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VwGH vom 21.11.2013, 2012/11/0042

VwGH vom 21.11.2013, 2012/11/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der Wirtschaftskammer Salzburg in Salzburg, vertreten durch Berlin Partner Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Arenbergstraße 2, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 20901-AMB/74/159-2008, betreffend Änderung (Erweiterung) des Leistungsangebotes einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums (mitbeteiligte Partei: Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH in Salzburg, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unter Spruchpunkt I. ihres Bescheides vom erteilte die Salzburger Landesregierung der mitbeteiligten Partei (als Rechtsträgerin der privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums unter der Bezeichnung "Institut für Sportmedizin des Landes Salzburg") die Bewilligung für die Änderung (Erweiterung) des Leistungsangebotes um den Bereich "ambulante Rehabilitation der Indikationsgruppe Herz-/Kreislauferkrankungen und Krankheiten der Atmungsorgane (= kardiovaskuläre und kardiopulmonale Indikationen)". Als Rechtsgrundlagen waren § 14 Abs. 2 lit. c iVm. § 7 Abs. 1 des Salzburger Krankenanstaltengesetzes 2000 (SKAG) angegeben. In der Begründung führte die Salzburger Landesregierung, auf das Wesentliche zusammengefasst, aus, der Bedarf nach der Erweiterung des Leistungsangebotes im umschriebenen Umfang sei gegeben.

Gegen diesen Bescheid (nur dessen Spruchpunkt I.) richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Ausgehend vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom , C-169/07, welches aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofs ergangen war, hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall mit Beschluss vom , Zl. A 2010/0031-1, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des SKAG (LGBl. Nr. 24/2000 (WV) idF. der Novelle LGBl. Nr. 112/2006, in eventu idF. der Novelle LGBl. Nr. 91/2005) über die Bedarfsprüfung bei der Errichtung von privaten Krankenanstalten in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums und der Erweiterung ihres Leistungsangebotes als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Erkenntnis vom , G 61/10, G 82/10 und G 120/10, abgewiesen.

1.2. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach den im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgeblichen Bestimmungen des SKAG (LGBl. Nr. 24/2000 (WV) idF. der Novelle LGBl. Nr. 112/2006) zu prüfen, welche wie folgt lauten (auszugsweise):

"Einteilung der Krankenanstalten

§ 2

(1) Die Krankenanstalten werden eingeteilt in:

...

7. selbstständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien, Tageskliniken und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbstständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer stationären Aufnahme nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbstständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn es über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist, und die Entlassung noch am Tag der Aufnahme erfolgt.

...

Bewilligung zur Errichtung

§ 5

(1) Krankenanstalten können von physischen oder juristischen Personen errichtet werden.

(2) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf der Bewilligung der Landesregierung.

...

Sachliche Voraussetzungen

§ 7

(1) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt darf weiters nur erteilt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

a) es muss Bedarf nach einer Krankenanstalt mit dem beabsichtigten Anstaltszweck und Leistungsangebot (§ 2) bestehen.

Der Bedarf ist zu beurteilen:

1. nach der Anzahl, der Betriebsgröße und der Verkehrslage der vergleichbaren gemeinnützigen Krankenanstalten oder sonstigen Krankenanstalten, die Verträge mit Trägern der sozialen Krankenversicherung abgeschlossen haben;

2. bei Allgemeinen Krankenanstalten, Sonderkrankenanstalten und Sanatorien überdies unter Bedachtnahme auf die bestehenden Sonderklassen der gemeinnützigen Krankenanstalten und auf das Erfordernis, diese Krankenanstalten wirtschaftlich zu führen;

3. bei selbstständigen Ambulatorien auch im Hinblick auf das bestehende Versorgungsangebot durch Ambulanzen der unter Z 1 fallenden Krankenanstalten, niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen;

4. bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Kassenvertragszahnärzte und Kassenvertragsdentisten;

b) der Bewerber muss das Eigentum oder ein sonstiges Recht an der für die Krankenanstalt in Aussicht genommenen Betriebsanlage nachweisen, das ihm die zweckentsprechende Benützung der Betriebsanlage gestattet;

c) das für die Unterbringung der Krankenanstalt vorgesehene Gebäude muss den bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften entsprechen und nach seiner Lage und Beschaffenheit für die Art der vorgesehenen Krankenanstalt geeignet sein.

...

Parteien im Verfahren, Einholung von Stellungnahmen

§ 9

(1) In Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt haben neben dem Antragsteller folgende Körperschaften hinsichtlich des nach § 7 Abs 1 lit a zu prüfenden Bedarfes Parteistellung (§ 8 AVG) und das Recht der Beschwerde gemäß Art 131 Abs 2 B-VG:

a) die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten;

...

