautet in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 67/2013 auszugsweise:

"§ 21. (1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. (...)

(...)

(8) Hat ein Arbeitsloser das 45. Lebensjahr vollendet, so ist abweichend von Abs. 1 ein für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogenes monatliches Bruttoentgelt auch bei weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld so lange für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes heranzuziehen, bis ein höheres monatliches Bruttoentgelt vorliegt."

8 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe die Anwendbarkeit des Bemessungsgrundlagenschutzes des § 21 Abs. 8 AlVG nicht im Hinblick auf eine Überbrückungshilfe nach ÜHG geprüft, sondern die unrichtige Meinung vertreten, § 21 Abs. 8 AlVG wäre auf den vorliegenden Sachverhalt auch unter der Annahme nicht anwendbar, dass sich die Revisionswerberin immer in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis befunden und daher Arbeitslosengeld und nicht Überbrückungshilfe bezogen hätte. Zur Rechtsfrage, ob gemäß § 21 Abs. 8 AlVG ausschließlich ein für die Bemessung des Arbeitslosengeldes herangezogenes Entgelt geschützt sei oder auch ein für die Bemessung der Überbrückungshilfe herangezogenes Entgelt im Hinblick auf einen späteren Arbeitslosengeldbezug, liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor.

9 Die Revision ist zulässig, jedoch aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

10 Ein "Bemessungsgrundlagenschutz" iSd § 21 Abs. 8 AlVG gilt dann, wenn Arbeitslosengeld nach Vollendung des 45. Lebensjahres bezogen wird, die betreffende Person danach wiederum eine der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegende Beschäftigung aufnimmt und später erneut arbeitslos wird (). Die Bestimmung hat den Zweck, dass diese älteren Arbeitnehmer bei Aufnahme einer geringer bezahlten Beschäftigung nicht ein Absinken ihrer Bemessungsgrundlage für einen allfälligen künftigen Arbeitslosengeldbezug befürchten müssen ().

11 § 21 Abs. 8 AlVG stellt auf ein monatliches Bruttoentgelt ab, das für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogen wurde. Ein monatliches Bruttoentgelt, das für die Bemessung des Grundbetrages einer Überbrückungshilfe herangezogen wurde, kann diesem Tatbestandserfordernis nicht gleichgehalten werden. Anders als etwa beim Weiterbildungsgeld oder beim Bildungsteilzeitgeld, die gemäß § 14 Abs. 7 AlVG im Hinblick auf eine weitere Inanspruchnahme dem Arbeitslosengeld gleichgestellt werden, ist eine derartige Gleichstellung der Überbrückungshilfe nicht vorgesehen; die Gleichstellungsbestimmung des § 2 ÜHG ist nur bei der Gewährung von Überbrückungshilfe, nicht aber bei der Gewährung von Arbeitslosengeld anzuwenden. Dementsprechend bestimmt § 3 ÜHG, dass § 1 ÜHG auf ehemalige Bundesbedienstete nur bis zu dem Zeitpunkt anzuwenden ist, in dem diese einen Anspruch auf entsprechende Leistungen nach dem AlVG erwerben (; , 2007/08/0091). Eine Einbeziehung der Bemessungsgrundlagen, die den Überbrückungshilfen zu Grunde liegen, in den Bemessungsgrundlagenschutz nach dem AlVG, würde einseitig zu Lasten der Gemeinschaft der Arbeitslosenversicherten gehen, weil der höheren Bemessungsgrundlage keine entsprechenden Beitragsleistungen gegenüberstehen.

12 Das ab von der damals bereits im

48. Lebensjahr stehenden Revisionswerberin auf Grund ihrer in der Zeit vom bis erworbenen Anwartschaft erstmals bezogene Arbeitslosengeld stellt eine von der Überbrückungshilfe unabhängige Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld dar, zu der eine frühere günstigere Bemessungsgrundlage, die iSd § 21 Abs. 8 AlVG hätte geschützt werden können, nicht vorhanden ist.

13 Da bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Revision ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017080136.L00

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