VwGH vom 20.03.2012, 2012/11/0041
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der Ärztekammer für Wien, vertreten durch Spitzauer Backhausen Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 40 - GR - 1 - 3406/2007, betreffend krankenanstaltenrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: K GmbH in Wien, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für Kinderheilkunde an einem näher genannten Standort in Wien gemäß § 4 Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 - Wr. KAG, LGBl. Nr. 23/1987 in der geltenden Fassung, und schrieb mehrere Auflagen vor.
In der Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die gegenständliche Bewilligung sei nur dann zu erteilen, wenn der Bedarf des beantragten Ambulatoriums gegeben sei. Die Bedarfsprüfung habe sie nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen vorzunehmen. Ein Bedarf sei dann anzunehmen, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert werde. Danach werden in der Begründung des angefochtenen Bescheides die zum Antrag eingelangten Stellungnahmen wiedergegeben. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme zum gegenständlichen Antrag ausgeführt, dass an der Errichtung des gegenständlichen Ambulatoriums kein Bedarf bestehe, weil die bestehende pädiatrische Versorgung durch näher genannte Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde, die in Kooperation mit anderen Vertragseinrichtungen der Krankenkasse das von der mitbeteiligten Partei beantragte Leistungsspektrum abdeckten, ausreichend sei.
Im angefochtenen Bescheid werden sodann Befund und Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen vom wiedergegeben, in welchen von dem im Antrag der Mitbeteiligten umschriebenen Leistungsangebot ausgegangen wird. Demnach diene das geplante selbständige Ambulatorium ausschließlich der Untersuchung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürften. Nach dem Antrag werde die bestehende Einzelordination des Dr. H., der auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert sei, in ein selbständiges Ambulatorium umgewandelt werden. Es sei beabsichtigt, dass dort das bisherige Leistungsangebot des Dr. H. - organisatorisch verbessert und in einem größeren Umfang als bisher - erbracht werde. Das künftige Leistungsangebot des beantragten Ambulatoriums umfasse demnach nicht nur die medizinische Untersuchung und Behandlung aus den Bereichen Kinder- und Jugendheilkunde, sondern auch in den Bereichen Kinderorthopädie und Rehabilitation sowie Kinderchirurgie. Neben diesen Leistungen sollen auch Untersuchungen und Behandlungen aus den Bereichen Kinderphysiotherapie mit Schwerpunkt auf Behindertenbetreuung, Kinderergotherapie, Logopädie und Kinderpsychologie angeboten werden. Auf Grund der durchgehenden Anwesenheit mehrerer Fachärzte und Therapeuten während der Öffnungszeiten des Ambulatoriums komme es zu einer organisatorischen Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten. Zu diesem Zwecke sollen im gegenständlichen Ambulatorium zwei Fachärzte sowie ein Ausbildungsarzt für Kinder- und Jugendheilkunde, ein Facharzt für Kinderorthopädie und ein Facharzt für Kinderchirurgie sowie ein Kinderpsychologe, ein Physiotherapeut, ein Ergotherapeut und ein Logopäde tätig sein. Die geplanten Öffnungszeiten seien Montag bis Freitag 09.00 bis 18.00 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10.00 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 16.00 Uhr. Es werde sichergestellt, dass stets zumindest zwei Ärzte gleichzeitig tätig seien.
Die medizinische Sachverständige habe in ihrem Gutachten auf ein im Antrag der Mitbeteiligten genanntes "Gesundheitsvorsorgekonzept für Kinder und Jugendliche in Wien", erstellt von der G. GmbH am , hingewiesen. In dieser Studie, die sich mit der ärztlichen Versorgung für Kinder und Jugendliche beschäftige, werde u.a. der Frage nachgegangen, aus welchem Grund viele Patienten bei der Primärversorgung eine der Spitalsambulanzen Wiens aufsuchten. Die Studie biete dafür insofern mehrere Antworten, als dort einerseits festgestellt werde, dass eine Gegenüberstellung von Kassenfachärzten und Bevölkerungsverteilung eine "tendenzielle Unterversorgung" des 2., 10. und 21. Wiener Gemeindebezirkes zeige. Außerdem werde die starke Inanspruchnahme von Spitalsambulanzen in der Studie darauf zurückgeführt, dass die Öffnungszeiten und der Zugang im niedergelassenen Bereich nicht an die Bedürfnisse der Patienten angepasst seien, was vor allem für den Nachmittag und Abend zutreffe.