Veränderung der Krankenanstalt

§ 14

(1) Jede Veränderung der Krankenanstalt ist der Landesregierung anzuzeigen.

(2) Einer Bewilligung der Landesregierung bedürfen alle wesentlichen Veränderungen im Anstaltszweck und Leistungsangebot, in der Organisation der Krankenanstalt, im räumlichen Bestand sowie in der apparativen und sonstigen sachlichen Ausstattung. Als solche wesentliche Änderungen gelten insbesondere:

...

c) eine Änderung des Leistungsangebotes der Krankenanstalt;

...

Im Bewilligungsverfahren sind die §§ 8 bis 12 und bei Änderungen gemäß lit a bis d und g auch § 7 sinngemäß anzuwenden. Bei Fondskrankenanstalten ist an Stelle der Bedarfsprüfung (§ 7 Abs 1 lit a) zu prüfen, ob die Änderung mit dem Salzburger Landeskrankenanstaltenplan übereinstimmt. Die Bewilligung kann nur bei gegebener Übereinstimmung erteilt werden. Bei Fondskrankenanstalten ist die Bewilligung weiters nur dann zu erteilen, wenn die vorgesehenen Strukturqualitätskriterien erfüllt sind.

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass wegen der von der mitbeteiligten Partei geplanten Änderung des Leistungsangebotes des von ihr betriebenen selbständigen Ambulatoriums eine wesentliche Änderung der bestehenden Krankenanstalt iSd. § 14 Abs. 2 lit. c SKAG vorliegt, weshalb die Erteilung der beantragten Bewilligung nur in Betracht kommt, wenn gemäß § 7 SKAG ein Bedarf nach dem zusätzlichen Leistungsangebot gegeben ist.

2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Nachweise im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0046) ist ein Bedarf nach einem Ambulatorium dann gegeben, wenn dadurch die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständige Ambulatorien ist nach der Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung etwa zu Einrichtungen für physikalische Therapie eine Wartezeit von zwei Wochen in nicht dringenden Fällen für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0046). Von einem Bedarf nach einem weiteren Ambulatorium könne nämlich dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten bei den im Einzugsgebiet des Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zwei Wochen nicht übersteigen, wobei ein Überschreiten um einige Tage in einzelnen Fällen nicht schadet, und wenn Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden.

Die Größe des Einzugsgebietes hängt nach der zitierten Judikatur auch wesentlich vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise ab, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen (z.B. allgemein- oder zahnmedizinischen Leistungen) das Einzugsgebiet kleiner ist als bei nicht so häufig in Anspruch genommenen Facharztleistungen (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/11/0101, vom , Zl. 2012/11/0045, und vom , Zl. 2011/11/0029).

Vor diesem Hintergrund erfordert die Prüfung der Bedarfslage mängelfreie Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums (zur dabei heranzuziehenden Anfahrtszeit z.B. bei einem Ambulatorium für Physiotherapie, Heilmassagen, Lymphdrainagen etc. vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis Zl. 2011/11/0029 ) sowie darüber, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen Leistungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten) erforderlich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/11/0079, und vom , Zl. 2012/11/0047).

2.2.2.1. Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid die Annahme zugrunde, das Einzugsgebiet umfasse die Bezirke Salzburg Umgebung, Stadt Salzburg und Hallein. Dagegen bringt auch die Beschwerde nichts vor. Der Verwaltungsgerichtshof legt diese Sachverhaltsannahmen zum Versorgungsgebiet seiner weiteren Beurteilung zugrunde.

2.2.2.2. Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, lässt der angefochtene Bescheid jegliche Feststellungen über die für Patienten bestehenden Wartezeiten im Versorgungsgebiet vermissen. Auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde eine Bedarfserhebung im beschriebenen Sinn durchgeführt hätte. Der von der belangten Behörde angenommene Bedarf wird im angefochtenen Bescheid auch nicht begründet. Schon aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als mit einem relevanten Verfahrensmangel behaftet.

Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, haben im Verwaltungsverfahren die Rechtsträger dreier bestehender Ambulatorien Stellungnahmen dahin abgegeben, dass sie im Wesentlichen dasselbe Leistungsangebot hätten wie das geplante erweiterte Ambulatorium der mitbeteiligten Partei, dass sie freie Kapazitäten hätten und es überdies keine Wartzeiten für die Patienten gebe. Auf dieses Vorbringen geht die Begründung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise ein. Es fehlen auch jegliche Feststellungen zum Ausmaß des bestehenden Leistungsangebots von Anstaltsambulanzen und niedergelassenen Ärzten mit Kassenvertrag.

2.2. Da die belangte Behörde verkannt hat, welche Ermittlungen und Feststellungen eine Bedarfsprüfung nach § 7 Abs. 1 SKAG erfordert, war der angefochtene Bescheid schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-73150