Diese in der genannten Studie aufgezeigte Versorgungslücke werde durch das gegenständlich beantragte Ambulatorium im Hinblick auf die beantragten Öffnungszeiten nach Ansicht der Amtssachverständigen abgedeckt.
Die medizinische Amtssachverständige habe im Rahmen ihres Gutachtens zur Bedarfsfrage Stellung genommen und ausgeführt, dass dazu eine wienweite Erhebung bei allen Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde mit Kassenverträgen durchgeführt worden sei. Dabei seien mittels Fragebogen einerseits die bestehenden Ordinationszeiten und andererseits das Vorhandensein jener Fachärzte und Therapeuten ermittelt worden, wie sie im geplanten Ambulatorium beabsichtigt seien. Das Ergebnis dieser Erhebung zeige, dass ein Großteil der niedergelassenen Kinderfachärzte auf Grund der naturgemäß nicht vorhandenen personellen Ressourcen nicht jene langen Öffnungszeiten bieten könne, wie sie im gegenständlichen Ambulatorium vorgesehen seien. Die beantragte Krankenanstalt biete somit eine "kundenfreundliche und patientInnenorientierte Versorgung". Die genannte Erhebung habe laut Gutachten überdies gezeigt, dass nur ein geringer Anteil der bereits niedergelassenen Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde ein mit dem gegenständlichen Ambulatorium vergleichbares Spektrum an Diagnostik und Therapie (auf den Gebieten Kinderorthopädie, Kinderchirurgie, Kinderpsychologie usw.) anbiete. Schließlich spreche für den Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium laut Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen auch, dass einer der Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde im geplanten Ambulatorium über Fremdsprachenkenntnisse (serbokroatisch und türkisch) verfüge, was angesichts des zunehmenden Migrantenanteils an der Wiener Bevölkerung eine wertvolle Bereicherung darstelle. Zusammenfassend sei die medizinische Amtssachverständige daher unter Berücksichtigung ihrer Erhebungen sowie des genannten Gesundheitsversorgungskonzepts zur Ansicht gelangt, dass ein Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium bestehe.
Im Anschluss an diese Wiedergabe des Gutachtens gab die belangte Behörde die dazu eingelangten Stellungnahmen der Parteien wieder und führte aus, "der Sachverhalt" (den die belangte Behörde offenbar mit den wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen gleichsetzt) sei in rechtlicher Hinsicht wie folgt zu beurteilen:
Maßgeblich für die Beurteilung des hier entscheidungsrelevanten Bedarfs am beantragten Ambulatorium sei, ob durch dessen Errichtung die ärztliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Wien wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert werde. Dabei sei nicht bloß auf die bestehende pädiatrische Versorgung im
2. Wiener Gemeindebezirk (geplanter Standort) abzustellen, weil entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht einzelne Bezirke, sondern das ganze Wiener Stadtgebiet und eventuell auch Einzugsgebiete über die Stadtgrenze hinaus als Einzugsgebiet zu berücksichtigen seien. Das gegenständliche Ambulatorium sei nämlich in verkehrstechnisch günstiger Lage direkt bei der U 2-Station Taborstraße gelegen.
Was nun den konkreten Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium betreffe, sei zunächst auf das im medizinischen Amtssachverständigengutachten behandelte "Gesundheitsvorsorgekonzept" für Kinder- und Jugendliche vom zu verweisen, das dem Antrag der mitbeteiligten Partei angeschlossen gewesen sei. Auf der Basis dieses Berichtes könne, wenn man die "Anzahl der KassenfachärztInnen auf diesem medizinischen Gebiet der Bevölkerungsverteilung gegenüberstellt", von einer "tendenziellen Unterversorgung" des 2., 10. und 21. Wiener Gemeindebezirkes ausgegangen werden. An der Aussagekraft dieser Studie aus dem Jahre 2004 habe sich für die Bedarfsfrage im Jahr 2008 nichts geändert, weil das durchschnittliche Patientenaufkommen aus demografischer Sicht etwa konstant geblieben sei und weil sich seither auch an den Öffnungszeiten der niedergelassenen Kinderärzte keine strukturelle Verbesserung ergeben habe.
Mit der Bewilligung der Errichtung des gegenständlichen Ambulatoriums werde nach den Angaben der Mitbeteiligten der bisherige Facharzt für Kinder und Jugendheilkunde Dr. H. seinen Kassenvertrag zurücklegen, es komme daher zu einer "Umwandlung der Einzelordination in ein selbständiges Ambulatorium". Das Leistungsangebot werde dadurch nicht nur organisatorisch verbessert, sondern es komme durch das Vorhandensein von Fachärzten aus den genannten Gebieten Kinderorthopädie, Kinderchirurgie usw. "unter einem Dach" zu einer Verbesserung und Erleichterung der Versorgung der Patienten. So habe die medizinische Sachverständige dargelegt, dass nur ein geringer Teil der niedergelassenen Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde ein vergleichbares Spektrum an Diagnostik und Therapie anbiete. Obwohl das nunmehrige Leistungsangebot des geplanten Ambulatoriums über den Umfang der Ordination des Dr. H. hinausgehe, habe die Ordination den Bedarf bisher doch im Kernbereich der Kinder- und Jugendheilkunde gedeckt.
Ausgehend vom medizinischen Sachverständigengutachten werde es, so die belangte Behörde weiter, durch die geplanten Öffnungszeiten des Ambulatoriums zu einer Entlastung der Spitalsambulanzen am Abend und an den Wochenenden kommen, es sei "somit eine Verkürzung der Wartezeiten zu erwarten". Außerdem würden die Fremdsprachenkenntnisse der im geplanten Ambulatorium tätigen Ärzte laut Gutachten zu einer Verbesserung für die Patienten führen.
Soweit die Beschwerdeführerin jedoch eingewendet habe, die belangte Behörde habe es verabsäumt, die Wartezeitsituation der Patienten zu erheben, könne ebenfalls auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen in Bezug auf das genannte "Gesundheitsversorgungskonzept" verwiesen werden.
Festzuhalten sei schließlich, dass die Beschwerdeführerin bei der Wiener Gebietskrankenkasse um die Ausschreibung einer Gruppenpraxis im 2. Bezirk ersucht habe, womit sie selbst den Bedarf an einer Ausweitung der kinderärztlichen Versorgung am geplanten Standort offensichtlich bejahe.
Insgesamt sei daher der Schluss zu ziehen, dass durch die neu zu errichtende Krankenanstalt die ärztliche Versorgung im gegenständlichen Fachgebiet wesentlich erleichtert und intensiviert werde und zu einer Entlastung der Spitalsambulanzen führen werde. Der Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium als Voraussetzung für die gegenständliche Errichtungsbewilligung sei daher zu bejahen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus Anlass zweier bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren, in denen die Bedarfsprüfungsbestimmungen u.a. des Wr. KAG einschlägig waren, hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Feber 2007, Zlen. EU 2007/11/0001, EU 2007/11/0002-1, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG u. a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Anwendung der genannten Bedarfsprüfungsbestimmungen der Art. 43 (iVm Art. 48) EG entgegen steht.
Mit Urteil vom , C-169/07, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hiezu Folgendes:
"Nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Krankenanstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, steht Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG entgegen, sofern sie nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterwerfen und sofern sie nicht auf einer Bedingung beruhen, die geeignet ist, der Ausübung des Ermessens durch die nationalen Behörden Grenzen zu setzen."
Ausgehend vom zitierten Urteil des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall (in dem es nicht um grenzüberschreitende Tätigkeiten der Mitbeteiligten geht, sondern um die Erbringung medizinischer Leistungen am Sitz der Mitbeteiligten in Wien) mit Beschluss vom , Zl. 2008/11/0178, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 4 Abs. 2 lit. a des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987 - Wr. KAG, LGBl. für Wien Nr. 23 idF der Novelle LGBl. Nr. 16/2007, als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Erkenntnis vom , G 61/10-5 u.a., abgewiesen.
Vor diesem Hintergrund ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach den im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgebenden Bestimmungen des Wr. KAG zu beurteilen, die auszugsweise lauten:
"§ 1
(1) Unter Krankenanstalten (Heil- und Pflegeanstalten) sind Einrichtungen zu verstehen, die
1. zur Feststellung und Überwachung des Gesundheitszustands durch Untersuchung,
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2. | zur Vornahme operativer Eingriffe, |
3. | zur Vorbeugung, Besserung und Heilung von Krankheiten durch Behandlung, |
4. | zur Entbindung oder |
5. | für Maßnahmen medizinischer Fortpflanzungshilfe bestimmt sind. |
(2) Ferner sind als Krankenanstalten auch Einrichtungen anzusehen, die zur ärztlichen Betreuung und besonderen Pflege von chronisch Kranken bestimmt sind.
(3) Krankenanstalten im Sinne der Abs. 1 und 2 sind:
...
7. selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist.
...
§ 4
(1) Krankenanstalten bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung als auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung. Anträge auf Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt haben den Anstaltszweck (§ 1 Abs. 3) und das vorgesehene Leistungsangebot genau zu bezeichnen.
(2) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt im Sinne des Abs. 1 darf unbeschadet der nach sonstigen Rechtsvorschriften geltenden Erfordernisse nur unter den nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft und nach den Erfordernissen für einen einwandfreien Krankenanstaltsbetrieb notwendigen Bedingungen und Auflagen und nur dann erteilt werden, wenn
a) nach dem angegebenen und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassenen Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Kassenvertragszahnärzte und Kassenvertragsdentisten, ein Bedarf gegeben ist;
...
6) Im Bewilligungsverfahren nach Abs. 2 haben die gesetzliche Interessensvertretung privater Krankenanstalten und betroffene Sozialversicherungsträger, bei selbständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Wien bzw. bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Ärztekammer hinsichtlich des nach Abs. 2 lit. a zu prüfenden Bedarfs Parteistellung nach § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG.
...
§ 7
1) Jede geplante räumliche Veränderung einer Krankenanstalt ist der Landesregierung anzuzeigen.
(2) Wesentliche Veränderungen, auch der apparativen Ausstattung oder des Leistungsangebotes, bedürfen der Bewilligung der Landesregierung. Im Verfahren darüber ist der § 4 sinngemäß anzuwenden.
..."
Zunächst ist festzuhalten, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheides die Bewilligung zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums ist, für die das Vorliegen eines Bedarfs gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG Voraussetzung ist. Die Beschwerde der Ärztekammer für Wien wendet sich gegen die behördliche Annahme des Vorliegens des Bedarfes am gegenständlichen Ambulatorium und ist somit gemäß § 4 Abs. 6 Wr. KAG zulässig.
Die Beschwerdeführerin wendet in ihrer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zusammengefasst ein, das von der medizinischen Sachverständigen dem Gutachten und von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte "Gesundheitsversorgungskonzept für Kinder und Jugendliche in Wien" vom sei - nicht zuletzt mangels Aktualität im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - nicht geeignet, den Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium zu bejahen. Ebenso wenig lasse sich der Bedarf aus den geplanten langen Öffnungszeiten des Ambulatoriums oder aus den Fremdsprachenkenntnissen der dort tätigen Ärzte ableiten. Entscheidend für das Vorliegen des Bedarfs sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr, ob durch die Errichtung der Krankenanstalt die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentliche gefördert werde. Dafür seien Feststellungen über die gegebenen Wartezeiten bei den vorhandenen Leistungserbringern im Einzugsgebiet nötig, solche Feststellungen habe die belangte Behörde aber nicht getroffen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0119, mit Verweis auf das Erkenntnis , Zl. 2002/11/0226, mwN) ist ein Bedarf an einem selbständigen Ambulatorium dann als gegeben anzusehen, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständige Ambulatorien ist nach dieser Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Ambulatorium kann demnach dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden. Dabei ist jedoch Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben ist.
Bei der Bedarfsprüfung sind nach der zitierten Judikatur die im Einzugsgebiet des Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen. Die Größe des Einzugsgebietes hängt unter anderem wesentlich vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise ab, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen (z.B. allgemein- oder zahnmedizinischen Leistungen) das Einzugsgebiet kleiner ist als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen; bei solchen ist einem Patienten eine längere Anreise zuzumuten als bei Inanspruchnahme von allgemeinmedizinischen Leistungen.
Nach dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0119, ist nicht entscheidend, ob die im Einzugsgebiet des geplanten Ambulatoriums niedergelassenen Ärzte bzw. sonstigen Einrichtungen jeweils das gesamte von diesem in Aussicht genommene Leistungsspektrum anbieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/11/0075); der Hinweis auf die - aus Sicht des Patienten allenfalls angenehmere - Konzentration ärztlicher Leistungen in einem selbständigen Ambulatorium rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme eines Bedarfes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0318).
Vor diesem Hintergrund erfordert die Prüfung der Bedarfslage Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums des Mitbeteiligten sowie darüber, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen Untersuchungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten) erforderlich (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0119).
Im vorliegenden Beschwerdefall ist die belangte Behörde, was zunächst das für die Bedarfsermittlung wesentliche Einzugsgebiet betrifft, davon ausgegangen, das gegenständliche Ambulatorium sei verkehrstechnisch günstig direkt an einer U Bahn-Station im
2. Wiener Gemeindebezirk gelegen. Ausgehend einerseits vom medizinischen Leistungsangebot für Kinder und Jugendliche, das zu den häufig in Anspruch genommenen Leistungen zählt, und andererseits von dem in der Nähe des Stadtzentrums gelegenen Standort des Ambulatoriums und der guten Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ist es vom Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde nicht bloß einzelne Wiener Gemeindebezirke, sondern das ganze Wiener Stadtgebiet (und, wenngleich nicht näher umschrieben, jenseits der Stadtgrenze liegende Gebiete) zum Einzugsgebiet gerechnet hat. Auch die Beschwerde geht davon aus, dass im vorliegenden Fall im Wesentlichen das ganze Wiener Stadtgebiet zum Einzugsgebiet zähle.
Die Beschwerde ist allerdings zielführend, soweit sie rügt, die belangte Behörde habe den Bedarf des gegenständlichen Ambulatoriums bejaht, ohne die Wartezeiten bei den bestehenden Leistungserbringern gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG festzustellen.
Wie bereits dargestellt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als - wichtigster - Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einwand unterlassener Feststellungen zu den Wartezeiten die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zum genannten "Gesundheitsversorgungskonzept" entgegengehalten. Daraus ist für die belangte Behörde freilich schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dieser Bericht, soweit er dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt wurde, inhaltliche Aussagen über das konkrete Ausmaß von Wartezeiten bei den im § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG genannten Leistungserbringern ebenso wenig enthält wie das medizinische Sachverständigengutachten. Aufgrund des Umstandes, dass dieses "Gesundheitsversorgungskonzept" aus dem Jahr 2004 stammt, liegt es außerdem auf der Hand, dass diese Studie noch keine Angaben über Fakten (hier: Wartezeiten) bezogen auf den hier maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides enthalten kann (vgl. zur Klärung der Bedarfslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0028).
Daran können die übrigen Ausführungen im medizinischen Sachverständigengutachten nichts ändern, weil weder die von der Sachverständigen erhobene Anzahl niedergelassener einschlägiger Fachärzte im Verhältnis zur Bevölkerungsverteilung noch deren Öffnungszeiten den für die Bedarfsfrage wesentlichen Indikator der Wartezeiten ersetzen können (vgl. auch zur Unerheblichkeit eines abstrakten Versorgungsschlüssels das zitierte Erkenntnis Zl. 2007/11/0028).
Der im angefochtenen Bescheid hervorgehobene Umstand, dass im gegenständlichen Ambulatorium im Unterschied zu den meisten niedergelassenen Fachärzten ein breites Spektrum an Diagnostik und Therapie "unter einem Dach" angeboten werde, mag aus der Sicht des Patienten eine durchaus angenehme Konzentration ärztlicher Leistungen darstellen. Diesem Umstand kommt aber nach der hg. Rechtsprechung bei der Klärung der Bedarfsfrage nicht die gleiche Bedeutung zu, wie dem entscheidenden Kriterium der Wartezeiten, die Patienten bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen in Kauf nehmen müssen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0119, mwN).
Gleiches gilt im Übrigen für den Umstand, dass einige der im gegenständlichen Ambulatorium beschäftigten Fachärzte über Fremdsprachenkenntnisse verfügen und damit Vorteile für Patienten mit Migrationshintergrund bieten.
Soweit in den Gegenschriften unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0228, ausgeführt wird, die Ermittlung der Wartezeiten habe für die Klärung der Bedarfsfrage auch deshalb unterbleiben können, weil das gegenständliche Ambulatorium die bestehende Ordination eines Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde ersetzen werde, so ist darauf hinzuweisen, dass dem letztzitierten Erkenntnis ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Im vorliegenden Fall geht es nämlich (anders als im letztzitierten Erkenntnis) nicht um die bloße Weiterführung eines bereits bestehenden Leistungsangebotes einer Facharztordination durch ein Ambulatorium, sondern, wie im angefochtenen Bescheid wiederholt hervorgehoben wird, auch um eine Erweiterung des Leistungsangebotes in den Bereichen Kinderorthopädie, Kinderchirurgie usw. (vgl. § 7 Abs. 2 Wr. KAG zur Bedarfsprüfung auch bei wesentlicher Veränderung des Leistungsangebotes).
Da die belangte Behörde somit den Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium nicht an Hand der dafür maßgebenden Kriterien beurteilt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am